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VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0055

VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0055

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
12010E267 AEUV Art267;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs1;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs5;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs6;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs7;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4;
32005D0370 AarhusKonvention Art2;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs3;
32010L0075 Industrie-Emissions-RL;
32011L0092 UVP-RL;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
62003CJ0459 Kommission / Irland;
62004CJ0344 IATA und ELFAA VORAB;
62009CJ0240 Lesoochranarske zoskupenie VORAB;
62012CJ0404 Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe ;
62014CJ0137 Kommission / Deutschland;
AVG §42;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §15;
RS 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Räumt Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) oder die WRRL als solche einer Umweltorganisation in einem Verfahren, das keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) unterliegt, Rechte ein, zu deren Schutz sie nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (Aarhus-Übereinkommen), Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren hat?

Bei Bejahung der Frage 1:

2. Ist es nach den Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens geboten, diese Rechte bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend machen zu können oder genügt die Möglichkeit einer Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde?

3. Ist es zulässig, dass das nationale Verfahrensrecht (§ 42 AVG) die Umweltorganisation - so wie andere Verfahrensparteien auch - dazu verhält, ihre Einwendungen nicht erst in einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht, sondern bereits im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden rechtzeitig geltend zu machen, widrigenfalls sie ihre Parteistellung verliert und auch keine Beschwerde mehr an das Verwaltungsgericht erheben kann?
Normen
RS 1
Nach Art. 132 Abs. 1 B-VG können nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde bei einem VwG geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde. Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein VwG hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen. Der Verlust der Parteistellung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde führt daher in einem Bewilligungsverfahren auch zum Verlust der Beschwerdelegitimation an das VwG.
Normen
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4;
32005D0370 AarhusKonvention Art6 Abs1 litb;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs2;
32005D0370 AarhusKonvention art9 abs3;
62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
RS 2
Mit der Parteistellung einer Umweltorganisation in einem wasserrechtlichen Verfahren hat sich der , auseinandergesetzt. Die Umweltorganisation hätte nur dann ein Recht aus Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus auf Beteiligung am Bewilligungsverfahren, um dort einen etwaigen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2000/60 geltend zu machen, wenn das nationale Gericht zu dem Schluss gelangen sollte, dass das Vorhaben, um das es im Ausgangsverfahren geht, iSv Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieses Übereinkommens eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben könnte, insbesondere auf den Zustand der betreffenden Gewässer. Sollte das nationale Gericht hingegen zu dem Schluss gelangen, dass das Vorhaben, um das es im Ausgangsverfahren geht, keine erhebliche Auswirkung auf den Zustand der betreffenden Gewässer haben kann, stünde der Umweltorganisation nur das Recht auf Anfechtung gemäß Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus zu. Die Anwendung des Art. 9 Abs. 2 oder Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens hängt davon ab, ob das verfahrensgegenständliche Vorhaben iSv Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieses Übereinkommens eine "erhebliche Auswirkung" auf die Umwelt, hier auf den Zustand der betreffenden Gewässer, haben könnte. So wäre eine Beteiligung einer Umweltorganisation bereits im Bewilligungsverfahren vor der Behörde dann geboten, wenn das verfahrensgegenständliche Vorhaben eine solche "erhebliche Auswirkung" auf die Umwelt haben könnte. Wenn dies nicht der Fall wäre, stünde der Umweltorganisation lediglich das Recht auf Anfechtung der behördlichen Entscheidung vor dem VwG zu.
Normen
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4;
32005D0370 AarhusKonvention Art6 Abs1 litb;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs2;
32005D0370 AarhusKonvention art9 abs3;
62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
RS 3
Liegt in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren eine "erhebliche Auswirkung" auf den Zustand der betroffenen Gewässer vor, ist Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens anzuwenden und es ist eine Umweltschutzorganisation bereits im behördlichen Verfahren als Partei beizuziehen. Die Umweltorganisation muss auch in einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht eine Verletzung von nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie von unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union geltend machen können. Für den Fall, dass von vornherein nicht mit "erheblichen Auswirkungen" auf die Umwelt zu rechnen ist, also im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens hat die Umweltorganisation (lediglich) das Recht, eine Entscheidung, mit der möglicherweise ein gegen die Verpflichtung aus Art. 4 RL 2000/60 verstoßendes Vorhaben bewilligt wird, bei einem Gericht anzufechten (vgl. , Protect).
Normen
32005D0370 AarhusKonvention art9 abs3;
62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
RS 4
Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als solcher verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, ein Recht auf Beteiligung -

als Partei des Verfahrens - an einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zu gewähren. Etwas anderes gilt, wenn nach dem einschlägigen nationalen Recht die Parteistellung eine zwingende Voraussetzung für die Erhebung einer Klage gegen die am Ende des Verwaltungsverfahrens ergehende Entscheidung ist. Stellt das nationale Recht nämlich eine solche Verknüpfung zwischen der Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren und dem Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, her, kann die Stellung als Partei nicht verwehrt werden. Sonst hätte dieses Recht keine praktische Wirksamkeit, ja wäre ausgehöhlt, was nicht mit Art. 9 Abs. 3 legcit iVm Art. 47 GRC vereinbar wäre (vgl. , Protect). Das österreichische Recht stellt aber eine solche Verknüpfung her. In Fällen, in denen eine Verknüpfung zwischen bestehender (aufrechterhaltener) Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren und dem Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz besteht, hat eine Umweltorganisation daher auch im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention im verwaltungsbehördlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung, sonst hätte dieses Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz keine praktische Wirksamkeit. Die Umweltorganisationn hat daher im Falle des Anwendungsbereichs des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention ein Recht auf Teilnahme bereits am behördlichen Verfahren (vgl. , Protect).
Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art52 Abs1;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4;
32005D0370 AarhusKonvention art9 abs3;
62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB;
AVG §42;
AVG §8;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
RS 5
Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus sieht ausdrücklich vor, dass für Rechtsbehelfe gemäß dieser Bestimmung ‚Kriterien' festgelegt werden können. Die Mitgliedstaaten können im Rahmen des ihnen insoweit überlassenen Gestaltungsspielraums also grundsätzlich verfahrensrechtliche Vorschriften über die Voraussetzungen der Einlegung solcher Rechtsbehelfe erlassen. Bei der Festlegung der Modalitäten gerichtlicher Rechtsbehelfe zum Schutz der durch die RL 2000/60 eingeräumten Rechte müssen die Mitgliedstaaten aber die Beachtung des in Art. 47 der GRC, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bekräftigt, verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht gewährleisten. An sich steht Art. 9 Abs. 3 legcit einer Ausschlussregelung wie der des § 42 AVG, nach der von dem durch die Stellung als Partei begründetem Recht, Einwendungen zur Beachtung der einschlägigen umweltrechtlichen Vorschriften geltend zu machen, bereits im Stadium des Verwaltungsverfahrens Gebrauch gemacht werden muss, nicht entgegen. § 42 AVG stellt als Vorbedingung für die Erhebung einer Klage zwar eine Einschränkung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht iSv Art. 47 der GRC dar. Eine solche Einschränkung kann nach Art. 52 Abs. 1 GRC aber gerechtfertigt sein. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen die konkreten Modalitäten für die Ausübung der im österreichischen Recht verfügbaren Verwaltungsbehelfe das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht iSv Art. 47 der GRC nicht unverhältnismäßig einschränken. In einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren darf durch die Geltung der Ausschlussregelung des § 42 AVG für eine Umweltorganisation das Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, wie es Art. 9 Abs. 3 legcit iVm Art. 47 GRC für den Schutz der durch Art. 4 der RL 2000/60 gewährten Rechte gewährleistet, nicht übermäßig beschränkt werden (vgl. , Protect).
Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art52 Abs1;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4;
32005D0370 AarhusKonvention art9 abs3;
62015CJ0664 Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation VORAB;
AVG §42;
AVG §8;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §102 Abs1;
WRG 1959 §102 Abs3;
WRG 1959 §102;
RS 6
In einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren darf durch die Geltung der Ausschlussregelung des § 42 AVG für eine Umweltorganisation das Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, wie es Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Übereinkommen iVm Art. 47 GRC für den Schutz der durch Art. 4 der RL 2000/60 gewährten Rechte gewährleistet, nicht übermäßig beschränkt werden (vgl. , Protect). Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren bestimmt sich der Parteienkreis nach § 102 Abs. 1 lit. a und lit. b WRG 1959. Auch wenn dieser Aufzählung kein abschließender Charakter zukommt, kommt eine darauf gründende Parteistellung für Umweltorganisationen, denen keine subjektiv öffentlichen Rechte zukommen, nicht in Betracht. Eine ausdrückliche Zuerkennung einer Parteistellung einer Umweltorganisation als Formalpartei, wo die Berührung subjektivöffentlicher Rechte nicht nachgewiesen werden müsste, findet sich im WRG 1959 nicht. Das österreichische Recht kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich aus § 8 AVG iVm § 102 WRG 1959 eine Parteistellung für Umweltorganisationen ergibt (vgl. ). Aus der nationalen Bestimmung des § 102 WRG 1959 sowie der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass die Umweltorganisationn weder damit rechnen konnte, dass ihr im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren gemäß § 102 Abs. 1 iVm Abs. 3 WRG 1959 Parteistellung zukommt, noch, dass sie faktisch als Partei behandelt werden würde. Es kann ihr daher auch nicht vorgehalten werden, das nur mit der Parteistellung verbundene (und diese aufrecht erhaltende) Recht der Erhebung von wasserrechtlich relevanten Einwendungen nicht wahrgenommen zu haben. Anders wäre die Sache zu beurteilen, wenn der Umweltorganisationn im behördlichen Verfahren seitens der BH unmissverständlich zu verstehen gegeben worden wäre, dass ihr (auf Grundlage eines unionsrechtskonformes Verständnisses etwa des § 102 WRG 1959 oder des § 8 AVG) Parteistellung zukomme und sie wie eine Verfahrenspartei, etwa durch Gewährung von Akteneinsicht oder Parteiengehör oder der ausdrücklichen Einräumung der Möglichkeit der Erstattung von Einwendungen, behandelt worden wäre. Im vorliegenden Fall wurde daher durch die Anwendung der Ausschlussregelung des § 42 AVG das Recht der Umweltorganisation, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, wie es Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens iVm Art. 47 GRC für den Schutz der durch Art. 4 der RL 2000/60 gewährten Rechte gewährleistet, übermäßig beschränkt. § 42 AVG findet daher im vorliegenden Fall keine Anwendung.

Entscheidungstext

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* EU-Register: EU 2015/0008

* EuGH-Zahl: C-664/15

* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im

fortgesetzten Verfahren:

Ra 2015/07/0055 E

EuGH 62015CJ0664 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, in der Revisionssache der P in K, vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-33/001-2014, betreffend eine wasserrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmünd), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Räumt Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) oder die WRRL als solche einer Umweltorganisation in einem Verfahren, das keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) unterliegt, Rechte ein, zu deren Schutz sie nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (Aarhus-Übereinkommen), Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren hat?

Bei Bejahung der Frage 1:

2. Ist es nach den Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens geboten, diese Rechte bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend machen zu können oder genügt die Möglichkeit einer Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde?

3. Ist es zulässig, dass das nationale Verfahrensrecht (§ 42 AVG) die Umweltorganisation - so wie andere Verfahrensparteien auch - dazu verhält, ihre Einwendungen nicht erst in einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht, sondern bereits im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden rechtzeitig geltend zu machen, widrigenfalls sie ihre Parteistellung verliert und auch keine Beschwerde mehr an das Verwaltungsgericht erheben kann?

Begründung

I. Sachverhalt und Ausgangsverfahren:

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag der A GmbH auf (Wieder)erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für eine Beschneiungsanlage. Dabei wird das Wasser für den Speicherteich aus dem E-Bach entnommen.

Die mündliche Verhandlung über diesen Antrag erfolgte in der in §§ 41 und 42 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) vorgeschriebenen Form und enthielt auch eine Belehrung über die Rechtsfolgen im Sinne des § 42 AVG.

Die Revisionswerberin, eine nach § 19 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP G 2000) anerkannte Umweltorganisation, erstattete im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde Einwendungen; sie stützte ihre Parteistellung und die ihrer Ansicht nach verletzten Rechte auf Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-RL). In den Einwendungen wies sie unter Bezugnahme auf die FFH-RL auf projektsbeeinflusste Schutzgebiete und auf erheblich betroffene Schutzgüter, wie näher genannte Vögel, Großwild und Muscheln und deren gefährdete Lebensräume, hin. Eine Bezugnahme auf Rechte aus der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) oder auf innerstaatliche Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), die in Umsetzung dieser Richtlinie ergingen, wurde hingegen nicht hergestellt.

2. Die Verwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Gmünd) verlieh derAntragstellerin nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Bescheid vom gemäß § 21 Abs. 3 WRG 1959 in Verbindung mit §§ 32 und 38 leg. cit. die wasserrechtliche Bewilligung (wieder). Die Einwände bzw. Anträge der Revisionswerberin wurden ab- bzw. zurückgewiesen, weil sie keine Berührung wasserrechtlich geschützter Rechte behauptet habe, weshalb ihr keine Parteistellung im Verfahren zukomme.

3. Die Revisionswerberin erhob Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG). In der Beschwerde berief sie sich wieder auf Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens, diesmal erstmals in Verbindung mit der Verletzung von Bestimmungen der WRRL; diese Richtlinie sei als anzuwendende Rechtsmaterie zu sehen und schreibe einen guten ökologischen Zustand der Gewässer vor, wobei die Verschlechterung des ökologischen Zustandes des Fließgewässers bereits offensichtlich sei.

4. Mit dem Erkenntnis vom wies das LVwG die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab.

Aus der Begründung geht hervor, dass der Revisionswerberin deshalb keine Parteistellung zukomme, weil sie nicht bis zur mündlichen Verhandlung vor der Behörde wasserrechtlich geschützte Rechte vorgebracht habe; ihre Parteistellung sei daher gemäß § 42 AVG verloren worden. Zum anderen sei das Aarhus-Übereinkommen der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Bereich nicht zugänglich.

5. Die Revisionswerberin macht in ihrer Revision geltend, ihr komme im wasserrechtlichen Verfahren bereits unmittelbar aufgrund des Aarhus-Übereinkommens (Art. 2 Z 4 und 5 und Art. 9 Abs. 3) in Verbindung mit dem effet utile des Unionsrechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Parteistellung zu. Sie habe ein rechtliches Interesse an der Einhaltung der umweltrechtlichen Bestimmungen der Union; in diesem Fall sei (auch) die WRRL betroffen, die durch das verfahrensgegenständliche Projekt in erheblichem Maße verletzt würde.

6. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zulässigkeit der Revision in Frage stellte und ihre kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung beantragte.

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts:

1. Art. 2 Z 4 und 5 sowie Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Übereinkommens

1.

...

4.

bedeutet 'Öffentlichkeit' eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

5. bedeutet 'betroffene Öffentlichkeit' die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.

Artikel 9

Zugang zu Gerichten

(1) ...

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen."

2. Die WRRL hat im Zusammenhang mit dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Anspruch auf Beachtung des Verschlechterungsverbotes folgenden (auszugsweisen) Wortlaut:

"Artikel 4

Umweltziele

(1) In Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt folgendes:

a)

bei Oberflächengewässern:

i)

die Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8, die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern;

ii) ...

(4) Die in Absatz 1 vorgesehenen Fristen können zum Zweck der stufenweisen Umsetzung der Ziele für Wasserkörper verlängert werden, sofern sich der Zustand des beeinträchtigten Wasserkörpers nicht weiter verschlechtert und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:

...

(5) Die Mitgliedstaaten können sich für bestimmte Wasserkörper die Verwirklichung weniger strenger Umweltziele als in Absatz 1 gefordert vornehmen, wenn sie durch menschliche Tätigkeiten, wie gemäß Artikel 5 Absatz 1 festgelegt, so beeinträchtigt sind oder ihre natürlichen Gegebenheiten so beschaffen sind, dass das

erreichen dieser Ziele in der Praxis nicht möglich oder unverhältnismäßig teuer wäre, und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:

...

(6) Eine vorübergehende Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern verstößt nicht gegen die Anforderungen dieser Richtlinie, wenn sie durch aus natürlichen Ursachen herrührende oder durch höhere Gewalt bedingte Umstände, die außergewöhnlich sind oder nach vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbar waren, insbesondere starke Überschwemmungen oder lang anhaltende Dürren, oder durch Umstände bedingt sind, die durch nach vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbare Unfälle entstanden sind, und wenn sämtliche nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

...

(7) Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn:

...

(8) Ein Mitgliedstaat, der die Absätze 3, 4, 5, 6 und 7 zur Anwendung bringt, trägt dafür Sorge, dass dies die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie in anderen Wasserkörpern innerhalb derselben Flussgebietseinheit nicht dauerhaft ausschließt oder gefährdet und mit den sonstigen gemeinschaftlichen Umweltschutzvorschriften vereinbar ist.

(9) ..."

III. Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts:

1. Die hier relevanten Bestimmungen des AVG haben folgenden Wortlaut:

"§ 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.

§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

(2) ..."

2. In Umsetzung der WRRL und des dort verankerten Verschlechterungsverbotes wurden durch die WRG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 82/2003, mehrere Bestimmungen des WRG 1959 neu formuliert und neue Bestimmungen ins WRG 1959 eingefügt. Stellvertretend für diese seien hier die Bestimmungen der §§ 30a Abs. 1 und § 104a WRG 1959 genannt:

"§ 30a. (1) Oberflächengewässer einschließlich erheblich veränderter und künstlicher Gewässer (§ 30b) sind derart zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, dass - unbeschadet § 104a - eine Verschlechterung des jeweiligen Zustandes verhindert und - unbeschadet der §§ 30e und 30f - bis spätestens der Zielzustand erreicht wird. Der Zielzustand in einem Oberflächengewässer ist dann erreicht, wenn sich der Oberflächenwasserkörper zumindest in einem guten ökologischen und einem guten chemischen Zustand befindet. Der Zielzustand in einem erheblich veränderten oder künstlichen Gewässer ist dann erreicht, wenn sich der Oberflächenwasserkörper zumindest in einem guten ökologischen Potential und einem guten chemischen Zustand befindet.

(2) ...

Vorhaben mit Auswirkungen auf den Gewässerzustand

§ 104a. (1) Vorhaben, bei denen

1. durch Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder durch Änderungen des Wasserspiegels von Grundwasserkörpern

a) mit dem Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustandes oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder

b) mit einer Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu rechnen ist

2. durch Schadstoffeinträge mit einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers in der Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit zu rechnen ist,


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sind jedenfalls Vorhaben, bei denen Auswirkungen auf öffentliche Rücksichten zu erwarten sind (§§ 104 Abs. 1, 106).

(2) Eine Bewilligung für Vorhaben gemäß Abs. 1, die einer Bewilligung oder Genehmigung auf Grund oder in Mitanwendung wasserrechtlicher Bestimmungen bedürfen, kann nur erteilt werden, wenn die Prüfung öffentlicher Interessen (§§ 104, 105) ergeben hat, dass

1. alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers zu mindern und

2. die Gründe für die Änderungen von übergeordnetem öffentlichem Interesse sind und/oder, dass der Nutzen, den die Verwirklichung der in §§ 30a, c und d genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird und

3. die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Oberflächenwasser- oder Grundwasserkörpers dienen sollen, aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder auf Grund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können.

(3) ...

(4) Die Gründe für ein Abweichen vom Verschlechterungsverbot sind im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (§ 55c) im Einzelnen darzulegen und die Ziele alle sechs Jahre zu überprüfen (§§ 133 Abs. 6, 135)."

Die materiellrechtlichen Bestimmungen eines wasserrechtlichen Wiederverleihungsverfahrens und der Parteistellung in einem solchen Verfahren finden sich in den §§ 12 Abs. 2, 15 Abs. 1, 21 Abs. 3 und 102 Abs. 1 lit. a und lit. b WRG 1959 und haben folgenden Wortlaut:

"§ 12. (1) ...

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

(3) ...

§ 15. (1) Die Fischereiberechtigten können anlässlich der Bewilligung von Vorhaben mit nachteiligen Folgen für ihre Fischwässer Maßnahmen zum Schutz der Fischerei begehren. Dem Begehren ist Rechnung zu tragen, insoweit hiedurch das geplante Vorhaben nicht unverhältnismäßig erschwert wird. Für sämtliche aus einem Vorhaben erwachsenden vermögensrechtlichen Nachteile gebührt den Fischereiberechtigten eine angemessene Entschädigung (§ 117).

(2) ...

§ 21. (1) ...

(3) Ansuchen um Wiederverleihung eines bereits ausgeübten Wasserbenutzungsrechtes können frühestens fünf Jahre, spätestens sechs Monate vor Ablauf der Bewilligungsdauer gestellt werden. Wird das Ansuchen rechtzeitig gestellt, hat der bisher Berechtigte Anspruch auf Wiederverleihung des Rechtes, wenn öffentliche Interessen nicht im Wege stehen und die Wasserbenutzung unter Beachtung des Standes der Technik erfolgt. Der Ablauf der Bewilligungsdauer ist in diesem Fall bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Ansuchen um Wiederverleihung gehemmt; wird gegen die Abweisung eines Ansuchens um Wiederverleihung der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof angerufen, wird die Bewilligungsdauer bis zur Entscheidung dieses Gerichtes verlängert. Im Widerstreit mit geplanten Wasserbenutzungen gilt eine solche Wasserbenutzung als bestehendes Recht im Sinne des § 16.

(4) ...

§ 102. (1) Parteien sind:

a) der Antragsteller;


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b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen; ferner"

IV. Zur Vorlageberechtigung:

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass sich bei der Entscheidung des von ihm zu beurteilenden Revisionsfalles die im gegenständlichen Ersuchen um Vorabentscheidung angeführten und im Folgenden näher erörterten Fragen der Auslegung des Unionsrechts stellen.

V. Erläuterung der Vorlagefragen:

1. Vorauszuschicken ist, dass es sich im vorliegenden Fall um kein Verfahren handelt, das einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen gewesen wäre; die Bestimmungen der UVP-RL sind daher im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Es handelt sich vielmehr um ein (einfaches) wasserrechtliches Bewilligungsverfahren, das allein auf der Grundlage des WRG 1959 durchzuführen und zu entscheiden war.

2. Gegen die Annahme der Parteistellung der Umweltorganisation in diesem wasserrechtlichen Verfahren wurden im Verfahren zwei Argumentationslinien ins Treffen geführt:

2.1. Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren bestimmt sich der Parteienkreis nach § 102 Abs. 1 lit. a und lit. b WRG 1959. Auch wenn dieser Aufzählung kein abschließender Charakter zukommt, kommt eine darauf gründende Parteistellung für Umweltorganisationen, denen keine subjektiv-öffentlichen Rechte zukommen, nicht in Betracht. Eine ausdrückliche Zuerkennung einer Parteistellung einer Umweltorganisation als Formalpartei, wo die Berührung subjektiv-öffentlicher Rechte nicht nachgewiesen werden müsste, findet sich im WRG 1959 nicht.

Allein vor dem Hintergrund der innerstaatlichen Rechtslage kam der Revisionswerberin keine Parteistellung zu. Auch aus der Aarhus-Konvention konnte eine solche Parteistellung nicht unmittelbar abgeleitet werden.

2.2. Ginge man aber von einer Parteistellung der Revisionswerberin im Verwaltungsverfahren aus, so hätte sie ihre Parteistellung wieder verloren.

Auch den Inhabern bestehender wasserrechtlich geschützter Rechte im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 und den Fischereiberechtigten nach § 15 WRG 1959 kommt nämlich Parteistellung in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren nur dann zu, wenn sie eine Verletzung dieser wasserrechtlich geschützten Rechte im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde rechtzeitig geltend machen; auf die Verletzung allfälliger anderer Rechte kann eine Parteistellung im Wasserrechtsverfahren nicht gestützt werden.

Die Revisionswerberin machte im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde lediglich eine Verletzung von Rechten aus der FFH-RL geltend; diese Richtlinie wurde im österreichischen Recht aber durch die Naturschutzgesetze der Länder und nicht durch das WRG 1959 umgesetzt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2012/04/0127, und vom , 2011/07/0190). Selbst wenn ihr Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zugekommen wäre, so verabsäumte sie, im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde rechtzeitig Einwendungen zu erstatten, die die Verletzung eines wasserrechtlich geschützten Rechtes zum Gegenstand hatten.

Einer Nachholung von wasserrechtlich relevanten Einwendungen steht die Bestimmung des § 42 AVG entgegen, wonach die Stellung als Partei verloren geht, wenn nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhoben werden. Demzufolge ging das LVwG auch davon aus, dass - wenn der Revisionswerberin überhaupt die Stellung als Partei im Verfahren zugekommen wäre - diese mangels rechtzeitig erhobener wasserrechtlich relevanter Einwendungen verloren gegangen wäre.

2.3. Gemäß Art. 132 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Demnach können nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde an ein Gericht (hier: LVwG) geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde.

Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen. Der Verlust der Parteistellung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde führt daher in einem Bewilligungsverfahren auch zum Verlust der Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht.

3. Zur ersten Vorlagefrage:

3.1. Die Revisionswerberin beruft sich im Verfahren vor dem LVwG in Bezug auf ihre Parteistellung auf Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens in Verbindung mit dem Unionsrecht, insbesondere der WRRL.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Vorschriften dieses Übereinkommens integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. dazu die Urteile vom , IATA und ELFAA, C-344/04, Randnr. 36, und vom , Kommission/Irland, C-459/03, Randnr. 82). Im Rahmen dieser Rechtsordnung ist demnach der Gerichtshof dafür zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Übereinkommens zu befinden (vgl. dazu das Urteil vom , C-240/09, Lesoochranarske zoskupenie, Randnr. 30).

3.2. Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens spricht von "Mitgliedern der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen." Der Revisionswerberin kommt als innerstaatlich anerkannter Umweltorganisation der Status der "betroffenen Öffentlichkeit" bzw. des "Mitglieds der Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zu. Sie kann daher gegebenenfalls die aus dieser Bestimmung ableitbaren Rechte geltend machen.

3.3. Im vorliegenden Fall betrifft der Ausgangsrechtsstreit die Frage, ob eine Umweltschutzvereinigung Partei oder rechtsmittelbefugt in einem Verfahren sein kann, das die wasserrechtliche Genehmigung einer Beschneiungsanlage zum Inhalt hat, für die Wasser aus einem Oberflächengewässer entnommen wird, wobei behauptetermaßen dabei gegen das in der WRRL gründende Verschlechterungsverbot verstoßen wird. Dieser Rechtsstreit unterliegt dem Unionsrecht (vgl. dazu das , Lesoochranarske zoskupenie, Randnr. 37 und 38).

Im zitierten Urteil des EuGH heißt es in Beantwortung der ersten Vorlagefrage, dass Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens keine unmittelbare Wirkung hat (vgl. in diese Richtung gehend auch das Stichting Natuur en Milieu, C-404/12P, Randnr. 53).

Die Berufung allein auf diese Bestimmung des Übereinkommens vermag daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der Revisionswerberin keine Parteistellung in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zu verschaffen.

3.4. Nach dem , Lesoochranarske zoskupenie, ist das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.

Die Parteistellung und/oder das Anfechtungsrecht von Entscheidungen stehen einer Umweltorganisation daher insoweit zu, als es um den Rechtsschutz für die "durch das Unionsrecht verliehenen Rechte" geht.

3.5. Diese durch das Unionsrecht verliehenen Rechte könnten im vorliegenden Fall in der WRRL begründet sein; die Revisionswerberin beruft sich diesbezüglich auf das Verschlechterungsverbot, das in Art. 4 Abs. 1 der WRRL seine Grundlage findet.

Das Verschlechterungsverbot ist ein zentrales Element der WRRL. Es besagt im Wesentlichen, dass Projekte, die dazu führen, dass der (ökologische oder chemische) Zustand eines Gewässers verschlechtert wird, nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig sind. Die WRRL beinhaltet in ihrem Art. 4 an die Mitgliedstaaten gerichtete Verpflichtungen, um die dort genannten Umweltziele umzusetzen; in den Absätzen 5 bis 7 des Art. 4 der WRRL werden aber auch die Voraussetzungen für die Festsetzung weniger strenger Umweltziele (Abs. 4), für die Toleranz einer vorübergehenden Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern (Abs. 5) oder für das Nichterreichen anzustrebender Gewässerzustände bzw. das Nichtverhindern einer Verschlechterung (Abs. 7) festgelegt. Das Verschlechterungsverbot ist daher zwar eine grundsätzliche Maxime verwaltungsbehördlichen Handelns, es gilt aber keinesfalls uneingeschränkt oder absolut.

Fraglich ist daher, ob sich eine Umweltorganisation auf die Wahrung des Verschlechterungsverbots (des Art. 4 der WRRL) als ein ihr zukommendes Recht berufen kann und ob ihr eine solche Bezugnahme in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren eine Rechtsposition einräumt, die zum Schutz dieses Rechtes nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren mit sich bringt.

Die erste Vorlagefrage bezieht sich daher darauf, ob das in der WRRL (insbesondere in Art. 4 leg. cit.) zum Ausdruck kommende Verschlechterungsverbot oder die WRRL als solche einer Umweltorganisation in einem Verfahren, das keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, Rechte einräumt, zu deren Schutz sie nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben muss.

4. Zur zweiten Vorlagefrage:

Für den Fall, dass einer Umweltorganisation ein solches Recht erwächst, stellt sich die zweite Vorlagefrage.

Die Revisionswerberin hat es nämlich unterlassen, eine Rechtsverletzung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend zu machen. Erst im Verfahren vor dem LVwG hat sie sich auf ihre aus der WRRL erwachsenden Rechte und damit auf Aspekte berufen, die in einem wasserrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen sind.

Nach dem , Lesoochranarske zoskupenie, müssen die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen so weit als möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte ausgelegt werden, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.

Demzufolge könnte es für die Wahrung der Rechte einer Umweltorganisation ausreichen, eine Entscheidung anfechten zu können, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist. Für den vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass allein der Erhebung einer Beschwerde an das LVwG und deren Inhalt Relevanz zukäme. Auf die Unterlassung geeigneter Verfahrensschritte im Verfahren vor der Behörde käme es hingegen nicht an.

Umgekehrt wäre es aber auch nicht ausgeschlossen, einer Umweltorganisation vor dem Hintergrund der Effektivität des Rechtsschutzes bereits das Recht zuzusprechen, auch im Verfahren vor der Behörde als Verfahrenspartei aufzutreten und Einwendungen in einem früheren Verfahrensstadium zu Gehör bringen zu können. Dafür spräche der Umstand, dass bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren auf die Einwendungen reagiert und sie fachlich geprüft werden könnten. Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens scheint jedoch nur eine Rechtsstellung zu vermitteln, die ein Einschreiten im Verfahren vor dem Gericht (hier: im Verfahren vor dem LVwG) ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund ist die zweite Vorlagefrage zu verstehen; fraglich ist, ob es nach den Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens geboten ist, dass die einer Umweltorganisation (aus der WRRL) erfließenden Rechte bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden können oder ob die Möglichkeit einer Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde genügt.

5. Zur dritten Vorlagefrage:

Nimmt nun eine Umweltorganisation bereits im behördlichen Verfahrensstadium als Verfahrenspartei teil, stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer verfahrensrechtlichen Vorschrift über den Verlust der Parteistellung in Folge der Anwendung der Präklusionsregelung des § 42 AVG.

Nach dieser Bestimmung verliert eine Person ihre Stellung als Partei, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Mit dem Verlust der Parteistellung im Bewilligungsverfahren geht auch der Verlust der Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht einher.

Vor dem Hintergrund des zu den Bestimmungen der UVP-RL und der Industrie-Emissions-RL 20120/75/EU ergangenen , stellt sich daher im vorliegenden Fall die Frage, ob auch in einem Verfahren, das nicht an den einschlägigen Vorschriften der UVP-RL zu messen ist und demgemäß in Bezug auf die Umweltauswirkungen regelmäßig Vorhaben geringerer Bedeutung zum Inhalt hat, die durch den Verlust der Parteistellung eintretende Beschränkung der Anfechtbarkeit der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen gegen den Grundsatz des Zugangs zu Gericht verstößt und den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz der betroffenen Öffentlichkeit unzulässigerweise einschränkt.

Dagegen kann eingewendet werden, dass mit dieser Rechtsvorschrift die Rechtssicherheit und die Effizienz verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Verfahren gewährleistet wird, zumal es den Umweltorganisationen ja frei steht, rechtzeitig entsprechende Einwendungen zu erheben, um eine umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Kontrolle in diesen Verfahren, die in Bezug auf die Umweltauswirkungen regelmäßig Vorhaben geringerer Bedeutung (als die einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehenden Vorhaben) zum Inhalt haben, zu bewirken. Mit dem Aarhus-Übereinkommen wird der Zugang der Umweltorganisationen zu diesen Verfahren gesichert; die nähere Ausgestaltung wird aber dem innerstaatlichen Verfahrensrecht überlassen, das im Sinne der Verfahrensökonomie solche spezifische Verfahrensvorschriften trifft.

Daher ist die Frage zu stellen, ob auch eine Umweltorganisation in einem Bewilligungsverfahren vor der Verwaltungsbehörde der im Sinne der Verfahrensökonomie getroffenen Regelung des § 42 AVG unterliegt, wonach mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen die Parteistellung (wieder) verloren wird oder ob der Anwendbarkeit dieser Bestimmung das Gebot der Effizienz des Rechtsschutzes entgegen steht.

VI. Da die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. hierzu das , Srl C.I.L.F.I.T. und andere, Slg. 1982, 3415), werden die eingangs formulierten Fragen gemäß Art. 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

Wien, am 

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

Ra 2015/07/0055 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62015CJ0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der P Umweltorganisation in K, vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-33/001-2014, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Gmünd), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Antrag der Revisionswerberin auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag der A GmbH auf (Wieder-)Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für eine Beschneiungsanlage. Dabei wird das Wasser für den Speicherteich aus dem Einsiedelbach entnommen.

2 Die Ladung zur bzw. Kundmachung der mündlichen Verhandlung über diesen Antrag erfolgte in der in §§ 41 und 42 AVG vorgeschriebenen Form und enthielt auch eine Belehrung über die Rechtsfolgen im Sinne des § 42 AVG. Die Revisionswerberin, eine nach § 19 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) anerkannte Umweltorganisation, scheint nicht unter den zur Verhandlung geladenen Personen auf.

3 Sie erstattete im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde schriftlich Einwendungen. Darin wies sie unter Bezugnahme auf die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-RL) auf projektsbeeinflusste Schutzgebiete und auf erheblich betroffene Schutzgüter, wie näher genannte Vögel, Großwild und Muscheln und deren gefährdete Lebensräume, hin. Unter "Rechtsrahmen und Bewertung" verwies sie auf Art. 6 Abs. 3 der FFH-RL und auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben und EuGH-Urteile.

4 Die Revisionswerberin stellte in ihren Einwendungen keinen inhaltlichen Bezug zu Rechten aus der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) oder zu innerstaatlichen Bestimmungen des WRG 1959, die in Umsetzung dieser Richtlinie ergangen waren, her. Sie beantragte letztlich die Versagung der Bewilligung und die Zustellung des Bescheides.

5 Die BH erteilte - nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, an der die Revisionswerberin nicht teilnahm - mit Bescheid vom der A GmbH gemäß § 21 Abs. 3 WRG 1959 in Verbindung mit §§ 32 und 38 leg. cit. die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Speicherteiches auf einem näher genannten Grundstück, Speisung des Teiches aus dem E-Bach mittels Entnahmebauwerk im Ausmaß von max. 40 l/s und Entnahme aus dem Speicherteich zur Versorgung der Schneeerzeuger über eine Verteilerleitung im Ausmaß von max. 21 l/s, zwecks Beschneiung der auf näher genannten Grundstücken gelegenen Schipisten und Lifttrassen mit einem Flächenausmaß von ca. 58.500 m2. Die BH schränkte den Konsens dahingehend ein, dass die Entnahme aus dem Teich für Beschneiungszwecke in der Zeit von 15. November bis 31. März in einer Menge von maximal 21 l/s bzw. 22.000 m3/Jahr erfolgt.

6 In einem weiteren Spruchpunkt wies die BH die Einwendungen bzw. Anträge der Revisionswerberin unter Hinweis auf § 102 WRG 1959 iVm § 12 leg. cit. zurück bzw. ab, weil sie keine Berührung wasserrechtlich geschützter Rechte behauptet habe.

7 Die Revisionswerberin erhob gegen den Bescheid der BH vom Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in welcher sie sich auf Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens berief, diesmal erstmals in Verbindung (auch) mit der Verletzung von Bestimmungen der WRRL. Diese Richtlinie sei als anzuwendende Rechtsmaterie zu sehen und schreibe einen guten ökologischen Zustand der Gewässer vor, wobei die Verschlechterung des ökologischen Zustandes des Fließgewässers bereits offensichtlich sei.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das LVwG die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, dass der Revisionswerberin deshalb keine Parteistellung zukomme, weil sie nicht bis zur mündlichen Verhandlung vor der BH wasserrechtlich geschützte Rechte vorgebracht habe. Naturschutzrechtliche Bedenken könnten im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren keine Parteistellung begründen. Daher hätte die Revisionswerberin ihre Parteistellung gemäß § 42 AVG verloren. Überdies sei das Aarhus-Übereinkommen der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Bereich nicht zugänglich. Weiters führte das LVwG aus, dass für ein Vorhaben erforderliche Bewilligungen auch nach mehreren Rechtsvorschriften gesondert eingeholt werden müssten. Der naturschutzrechtliche Bescheid sei daher nicht Bestandteil der wasserrechtlichen Bewilligung. Eine nach dem UVP-G 2000 eingeräumte Parteistellung begründe nicht automatisch eine Parteistellung im Wasserrechtsverfahren.

9 Das LVwG erklärte gemäß § 25a Abs. 1 VwGG die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision.

11 Die BH erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zulässigkeit der Revision in Frage stellte und ihre kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung beantragte.

12 Aus Anlass des vorliegenden Revisionsfalls legte der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Beschluss vom , EU 2015/0008 (Ra 2015/07/0055), dem EuGH folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor:

"1. Räumt Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) oder die WRRL als solche einer Umweltorganisation in einem Verfahren, das keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) unterliegt, Rechte ein, zu deren Schutz sie nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit Beschluss 2005/370/EG des Rates vom im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (Aarhus-Übereinkommen), Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren hat?

Bei Bejahung der Frage 1:

2. Ist es nach den Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens geboten, diese Rechte bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend machen zu können oder genügt die Möglichkeit einer Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde?

3. Ist es zulässig, dass das nationale Verfahrensrecht (§ 42 AVG) die Umweltorganisation - so wie andere Verfahrensparteien auch - dazu verhält, ihre Einwendungen nicht erst in einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht, sondern bereits im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden rechtzeitig geltend zu machen, widrigenfalls sie ihre Parteistellung verliert und auch keine Beschwerde mehr an das Verwaltungsgericht erheben kann?"

13 Mit Urteil vom in der Rechtssache C- 664/15, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, beantwortete der EuGH diese Fragen wie folgt:

"1. Art. 9 Abs. 3 des am in Aarhus unterzeichneten, mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Bescheid, mit dem ein möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, verstoßendes Vorhaben gebilligt wird, von einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltorganisation vor einem Gericht angefochten werden können muss.

2. Art. 9 Abs. 3 des mit dem Beschluss 2005/370 genehmigten Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte sowie Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 sind dahin auszulegen, dass nationales Verfahrensrecht, das in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Umweltorganisationen nicht das Recht zuerkennt, sich an einem Bewilligungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie 2000/60 als Partei zu beteiligen, und das Recht, Entscheidungen, die im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ergehen, anzufechten, nur Personen, die im Verwaltungsverfahren die Stellung als Partei hatten, zuerkennt, nicht mit diesen Bestimmungen vereinbar ist.

3. Unter dem Vorbehalt der Überprüfung der relevanten tatsächlichen Umstände und des einschlägigen nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht ist Art. 9 Abs. 3 und 4 des mit dem Beschluss 2005/370 genehmigten Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen, dass mit diesen Bestimmungen nicht vereinbar ist, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens für eine Umweltorganisation nach den nationalen Verfahrensvorschriften eine Ausschlussregelung gilt, nach der eine Person ihre Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren verliert und deshalb keine Beschwerde gegen eine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung erheben kann, wenn sie Einwendungen nicht rechtzeitig bereits im Verwaltungsverfahren, spätestens in dessen mündlichem Abschnitt, erhoben hat."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 2. Die Revisionswerberin brachte im Rahmen der Zulässigkeitsgründe gemäß § 28 Abs. 3 VwGG unter anderem vor, es fehle an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob die Revisionswerberin als eine mit Umweltschutz befasste NGO, ungeachtet der nationalen Rechtsvorschriften im gegenständlichen wasserrechtlichen Verwaltungsverfahren, aufgrund des Aarhus-Übereinkommens und der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) Parteistellung im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren habe bzw. erlangen könne. Einer Umweltorganisation seien Parteienrechte in einem Verwaltungsverfahren nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zu gewähren; es seien innerstaatliche Rechtsvorschriften verletzt worden, weil ua nach dem Verschlechterungsverbot der WRRL die Bewilligung zu versagen gewesen wäre.

18 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

19 3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts sowie der nationalen Vorschriften sind folgende:

20 3.1. Art. 2 Z 4 und 5 sowie Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Übereinkommens

1.

...

4.

bedeutet ‚Öffentlichkeit' eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

5. bedeutet ‚betroffene Öffentlichkeit' die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.

Artikel 6

Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen über bestimmte

Tätigkeiten

(1) Jede Vertragspartei

a) wendet diesen Artikel bei Entscheidungen darüber an, ob

die in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden;

b) wendet diesen Artikel in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht auch bei Entscheidungen über nicht in Anhang I aufgeführte geplante Tätigkeiten an, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Zu diesem Zweck bestimmen die Vertragsparteien, ob dieser Artikel Anwendung auf eine derartige geplante Tätigkeit findet;

c) ...

Artikel 9

Zugang zu Gerichten

(1) ...

(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer

innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der

betroffenen Öffentlichkeit,

(a) die ein ausreichendes Interesse haben und

(b) eine Rechtsverletzung geltend machen,

sofern das Verwaltungsverfahrensrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensmäßige Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und - sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 - sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen."

21 3.2. Die WRRL hat im Zusammenhang mit dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Anspruch auf Beachtung des Verschlechterungsverbotes folgenden (auszugsweise) Wortlaut:

"Artikel 4

Umweltziele

(1) In Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt folgendes:

a) bei Oberflächengewässern:

i) die Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung

der Absätze 6 und 7 und unbeschadet des Absatzes 8, die

notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands

aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern;

ii) ...

(4) Die in Absatz 1 vorgesehenen Fristen können zum Zweck der stufenweisen Umsetzung der Ziele für Wasserkörper verlängert werden, sofern sich der Zustand des beeinträchtigten Wasserkörpers nicht weiter verschlechtert und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:

...

(5) Die Mitgliedstaaten können sich für bestimmte Wasserkörper die Verwirklichung weniger strenger Umweltziele als in Absatz 1 gefordert vornehmen, wenn sie durch menschliche Tätigkeiten, wie gemäß Artikel 5 Absatz 1 festgelegt, so beeinträchtigt sind oder ihre natürlichen Gegebenheiten so beschaffen sind, dass das Erreichen dieser Ziele in der Praxis nicht möglich oder unverhältnismäßig teuer wäre, und die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

...

(6) Eine vorübergehende Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern verstößt nicht gegen die Anforderungen dieser Richtlinie, wenn sie durch aus natürlichen Ursachen herrührende oder durch höhere Gewalt bedingte Umstände, die außergewöhnlich sind oder nach vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbar waren, insbesondere starke Überschwemmungen oder lang anhaltende Düren, oder durch Umstände bedingt sind, die durch nach vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbarer Unfälle entstanden sind, und wenn sämtliche nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

...

(7) Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn:

...

(8) Ein Mitgliedstaat, der die Absätze 3, 4, 5, 6 und 7 zur Anwendung bringt, trägt dafür Sorge, dass dies die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie in anderen Wasserkörpern innerhalb derselben Flussgebietseinheit nicht dauerhaft ausschließt oder gefährdet und mit den sonstigen gemeinschaftlichen Umweltschutzvorschriften vereinbar ist.

(9) ..."

22 3.3. Die hier relevanten Bestimmungen des AVG haben folgenden Wortlaut:

"Beteiligte; Parteien

§ 8. Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

§ 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.

§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

(2) ..."

23 3.4. Die hier relevanten Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:

"Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.

§ 12. (1) ...

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

(3) ...

Parteien und Beteiligte.

§ 102. (1) Parteien sind:

a) der Antragsteller;

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder

Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;

ferner

...

(3) Die Beteiligten sind berechtigt, im Verfahren ihre Interessen darzulegen, die Erhebung von Einwendungen steht ihnen jedoch nicht zu.

(4) ..."

24 3.5. Gemäß Art. 132 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Demnach können nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde bei einem Verwaltungsgericht geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde.

25 Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen. Der Verlust der Parteistellung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde führt daher in einem Bewilligungsverfahren auch zum Verlust der Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht.

26 4. Zur Parteistellung einer Umweltorganisation wie der Revisionswerberin im vorliegenden wasserrechtlichen Verfahren führt der EuGH in den Entscheidungsgründen des Urteils vom unter anderem aus:

"41 Die zuständige nationale Behörde hatte mit der vorangegangenen Entscheidung auf der Grundlage einer Verträglichkeitsprüfung, die sie bei dem Vorhaben gemäß der Richtlinie 92/43 in Bezug auf das Schutzgebiet durchgeführt hatte, aber festgestellt, dass das Gebiet im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie als solches nicht beeinträchtigt werde. Dies könnte bedeuten, dass das Vorhaben im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens von Aarhus keine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben kann. Dann fiele die spätere wasserrechtliche Entscheidung nicht unter Art. 6 und damit insoweit auch nicht unter Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens.

42 Das setzt aber voraus, dass das vorlegende Gericht in der Lage ist, zu überprüfen, ob es tatsächlich ausgeschlossen ist, dass das Vorhaben erhebliche negative Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer hat, um die es im Bewilligungsverfahren des Ausgangsverfahrens geht.

43 Nur wenn das vorlegende Gericht nach dieser Überprüfung zu dem Schluss gelangen sollte, dass erhebliche negative Auswirkungen auf den Zustand der betreffenden Gewässer ausgeschlossen sind, wäre für die Frage, ob im vorliegenden Fall eine Umweltorganisation wie Protect das Recht hat, einen Bescheid über die Bewilligung eines möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60, eine Verschlechterung des Zustands der Gewässer zu verhindern, verstoßenden Vorhabens anzufechten, Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus maßgeblich.

...

66 Protect hätte also nur dann ein Recht aus Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus auf Beteiligung am Bewilligungsverfahren, um dort einen etwaigen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2000/60 geltend zu machen, wenn das vorlegende Gericht nach der Überprüfung, die es nach den Ausführungen oben in den Rn. 41 bis 43 vorzunehmen hat, zu dem Schluss gelangen sollte, dass das Vorhaben, um das es im Ausgangsverfahren geht, im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieses Übereinkommens eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben könnte, insbesondere auf den Zustand der betreffenden Gewässer.

67 Sollte das vorlegende Gericht hingegen zu dem Schluss gelangen, dass das Vorhaben, um das es im Ausgangsverfahren geht, keine erhebliche Auswirkung auf den Zustand der betreffenden Gewässer haben kann, stünde Protect nur das Recht auf Anfechtung gemäß Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus zu."

27 Nach dem Urteilstenor hängt die Anwendung des Art. 9 Abs. 2 oder Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens davon ab, ob das verfahrensgegenständliche Vorhaben im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieses Übereinkommens eine "erhebliche Auswirkung" auf die Umwelt, hier auf den Zustand der betreffenden Gewässer, haben könnte.

28 So wäre eine Beteiligung einer Umweltorganisation bereits im Bewilligungsverfahren vor der Behörde dann geboten, wenn das verfahrensgegenständliche Vorhaben eine solche "erhebliche Auswirkung" auf die Umwelt haben könnte (Rz 66). Wenn dies nicht der Fall wäre, stünde der Umweltorganisation lediglich das Recht auf Anfechtung der behördlichen Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht zu (Rz 67).

29 5. Für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die vorliegende Revision kann das Ergebnis der Überprüfung der potentiellen Erheblichkeit der Auswirkungen auf die Umwelt (im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. b des Aarhus-Übereinkommens) aber dahingestellt bleiben, weil sich das in Revision gezogene Erkenntnis, das sich tragend auf die Nichterlangung bzw. den Verlust der Parteistellung wegen Präklusion stützt, auf jeden Fall als rechtswidrig erweist:

30 5.1. Läge eine solche "erhebliche Auswirkung" auf den Zustand der betroffenen Gewässer vor, wäre Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens anzuwenden und es wäre eine Umweltschutzorganisation wie Protect bereits im behördlichen Verfahren als Partei beizuziehen gewesen und die Umweltorganisation müsste auch in einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht eine Verletzung von nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie von unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union geltend machen können.

31 Es kann auch dahinstehen, ob im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention eine Präklusionsbestimmung wie § 42 AVG Anwendung fände oder nicht (vgl. dazu das gegen eine solche Anwendbarkeit sprechende Urteil des EuGH in Sachen Kommission/Deutschland, C-137/14, vom ).

32 Wäre die Präklusionsbestimmung des § 42 AVG nicht anwendbar, so erwiese sich das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund als rechtswidrig.

33 Wäre diese Bestimmung aber auch im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention zu beachten, so würde das unten zu Punkt 5.3. fallbezogen näher Ausgeführte gelten. Auch in diesem Fall erwiese sich die das angefochtene Erkenntnis tragende Argumentation einer eingetretenen Präklusion - vor dem Hintergrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles - als rechtswidrig.

34 5.2. Für den Fall, dass von vornherein nicht mit "erheblichen Auswirkungen" auf die Umwelt zu rechnen wäre, also im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens, ergibt sich aus der Antwort des EuGH auf die ihm gestellte erste Vorlagefrage, dass die Umweltorganisation (lediglich) das Recht hat, eine Entscheidung, mit der möglicherweise ein gegen die Verpflichtung aus Art. 4 WRRL verstoßendes Vorhaben bewilligt wird, bei einem Gericht anzufechten.

35 5.2.1. Zu Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens heißt es im Urteil des EuGH aber weiter:

"68 Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als solcher verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, ein Recht auf Beteiligung - als Partei des Verfahrens - an einem Bewilligungsverfahren wie dem, um das es im Ausgangsverfahren geht, zu gewähren. Etwas anderes gilt, wenn nach dem einschlägigen nationalen Recht die Parteistellung eine zwingende Voraussetzung für die Erhebung einer Klage gegen die am Ende des Verwaltungsverfahrens ergehende Entscheidung ist.

69 Stellt das nationale Recht nämlich eine solche Verknüpfung zwischen der Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren und dem Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, her, kann die Stellung als Partei nicht verwehrt werden. Sonst hätte dieses Recht keine praktische Wirksamkeit, ja wäre ausgehöhlt, was nicht mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 der Charta vereinbar wäre.

70 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts stellt das österreichische Recht aber eine solche Verknüpfung her."

36 5.2.2. In Fällen, in denen eine Verknüpfung zwischen bestehender (aufrechterhaltener) Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren und dem Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz besteht, hat eine Umweltorganisation daher auch im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention im verwaltungsbehördlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung, sonst hätte dieses Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz - wie der EuGH betonte - keine praktische Wirksamkeit.

37 Die Revisionswerberin hätte daher auch im Falle des Anwendungsbereichs des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention ein Recht auf Teilnahme bereits am behördlichen Verfahren.

38 5.3. Angesichts dessen, dass das LVwG ausdrücklich die Bestimmung des § 42 AVG als tragend für die Abweisung der Beschwerde der Revisionswerberin heranzog, stellte sich weiters die Frage, ob im gegenständlichen Fall durch die Geltung der Ausschlussregelung des § 42 AVG für eine Umweltorganisation das Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, übermäßig beschränkt wird.

39 Dazu heißt es im verfahrensgegenständlichen Urteil des EuGH weiter:

"82 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 Abs. 3 und 4 des Übereinkommens von Aarhus dahin auszulegen ist, dass damit nicht vereinbar ist, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens einer Umweltorganisation eine Ausschlussregelung des nationalen Verfahrensrechts entgegengehalten wird, nach der eine Person ihre Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren verliert und damit keine Beschwerde gegen die Entscheidung erheben kann, die in dem Verwaltungsverfahren ergeht, wenn sie ihre Einwendungen nicht rechtzeitig bereits im Verwaltungsverfahren, spätestens in dessen mündlichem Abschnitt, geltend gemacht hat.

83 Wie oben in den Rn. 49 bis 51 und 76 bereits ausgeführt, kann eine Umweltorganisation wie Protect der Vorlageentscheidung zufolge nach den einschlägigen nationalen Verfahrensvorschriften wohl grundsätzlich nicht die Stellung als Partei erlangen, um sich an einem Verwaltungsverfahren zu beteiligen, mit dem ein möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, verstoßendes Vorhaben bewilligt wird.

84 Da mithin von vornherein ausgeschlossen sein dürfte, dass Protect im Bewilligungsverfahren die Parteistellung hätte erlangen können, ist nicht ersichtlich, wie sie diese nach § 42 AVG verloren haben soll, wovon das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage ausgeht, zumal in einem solchen Verwaltungsverfahren nach § 102 Abs. 2 WRG nur Personen mit Parteistellung Einwendungen erheben dürfen.

85 Die dritte Frage ist dennoch zu beantworten. Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich ausdrücklich hervor, dass im vorliegenden Fall die Klage von Protect vom erstinstanzlichen Gericht gerade wegen des Verlusts der Parteistellung gemäß der Ausschlussregelung des § 42 AVG abgewiesen worden ist. Mithin ist die Frage nicht offensichtlich hypothetisch im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (...).

86 In der Sache ist festzustellen, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus ausdrücklich vorsieht, dass für Rechtsbehelfe gemäß dieser Bestimmung ‚Kriterien' festgelegt werden können. Die Mitgliedstaaten können im Rahmen des ihnen insoweit überlassenen Gestaltungsspielraums also grundsätzlich verfahrensrechtliche Vorschriften über die Voraussetzungen der Einlegung solcher Rechtsbehelfe erlassen.

87 Bei der Festlegung der Modalitäten gerichtlicher Rechtsbehelfe zum Schutz der durch die Richtlinie 2000/60 eingeräumten Rechte müssen die Mitgliedstaaten aber die Beachtung des in Art. 47 der Charta, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bekräftigt, verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht gewährleisten (...).

88 An sich steht Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus einer Ausschlussregelung wie der des § 42 AVG, nach der von dem durch die Stellung als Partei begründetem Recht, Einwendungen zur Beachtung der einschlägigen umweltrechtlichen Vorschriften geltend zu machen, bereits im Stadium des Verwaltungsverfahrens Gebrauch gemacht werden muss, nicht entgegen. Mit einer solchen können unter Umständen die streitigen Punkte schneller identifiziert und gegebenenfalls bereits im Verwaltungsverfahren gelöst werden, so dass sich eine Klage erübrigt.

89 Eine solche Ausschlussregelung kann auf diese Weise zur Verwirklichung des Ziels von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, wirkungsvolle gerichtliche Mechanismen zu schaffen (vgl. 18. Erwägungsgrund des Übereinkommens), beitragen. Sie entspricht auch ganz dem Gedanken des Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens, nach dem die u.a. in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens genannten Verfahren ‚angemessen und effektiven' Rechtsschutz bieten und ‚fair' sein müssen.

90 Die Ausschlussregelung stellt demnach als Vorbedingung für die Erhebung einer Klage zwar eine Einschränkung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht im Sinne von Art. 47 der Charta dar. Eine solche Einschränkung kann nach Art. 52 Abs. 1 der Charta aber gerechtfertigt sein, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, den Wesensgehalt dieses Rechts achtet und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht (...).

91 Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen die konkreten Modalitäten für die Ausübung der im österreichischen Recht verfügbaren Verwaltungsbehelfe das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht im Sinne von Art. 47 der Charta nicht unverhältnismäßig einschränken (...).

92 Insoweit stellt sich die Frage, ob in einem Fall wie dem, um den es im Ausgangsverfahren geht, durch die Geltung der betreffenden Ausschlussregelung für eine Umweltorganisation wie Protect das Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, wie es Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 der Charta für den Schutz der durch Art. 4 der Richtlinie 2000/60 gewährten Rechte gewährleistet, übermäßig beschränkt wird.

93 Diese Frage wird letztlich das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der relevanten tatsächlichen Umstände und des einschlägigen nationalen Rechts zu beantworten haben. Nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten dürfte die Frage - unter dem Vorbehalt einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht - zu bejahen sein.

94 Protect kann schwerlich zur Last gelegt werden, die Anwendung der Ausschlussregelung des § 42 AVG nicht dadurch verhindert zu haben, dass sie bereits im Stadium des Verwaltungsverfahrens das durch die Parteistellung begründete Recht ausgeübt hat, Einwendungen wegen Verletzung wasserrechtlicher Vorschriften, die der Umsetzung der Richtlinie 2000/60 dienen, zu erheben.

95 Protect hatte bei den zuständigen Behörden nämlich beantragt, ihr die Parteistellung zuzuerkennen. Dies wurde aber im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, § 102 Abs. 1 WRG biete hierfür keine Rechtsgrundlage. Deshalb musste sich Protect am Verwaltungsverfahren als ‚Beteiligte' im Sinne von § 102 Abs. 2 WRG beteiligen. Als Beteiligte hatte sie nach § 102 Abs. 3 WRG nicht das Recht, Einwendungen zu erheben, die die Behörden vor einer Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung hätten berücksichtigen müssen.

96 Nach den einschlägigen nationalen Verfahrensvorschriften dürfte der Vorwurf, nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben zu haben, um die Anwendung der Ausschlussregelung des § 42 AVG zu verhindern, darauf hinauslaufen, zu verlangen, dass die Organisationen eine Verpflichtung erfüllen, die sie von vornherein nicht erfüllen können. Es gilt aber der Grundsatz, dass niemand zu unmöglichen Leistungen verpflichtet ist (impossibilium nulla obligatio est).

97 Auch wenn die Verpflichtung aus § 42 AVG, wie die österreichische Regierung geltend macht, rein formal sein sollte, so dass es, um zu verhindern, dass die Ausschlussregelung Anwendung findet, genügt, Einwendungen zu erheben, mit denen lediglich allgemein geltend gemacht wird, dass die Bewilligung des betreffenden Vorhabens gegen eine Bestimmung des WRG verstößt, wobei die Begründung der Einwendungen später nachgeholt werden kann, konnten die Umweltorganisationen im vorliegenden Fall den einschlägigen Verfahrensvorschriften bei verständiger Würdigung entnehmen, dass sie zunächst die Parteistellung erlangen mussten, um dann das durch diese Stellung begründete Recht, Einwendungen zu erheben, auszuüben.

98 Unter dem Vorbehalt der Prüfung durch das vorlegende Gericht dürfte in Anbetracht einer im Hinblick auf die einschlägigen nationalen Verfahrensvorschriften zumindest mehrdeutigen Rechtslage durch die Anwendung der Ausschlussregelung des § 42 AVG auf Protect mit der Folge, dass diese Organisation sowohl ihre Stellung als Partei in dem betreffenden Bewilligungsverfahren als auch ihr Recht auf Erhebung einer Beschwerde gegen die in dem Bewilligungsverfahren ergangene Entscheidung verloren hat, das mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 der Charta für den Schutz der Rechte aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60 garantierte Recht, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, übermäßig beschränkt werden.

99 Insoweit stellt die Geltung der Ausschlussregelung des § 42 AVG in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens eine Beschränkung des in Art. 47 der Charta verankerten Rechts, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, dar, die nicht gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta gerechtfertigt ist.

100 Unter dem Vorbehalt der Prüfung der relevanten tatsächlichen Umstände und des einschlägigen nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht ist Letzteres daher nach den oben in den Rn. 55 und 56 dargestellten Grundsätzen verpflichtet, in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit die Ausschlussregelung der einschlägigen nationalen Verfahrensvorschriften unangewendet zu lassen."

Es war daher zu klären, ob von der Revisionswerberin im gegenständlichen Fall die Erhebung von Einwendungen nach § 42 AVG verlangt hätte werden können oder nicht.

40 5.3.1. Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren bestimmt sich der Parteienkreis nach § 102 Abs. 1 lit. a und lit. b WRG 1959. Auch wenn dieser Aufzählung kein abschließender Charakter zukommt, kommt eine darauf gründende Parteistellung für Umweltorganisationen, denen keine subjektiv öffentlichen Rechte zukommen, nicht in Betracht. Eine ausdrückliche Zuerkennung einer Parteistellung einer Umweltorganisation als Formalpartei, wo die Berührung subjektiv-öffentlicher Rechte nicht nachgewiesen werden müsste, findet sich im WRG 1959 nicht. Vor dem Hintergrund der innerstaatlichen Rechtslage kam der Revisionswerberin daher keine Parteistellung zu.

41 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung (zu § 21a WRG 1959) zudem deutlich gemacht, dass das österreichische Recht auch nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass sich aus § 8 AVG iVm § 102 WRG 1959 eine Parteistellung für Umweltorganisationen ergäbe (vgl. ).

42 5.3.2. Aus der hier relevanten nationalen Bestimmung des § 102 WRG 1959 sowie der zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass die Revisionswerberin weder damit rechnen konnte, dass ihr im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren gemäß § 102 Abs. 1 iVm Abs. 3 WRG 1959 Parteistellung zukomme, noch, dass sie faktisch als Partei behandelt werden würde. Es kann ihr daher auch nicht vorgehalten werden, das nur mit der Parteistellung verbundene (und diese aufrecht erhaltende) Recht der Erhebung von wasserrechtlich relevanten Einwendungen nicht wahrgenommen zu haben.

43 Anders wäre die Sache zu beurteilen, wenn der Revisionswerberin im behördlichen Verfahren seitens der BH unmissverständlich zu verstehen gegeben worden wäre, dass ihr (auf Grundlage eines unionsrechtskonformes Verständnisses etwa des § 102 WRG 1959 oder des § 8 AVG) Parteistellung zukomme und sie wie eine Verfahrenspartei, etwa durch Gewährung von Akteneinsicht oder Parteiengehör oder der ausdrücklichen Einräumung der Möglichkeit der Erstattung von Einwendungen, behandelt worden wäre. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht eine solche Vorgangsweise allerdings nicht hervor.

44 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das LVwG offenbar implizit eine denkmögliche Parteistellung der Revisionswerberin voraussetzte, die dann als Folge der Versäumung rechtzeitig erhobener relevanter Einwendungen wieder verloren ging, weil die Revisionswerberin mit einer solchen Vorgangsweise ebenfalls nicht rechnen musste.

45 5.3.3. Die zu prüfende Frage ist somit dahingehend zu beantworten, dass der Revisionswerberin im vorliegenden Verfahren nicht vorgehalten werden kann, ihre Parteistellung sei verloren gegangen, weil sie nicht rechtzeitig Einwendungen im Sinne des § 42 AVG erhoben habe.

46 Im vorliegenden Fall wurde daher durch die Anwendung der Ausschlussregelung des § 42 AVG das Recht der Revisionswerberin, bei einem Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen, wie es Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte für den Schutz der durch Art. 4 der WRRL gewährten Rechte gewährleistet, übermäßig beschränkt.

§ 42 AVG findet daher im vorliegenden Fall keine Anwendung.

47 6. Vor diesem Hintergrund erweist sich das angefochtene Erkenntnis, mit dem die Beschwerde der Revisionswerberin wegen der Wirksamkeit der genannten Ausschlussregelung abgewiesen worden war, als rechtswidrig.

48 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

49 7. Die Vollziehung des WRG 1959 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG wäre daher der Bund. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der explizit auf die Inanspruchnahme des Landes Niederösterreich gerichtete Antrag der revisionswerbenden Partei abzuweisen (vgl. ; , Ro 2014/07/0041; , Ra 2015/07/0051).

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
12010E267 AEUV Art267;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs1;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs5;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs6;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4 Abs7;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art4;
32005D0370 AarhusKonvention Art2;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs3;
32010L0075 Industrie-Emissions-RL;
32011L0092 UVP-RL;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
62003CJ0459 Kommission / Irland;
62004CJ0344 IATA und ELFAA VORAB;
62009CJ0240 Lesoochranarske zoskupenie VORAB;
62012CJ0404 Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe ;
62014CJ0137 Kommission / Deutschland;
AVG §42;
WRG 1959 §102 Abs1 lita;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §15;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015070055.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAE-93206