VwGH vom 21.03.2013, 2011/23/0199
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold und Mag Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/217.912/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein philippinischer Staatsangehöriger, reiste im Juli 2007 mit einem bis gültigen Visum in das Bundesgebiet ein. Am heiratete er die österreichische Staatsbürgerin A und beantragte darauf gestützt die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Nach kurzer Rückkehr in seine Heimat reiste er am mit einem Visum erneut nach Österreich ein. Seit ist der Beschwerdeführer im Besitz eines - zuletzt bis verlängerten - Aufenthaltstitels "Familienangehöriger".
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.
Ausgehend von den Angaben des L, des früheren Lebensgefährten der A, den Ergebnissen durchgeführter Wohnungserhebungen, den bei den Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau hinsichtlich des Kennenlernens und des Heiratsentschlusses aufgetretenen Widersprüchen und den Meldedaten des L kam die belangte Behörde auf Grund ausführlich begründeter beweiswürdigender Überlegungen zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer sei mit seiner österreichischen Ehefrau eine Scheinehe eingegangen, um ein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet zu erwirken, und habe dadurch den in § 60 Abs. 2 Z 9 FPG normierten Tatbestand verwirklicht. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr auch im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
Der Beschwerdeführer halte sich seit etwa dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf und sei regelmäßig berufstätig. Diese Beschäftigungsverhältnisse seien jedoch nur durch das Eingehen der Scheinehe möglich gewesen. Sonstige, ein besonderes Maß an Integration erkennen lassende Umstände lägen nicht vor und würden auch durch vorgebrachte Beziehungen zu Freunden und Verwandten nicht dargelegt. Familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Bruder seien durch die Volljährigkeit beider Personen und die getrennten Haushalte relativiert. Der Beschwerdeführer habe bis zu seinem 30. Lebensjahr in seiner Heimat gelebt. Hindernisse für eine Rückkehr in sein Heimatland seien nicht zu erkennen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich somit auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.
Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe auch keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des behördlichen Ermessens Abstand zu nehmen.
Im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer vorzuwerfende Gesamt(fehl)verhalten und unter Bedachtnahme auf seine Lebenssituation könne nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor dem Ablauf der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Dezember 2010 geltende Fassung.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache u.a. zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.
Für Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers gelten gemäß § 87 FPG die Bestimmungen über begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Ausgehend von der Annahme einer nach wie vor aufrechten Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin A hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung den erhöhten Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 (iVm § 87) FPG zugrunde gelegt. Dadurch wurde der Beschwerdeführer, der in seiner Beschwerde auf eine bereits mit Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom erfolgte einvernehmliche Scheidung der Ehe verweist, aber nicht in seinen Rechten verletzt. Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG gegeben sind, wenn der Fremde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/23/0018, mwN).
In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, der genannte Tatbestand sei verwirklicht, das Fehlen relevanter Feststellungen sowie die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung geltend gemacht. Die Beurteilung der belangten Behörde beruhe lediglich auf Vermutungen. Bei beiden Ehepartnern habe im Zeitpunkt der Eheschließung die Absicht bestanden, in ehelicher Lebensgemeinschaft zu leben. Daran ändere auch die "bereits Jahre zurückliegende" Lebensgemeinschaft von A und L, die auch einen gemeinsamen (im Jahr 2002 geborenen) Sohn hätten, nichts. A habe bestätigt, dass die Lebensgemeinschaft mit L "bereits beendet" gewesen sei.
Dieses Vorbringen zeigt keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung auf. Die belangte Behörde hat die Angaben des L, bis zu einem Streit am ca. sechs Jahre mit A eine Lebensgemeinschaft geführt und in ihrer Wohnung gewohnt zu haben, angesichts näher bezeichneter Aussagen mehrerer Wohnungsnachbarn und der Meldedaten des L als glaubwürdig beurteilt. Die Beschwerde bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen, wonach L in der Wohnung der A - in jeweils näher bezeichneten Zeiträumen - in den Jahren 2002 (hier teilweise auch mit Hauptwohnsitz), 2003, 2005 und 2006 mit Nebenwohnsitz, vor allem aber auch vom bis - somit im Zeitpunkt der am erfolgten Eheschließung des Beschwerdeführers mit A - sowie in weiterer Folge vom bis mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei.
Überdies durfte die belangte Behörde die - ebenso wenig in Zweifel gezogenen - Ergebnisse der am , am , am , am und am durchgeführten Hauserhebungen in ihre Beweiswürdigung einbeziehen. Danach wurde der Beschwerdeführer weder vom Hauswart noch von drei Wohnungsnachbarn und der Tochter einer Nachbarin auf einem vorgezeigten Lichtbild erkannt. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Umstand, dass er bei den Wohnungserhebungen (mit einer Ausnahme, nämlich am ) nicht habe angetroffen werden können, sei darauf zurückzuführen, dass er auf Grund seiner Beschäftigung die Wohnung in den frühen Morgenstunden verlassen müsse und erst spät am Abend von der Arbeit nach Hause zurückkehre, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den vom Arbeitgeber des Beschwerdeführers eingeholten Dienstplan für den Zeitraum vom bis entgegengehalten. Dieser Dienstplan zeigt eine tägliche Arbeitszeit des Beschwerdeführers von 12.00 bis 20.30 Uhr sowie zwei freie Tage (30. Juli und ). Dem Einwand des Beschwerdeführers, tatsächlich komme es auf Grund krankheitsbedingter Ausfälle, Diensttausche und unvorhergesehener Arbeitseinsätze zu wesentlich anderen Arbeitszeiten, als sie aus dem Dienstplan ersichtlich wären, hat bereits die belangte Behörde zutreffend entgegnet, es werde damit nicht dargelegt, dass und inwiefern der konkrete Dienstplan für den Zeitraum vom 28. Juli bis nicht den Tatsachen entsprochen hätte. Auch die Beschwerde enthält dazu kein konkreteres Vorbringen.
Die Ausführungen der belangten Behörde, der Umstand, dass der Beschwerdeführer einmal in der Wohnung seiner Ehefrau angetroffen worden sei, vermöge angesichts der Gesamtumstände ein gemeinsames Ehe- und Familienleben nicht zu belegen, zumal es nach zuvor in kurzen Abständen erfolgten polizeilichen Kontrollen naheliegend sei, dass der Beschwerdeführer durch seine (einmalige) Anwesenheit bei der in Rede stehenden Überprüfung den Verdacht einer Scheinehe zu entkräften versucht habe, erweist sich - auch mangels eines substantiierten, diese Begründung widerlegenden Beschwerdevorbringens - nicht als unplausibel. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sprach die belangte Behörde überdies nicht nur von "vier" Besuchen, sondern von "vielfachen" Versuchen, den Beschwerdeführer an der ehelichen Wohnung anzutreffen. Den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und den entsprechenden Erhebungsberichten sind - wie erwähnt - insgesamt sechs mit konkretem Datum bezeichnete sowie "mehrmalige", nach dem durchgeführte Wohnungserhebungen zu entnehmen, bei denen der Beschwerdeführer insgesamt nur einmal habe angetroffen werden können.
Die Beschwerde bemängelt ferner, die belangte Behörde habe nach den Befragungen lediglich "gemutmaßt", dass es sich bei dem von den Wohnungsnachbarn in der Ehewohnung gesehenen Mann asiatischer Herkunft um L handle.
Dabei lässt die Beschwerde jedoch den hier maßgeblichen und im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Umstand außer Acht, dass von sämtlichen befragten Wohnungsnachbarn nach Vorzeigen eines Lichtbildes des Beschwerdeführers angegeben wurde, bei dem in der Wohnung der A lebenden Mann handle es sich nicht um den Beschwerdeführer.
Das weitere Beschwerdevorbringen, die Angaben des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehefrau hinsichtlich des Kennenlernens stimmten "im Kern" überein, ist ebenso wenig geeignet, die diesbezüglich im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Widersprüche - jedenfalls hinsichtlich des Ortes des Kennenlernens - zu entkräften. So hatte A am angegeben, den Beschwerdeführer, der von seinem Bruder bzw. dessen Ehefrau nach Österreich eingeladen worden sei, Mitte Jänner 2007 persönlich getroffen zu haben, nachdem sie ihn durch E-Mail-Verkehr bereits vier Monate vorher gekannt habe. Demgegenüber hatte der Beschwerdeführer am angegeben, seine spätere Ehefrau in seinem Heimatland kennengelernt zu haben, als diese 2007 dort auf Urlaub gewesen sei.
Im Übrigen widerspricht die Beschwerdebehauptung, es sei naheliegend, dass es zwischen A und dem Beschwerdeführer vor dessen Einreise in das Bundesgebiet bereits E-Mail-Verkehr gegeben habe, zumal beide beabsichtigt hätten, die Ehe zu schließen, den Angaben der A vom , wonach das nähere Kennenlernen der Ehepartner und der Entschluss zur Heirat erst nach der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich erfolgt seien.
Die belangte Behörde durfte in ihre Beweiswürdigung auch einbeziehen, dass der Beschwerdeführer keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel geltend gemacht habe, die ein Ehe- oder Familienleben mit A glaubhaft erscheinen hätten lassen. Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde enthaltene Verweis auf die behördliche Ermittlungspflicht lässt erneut die Bezeichnung konkreter Beweise, die die belangte Behörde im Falle weiterer Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis ihrer Beurteilung führen hätten können, vermissen. Welche weiteren für die Entscheidung relevanten Feststellungen die belangte Behörde darüber hinaus zu treffen gehabt hätte, zeigt die Beschwerde ebenso wenig auf.
Der belangten Behörde kann daher insgesamt nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer habe mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen und sich, ohne mit ihr ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben, für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen. Ebenso durfte die belangte Behörde - wie erwähnt - davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG bzw. des § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist.
Auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Sie hat dabei den etwas mehr als dreijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ebenso berücksichtigt wie seine familiären Bindungen zu seinem - in getrenntem Haushalt lebenden - Bruder und dessen Familie sowie die vom Beschwerdeführer eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse, die jedoch lediglich auf Grund der Scheinehe ermöglicht wurden. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Aufenthaltsehen kann die Beurteilung der belangten Behörde, die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten, selbst unter Berücksichtigung allfälliger weiterer entfernterer Verwandter des Beschwerdeführers in Österreich sowie angeeigneter Kenntnisse der deutschen Sprache, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Es ist ferner keine ausreichende Grundlage dafür zu erkennen, dass das der Behörde eingeräumte Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers zu üben gewesen wäre.
Schließlich zeigt die Beschwerde auch nicht nachvollziehbar auf, weshalb die belangte Behörde eine kürzere als die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes anzuordnen gehabt hätte.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-93199