VwGH vom 10.09.2015, Ro 2015/09/0011

VwGH vom 10.09.2015, Ro 2015/09/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die Revision der regionalen Geschäftsstelle Baden des Arbeitsmarktservice (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 7, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W131 2016366-1/15Z, betreffend Beschäftigung als Schlüsselkraft (Rot-Weiß-Rot-Karte) gemäß § 12b Z. 1 AuslBG (mitbeteiligte Parteien: R P in A und A GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer D H in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Erstmitbeteiligte beantragte unter Beilage der Arbeitgebererklärung mit am bei der österreichischen Botschaft in Moskau eingelangtem Schreiben die Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 12b Z. 1 AuslBG (Sonstige Schlüsselkräfte).

Dieser Antrag wurde von der Revisionswerberin mit Bescheid vom abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde führte die Revisionswerberin ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch. Sie wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Auf Grund des Vorlageantrages erließ das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss, mit dem es die Beschwerdevorentscheidung aufhob und das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Revisionswerberin zurückverwies.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, die Revisionswerberin hätte

"mit entsprechendem betriebswirtschaftlichen und berufskundlichen Sachverstand (iSv § 52 Abs 1 AVG) ermitteln müssen, welches nunmehr genau das vom Arbeitgeber verlangte Anforderungsprofil ist (Im Formular 'Arbeitgebererklärung' sind teilweise unterschiedliche Anforderungen im Vergleich zu den nachmaligen Parteierklärungen (des Geschäftsführers) des verfahrensgegenständlichen Arbeitgebers enthalten.)

Danach hätte (die Revisionswerberin) Parteiengehör gewähren müssen, um klarzustellen, von welchem aus den Parteierklärungen abgeleiteten arbeitgeberseitig erklärten Anforderungsprofil es ausgeht."

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Revision für zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend fehle, welche konkreten Befugnisse, Rechte und Pflichten für die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bzw. für die Parteien gemäß § 20d AuslBG aus der Beweislastbestimmung des letzten Satzes des § 4b AuslBG abzuleiten seien.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt".

Da sich das Bundesverwaltungsgericht zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich § 4b Abs. 1 AuslBG in Widerspruch gesetzt hat und die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt, ist sie zulässig.

2) Die Revisionswerberin bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht sei rechtswidrig der Auffassung der Revisionswerberin, dass eine sonstige Schlüsselkraft nach § 12b Z. 1 AuslBG

a) die im Anforderungsprofil gemäß § 4b vorletzter Satz AuslBG festgelegten Qualifikationen selbst haben müsse und

b) dafür der Arbeitgeber und der beantragte Ausländer beweispflichtig seien,

nicht gefolgt.

2a) Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dieser Frage ausgeführt:

"Der letzte Satz des § 4b AuslBG ist dabei dahin auszulegen, dass der Arbeitgeber den Nachweis zu erbringen hat, dass von ihm aufgestellte Ausbildungs- und Qualifikationserfordernisse in seinen betrieblichen Notwendigkeiten gedeckt sind. MaW sind - gemessen an den betrieblichen Notwendigkeiten des verfahrensgegenständlichen Arbeitgebers - unnötig übersteigerte Anforderungsprofile zur Vermeidung der Vermittlung von Ersatzkräften dem EKV" (Anm: = Ersatzkräfteverfahren) "nicht zu Grunde zu legen.

...

Den Arbeitgeber trifft nach dem Gesetzeswortlaut nicht die Beweislast dafür, dass die angestrebte Schlüsselkraft die im Anforderungsprofil definierten Qualifikationen hat, sondern dafür, dass das aufgestellte Anforderungsprofil in den betrieblichen Notwendigkeiten gedeckt ist."

Die hier maßgeblichen Gesetzesstellen lauten:

"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine 'Rot-Weiß-Rot - Karte', Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine 'Blaue Karte EU' und ausländische Künstler den Antrag auf eine 'Aufenthaltsbewilligung - Künstler' gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

Grad als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12 Grad als Fachkraft gemäß § 12a,

Grad als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1, Grad als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2

(Studienabsolvent),

Grad als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine 'Blaue Karte EU') oder

Grad als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

ein Diplomstudium zumindest ab dem zweiten Studienabschnitt bzw. ein Masterstudium an einer inländischen Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität absolviert und erfolgreich abgeschlossen haben und für die beabsichtigte Beschäftigung, die ihrem Ausbildungsniveau zu entsprechen hat, ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens dem ortsüblichen Entgelt inländischer Studienabsolventen mit einer vergleichbaren Tätigkeit und Berufserfahrung entspricht, jedenfalls aber mindestens 45 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG zuzüglich Sonderzahlungen beträgt,

und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.

Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

..."

§ 4b AuslBG lautet:

"§ 4b (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

(2) ..."

§ 4b Abs 1 vorletzter und letzter Satz AuslBG wurden mit BGBl. I Nr. 126/2002 neu normiert und blieben seither unverändert. Nach der hiezu ergangenen RV 1172, 21. GP, S 46, soll "die neue

Regelung der Arbeitsmarktprüfung ... eine einfachere Durchführung

der so genannten Ersatzkraftprüfung ermöglichen und gleichzeitig die Mitwirkungspflicht des Arbeitgeber in diesem Prüfverfahren klar festlegen".

Dies bestärkt den nach den Regeln der deutschen Sprache zu beurteilenden Wortsinn (nach denen sich die Wortfolge "zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen" auf die als letztes zuvor genannten "betrieblichen Notwendigkeiten" bezieht).

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2005/09/0106, ausgesprochen, dass es im Verfahren über einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung grundsätzlich Sache des Beschäftigers ist, das Anforderungsprofil hinsichtlich des zu besetzenden Arbeitsplatzes und der konkreten von der Arbeitskraft zu leistenden Tätigkeiten auf abstrakte Weise festzulegen. Der Beschäftiger hat zwar nach § 4b Abs. 1 letzter Satz AuslBG den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen der gewünschten Arbeitskraft zu erbringen. Die belangte Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden.

Die eingangs zu 2a) wiedergegebene Auslegung des Bundesverwaltungsgerichtes ist damit zwar rechtens, nicht aber deren Anwendung.

2b) Zur Verpflichtung des Arbeitgebers nach dem letzten Satz des § 4b Abs 1 AuslBG, den Nachweis in dem in 2a) geklärten sachlichen Bezug zu erbringen, hat das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , 2011/04/0003, wonach demjenigen, dem die Beweislast obliegt, im Verfahren die Gelegenheit gegeben werden muss, den ihm obliegenden Beweis zu erbringen, ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof ging also nach hier angelegter Auffassung zum Thema der Beweislast in einem AVG - geprägten Verfahren offenbar davon aus, dass mit einer Beweislastnormierung nicht die Beweisführungslast (für das Beweisvorliegen zu Verfahrensbeginn) gemeint ist, sondern die objektive Feststellungslast, wenn (trotz gebotener Parteienmitwirkung) in dem nach AVG durchgeführten Verfahren objektiv nicht festgestellt werden könne, ob der für die beweisbelastete Partei günstige Sachverhalt vorliegt."

Trotz dieser grundsätzlich richtigen Ausführungen gelangte das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall zu einem rechtswidrigen Ergebnis.

Der Arbeitgeber benannte in der am bei der Magistratsabteilung 35 eingelangten Arbeitgebererklärung die berufliche Tätigkeit als "Management und sales consultant", diese in der Rubrik "Genaue Beschreibung der Tätigkeit" umschrieb und bei "Vermittlung von Ersatzkräften erwünscht" dazu ergänzte, welche Mitarbeiter bevorzugt würden. Die Revisionswerberin hat bereits im Verfahren erster Instanz dem Arbeitgeber mit Schreiben betreffend Einräumung des Parteiengehörs vom die Gelegenheit eingeräumt, binnen einer Woche Stellung zu nehmen bzw. Unterlagen nachzureichen, u.a. zu den Themen "Angabe einer konkreten Berufsbezeichnung sowie einer präzisen Tätigkeitsbeschreibung" und "Begründung für die Notwendigkeit eines armenischen Jurastudiums im Tätigkeitsfeld eines Reisebüros".

Der Arbeitgeber antwortete mit Schreiben vom und Vorlage eines undatierten, bis befristeten Vermittlungsauftrages, dessen wesentlicher Inhalt im angefochtenen Beschluss unter Punkt 6.1 wörtlich wiedergegeben ist.

Im Verfahren vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung hat die Revisionswerberin sodann auch den Mitbeteiligten Gelegenheit zum Parteiengehör mit Schreiben vom eingeräumt. Darin wurde darauf hingewiesen, dass die (bisherige) Beschreibung der einzelnen Aufgabengebiete derart allgemein gehalten sei, dass diese einer näheren Erläuterung bezüglich deren Zusammenhang mit Reisebürotätigkeiten bedürften; es wurden nähere Fragen zur Präzisierung gestellt. Der Erstmitbeteiligte antwortete.

Das Verwaltungsgericht hätte bei diesem Ermittlungsstand gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden gehabt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063).

Rechtswidrig ist auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, es sei Sache der Revisionswerberin, bei dem gegenständlichen Verhalten des Erstmitbeteiligten und der Arbeitgeberin zu versuchen, aus unpräzisen, nicht übereinstimmenden Angaben zum Arbeitsplatz ein "Anforderungsprofil" zu erstellen, weil die Erstellung eines solchen der "Privatsphäre" unterliegt (vgl. aus dem bereits genannten hg. Erkenntnis vom , 2005/09/0106: "Die belangte Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden"). Sache der Behörde ist lediglich die Prüfung, ob die von der Arbeitskraft zu leistenden Tätigkeiten konkret umschrieben sind, in den betrieblichen Notwendigkeiten ihre Deckung finden und die darüber erbrachten Nachweise ausreichen.

Der angefochtene Beschluss erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am