VwGH vom 30.03.2017, Ra 2015/07/0009
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des PF in G, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in 8200 Gleisdorf, Ludersdorf 201, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 41.23-4033/2014-6, betreffend Ersatzvornahme nach § 4 VVG in einer Angelegenheit des Wasserrechts (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , 2011/07/0113, iVm dem hg. Erkenntnis vom selben Tag, 2011/07/0112, verwiesen.
2 Mit Bescheid vom ordnete die belangte Behörde gegenüber dem Revisionswerber infolge Nichterfüllung der ihm mit Bescheid der belangten Behörde vom auferlegten Verpflichtung zur Verschließung des auf dem Grundstück Nr. 133, KG L., errichteten und betriebenen Artesers die bereits mit Schreiben vom angedrohte Ersatzvornahme an (Spruchpunkt I.) und trug dem Revisionswerber als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) die Erlegung von EUR 6.696,- auf (Spruchpunkt II.).
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen vorbrachte, zu 257/500 Anteilen Eigentümer des Grundstückes Nr. 133, KG L., zu sein, auf welchem sich der Arteser befinde. Mit Zustellung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) vom habe sein Vater, der Miteigentümer des betreffenden Grundstückes, vom "Verschließungsbescheid" erfahren und einen Antrag auf Bescheidzustellung gestellt. Über diesen sei noch nicht entschieden worden. Der Bescheid der belangten Behörde vom sei nicht vollstreckbar, weil der zweite Grundstückseigentümer (der Vater des Revisionswerbers) übergangen worden und die Verpflichtung gegen den Willen des zweiten Grundstückseigentümers nicht durchsetzbar sei.
4 Das LVwG wies die Beschwerde im Umfang des Spruchpunktes I. mit dem angefochtenen Erkenntnis vom als unbegründet ab. Mit Beschluss vom selben Tag hob das LVwG den Bescheid im Umfang des Spruchpunktes II. auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an die belangte Behörde zurück. Die ordentliche Revision wurde jeweils für unzulässig erklärt.
5 In der Begründung des Erkenntnisses führte das LVwG nach Wiedergabe des Beschwerdevorbringens aus, der Revisionswerber sei im bisher durchgeführten Verfahren betreffend den zu verschließenden Arteserbrunnen als Errichter und Konsenswerber aufgetreten. Der dem Vollstreckungsverfahren zugrunde liegende Verpflichtungsbescheid wirke rechtskräftig gegen den Revisionswerber. Die gegen den Verpflichtungsbescheid erhobene Berufung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes vom abgewiesen worden. Die hiergegen erhobene Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2011/07/0113, abgewiesen.
6 Der Revisionswerber habe in weiterer Folge auch einen Antrag auf nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für den gegenständlichen Arteser gestellt, welcher ebenfalls zurückgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Beschwerde an das LVwG sei abgewiesen worden. Sohin sei der Revisionswerber aufgrund der vorliegenden Titelbescheide jedenfalls als Verpflichteter des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens anzusehen. Der Vater des Revisionswerbers hätte als Miteigentümer allenfalls im durchgeführten Verfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Wasserrechtsgesetz seine Rechte geltend machen müssen. Der Revisionswerber sei daher als Verpflichteter nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz anzusehen. Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unzulässig.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, allenfalls wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben und das eingeleitete Verwaltungsvollstreckungsverfahren einstellen.
8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen geltend, nach der langjährigen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein baupolizeilicher Auftrag im Fall des Miteigentums nur dann vollstreckbar, wenn der Auftrag gegen alle Miteigentümer bereits erlassen sei. Wenn nicht gegen alle Miteigentümer vollstreckbare Abtragungstitel vorlägen und daher die Durchführbarkeit der Vollstreckung nicht feststehe, könne auch gegen denjenigen Miteigentümer, dem gegenüber ein vollstreckbarer Abtragungstitel bestehe, kein Kostenvorauszahlungsauftrag ergehen, geschweige denn die Ersatzvornahme selbst angeordnet werden. Die diesbezügliche Judikatur leite sich aus dem Grundsatz ab, dass aufgrund des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes in das Eigentum nur durch einen konkreten Verwaltungsakt nach den in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen zwangsweise eingegriffen werden dürfe. Konkrete Judikatur in diesem Sinne zum Wasserrechtsgesetz habe nicht aufgefunden werden können; aufgrund der gleichen Grundvoraussetzungen sei aber die Judikatur zum Baurecht auch zum Wasserrechtsgesetz voll anwendbar, dies zumindest bei ortsfesten Anlagen, da schon nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen das Eigentum an einem Bauwerk bzw. an einer Anlage dem Grundeigentum folge.
12 Die Revision ist zulässig, weil zur Rechtsfrage, ob die vom Revisionswerber aufgezeigte baurechtliche Judikatur auf wasserpolizeiliche Aufträge gemäß § 138 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) übertragbar ist, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Die Revision ist aber nicht begründet.
13 § 138 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) idgF. lautet auszugsweise:
"Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.
§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten
a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,
..."
14 § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) idgF. lautet:
"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen
a) Ersatzvornahme
§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar."
15 Nach den Bestimmungen verschiedener Bauordnungen bzw. Baugesetze der österreichischen Bundesländer sind Aufträge zur Beseitigung von konsenslosen und konsenswidrigen Baulichkeiten bzw. zur Behebung eines Baugebrechens an den Eigentümer der betreffenden Baulichkeit zu erteilen, unabhängig davon, wer den bauordnungswidrigen Zustand herbeigeführt hat (vgl. etwa zu § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz das hg. Erkenntnis vom , 2013/06/0244, zu § 48 Abs. 2 Oberösterreichische Bauordnung das hg. Erkenntnis vom , 2012/05/0166, oder zu § 35 Abs. 2 Niederösterreichische Bauordnung 1996 das hg. Erkenntnis vom , 2009/05/0004, jeweils mwN).
16 In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass solche Bauaufträge, die sich an den Eigentümer des Grundstückes oder des Bauwerkes zu richten haben, im Fall des Miteigentums - auch wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Miteigentümer erwähnt, wie in § 129 der Bauordnung für Wien - grundsätzlich an alle Miteigentümer zu richten sind, sofern nicht - wie im Fall des Wohnungseigentums - eine ausdrückliche (abweichende) Sondervorschrift besteht (vgl. insbesondere das auch vom Revisionswerber in seiner Revision zitierte hg. Erkenntnis vom , 98/05/0092, mwN). Sohin kann dann, wenn nicht gegen alle Miteigentümer vollstreckbare Abtragungstitel vorliegen und daher die Durchführbarkeit der Vollstreckung nicht feststeht, auch gegen denjenigen Miteigentümer, dem gegenüber ein vollstreckbarer Titel besteht, kein Kostenvorauszahlungsauftrag ergehen, geschweige denn die Ersatzvornahme selbst angeordnet werden (vgl. das vom Revisionswerber zitierte hg. Erkenntnis vom , 87/06/0086, 0087, und aus der ständigen Folgejudikatur etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/06/0224).
17 Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber mit dem im Instanzenzug ergangenen, rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 aufgetragen, den auf dem Grundstück Nr. 133, KG L., errichteten und betriebenen Arteser mit näher genannten Vorkehrungen zu verschließen. Anders als im Fall der genannten baupolizeilichen Aufträge ist Adressat eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 nicht der Grundstückseigentümer bzw. der Eigentümer einer Baulichkeit oder Anlage, sondern derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, also derjenige, der eigenmächtig eine Neuerung vorgenommen hat (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom , 2005/07/0022, und vom , Ro 2015/07/0007). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch die Aufrechterhaltung und Nutzung eines konsenslos bestehenden Zustandes eine Übertretung von Bestimmungen des WRG 1959 im Sinn des § 138 WRG 1959 dar (vgl. ebenfalls das zuvor zitierte hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/07/0007). Die gemäß § 138 WRG 1959 ausgesprochene Verpflichtung zur Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen ist eine persönliche Verbindlichkeit (vgl. insb. das hg. Erkenntnis vom , 99/07/0176). Die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages auch gegenüber dem (Mit-)Eigentümer der betreffenden Liegenschaft ist daher keine Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 und 2 WRG 1959.
18 Für die Geltendmachung von Rechten an den durch eine politische Exekution der hier zu beurteilenden Art betroffenen Gegenständen (§ 37 der Exekutionsordnung) sind gemäß Art. III Abs. 3 Einführungsgesetz zur Exekutionsordnung (EGEO) ausschließlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung und der Exekutionsordnung maßgebend. Für die Klage ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel sich zur Zeit der Anbringung der Klage die Gegenstände ganz oder zum Teil befinden, an denen die behaupteten Rechte bestehen sollen. Demnach hat eine dritte Person, die Rechte an einem durch die Exekution betroffenen Gegenstand behauptet, eine Klage nach § 37 EO einzubringen, wenn sie nicht Adressat der Anordnungen im Titelbescheid war, welcher Grundlage der Vollstreckungsverfügung im Sinn des § 4 VVG ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 96/07/0090, und vom , 2013/07/0093). Die behauptete Unzulässigkeit der Vollstreckung liegt somit nicht vor.
19 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am
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