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VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0185

VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0185

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/175.351/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am mit einer von bis gültigen Aufenthaltserlaubnis für eine befristete Beschäftigung in das Bundesgebiet ein. Das Verfahren über seinen am gestellten Asylantrag wurde am eingestellt.

Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. In weiterer Folge wurde ihm ein vom bis gültiger Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Nach ausführlicher Darstellung des zum Verdacht des Vorliegens einer sogenannten Aufenthaltsehe durchgeführten Ermittlungsverfahrens verwies die belangte Behörde in ihren Erwägungen auf die bei den Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau am und am zu Tage getretenen Widersprüche in ihren Aussagen. So seien die ausgeprägte Unkenntnis der beiden Ehepartner über maßgebliche Umstände aus dem Privat- und Familienleben des jeweils anderen sowie widersprüchliche Angaben über den Ablauf des Hochzeitstages bezeichnend gewesen. Die Ehepartner hätten auch, wenngleich wenige, gleichlautende Angaben gemacht. Es liege jedoch gerade im Wesen einer Scheinehe, durch gleichlautende Angaben ein gemeinsames Ehe- und Familienleben der Behörde wahrheitswidrig vorzutäuschen. Die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen hätten kein gemeinsames Ehe- und Familienleben bestätigen können. Die weiteren Erhebungsergebnisse rundeten dieses Bild ab.

Ausgehend von diesen beweiswürdigenden Überlegungen kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe mit seiner österreichischen Ehefrau berufen, ohne mit dieser ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG rechtfertige.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Aufenthaltsbzw. Scheinehen - dringend geboten sei. Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung eingehen können. Seine durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde somit durch die von ihm bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet würden keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Mangels sonstiger besonderer, zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde "angesichts des vorliegenden Sachverhaltes" von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Abschließend hielt die belangte Behörde fest, die mit der Dauer von zehn Jahren vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes stehe mit § 63 FPG in Einklang. Selbst unter Bedachtnahme auf seine private Situation könne in Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor dem Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2009) geltende Fassung des genannten Gesetzes.

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten gemäß § 87 zweiter Satz FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0278, mwN).

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung geltend gemacht. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten das Vorliegen einer "normalen Ehe" ausdrücklich bestätigt. Weder die durchgeführten polizeilichen Erhebungen noch die Vernehmungen hätten einen schlüssigen Beweis für das Eingehen einer Scheinehe erbringen können. Die belangte Behörde habe einerseits aufgezeigte Widersprüche, aber auch gleichlautende Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau als Anhaltspunkte für das Bestehen einer sogenannten Scheinehe herangezogen. Die an die jeweiligen Zeugen pauschal gestellte Frage, ob die Ehepartner ein gemeinsames Eheleben führten, sei eine nicht zu beantwortende Frage. Sowohl die Ehepartner als auch einige Zeugen hätten bestätigt, dass zumindest eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden habe.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere die von ihm und seiner Ehefrau im Rahmen ihrer Vernehmungen getätigten Aussagen, im angefochtenen Bescheid unrichtig wiedergegeben worden wären.

Danach betrafen die anlässlich der am erfolgten Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zu Tage getretenen Widersprüche u.a. den vorangegangenen Jahreswechsel, den der Beschwerdeführer nach seinen Angaben gemeinsam mit seiner Ehefrau gefeiert habe, während diese aussagte, zu Silvester mit Freundinnen in Mailand gewesen zu sein. Ferner ergaben sich Widersprüche hinsichtlich des nur vier Tage zurückliegenden Geburtstages der Ehefrau des Beschwerdeführers und des letzten Hochzeitstages der Ehepartner. Zu den beiden letztgenannten Ereignissen wurden von ihnen unterschiedliche Angaben zum Tagesablauf und zu den Geschenken getätigt.

Auch die Aussagen der Ehepartner bei ihren Vernehmungen am waren von einigen Widersprüchen geprägt, etwa betreffend das gegenseitige Kennenlernen, das Stattfinden einer Feier nach ihrer Hochzeit, die Häufigkeit des telefonischen Kontakts des Beschwerdeführers mit seiner in Klagenfurt berufstätigen Ehefrau, den üblichen Zeitpunkt und die Dauer des Besuches der Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in Wien sowie die Häufigkeit der Übernachtungen des Beschwerdeführers in der Wohnung einer näher genannten Familie.

Eine Erklärung für diese von der belangten Behörde - neben übereinstimmenden Aussagen - im Einzelnen dargestellten Widersprüche in den Angaben der Ehepartner bietet die Beschwerde nicht.

Die Schlüssigkeit der in erster Linie auf diese Widersprüche gegründeten Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe kann aber auch mit dem Beschwerdehinweis auf die im angefochtenen Bescheid zusammengefasst wiedergegebenen Zeugenvernehmungen nicht erschüttert werden.

So hat der Zeuge Ziya I. am u.a. angegeben, den Beschwerdeführer einmal mit seiner Ehefrau im Stiegenhaus getroffen zu haben. Die Ehefrau habe er kein weiteres Mal gesehen. Sonst wisse er über den Beschwerdeführer und seine Ehefrau nichts Persönliches, ein Eheleben der beiden könne er nicht bezeugen.

Der Zeuge Seref Y. gab u.a. an, nichts Persönliches über den Beschwerdeführer und seine Ehefrau zu wissen und nicht bezeugen zu können, dass die beiden ein Eheleben führten.

Die Zeugin Feray C., die Ehefrau des Cousins des Beschwerdeführers, gab bei ihrer Vernehmung an, die Ehefrau des Beschwerdeführers noch nie gesehen zu haben und ein Eheleben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht bezeugen zu können.

Der Zeuge Murat C., der Cousin des Beschwerdeführers, führte bei seiner Vernehmung aus, den Beschwerdeführer ca. einmal im Monat zu sehen, wobei dieser immer alleine, nie gemeinsam mit seiner Frau auftrete. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe er noch nie gesehen, er wisse auch nichts Persönliches über sie. Er sei sicher, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau ein Eheleben führten, weil jener von seiner Ehefrau einmal am Handy, das auf Lautsprecherfunktion geschaltet gewesen sei, angerufen worden sei und die Ehefrau gesagt habe, dass er heimkommen solle. Er wisse aber nicht genau, wo der Beschwerdeführer wohne, er sei auch nie in dessen Wohnung gewesen.

Der Zeuge Mustafa C., der Onkel des Beschwerdeführers, gab bei seiner Vernehmung an, die Ehefrau des Beschwerdeführers nur ein einziges Mal gesehen zu haben, aber nichts Persönliches über sie zu wissen. Ebenso wenig wisse er, ob der Beschwerdeführer und seine Ehefrau "als Mann und Frau" zusammenlebten.

Die unter bloßem Verweis auf die soeben dargestellten Zeugenaussagen vertretene Ansicht, einige Zeugen hätten "zumindest eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft" des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau bestätigt, wird in der Beschwerde nicht näher begründet. Die Vernehmungen der Zeugen beschränkten sich auch nicht auf die - laut Beschwerde - "pauschal gestellte Frage", ob der Beschwerdeführer und seine Ehefrau "ein gemeinsames Eheleben" führten. Angesichts dessen ist das Beschwerdevorbringen nicht in der Lage, die Beurteilung der belangten Behörde, wonach die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen kein gemeinsames Ehe- und Familienleben bestätigen hätten können, in Zweifel zu ziehen.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht steht der Annahme, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht hat, auch nicht der Umstand entgegen, dass die Ehe des Beschwerdeführers nicht gemäß § 23 Ehegesetz von einem Gericht für nichtig erklärt wurde (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2011/23/0278, mwN).

Im Hinblick auf die bereits zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durfte die belangte Behörde auf Basis der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen auch davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei. Der in der Beschwerde geltend gemachte, seit der Eheschließung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum (von ca. vier Jahren) steht dieser Gefährdungsannahme auch bei sonstigem Wohlverhalten des Beschwerdeführers nicht entgegen.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung wird in der Beschwerde lediglich mit dem Hinweis auf die strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers bekämpft. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird jedoch auch mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt.

Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Interessenabwägung nach § 66 FPG sowohl die unselbständige Beschäftigung des Beschwerdeführers als auch die durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration berücksichtigt. Angesichts des den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüberzustellenden, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Interessenabwägung keinen Bedenken.

Schließlicht bekämpft der Beschwerdeführer die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes und verweist in diesem Zusammenhang auf seine privaten Interessen. Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde bei ihrer nach § 63 FPG durchgeführten Beurteilung ohnehin auf die private Situation des Beschwerdeführers Bedacht genommen hat. Welche besonderen Umstände im Rahmen dieser Beurteilung zur Festlegung einer kürzeren Dauer des Aufenthaltsverbotes führen hätten müssen, legt die Beschwerde nicht konkret dar. In Anbetracht des dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Fehlverhaltens, durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel erlangt zu haben, ist die Auffassung der belangten Behörde, ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes könne nicht vor dem Verstreichen der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am