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VwGH vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026

VwGH vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des Arbeitsmarktservice Tulln in 3430 Tulln an der Donau, Nibelungenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W131 2006201- 1/9E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: I P in N, vertreten durch die Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Herrengasse 3-5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte bezog ab dem Arbeitslosengeld. Vom 23. September bis nahm sie an einer Weiterbildungsmaßnahme des AMS teil. Am absolvierte sie ein Vorstellungsgespräch, nachdem sie sich eigeninitiativ für eine auf der Homepage des AMS angebotene Stelle beworben hatte. Laut Rückmeldung des potentiellen Dienstgebers an das AMS erhielt sie eine Zusage für den Arbeitsbeginn am . Sie nahm das Stellenangebot nicht an. Am erklärte sie niederschriftlich, dass ihr der Anfahrtsweg zu weit gewesen sei; es sei ihre erste Bewerbung gewesen, und sie wolle noch eine Stelle in Wohnortnähe suchen.

Mit Bescheid vom sprach die regionale Geschäftsstelle des AMS T. daraufhin gemäß § 10 AlVG aus, dass die Mitbeteiligte für den Zeitraum bis den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliere, weil sie sich geweigert habe, eine vom AMS zugewiesene, zumutbare Beschäftigung bei der Firma G. anzunehmen. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolge lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde. Sie brachte vor, dass es sich um keinen Vermittlungsvorschlag des AMS gehandelt, sondern sie sich eigeninitiativ beworben habe. Weiters bestritt sie mit näherer Begründung die Zumutbarkeit der Wegzeit. Schließlich brachte sie vor, dass die Entscheidung mit unangebrachter Härte getroffen worden sei; es habe sich um ihre erste Bewerbung gehandelt, die sie nach intensiver Kursteilnahme und rascher und positiver Ablegung sämtlicher Prüfungen abgegeben habe, sodass sie noch keine Möglichkeiten gehabt habe, ihre Chancen auf dem Stellenmarkt in ihrer näheren Wohnumgebung zu prüfen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die regionale Geschäftsstelle die Beschwerde ab. Begründend wurde nach Feststellung des eingangs dargestellten Sachverhaltes ausgeführt, dass auch die Verweigerung bzw. Vereitelung einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit - und nicht nur einer vom AMS zugewiesenen Stelle - nach § 10 AlVG sanktioniert werden könne. Im vorliegenden Fall seien sämtliche relevanten Kriterien für das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit vorgelegen. Es wäre nur mehr an der Mitbeteiligten gelegen, die Stelle (mit einer von ihr gewünschten Arbeitszeit von 30 Wochenstunden) anzutreten. Die Beschäftigung sei auch zumutbar gewesen; die Wegstrecke zum Arbeitsplatz könne laut Routenplaner (in eine Richtung) in 37 Minuten zurückgelegt werden; mit Berücksichtigung von Behinderungen von ca. 10 Minuten könne die gesamte Wegstrecke in 1 Stunde 24 Minuten zurückgelegt werden, was den Zumutbarkeitsbestimmungen des § 9 Abs. 2 AlVG entspreche. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG lägen nicht vor; die am begonnene vollversicherte Beschäftigung könne nicht als Nachsichtsgrund herangezogen werden, weil die Arbeitsaufnahme außerhalb des achtwöchigen Beobachtungszeitraums erfolgt sei.

Die Mitbeteiligte stellte einen näher begründeten Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht. Sie brachte unter anderem vor, dass auch die Wegzeit für die langsamere, dafür aber wesentlich kürzere Strecke von 1 Stunde 54 Minuten zu berücksichtigen gewesen wäre, die bei einer Teilzeitbeschäftigung von 30 Stunden jedenfalls grenzwertig sei. Außerdem bestritt sie, dass das Arbeitsverhältnis schon am hätte beginnen sollen; für Dezember seien nur "Schnuppertage" vereinbart gewesen, der tatsächliche Beschäftigungsbeginn sei für Jänner 2014 in Aussicht gestellt worden. Hinsichtlich der Nachsicht nach § 10 Abs. 3 AlVG brachte sie vor, dass sie bereits am die Bewerbung an ihren jetzigen Dienstgeber gesendet habe; am habe das Vorstellungsgespräch stattgefunden, am habe sie den Dienstvertrag unterzeichnet, am habe sie - im Anschluss an den Urlaub des Geschäftsführers - zu arbeiten begonnen. Damit seien nur zehn Wochen bis zur Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses vergangen, von denen genau genommen die zwei Wochen nach Weihnachten abgezogen werden müssten, da in dieser Zeit die meisten Betriebe geschlossen hätten bzw. nicht bereit wären, jemanden neu einzustellen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am eine mündliche Verhandlung durch und erließ sodann das angefochtene Erkenntnis, mit dem es aussprach, dass der Beschwerde stattgegeben und "die den angefochtenen Bescheid vom endgültig ablösende Beschwerdevorentscheidung vom im Zuge der Gewährung von Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ersatzlos aufgehoben" werde.

In der Begründung äußerte das Bundesverwaltungsgericht zunächst Zweifel daran, dass - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Sanktionen nach § 10 AlVG auch dann verhängt werden könnten, wenn eine sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit ausgeschlagen werde. Diese, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dem EuGH vorzulegende Frage könne allerdings - ebenso wie die Frage, ob die Bedingungen des Dienstverhältnisses bereits ausreichend klargestellt gewesen seien - "verfahrensökonomisch derzeit dahingestellt" bleiben. Die Sanktion sei nämlich jedenfalls gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nachzusehen. Nach den Umständen des Einzelfalles könne auch bei einer Beschäftigungsaufnahme erst zu einem Zeitpunkt, der länger als acht Wochen ab Beginn der Ausschlussfrist liege, dennoch eine Nachsicht rechtlich angebracht sein. Dies sei vorliegend der Fall, weil die Mitbeteiligte bereits am die Bewerbung bei ihrem nunmehrigen Arbeitgeber abgegeben und am ein Vorstellungsgespräch absolviert habe. Dass die Beschäftigungsaufnahme dann erst am erfolgt sei, gehe unwidersprochen auf die urlaubsbedingte Abwesenheit des Geschäftsführers zurück. Die Mitbeteiligte sei nunmehr seit dem kontinuierlich beim selben Dienstgeber beschäftigt, womit ihr gerade nicht mangelnde Arbeitswilligkeit zugeschrieben werden könne. Damit liege im Ergebnis ein zur gänzlichen Nachsicht führender Fall vor.

Dies erscheine sachgerecht, zumal die Mitbeteiligte durch das wahrheitsgemäße Artikulieren ihres Wunsches nach einem Arbeitsplatz mit geringerer Anreisezeit den potentiellen Dienstgeber davor bewahrt habe, die Mitbeteiligte einzustellen und einzuschulen, danach aber bei der nächsten sich ihr bietenden adäquaten Arbeitsmöglichkeit durch Kündigung wieder zu verlieren. Die Mitbeteiligte habe damit dem potentiellen Dienstgeber betriebswirtschaftliche Nachteile erspart. Auch dies erscheine berücksichtigungswürdig im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG.

Nach § 10 Abs. 3 AlVG sei vor der Gewährung der Nachsicht der Regionalbeirat anzuhören. Diese Anhörung habe aber nach - näher begründeter - Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nur bei der Sachentscheidung durch die regionale Geschäftsstelle zu erfolgen, nicht hingegen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Schließlich stellte das Bundesverwaltungsgericht klar, dass seinem Erkenntnis die Rechtsauffassung zugrunde liege, wonach eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher inhaltlich über eine Beschwerde abgesprochen werde, den zuvor ergangenen Bescheid mit der Maßgabe ablöse, dass nach der Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung der erste Bescheid nicht neuerlich auflebe.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Es fehle nämlich an gefestigter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu mehreren Fragen: Erstens sei die Entscheidung davon abhängig gewesen, ob bei einer Nachsichtsentscheidung nach § 10 Abs. 3 AlVG zwingend und in jedem Fall zunächst der Sachverhalt zur Frage der rechtmäßigen Sanktionsverhängung aufzuklären sei oder ob diese Ermittlungen mangels Rechtserheblichkeit jeweils dahinstehen könnten, wenn jedenfalls eine Nachsicht zu erteilen wäre. Zweitens hänge die Entscheidung davon ab, wie lange eine Beschäftigungsaufnahme nach dem Sanktionsbeginn liegen dürfe, um berücksichtigungswürdig im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG zu sein. Drittens sei keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage aufgefunden worden, ob der Regionalbeirat auch bei einer Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 10 Abs. 3 AlVG anzuhören sei oder ob das Anhörungsrecht nur im Fall einer Sachentscheidung durch die regionale Geschäftsstelle gelte. Überdies liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes dazu vor, inwieweit die wahrheitsgemäße Offenlegung, dass einer Arbeitslosen eine Arbeitsstelle mit geringerer Pendelzeit lieber wäre, eine gemäß § 10 Abs. 1 AlVG zu sanktionierende Handlung darstelle.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der regionalen Geschäftsstelle (der belangten Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgericht hat nach Aktenvorlage durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Die Revision ist aus den vom Bundesverwaltungsgericht genannten Gründen, auf die auch die Revision zurückkommt, zulässig.

2. Zur Frage, ob vor Erteilung einer Nachsicht nach § 10 Abs. 3 AlVG zwingend das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Sanktion nach § 10 Abs. 1 AlVG geklärt werden muss :

In berücksichtigungswürdigen Fällen ist nach § 10 Abs. 3 AlVG der Anspruchsverlust nach Abs. 1 dieser Bestimmung ganz oder teilweise nachzusehen. Dabei ist die Erfüllung eines der zum Anspruchsverlust führenden Tatbestände der Erteilung der Nachsicht logisch vorgelagert.

Kommt aber die regionale Geschäftsstelle oder - im Beschwerdeverfahren - das Bundesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass der Ausspruch eines Anspruchsverlusts schon deswegen nicht in Betracht käme, weil gemäß § 10 Abs. 3 AlVG jedenfalls die gänzliche Nachsicht zu erteilen wäre, so kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn von einer abschließenden Beurteilung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 AlVG abgesehen wird.

3. Zur Frage der Beurteilung als berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG :

§ 10 Abs. 3 AlVG nennt die Aufnahme einer anderen Beschäftigung ausdrücklich als Beispiel für einen berücksichtigungswürdigen Grund für eine Nachsichtserteilung. Dass eine solche Beschäftigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - etwa, wie das AMS meint, bis zum Ablauf von acht Wochen ab Beginn des Anspruchsverlusts - aufgenommen worden sein muss, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Grundsätzlich kann daher jede Beschäftigung berücksichtigt werden, die vor der (endgültigen) Entscheidung über die Nachsicht angetreten worden ist und auf Grund einer gewissen zeitlichen Nähe zur Weigerung bzw. Vereitelung noch deren negative Konsequenzen für die Versichertengemeinschaft (teilweise) auszugleichen vermag. Während aber im Fall der Aufnahme einer Beschäftigung vor Ablauf der Ausschlussfrist die (gänzliche oder teilweise) Nachsicht jedenfalls zu erteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/19/0136, VwSlg. 15.621 A), werden bei einer späteren Beschäftigungsaufnahme zumindest ernsthafte Bemühungen schon im Vorfeld zu verlangen sein, damit - allenfalls in Verbindung mit anderen zugunsten des Arbeitslosen sprechenden Umständen - noch von einem berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG ausgegangen werden kann.

Gerade solche ernsthaften, sogleich nach der vorgeworfenen Ablehnung des ersten Beschäftigungsangebots begonnenen und sodann konsequent weiterverfolgten Bemühungen konnte die Mitbeteiligte im vorliegenden Fall vorweisen. Dass die tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung dann erst rund vier Wochen nach dem Ende des erstinstanzlich ausgesprochenen (sechswöchigen) Anspruchsverlusts erfolgt ist, hinderte nicht die Wertung des Gesamtverhaltens der Mitbeteiligten - auch unter Bedachtnahme auf die erst kurze Arbeitslosigkeit, die Eigeninitiative bei den Bewerbungen und die erfolgreiche Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme - als berücksichtigungswürdig im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG.

Dagegen ist die Rücksichtnahme auf die betriebswirtschaftlichen Interessen des Dienstgebers durch die Offenlegung, dass an sich eine besser erreichbare Arbeitsmöglichkeit angestrebt werde, entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht zugunsten der Arbeitslosen zu werten. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass etwa durch die Bekundung der Absicht, eine dezidiert als Dauerstelle angebotene Beschäftigung - aus welchen Gründen auch immer - nur als Übergangslösung zu betrachten, die Arbeitswilligkeit im Hinblick auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz in Zweifel gezogen wird und dies nach § 10 AlVG sanktionierbar ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/08/0066, vom , Zl. 2006/08/0322, und vom , Zl. 2007/08/0315).

Das Bundesverwaltungsgericht hat aber schon im Hinblick auf die Beschäftigungsaufnahme der Mitbeteiligten in Verbindung mit ihrem Vorverhalten im Ergebnis zu Recht das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG bejaht, die auch eine gänzliche Nachsicht des Anspruchsverlustes gerechtfertigt haben.

4. Zur Frage der Anhörung des Regionalbeirates durch das Bundesverwaltungsgericht :

Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist die Nachsicht nach Anhörung des Regionalbeirates zu erteilen. Eine solche Anhörung ist im vorliegenden Fall durch die regionale Geschäftsstelle - die davon ausging, dass eine Nachsicht nicht zu erteilen sein werde - nicht erfolgt.

Die Erteilung der Nachsicht kann freilich - wie im vorliegenden Fall - auch durch das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer Sachentscheidung über die Beschwerde erfolgen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht - wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG vorliegen und die Angelegenheit daher nicht gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG zurückverwiesen wird - auch das bei der Festlegung des Umfangs der Nachsicht offen stehende Ermessen zu üben.

Fraglich ist, ob diese Entscheidung eine Anhörung des Regionalbeirates voraussetzt, wenn dies - wie hier - im Verfahren vor der regionalen Geschäftsstelle unterlassen wurde.

Der Regionalbeirat ist gemäß § 3 Abs. 2 AMSG - neben dem Leiter der regionalen Geschäftsstelle - ein Organ des Arbeitsmarktservice im Bereich der regionalen Organisationen. Demgemäß ist nach § 20 Abs. 1 AMSG bei jeder regionalen Organisation ein solcher Beirat einzurichten. Gemäß § 20 Abs. 2 AMSG besteht er aus dem Leiter der regionalen Geschäftsstelle als Vorsitzendem und vier weiteren Mitgliedern, die das Landesdirektorium auf Vorschlag der Kammer der gewerblichen Wirtschaft des jeweiligen Bundeslandes, der Vereinigung österreichischer Industrieller, der Kammer für Arbeiter und Angestellte des jeweiligen Bundeslandes und des österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt. In den Aufgabenbereich des Regionalbeirates fallen gemäß § 21 Abs. 1 AMSG der Vorschlag zur Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik auf regionaler Ebene gegenüber der Landesorganisation, die Anhörung vor der Bestellung des Leiters der regionalen Geschäftsstelle, der Beschluss über Berichte zur Arbeitsmarktpolitik der regionalen Organisation, die Genehmigung der regionalen Präliminarien, die Genehmigung kurz- und mittelfristiger Arbeitsprogramme und die Mitwirkung in sonstigen Angelegenheiten, in denen dies gesetzlich vorgesehen ist.

Das AlVG sieht mehrere solcher Mitwirkungsbefugnisse des Regionalbeirates vor, u.a. jene nach § 10 Abs. 3. Gemäß § 76 Abs. 1 AlVG kann der Regionalbeirat aber unter Bedachtnahme auf die Arbeitsmarktlage einhellig bestimmen, dass bei bestimmten Gruppen von Geschäftsfällen an die Stelle der Anhörung die nachträgliche Berichterstattung durch den Leiter der regionalen Geschäftsstelle oder einen von ihm damit betrauten Bediensteten der regionalen Geschäftsstelle treten kann.

Vor allem diese Regelung, die es dem Regionalbeirat selbst überlässt, auf die Anhörung zugunsten eines nachträglichen Berichts des Leiters der regionalen Geschäftsstelle zu verzichten, deutet darauf hin, dass es sich bei der Verpflichtung zur Anhörung in § 10 Abs. 3 AlVG (und anderen Bestimmungen dieses Gesetzes) nicht um eine Verfahrensvorschrift handelt, die im Wege des § 17 VwGVG auch vom Bundesverwaltungsgericht anzuwenden wäre, sondern um eine spezifisch die Willensbildung der regionalen Geschäftsstelle betreffende Regelung. Sie hat offenbar den Zweck, für bestimmte Fälle die Entscheidungsgrundlage des Leiters der regionalen Geschäftsstelle - eines monokratischen Organs - dadurch zu verbreitern, dass ein paritätisch besetztes Kollegialorgan anzuhören ist.

Es kann nicht angenommen werden, dass auch das (in Angelegenheiten des AlVG im Übrigen gemäß dessen § 56 Abs. 2 in Senaten mit fachkundigen Laienrichtern aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entscheidende) Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren den Regionalbeirat - ein Beratungsorgan der bei ihm belangten Behörde - anzuhören hätte. Insofern ist der - auch vom AMS in der Revision geteilten - Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts beizutreten.

5. Zur ersatzlosen Behebung der Entscheidung über den Anspruchsverlust und zum Verhältnis der Beschwerdevorentscheidung zum ursprünglichen Bescheid :

Das Bundesverwaltungsgericht hat, um seiner Rechtsansicht, dass keine Sanktion nach § 10 AlVG zu erlassen sei, zum Durchbruch zu verhelfen, die Beschwerdevorentscheidung - unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 AlVG - ersatzlos behoben.

5.1 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Nachsicht von der regionalen Geschäftsstelle im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich mit Bescheid zu erteilen wäre, hat doch der Arbeitslose bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf die Nachsicht und damit auch auf eine rechtskraftfähige Erledigung. Eine formlose Einstellung des Verfahrens wäre nicht ausreichend. Im Beschwerdeverfahren kann die rechtskräftige Erteilung der Nachsicht aber auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass der die Sanktion aussprechende Bescheid bloß - ohne ausdrücklichen Ausspruch der Nachsicht - ersatzlos behoben wird; auch die Rechtskraft einer solchen Entscheidung steht der Verhängung einer Sanktion wegen desselben vorgeworfenen Verhaltens entgegen.

5.2 Hinsichtlich des Verhältnisses der Beschwerdevorentscheidung zum Ausgangsbescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig derogiert habe.

Dem ist zuzustimmen:

Die Beschwerdevorentscheidung ist in § 14 VwGVG geregelt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen.

§ 56 Abs. 2 AlVG sieht für die Beschwerdevorentscheidung durch die regionale Geschäftsstelle eine davon abweichende Frist von zehn Wochen vor.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Anders als für die Berufungsvorentscheidung nach § 64a AVG ist nicht normiert, dass die Beschwerdevorentscheidung durch den Vorlageantrag außer Kraft tritt. Dieser Unterschied war vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt: So wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2009 BlgNR 24. GP 5 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung mit dem Einlangen des Vorlageantrages nicht außer Kraft treten soll, sondern der Vorlageantrag unter bestimmten Voraussetzungen aufschiebende Wirkung haben soll. Dementsprechend bestimmt § 15 Abs. 2 VwGVG, dass ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung hat, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat oder von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrages dennoch die Beschwerde (auch wenn - anders als für die Berufungsvorentscheidung nach der BAO (alt) - eine ausdrückliche Regelung fehlt, wonach die Beschwerde mit der Einbringung eines zulässigen Vorlageantrages wieder als unerledigt gilt): Der Vorlageantrag - auch ein solcher von anderen Parteien als dem Beschwerdeführer - richtet sich nach dem VwGVG nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, mag er auch eine (zusätzliche) Begründung enthalten (was aber gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG nur für Vorlageanträge anderer Parteien als des Beschwerdeführers zwingend erforderlich ist). Dem entspricht insbesondere auch § 28 VwGVG, der ausschließlich die Beschwerde zum Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsgerichts macht.

Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die - außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde -

an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung.

Das bedeutet im Einzelnen - für die wichtigsten in Betracht kommenden Fallkonstellationen - Folgendes:

Ist die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid nicht berechtigt, so ist sie vom Verwaltungsgericht abzuweisen; eine Beschwerdevorentscheidung, die ebenfalls - allenfalls mit einer ergänzenden Begründung - in einer Abweisung bestanden hat, ist zu bestätigen (wobei ein dies aussprechendes Erkenntnis - auch dann, wenn der Spruch der Beschwerdevorentscheidung nicht wiederholt wird - so zu werten ist, als ob das Verwaltungsgericht ein mit der Beschwerdevorentscheidung übereinstimmendes neues Erkenntnis erlassen hätte; vgl. zu dieser Wirkung von bestätigenden Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , E 1286/2014, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Ro 2014/15/0042, und vom , Ro 2015/03/0032), im Fall einer zu Gunsten des Beschwerdeführers abändernden oder aufhebenden Beschwerdevorentscheidung ist - durch Erlassung des an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tretenden Erkenntnisses - in der Regel der Spruch des Ausgangsbescheides wiederherzustellen (es sei denn, es wäre bezogen auf den Ausgangsbescheid eine Verschlechterung zu Lasten des Beschwerdeführers (reformatio in peius) rechtlich geboten).

Ist die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid (teilweise) berechtigt, so ist ihr vom Verwaltungsgericht (teilweise) stattzugeben; eine Beschwerdevorentscheidung, die der Beschwerde ebenfalls im gebotenen Umfang stattgegeben hat und den Ausgangsbescheid - im Rahmen des durch die Beschwerde abgesteckten Verfahrensgegenstandes - rechtskonform abgeändert oder behoben hat, ist (im oben genannten Sinn) zu bestätigen, eine rechtswidrige - den Ausgangsbescheid entweder bestätigende oder in rechtswidriger (etwa nicht weit genug gehender) Weise abändernde - Beschwerdevorentscheidung ist ihrerseits abzuändern (das heißt: durch ein rechtmäßiges Erkenntnis zu ersetzen) oder gegebenenfalls - wenn eine Entscheidung in der betreffenden Sache gar nicht hätte ergehen dürfen - ersatzlos zu beheben.

Will das Verwaltungsgericht die Sache an die Behörde zurückverweisen, so ist die in der Sache ergangene Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz oder Abs. 4 VwGVG aufzuheben.

Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt (siehe zum insoweit vergleichbaren Vorlageantrag nach § 30b VwGG etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2014/10/0068); dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird, selbst wenn die Behörde die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht wahrgenommen und eine meritorische - den Ausgangsbescheid aufhebende oder abändernde - Beschwerdevorentscheidung erlassen haben sollte.

Ist die Beschwerde zulässig, wurde sie mit der Beschwerdevorentscheidung aber zurückgewiesen, so hat das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen (und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern), wobei seine Entscheidung auch hier an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss.

5.3 Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht - nach den obigen Ausführungen zu Recht - davon ausgegangen, dass der Beschwerde entgegen der Beschwerdevorentscheidung stattzugeben war und die mit der Beschwerdevorentscheidung getroffene Sachentscheidung überhaupt nicht ergehen hätte dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, indem es die Beschwerdevorentscheidung in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos behoben hat.

6. Die Revision erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am