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VwGH vom 25.05.2016, Ra 2015/06/0095

VwGH vom 25.05.2016, Ra 2015/06/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der C P in P, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 50.32-1839/2015-8, betreffend Feststellung gemäß § 40 Abs. 1 Stmk. BauG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Gemeinde P; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde P hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit vier Bescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde P vom wurden jeweils vier baubehördliche Bewilligungen für die Errichtung von Einfamilienhäusern auf den Grundstücken Nr. 138/5, Nr. 129/3, Nr. 130/3 und Nr. 138/6, alle KG X, erteilt. Die Revisionswerberin erhob als Nachbarin und Alleineigentümerin des Grundstücks Nr. 4/5, EZ 3, KG X, Einwendungen gegen diese Bauvorhaben.

2 Mit gleichlautenden Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) vom , und wurde schließlich den Beschwerden der Revisionswerberin Folge gegeben, die angefochtenen Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an den Gemeinderat der Gemeinde P zurückverwiesen. Tragender Aufhebungsgrund war der Umstand, dass die Einwendungen der Revisionswerberin betreffend heranrückende Wohnbebauung an ihren landwirtschaftlichen Betrieb als zulässige Einwendungen im Sinn des § 26 Abs. 4 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) zu werten seien. Die Emissionen eines benachbarten Betriebes müssten im Sinn dieser Bestimmung jedoch tatsächlich und rechtmäßig sein. Vor Erlassung neuerlicher Baubescheide werde der Revisionswerberin die Möglichkeit einzuräumen sein, die Zulässigkeit der Emissionen aus ihrem Betrieb zu belegen.

3 Der Bürgermeister der Gemeinde P stellte sodann von Amts wegen gemäß § 40 Abs. 1 Stmk. BauG mit Bescheid vom fest, dass der im Eigentum der Revisionswerberin auf dem Grundstück Nr. 4/5 stehende Stall im Ausmaß von rund 280 m2 als rechtmäßig gelte. Begründend wurde unter anderem auf Bildmaterial aus den Jahren 1954 bis 1967 verwiesen.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Revisionswerberin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde P vom abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Revisionswerberin durch den Feststellungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt sei. Das öffentliche Interesse an der Feststellung des rechtmäßigen Bestehens der landwirtschaftlichen Anlage bestehe zum einen darin, den landwirtschaftlichen Betrieb in seinem Bestand vor einer heranrückenden Wohnbebauung und zum anderen die Nachbarn vor einer unzulässigen Beeinträchtigung schützen zu können. Dafür sei die rechtskräftige Feststellung des rechtlichen Konsenses des landwirtschaftlichen Betriebes notwendig. Dies sei für die Beurteilung bereits mehrerer anhängiger Bauverfahren von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Ermittlungsverfahrens und liege daher vor allem im Lichte der Grundsätze der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit und einer zweckmäßigen Verwaltungsführung bzw. im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit der Normunterworfenen im öffentlichen Interesse.

5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin vom wies das LVwG mit dem angefochtenen Beschluss (vom ) mangels Beschwer als unzulässig zurück. In seiner Begründung führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin fühle sich in ihren Rechten insofern verletzt, als die Baubehörden nicht amtswegig hätten feststellen dürfen, dass ihre landwirtschaftliche Betriebsanlage als rechtmäßiger Bestand gemäß § 40 Abs. 1 Stmk. BauG zu werten sei, weil sie bereits im Mai 2014 nachgewiesen habe, dass ihr landwirtschaftlicher Betrieb vor dem errichtet worden sei; § 40 Abs. 1 Stmk. BauG sehe die Durchführung eines Feststellungsverfahrens nicht vor. Voraussetzung für das Eingehen eines Verwaltungsgerichtes auf eine Beschwerde sei - auch ohne ausdrückliche Erwähnung durch den Gesetzgeber - jedoch das Rechtsschutzbedürfnis der Revisionswerberin. Dieses bestehe im objektiven Interesse der Revisionswerberin an einer Beseitigung des angefochtenen, sie beschwerenden Verwaltungsaktes. Das objektive Interesse der Revisionswerberin an der landesverwaltungsgerichtlichen Kontrolle gründe in deren Beschwer. Eine derartige Beschwer liege vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der Revisionswerberin an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweiche oder mangels Antrag der Revisionswerberin - wie im vorliegenden amtswegigen Feststellungsverfahren - die Verwaltungsbehörde die Revisionswerberin durch ihren Verwaltungsakt belaste. Im gegenständlichen Fall habe die Berufungsbehörde mittels Bescheid festgestellt, dass die landwirtschaftliche Betriebsanlage der Revisionswerberin im Sinn des § 40 Abs. 1 Stmk. BauG als rechtmäßig gelte. Unabhängig von der Frage, ob die Behörde berechtigt gewesen sei, in diesem Fall ein Feststellungsverfahren einzuleiten oder nicht, könne die Revisionswerberin durch den vorliegenden Bescheid nicht beschwert sein. Für die Rechtsstellung der Revisionswerberin mache es keinen Unterschied, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibe oder aufgehoben werde, weil die Erreichung des Verfahrenszieles - nämlich die Aufhebung des Bescheides der Behörde - für die Revisionswerberin keinen objektiven Nutzen habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/04/0143). Vielmehr werde die Revisionswerberin durch die bescheidmäßige Feststellung des rechtmäßigen Bestandes ihrer landwirtschaftlichen Betriebsanlage im Hinblick auf § 26 Abs. 4 Stmk. BauG nachhaltig abgesichert. Im Ergebnis sei daher die von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde mangels Beschwer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zurückzuweisen gewesen. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

7 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht beantragte, die Revision mangels Begründung im Sinn des § 28 Abs. 3 VwGG über deren Zulässigkeit kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revisionswerberin behauptet im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung der Revision unter anderem, das LVwG sei dadurch, dass es keine Sachentscheidung getroffen habe, welche auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides hätte lauten müssen, von der hg. Rechtsprechung abgewichen. Die außerordentliche Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig.

9 § 40 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, in der Fassung LGBl. Nr. 29/2014, lautet:

"§ 40

Rechtmäßiger Bestand

(1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem errichtet wurden.

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem und errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.

(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten auch dann, wenn ab dem bzw. ab dem Veränderungen (z. B. durch Zubauten, Umbauten oder Nutzungsänderungen) an der baulichen Anlage durchgeführt wurden. Erfolgten die Veränderungen zwischen dem und , so hat die Behörde ein Feststellungsverfahren gemäß Abs. 3 durchzuführen. Erfolgten sie hingegen ab dem , so kann für diese bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen eine nachträgliche Baubewilligung oder Baufreistellung erwirkt werden.

(3) Die Rechtmäßigkeit nach Abs. 2 ist über Antrag des Bauwerbers oder von Amts wegen zu beurteilen. Dabei ist die zum Zeitpunkt der Errichtung des Baues maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen. Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, hat die Behörde die Rechtmäßigkeit festzustellen. Der Feststellungsbescheid gilt als Bau- und Benützungsbewilligung.

(4) Wird das Feststellungsverfahren von Amts wegen eingeleitet, ist der Objekteigentümer zu beauftragen, die erforderlichen Projektunterlagen binnen angemessener Frist bei der Behörde einzureichen."

10 Die Revision weist zunächst darauf hin, dass bei baulichen Anlagen, die vor dem errichtet worden seien, die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht vorgesehen sei. Dadurch, dass das LVwG den ohne gesetzliche Grundlage erlassenen Feststellungsbescheid nicht aufgehoben habe, habe es den bekämpften Beschluss mit Rechtswidrigkeit belastet. Ohne Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigung dürfe ein Feststellungsbescheid von Amts wegen nur im öffentlichen Interesse erlassen werden; ein solches öffentliches Interesse sei im gegenständlichen Fall jedoch nicht erkennbar. Wenn die Berufungsbehörde ein solches öffentliches Interesse mit dem Schutz des landwirtschaftlichen Betriebes in seinem Bestand vor heranrückender Wohnbebauung sowie der Nachbarn vor einer unzulässigen Beeinträchtigung zu begründen versuche, verkenne die Behörde, dass es sich bei dem Schutz einer genehmigten Betriebsanlage vor heranrückender Wohnbebauung gerade um kein öffentliches Interesse handle, sondern um ein subjektivöffentliches Interesse eines betroffenen Nachbarn, der Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren habe und dort sein subjektiv-öffentliches Recht geltend machen könne. Für die Erlassung eines Feststellungsbescheides fehle daher die Zuständigkeit der Behörde, was das LVwG verkannt habe. Die strittige Rechtsfrage, ob das Stallgebäude der Revisionswerberin rechtmäßig errichtet worden sei, hätte in den fortgesetzten Verfahren der beim LVwG bekämpften Baubewilligungsverfahren gelöst werden können. Während eines laufenden Verwaltungsverfahrens sei es nicht zulässig, einzelne Teilaspekte dieses Verfahrens herausgelöst zum Gegenstand eines eigenen Feststellungsverfahrens zu machen. Der Behörde fehle somit die Zuständigkeit zur Erlassung derartiger Bescheide. Für die Relevanz fehlender Zuständigkeit sei nicht von Bedeutung, ob die betroffene Entscheidung rechtmäßig sei oder nicht. Durch die Zurückweisung der Beschwerde werde die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Entscheidung durch eine zuständige Behörde verletzt, weshalb das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet sei.

11 Dieses Vorbringen verhilft der Revision zum Erfolg. 12 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 40 Abs. 3 Stmk. BauG

ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur für bauliche Anlagen und Feuerstätten gesetzlich vorgesehen, die in Absatz 2 dieser Bestimmung genannt sind, nämlich solche, die zwischen dem und dem errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären. Die Baubehörden gingen fallbezogen unstrittig davon aus, dass der Stall der Revisionswerberin vor dem errichtet wurde, was unter anderem mit Bildmaterial aus den Jahren 1954 bis 1967 begründet wurde. Für diesen Fall ist die Durchführung eines Feststellungsverfahrens gesetzlich nicht vorgesehen. Bauliche Anlagen und Feuerstätten, die vor dem errichtet wurden und nach wie vor in dieser Form bestehen, haben vielmehr als rechtmäßig zu gelten, und es ist unerheblich, ob und inwieweit diese Anlagen seinerzeit rechtmäßig errichtet worden sind (vgl das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0008, m.w.N.). Von dieser gesetzlichen Vermutung (praesumptio iuris) sind selbst die Fälle erfasst, in denen in einem bereits durchgeführten Bauverfahren die (nachträgliche) Erteilung der Baubewilligung versagt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0163, u.a.). Auf Grund dieser gesetzlichen Vermutung kommt daher eine Feststellung der Rechtmäßigkeit baulicher Anlagen und Feuerstätten, die vor dem errichtet wurden, durch Bescheid nicht in Frage. Daher bestand keine Zuständigkeit der Baubehörden, in dieser Angelegenheit einen Feststellungsbescheid zu erlassen.

13 Nach der ständigen hg. Judikatur zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit war die Berufungsbehörde in jenen Fällen, in denen die Unterbehörde unzuständig war, allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsmittelwerber dies im Verfahren eingewendet oder in der Berufung releviert hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0049, mwN, sowie Hengstschläger/Leeb , AVG, § 6, Rz 19); diese Rechtsprechung kann auf die geltende Rechtslage übertragen werden. Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2015/07/0019, stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung auch von Verwaltungsgerichten aufzugreifen ist (siehe auch § 27 erster Satzteil VwGVG: Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es ...).

14 Im Hinblick auf die oben dargelegte Unzuständigkeit der Baubehörden zur Erlassung des gegenständlichen Feststellungsbescheides hätte das LVwG diesen Bescheid ersatzlos aufheben müssen; durch die stattdessen vorgenommene Zurückweisung der Beschwerde belastete das LVwG den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am