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VwGH vom 29.01.2009, 2007/10/0286

VwGH vom 29.01.2009, 2007/10/0286

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des H S in L, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josefs-Straße 42, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5-SH-13732/001-2007, betreffend Ersatz für Sozialhilfekosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Abweisung der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der gegenüber dem Beschwerdeführer ergangene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom hat (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"Die Bezirkshauptmannschaft Mödling verpflichtet Sie, die Kosten der von der Bezirkshauptmannschaft Mödling mit Bescheid vom bewilligten Sozialhilfe im Zeitraum bis in der Höhe von EUR 14.972,20 dem Land Niederösterreich zu ersetzen.

Diesen Betrag müssen Sie innerhalb von vier Wochen an die Bezirkshauptmannschaft Mödling, Fachgebiet Soziales, auf das nachstehende Konto überweisen: ...

Hinweis :

Sollten sie die offenen Kosten nicht bezahlen, werden diese auf Ihrer Liegenschaft, ..., grundbücherlich sichergestellt.

Bitte verwenden Sie den beiliegenden Zahlschein.

Bei einer Überweisung ist die Geschäftsfallnummer ... anzuführen.

Rechtsgrundlage :

§ 38 NÖ Sozialhilfegesetz 2000, LGBl. 9200 (NÖ SHG).

Begründung :

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Niederösterreichische Landesregierung die Berufung des Beschwerdeführers gegen den genannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 15 Abs. 1 und Abs. 2 NÖ SHG sowie den mit der Berufung verbundenen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes gemäß § 74 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - Folgendes aus:

Die Behörde erster Instanz habe den Kostenersatzanspruch gegen den Beschwerdeführer damit begründet, dass der Beschwerdeführer Eigentümer eines Einfamilienhauses sei und daher zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Vermögen gehabt habe. In der Begründung habe die Behörde erster Instanz darauf hingewiesen, dass sie keine Verwertung der Liegenschaft anstrebe, solange der Beschwerdeführer das Haus bewohne.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung vorgebracht, dass das in seinem Eigentum stehende Einfamilienhaus der Bezirkshauptmannschaft Mödling schon von Anfang an bekannt gewesen wäre. Überdies diente die Liegenschaft dem dringenden Wohnbedürfnis des Beschwerdeführers.

Dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, dass das Vermögen in Form eines Einfamilienhauses der Behörde bereits seit dem Jahr 1992 bekannt gewesen sei. Der von der Behörde erster Instanz herangezogene § 38 NÖ SHG sei daher nicht die maßgebliche Rechtsgrundlage für den Rückforderungsanspruch. In diesem Punkt sei der erstinstanzliche Bescheid daher abgeändert worden.

Nach dem von der belangten Behörde herangezogenen § 15 NÖ SHG könne die Hilfeleistung von der Sicherung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden. Der Beschwerdeführer gehe von der falschen Vorstellung aus, dass eine Verwertung seiner Liegenschaft angestrebt werde. Eine Verwertung der Wohnung wäre jedoch kontraproduktiv, würde die persönliche Situation des Beschwerdeführers durch den Wohnraumverlust doch noch verschärft werden. Es sei daher mit Sicherheit nicht im Interesse der Sozialhilfebehörde gelegen, den Beschwerdeführer durch den Verkauf oder die Versteigerung des von ihm bewohnten Hauses der Obdachlosigkeit preiszugeben. Es sei ständige Verwaltungspraxis, bei Vorliegen von Liegenschaftseigentum - zur Vermeidung der Verjährung - in regelmäßigen Zeitabständen die Sozialhilfeforderungen sicherzustellen. Die Verwertung der Liegenschaft erfolge in derartigen Fällen nie durch die Sozialhilfebehörde, sondern im Regelfall erst durch die Erben nach dem Ableben des Hilfeempfängers. Die grundbücherliche Sicherstellung der Forderung sei mit keinem Wohnungsverlust für den Beschwerdeführer verbunden.

Die Gewährung von Verfahrenshilfe sei im AVG generell nicht vorgesehen. Dem diesbezüglichen Antrag habe daher nicht stattgegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Abweisung der Berufung bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides zur Rückzahlung der empfangenen Sozialhilfeleistungen verpflichtet werde. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Absichtserklärung, das Haus nicht versteigern lassen zu wollen, sei unverbindlich. Eine beabsichtigte bloße Sicherstellung hätte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anordnen müssen, wofür jedoch eine Rechtsgrundlage fehle. Nach dem klaren Wortlaut von § 15 Abs. 2 NÖ SHG könne von der Behörde Sicherstellung nur vor Gewährung einer Sozialhilfeleistung verlangt werden.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des NÖ SHG haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 15. (1) Die Leistung der Hilfe zum Lebensbedarf hat unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und des verwertbaren

Vermögens des Hilfeempfängers ... zu erfolgen.

(2) Hat der hilfsbedürftige Mensch Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann die Leistung der Hilfe von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden.

...

(4) Als nicht verwertbar gelten Gegenstände, die zur persönlichen Berufsausübung oder zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Vermeidung, Bewältigung oder Überwindung einer Notlage dienen, ebenso ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, die der Deckung des notwendigen Wohnbedarfs des Hilfeempfängers und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen dienen.

...

§ 38. (1) Der Hilfeempfänger ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn


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1.
er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;
2.
nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;
3. im Fall des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird;
...

§ 40. (1) Der Anspruch auf Kostenersatz verjährt, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).

(2) Ersatzansprüche für Sozialhilfeleistungen, die grundbücherlich sichergestellt sind, unterliegen nicht der Verjährung. ..."

Der Beschwerdeführer ist unstrittig Eigentümer eines Einfamilienhauses, das er selbst bewohnt. Nach der Begründung des belangten Bescheides wäre der Beschwerdeführer der Obdachlosigkeit ausgesetzt, wenn er dieses Haus nicht mehr bewohnen könnte. Bei diesem Haus handelt es sich daher - wovon beide Parteien ausgehen -

um ein Eigenheim, das der Deckung des notwendigen Wohnbedarfs des Hilfeempfängers dient und daher gemäß § 15 Abs. 4 NÖ SHG als nicht verwertbar gilt. Unstrittig war das Liegenschaftseigentum des Beschwerdeführers der Behörde bereits bei Gewährung der gegenständlichen Sozialhilfeleistungen bekannt.

Nach dem für den normativen Gehalt maßgeblichen Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz wird der Beschwerdeführer verpflichtet, die für ihn im Zeitraum vom bis aufgewendeten Sozialhilfeleistungen in der Höhe von EUR 14.972,20 dem Land Niederösterreich binnen vier Wochen durch Einzahlung auf ein bestimmt genanntes Konto zu ersetzen. An dem den Beschwerdeführer verpflichtenden Charakter dieses Bescheides kann weder der "Hinweis", wonach die Forderung grundbücherlich sichergestellt werde, wenn sie der Beschwerdeführer nicht bezahle, noch die Ausführung in der Begründung, wonach die Behörde keine Verwertung der Liegenschaft anstrebe, etwas ändern.

Durch die Abweisung der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die belangte Behörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden Bescheid erlassen (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 312 ff, zu § 66 AVG zitierte hg. Judikatur). Mit dem angefochtenen Bescheid wurde somit der Beschwerdeführer verpflichtet, die Kosten für die ihm im Zeitraum von bis gewährte Sozialhilfe zu ersetzen.

Gemäß § 38 Abs. 1 NÖ SHG bietet verwertbares Vermögen des Hilfeempfängers - wenn es nachträglich erworben, bekannt geworden oder verwertbar geworden ist - eine Grundlage für den Kostenersatz durch den Hilfeempfänger. Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil das Einfamilienhaus des Beschwerdeführers - wie oben dargestellt - gemäß § 15 Abs. 4 NÖ SHG als nicht verwertbar gilt. Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auch nicht auf § 38 NÖ SHG gestützt, sondern § 15 NÖ SHG als Rechtsgrundlage herangezogen.

Die letztgenannte Bestimmung regelt in Konkretisierung des Subsidiaritätsprinzips, dass Hilfe nur insoweit zu gewähren ist, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um seinen Lebensbedarf zu sichern (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 402). Aus § 38 Abs. 1 NÖ SHG, wonach verwertbares Vermögen nur dann einen Grund für den Kostenersatz durch den Hilfeempfänger darstellt, wenn es nachträglich erworben, bekannt geworden oder verwertbar geworden ist, wird deutlich, dass die Behörde ihr bekanntes verwertbares Vermögen bereits bei Gewährung der Hilfe berücksichtigen muss.

Bei Vermögen, dessen Verwertung "vorerst" nicht möglich ist, kann "die Leistung der Hilfe von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht" werden. Auch diese Bestimmung stellt somit ihrem Wortlaut nach auf die Gewährung der Hilfeleistung ab. Die Behörde kann die Sicherstellung des Ersatzanspruches - etwa durch Einräumung einer Höchstbetragshypothek (zur Zulässigkeit der Begründung einer solchen Hypothek bei Bekanntheit von Berechtigtem, Schuldner und genau umschriebenem Rechtsgrund der künftig entstehenden Forderungen vgl. insbesondere das Urteil eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom , 3 Ob34/94, SZ 69/159) - verlangen und im Fall der Weigerung die Gewährung von Sozialhilfe ablehnen. Für die Verpflichtung des Hilfeempfängers zum Ersatz für in der Vergangenheit bezogene Sozialhilfeleistungen zur - von der belangten Behörde nach der Begründung ihres Bescheides ausschließlich beabsichtigten - zwangsweisen Pfandrechtsbegründung bietet § 15 Abs. 2 NÖ SHG hingegen keine Rechtsgrundlage.

Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid im Umfang der Abweisung der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Zur Abweisung des Verfahrenshilfeantrages bringt der Beschwerdeführer vor, dass es sich bei Sozialhilfeleistungen um vermögenswerte Rechte im Sinn von Art. 1 1. ZP EMRK handle, weshalb er sich auf die von der EMRK eingeräumten Rechte berufen könne. Diese Konvention erfordere die Beigebung eines Verfahrenshelfers schon im Berufungsverfahren, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgrund des Neuerungsverbotes ein umfassendes Vorbringen nicht mehr möglich sei. Aus all diesen Gründen hätte die belangte Behörde § 51a VStG im vorliegenden Verfahren analog anzuwenden gehabt.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die EMRK in ihrem Art. 6 Abs. 3 das Recht, im Fall nicht ausreichender Mittel "einen Pflichtverteidiger zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist," ausschließlich "Angeklagten" einräumt. Anders als die in Zivil- und Strafsachen geltenden allgemeinen Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 besteht dieses Recht nur in Strafsachen (vgl. Mayer, Bundesverfassungsrecht4, 675).

Die belangte Behörde hat somit dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe in unbedenklicher Weise mit der Begründung nicht stattgegeben, dass das Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe im AVG nicht vorgesehen ist.

In diesem Umfang war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am