VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0177
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Kocher Bucher Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/119.110/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste mit einer vom bis gültigen Erstaufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Ausbildung" nach Österreich ein und inskribierte an der Universität Wien die Lehramtsstudien für Chemie und Physik. In weiterer Folge wurde die Aufenthaltserlaubnis bis verlängert. Später wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung als "Studierender" erteilt, die bis verlängert wurde.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 8 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am im Zuge einer Kontrolle des Finanzamtes in einer Pizzeria in Wien 23 in der Küche des Lokales angetroffen worden. In dem von ihm anschließend ausgefüllten "Personenblatt" habe er angegeben, seit in der Pizzeria als Pizzakoch beschäftigt zu sein. Die vereinbarte Arbeitszeit betrage zwei Tage in der Woche jeweils drei Stunden. Über den Lohn sei noch nicht gesprochen worden. Als seinen "Chef" habe der Beschwerdeführer eine ebenfalls im Lokal anwesende Person bezeichnet.
Wegen der unrechtmäßigen Beschäftigung des Beschwerdeführers in der genannten Pizzeria sei der handelsrechtliche Geschäftsführer der S. Handelsgesellschaft m.b.H. mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom gemäß § 3 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bestraft worden. Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (UVS Wien) vom sei der erstinstanzliche Bescheid rechtskräftig bestätigt und lediglich das Strafmaß herabgesetzt worden.
Der Beschwerdeführer verfüge über einen Aufenthaltstitel "Aufenthaltsbewilligung Studierender, kein freier Zugang zum Arbeitsmarkt" und habe sich mit diesem auch gegenüber den Beamten des Finanzamtes ausgewiesen. Es habe ihm daher klar sein müssen, dass er ohne arbeitsrechtliche Bewilligung keiner Beschäftigung nachgehen dürfe, ebenso, dass diese Bewilligung vom Arbeitgeber nicht bereits am ersten Arbeitstag erwirkt werden könne. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer am erst nach der Kontrolle "geringfügig" zur Sozialversicherung angemeldet worden.
Auch angesichts der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des UVS Wien stehe jedenfalls fest, dass der Beschwerdeführer von seinem Arbeitgeber unrechtmäßig beschäftigt worden sei. Vor diesem Hintergrund erübrige es sich, den Steuerberater des Dienstgebers als Zeugen zu vernehmen, weil auch dieser die fehlende Beschäftigungsbewilligung des Beschwerdeführers nicht ersetzen könne.
Die belangte Behörde erachtete den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG als erfüllt und - im Hinblick darauf, dass dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zukomme - die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG als gegeben.
Im Rahmen der gemäß § 66 gebotenen Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde den fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet; ferner legte sie - anders als zuvor die Behörde erster Instanz - ihrer Beurteilung familiäre Bindungen zu seinem Vater im Inland zugrunde. Trotz des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei diese fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens bzw. zur Verhinderung der "Schwarzarbeit" - dringend geboten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei von Vornherein nicht auf Dauer, sondern ausschließlich nur auf den Zweck der Absolvierung eines Studiums gerichtet gewesen. Diesen Aufenthaltszweck habe der Beschwerdeführer dadurch unterlaufen, dass er statt (ausschließlich) zu studieren, ohne entsprechende Erlaubnis einer Beschäftigung nachgegangen sei und darüber hinaus seit 2006 keinen Studienerfolg (mehr) nachweisen könne.
Vor diesem Hintergrund und mangels besonderer, zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.
Die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes begründete die belangte Behörde mit dem aufgezeigten Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers, in Anbetracht dessen ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor dem Verstreichen dieser Frist erwartet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (August 2009) geltende Fassung des genannten Gesetzes.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat u.a. gemäß § 60 Abs. 2 Z 8 FPG zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht ausüben hätte dürfen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach er am im Zuge einer Kontrolle des Finanzamtes in einer Pizzeria in Wien 23 bei einer Tätigkeit als Pizzakoch angetroffen worden sei, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen. Die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG sei erfüllt, ist daher nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde bekämpft jedoch die Gefährdungsprognose der belangten Behörde mit dem Vorbringen, es sei am Dienstgeber gelegen, für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung zu beantragen und ihn zur Sozialversicherung anzumelden. Dem Beschwerdeführer sei von seinem Dienstgeber bei der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses versichert worden, dass die nötigen Bewilligungen für die Ausübung der Beschäftigung vorlägen. Er habe auf diese Aussagen seines Dienstgebers vertraut und ihm - verständlicherweise - auch nicht gleich am ersten Arbeitstag entgegentreten wollen. Deshalb sei ihm lediglich ein geringfügiger Sorgfaltsverstoß anzulasten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss jedoch von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Fremden verlangt werden, sich mit den hiefür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Dabei genügt es nicht, sich auf die Auskunft des Arbeitgebers zu verlassen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0125, mwN). Dies gilt auch in jenen Fällen, in denen der Fremde vorbringt, darauf vertraut zu haben, dass der Arbeitgeber die erforderliche Bewilligung beischaffen werde (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0329, und das zum § 36 Abs. 2 Z 8 Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0121), oder in denen der Fremde - wie im vorliegenden Fall - geltend macht, sein Arbeitgeber habe ihm versichert, dass für ihn eine Beschäftigungsbewilligung bereits vorliege (vgl. das zum § 18 Abs. 2 Z 8 Fremdengesetzes 1992 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 95/18/0477, und das zum Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 98/21/0351).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Dienstgeber habe ihm versichert, dass die nötigen Bewilligungen für die Ausübung der Beschäftigung vorlägen, zeigt somit keine Rechtswidrigkeit der im angefochtenen Bescheid getroffenen Gefährdungsprognose auf. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer - in seiner Stellungnahme vom mit der Begründung, aus Loyalität zum Dienstgeber gehandelt zu haben - selbst zugestand, nach der am durchgeführten Kontrolle auch noch einen weiteren Tag in der Pizzeria gearbeitet zu haben, ohne sich zuvor versichert zu haben, dass die erforderliche Arbeitsbewilligung vorlag.
Auch der in der Beschwerde angestrengte Versuch, aus dem in einem Fall der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Dienstgebers nach dem AuslBG ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/09/0264, auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer noch am Tag der Kontrolle () zur Sozialversicherung angemeldet worden sei, einen "Milderungsgrund" im Rahmen der Gefährdungsprognose abzuleiten, führt nicht zum Erfolg, weil das genannte Erkenntnis einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Fall betraf.
Schon auf Grund der dargestellten Rechtslage, gemäß der der Beschwerdeführer auf die von ihm behauptete Aussage des Dienstgebers betreffend das Vorliegen der für die Ausübung seiner Arbeitstätigkeit erforderlichen Bewilligungen nicht vertrauen hätte dürfen, zeigt auch das Vorbringen, die belangte Behörde habe den Steuerberater des Dienstgebers nicht als Zeugen vernommen, keinen relevanten Verfahrensmangel auf.
Da weder die belangte Behörde festgestellt hat noch in der Beschwerde behauptet wird, dass dem Beschwerdeführer die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG oder als Familienangehöriger iSd § 87 iVm § 2 Abs. 4 Z 12 FPG zukomme, erweist sich ferner das Beschwerdevorbringen, die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes sei am Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr") zu messen, als nicht nachvollziehbar.
Die von der belangten Behörde am Gefährdungsmaßstab des § 60 Abs. 1 FPG getroffene Prognose ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen. Daran ändert auch das Vorbringen nichts, der Beschwerdeführer sei auf die Einnahmen aus einer Beschäftigung in der Pizzeria gar nicht angewiesen gewesen.
Die Beschwerde bekämpft ferner die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführte Interessenabwägung. Den in diesem Zusammenhang erwähnten langjährigen (ca. fünfjährigen) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet hat die belangte Behörde ebenso berücksichtigt wie familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Vater. Sie durfte in ihre Abwägung auch den - in der Beschwerde nicht bestrittenen - Umstand einbeziehen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers ausschließlich auf den Zweck der Absolvierung eines Studiums gerichtet ist, seit 2006 jedoch kein Studienerfolg mehr nachgewiesen wurde. Aus diesem Grund kommt auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers, in seinem Heimatland wäre ihm die Fortsetzung seines Studiums nicht möglich, im Rahmen der Interessenabwägung kein entscheidendes Gewicht zu. Dies gilt auch für seinen Hinweis auf die von ihm regelmäßig erbrachten Nachweise eines gesicherten Unterhaltes.
In Anbetracht des durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interesses an einem geordneten Arbeitsmarkt ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers als dringend geboten erachtete.
Anders als die Beschwerde meint, ist auch nicht zu erkennen, dass im Hinblick auf die angeführten Umstände aus Ermessensgründen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätte Abstand genommen werden müssen.
Angesichts des in § 63 Abs. 1 FPG normierten zeitlichen Rahmens von bis zu zehn Jahren und des dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Fehlverhaltens ist - entgegen der Beschwerdeansicht - schließlich auch die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren nicht als unverhältnismäßig zu erkennen. Die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und der geltend gemachte Umstand, lediglich einmal die Bestimmungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt übertreten zu haben, wurden von der belangten Behörde dabei im Ergebnis ausreichend berücksichtigt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-93103