VwGH vom 13.05.2011, 2007/10/0280

VwGH vom 13.05.2011, 2007/10/0280

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH in Graz, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Business Park 4/1/7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A-32.1- 176/05-4, betreffend Rückersatz von Spitalskosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Krankenanstaltengesellschaft auf Rückersatz der durch die stationäre Behandlung der Patientin D P vom 14. bis entstandenen und nicht gedeckten Behandlungskosten in Höhe von EUR 2.017,50 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Patientin D P sei vom 14. bis stationär im Landeskrankenhaus Feldbach für die Geburt ihres Kindes aufgenommen worden.

Mit Antrag vom (und nochmaligem Schreiben vom ) habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Spitalskostenrückersatz gestellt.

Die Bezirkshauptmannschaft Feldbach habe innerhalb der Frist von sechs Monaten keinen Bescheid erstellt, weil mehrmals versucht worden sei, die Patientin vorzuladen, zuletzt am . Ebenso sei mehrmals der Kindesvater, Herr M N, vorgeladen worden, weil nach § 168 Abs. 1 ABGB der Kindesvater verpflichtet sei, der Kindesmutter die Kosten der Entbindung zu ersetzen. Es sei diesen Ladungen jedoch keine Folge geleistet worden.

In der Folge habe die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an die Oberbehörde gestellt.

Laut Auskunft der Direktion des Landeskrankenhauses Feldbach habe die Patientin angegeben, bei der Stmk. Gebietskrankenkasse versichert zu sein. Erst nach deren Entlassung aus dem Krankenhaus habe sich herausgestellt, dass die Patientin erst ab Juni 2004 sozialversichert gewesen sei.

Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, die Patientin sei bereits in der 40. Schwangerschaftswoche gewesen und habe jederzeit mit der Geburt rechnen müssen. Sie hätte also rechtzeitig einen Antrag an die Sozialhilfebehörde stellen können und müssen. Es habe ihr bewusst sein müssen, dass sie nicht sozialversichert gewesen sei. Dessen ungeachetet schütze Unwissenheit nicht vor dem Gesetz. Die Angaben der Patientin änderten nichts an der Tatsache, dass es objektiv möglich gewesen wäre, rechtzeitig einen Sozialhilfeantrag zu stellen bzw. am Eintritt gewisser Rechtsfolgen.

§ 168 Abs. 1 ABGB führe aus, dass der Vater verpflichtet sei, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig würden, auch diese zu ersetzen. Der Kindesvater sei amtlich bekannt und könnten die Entbindungskosten bei ihm auch exekutiert werden. Die Sozialhilfe stelle keine generelle "Ausfallshaftung" für uneinbringliche Forderungen des Krankenhausträgers dar, sondern würden Rückersatzleistungen ausschließlich auf Basis der Voraussetzungen nach § 31 Stmk. SHG erbracht.

Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten habe, dass ausschlaggebend sei, dass die Patientin zur Zeit des stationären Krankenhausaufenthaltes keiner Beschäftigung nachgegangen sei, also einkommenslos gewesen und somit nicht in der Lage gewesen sei, die Pflegegebühren aus eigenen Mitteln zu bezahlen, sei dem entgegen zu halten, dass nur bei Zutreffen aller Voraussetzungen nach § 31 SHG ein Rückersatzanspruch Dritter bestehe.

Zusammenfassend gelange die belangte Behörde zum Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall rechtzeitig ein Antrag beim Sozialhilfeträger hätte gestellt werden können. Im vorliegenden Fall mangle es am Erfordernis des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1486/07-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 31 Abs. 1 Stmk. SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:


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a)
eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;
b)
die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;
c)
der Dritte nicht selbst die Kosten zu tragen hatte.
Gemäß § 4 Abs. 1 SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., dass der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 5 Abs. 1 SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern.
Nach §
168 Abs. 1 ABGB ist der Vater verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten ihres Unterhaltes für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung und, falls infolge der Entbindung weitere Auslagen notwendig werden, auch diese zu ersetzen.
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin damit, dass die in § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG normierte Voraussetzung für den Kostenersatz nicht vorliege, weil die Patientin rechtzeitig einen Antrag beim Sozialhilfeträger hätte stellen können.
Mit der Begründung der Abweisung des Antrages, die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG lägen aus diesem Grund nicht vor, hat die belangte Behörde das Gesetz verkannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG eine Obliegenheit des Dritten, der die Hilfeleistung erbringt (hier: die Beschwerdeführerin), zur Verständigung des Sozialhilfeträgers begründet, und dass die Unterlassung der Antragstellung durch den Hilfsbedürftigen dem Rückersatzanspruch des Dritten nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/10/0139, und vom , Zl. 2004/10/0209). Der Verlust des Rückersatzanspruches infolge Unterlassung der Verständigung des Sozialhilfeträgers (durch den Dritten, der Hilfe geleistet hat) tritt dann nicht ein, wenn der Dritte - etwa der Rechtsträger einer Krankenanstalt, die medizinische Hilfe geleistet hat - nichts von der Notlage der Person, der Hilfe gewährt wurde, wusste oder die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung wegen der Dringlichkeit nicht möglich war (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0007, vom , Zl. 2005/10/0186, und vom , Zl. 2004/10/0209).
Dem Ersatzanspruch der Beschwerdeführerin konnte somit nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass die Patientin vor ihrem stationären Krankenhausaufenthalt den Sozialhilfeträger hätte verständigen können, weil die Patientin eine derartige Obliegenheit nicht traf. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass im Beschwerdefall die Verständigung des Sozialhilfeträgers durch die Krankenanstalt vor Einsetzen der medizinischen Hilfe geboten gewesen wäre, weil kein Anhaltspunkt dafür festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitpunkt von der Notlage der Patientin - mit Beziehung auf die gebotene medizinische Hilfe - gewusst hätte.
Soweit die belangte Behörde darauf hinwies, dass der Kindesvater die Kosten des Krankenhausaufenthaltes für die Entbindung gemäß § 168 Abs. 1 ABGB zu begleichen habe, ist auszuführen, dass es nach der Rechtsprechung für die Berechtigung eines Ersatzanspruches im Sinne des § 31 SHG maßgebend ist, ob es sich bei dem Hilfeempfänger im Zeitpunkt der Hilfeleistung um einen Hilfsbedürftigen im Sinne der (oben zitierten) Vorschriften des Stmk. SHG gehandelt hat, das heißt, ob er zur Zeit der Behandlung deren Kosten nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten konnte und sie auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen gedeckt wurden (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zl. 2004/10/0192, und Zl. 2004/10/0193, jeweils mwN).
Gemäß § 168 Abs. 1 ABGB ist der Vater verpflichtet, der Mutter die im Zusammenhang mit der Entbindung entstehenden Kosten zu ersetzen. Ob es der Patientin D P möglich gewesen wäre, einen allfälligen Leistungsanspruch gegenüber dem Kindesvater rechtzeitig - bezogen auf die erforderliche Anstaltspflege - durchzusetzen, hat die belangte Behörde unerörtert gelassen.
Dabei hat die belangte Behörde übersehen, dass nach der hg. Judikatur die Hilfsbedürftigkeit eines Hilfesuchenden im Sinne der sozialhilferechtlichen Regelungen nicht bereits mit dem Hinweis verneint werden kann, dieser habe gegenüber einem Dritten einen Anspruch auf die erforderliche Leistung. Entscheidend ist vielmehr, ob der Hilfesuchende die erforderliche Leistung auf Grund dieses Anspruches auch so rechtzeitig erhalten kann, dass er in seinem Bedarf nicht gefährdet wird. Andernfalls hätte der Sozialhilfeträger - mit der allfälligen Möglichkeit eines Ersatzanspruches gegenüber dem primär Leistungspflichtigen - in Vorlage zu treten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0082, und vom , Zl. 2006/10/0145).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am