VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0047
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 30.14-3843/2014-2, betreffend Bestrafung nach dem Stmk. BauG (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. B B, vertreten durch Mag. Gerlinde Goach, Rechtsanwältin in 8101 Gratkorn, Andreas-Leykam-Platz 2/II/19), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom wurde gegenüber dem Mitbeteiligten eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 150,-- je Dreieckständer, insgesamt EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) gemäß § 118 Abs. 2 Z 2 iVm § 20 Z 3 lit. a Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) verhängt, weil er am auf einer öffentliche Verkehrsfläche " zwei Werbeständer mit einer Höhe von 117 cm und einer Breite von 70 cm (...) errichtet (hat), ohne das(s) hiefür eine baubehördlicher Bewilligung vorgelegen hat."
Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis stattgegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) aus, eine Anzeigenpflicht gemäß § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG liege nicht vor, weil das Aufstellen von zwei zusammenklappbaren, leicht transportablen Werbedreieckständern in der im Straferkenntnis näher umschriebenen Größe, die regelmäßig vom Gehsteig entfernt und in das Geschäftslokal getragen würden, keine "Errichtung" einer Werbe- und Ankündigungseinrichtung gemäß § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG darstelle. Die "Errichtung" einer solchen Einrichtung setze begrifflich einen - hier nicht vorliegenden - zeitlich länger andauernden, gleichbleibenden Zustand voraus. Der Mitbeteiligte habe daher mit der Aufstellung der Werbedreieckständer nicht gegen die Anzeigepflicht gemäß § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG verstoßen, sodass er zu Unrecht wegen einer Verwaltungsübertretung bestraft worden sei. Eine ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu, eine Sachentscheidung gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Form einer Abweisung der Beschwerde zu treffen.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Akten des Verfahrens vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§§ 20 und 21 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG, LGBL. Nr. 59/1995, in der Fassung LGBL. Nr. 78/2012, lauten (auszugsweise):
"§ 20
Anzeigepflichtige Vorhaben
Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21
nichts anderes ergibt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | ... |
3. | Die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von |
a) | Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise u. dgl.); |
b) | ... |
§ 21 | |
Baubewilligungsfreie Vorhaben |
(1) Zu den baubewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | ... |
6. | Werbe- und Ankündigungsreinrichtungen von Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung für die Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder zu den satzungsgebenden Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung, für die Wahl des Bundespräsidenten oder für Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen auf Grund landes- oder bundesgesetzlicher Vorschriften beteiligen, innerhalb von sechs Wochen vor dem Wahltag oder dem Tag der Volksabstimmung, der Volksbefragung oder des Volksbegehrens bis spätestens zwei Wochen danach. |
(2) ..."
Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung gemäß § 28 Abs. 3 VwGG im Wesentlichen vor, es gebe keine hg. Judikatur zur Frage, ob der Begriff "Errichtung" in § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG eine Dauerhaftigkeit voraussetze (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/06/0044, und vom , Zl. 2005/06/0078, jeweils betreffend mobile Werbeeinrichtungen). Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich dies nicht; das Errichten bzw. Bestehen einer Werbeanlage löse eine Anzeigepflicht aus, wenn die Werbeanlage auch in zeitlicher Hinsicht geeignet sei, die öffentlichen Interessen des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes während mehrerer Stunden bzw. während der Geschäftszeiten zu berühren.
Die Revision ist zulässig und aus folgendem Grund auch berechtigt:
Das Stmk. BauG beinhaltet keine Definition des Begriffes "errichten". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kommt "errichten" auch die Bedeutung "aufstellen, aufbauen, aufrichten, erbauen" zu (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Band 10, 4. Auflage, S. 349). Dass damit ein länger andauernder, gleichbleibender Zustand verbunden sein muss, ergibt sich daraus nicht. Der Verwaltungsgerichtshof wies in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0044, bereits darauf hin, dass § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG von einem sehr weiten Begriff der Werbe- und Ankündigungseinrichtungen ausgehe.
§ 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG normiert die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Werbe- und Ankündigungseinrichtungen als anzeigepflichtig, wobei demonstrativ Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise u. dgl. aufgezählt werden. Ein Hinweis auf eine zeitliche Komponente findet sich darin nicht. § 21 Abs. 1 Z 6 Stmk. BauG sieht hingegen eine Ausnahme von der Anzeigepflicht gemäß § 20 Z 3 lit. a leg. cit. für die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Werbe- und Ankündigungseinrichtungen von Wählergruppen innerhalb von sechs Wochen vor bis längstens zwei Wochen nach dem Wahltag bzw. dem Tag der Abstimmung oder Stimmabgabe vor. Daraus ergibt sich einerseits, dass auch zeitlich begrenzt genutzte Werbe- und Ankündigungseinrichtungen "errichtet" werden. Andererseits bedeutet es, dass alle anderen Werbe- und Ankündigungseinrichtungen, die nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 1 Z 6 Stmk. BauG fallen, anzeigepflichtig sind.
Ausgehend davon kann die Auffassung des Revisionswerbers, dass die verfahrensgegenständlichen Werbedreieckständer "errichtet" wurden und gemäß § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG anzeigepflichtig sind, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Demnach war das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Der Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung von Aufwandersatz war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG im Fall des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG diesem kein Aufwandersatz gebührt.
Wien, am