VwGH vom 13.05.2011, 2007/10/0279
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH. in Graz, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Business Park 4/1/7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A-32- 1287/07-2, betreffend Rückersatz von Spitalskosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückersatz der durch die stationäre Behandlung der Patientin P N vom 29. bis entstandenen und nicht gedeckten Kosten in Höhe von EUR 1.230,20 ab.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit noch von Interesse - aus, die Patientin P N, rumänische Staatsbürgerin, geb. 1964, wohnhaft in Graz, Xstraße (dort amtlich gemeldet ab ) sei vom 29. bis stationär im Landeskrankenhaus Graz, Univ. Klinikum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aufgenommen worden. Die Diagnose habe laut Krankengeschichte "Missed Abortion 10. SSW." gelautet. Weiters gehe aus der Krankengeschichte hervor, dass die Patientin mit einer Facharztüberweisung des Gynäkologen Dr. F. ins Krankenhaus gekommen sei. Die Patientin habe angegeben, Hausfrau zu sein und in Untermiete mit ihrem Lebensgefährten, Herrn I V, an der angegebenen Adresse zu leben. Herr I V sei laut Auszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger seit laufend bei der Stmk. Gebietskrankenkasse als Bezieher eines Pensionsvorschusses gemeldet. Die Patientin habe zu ihren Einkommensverhältnissen über Befragung durch die Behörde erster Instanz angegeben, dass sie zum Zeitpunkt der Spitalsleistung keiner Beschäftigung nachgegangen sei, für ihren Unterhalt ihr Lebensgefährte aufkomme, dass ihr Lebensgefährte Arbeitslosengeldbezieher sei und dass die Spitalskosten weder gleich noch in Monatsraten bezahlt werden könnten.
Mit Bescheid vom habe der Magistrat Graz, Sozialamt, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Spitalskostenrückersatz abgewiesen, weil die Patientin nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre, weil sie nicht über eine Aufenthaltsberechtigung von mehr als drei Monaten verfüge. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben.
Von der belangten Behörde sei Kontakt mit dem einweisenden Gynäkologen Dr. F. aufgenommen worden, der eine Email mit folgendem Inhalt übermittelt habe: "Die Patientin kam am mit Verdacht auf Gravidität in meine Ordination - unklare letzte Menstruation = Terminunklarheit - die Kontrolle am ergab den gleichen Befund und somit die Diagnose:
gestörte Gravidität und die Einweisung an die UFK Graz. Da die Patientin über keine Versicherung verfügte, wurden jeweils Privathonorarnoten gelegt, die auch beglichen worden sind."
Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, eine Notfallbehandlung der Patientin sei nicht vorgelegen.
Die Patientin habe beide Privathonorare des Gynäkologen Dr. F. zur Einzahlung gebracht. Auch sei der Umstand, dass die Rechnungslegung erfolglos geblieben sei, kein Hinweis auf das Vorliegen einer Hilfsbedürftigkeit der Patientin. Wenn jemand eine Rechnung nicht zahle, heiße das nicht, dass er sie nicht bezahlen könne.
Sozialhilfe werde gemäß § 2 Stmk. SHG nur auf Antrag des Hilfsbedürftigen gewährt. Die Patientin hätte vorher einen solchen Antrag bei der zuständigen Sozialhilfebehörde stellen müssen.
Ein Rückersatzanspruch Dritter bestehe nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen des § 31 Stmk. SHG. Auch wenn man hypothetisch vom Vorliegen der Hilfsbedürftigkeit ausginge, wären die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG nicht gegeben. Schon aus diesem Grund sei der Antrag abzulehnen gewesen. Die Sozialhilfe stelle keine generelle "Ausfallshaftung" für uneinbringliche Forderungen des Krankenhausträgers dar.
Zu der von der erstinstanzlichen Behörde vertretenen Ansicht, dass Anspruch auf Leistungen nur Personen hätten, die über eine Aufenthaltsberechtigung von mehr als drei Monaten verfügten, sei auszuführen, dass dies nur betreffend Geldleistungen zutreffe.
Zusammenfassend gelange die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall rechtzeitig ein Antrag beim Sozialhilfeträger hätte gestellt werden können und dass Hilfsbedürftigkeit der Patientin im Zeitraum des Spitalaufenthaltes nicht vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1625/07-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 31 Abs. 1 Stmk. SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:
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a) | eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war; |
b) | die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte; |
c) | der Dritte nicht selbst die Kosten zu tragen hatte. |
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin damit, dass die in § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG normierte Voraussetzung für den Kostenersatz nicht vorliege, weil die Patientin rechtzeitig einen Antrag beim Sozialhilfeträger hätte stellen können und weil eine Hilfsbedürftigkeit der Patientin nicht vorgelegen sei. | |
Mit der Begründung der Abweisung des Antrages, die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG lägen aus diesem Grund nicht vor, hat die belangte Behörde das Gesetz verkannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG eine Obliegenheit des Dritten, der die Hilfeleistung erbringt (hier: die Beschwerdeführerin), zur Verständigung des Sozialhilfeträgers begründet, und dass die Unterlassung der Antragstellung durch den Hilfsbedürftigen dem Rückersatzanspruch des Dritten nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/10/0139, und vom , Zl. 2004/10/0209). Der Verlust des Rückersatzanspruches infolge Unterlassung der Verständigung des Sozialhilfeträgers (durch den Dritten, der Hilfe geleistet hat) tritt dann nicht ein, wenn der Dritte - etwa der Rechtsträger einer Krankenanstalt, die medizinische Hilfe geleistet hat - nichts von der Notlage der Person, der Hilfe gewährt wurde, wusste oder die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung wegen der Dringlichkeit nicht möglich war (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0007, vom , Zl. 2005/10/0186, und vom , Zl. 2004/10/0209). | |
Dem Ersatzanspruch der Beschwerdeführerin konnte somit nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass die Patientin vor ihrem stationären Krankenhausaufenthalt den Sozialhilfeträger hätte verständigen können, weil die Patientin eine derartige Obliegenheit nicht traf. Die belangte Behörde hat auf Grund der Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Frage zulassen, ob der Beschwerdeführerin - entsprechend ihren Behauptungen - die Verständigung der Sozialhilfebehörde vor Beginn der stationären Behandlung bzw. vor unverschuldeter späterer Kenntniserlangung von der Hilfsbedürftigkeit tatsächlich nicht möglich war. | |
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Antrages auf Spitalskostenrückersatz - in Abweichung vom erstinstanzlichen Bescheid - weiters damit, die Patientin sei nicht hilfsbedürftig gewesen. | |
Gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. SHG ist die Voraussetzung der Hilfe u. a., dass der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 Stmk. SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 5 Abs. 1 Stmk. SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern. | |
Gemäß § 31 Abs. 2 letzter Satz Stmk. SHG ist die finanzielle Hilfsbedürftigkeit des Hilfeempfängers durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft zu machen. | |
Die Wortfolge "glaubhaft zu machen" ist dabei dahin zu verstehen, dass der Antragsteller die Behörde von der Wahrscheinlichkeit - und nicht von der Richtigkeit - des Vorliegens einer bestimmten Tatsache zu überzeugen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/10/0114, und vom , Zl. 2004/10/0087, mwN). | |
Für den Umstand, dass die Patientin den Lebensbedarf, zu dem nach § 10 Stmk. SHG auch die Krankenhilfe gehört, nicht bzw. nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen kann und ihn auch nicht in ausreichendem Maß von anderen Personen oder Einrichtungen erhält, wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen ins Treffen geführt, dass die Patientin als Hausfrau auf dem Arbeitsmarkt beschäftigungs- und einkommenslos gewesen und ihr Lebensgefährte, bei dem sie gewohnt habe, und der bei der Stmk. Gebietskrankenkasse Pensionsvorschüsse bezogen habe, für ihren Unterhalt aufgekommen sei. | |
Dem ist immerhin zu entnehmen, dass die Patientin im Behandlungszeitraum weder über Einkommen aus Arbeit verfügte noch Leistungen von dritter Seite bezog, die eine Bezahlung der Spitalskosten ermöglicht hätten; darin liegen Anhaltspunkte für die Hilfsbedürftigkeit im Sinne der vom Gesetz geforderten Glaubhaftmachung, die geeignet waren, die Ermittlungspflicht der Behörde auszulösen. Der Umstand allein, dass für zwei Arztbesuche der Patientin Privathonorare beglichen wurden, schließt die Hilfsbedürftigkeit nicht aus. Es sind in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen getroffen worden, wer die Zahlungen leistete und wie hoch sie waren. | |
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. | |
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
BAAAE-93095