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VwGH vom 24.02.2010, 2009/13/0241

VwGH vom 24.02.2010, 2009/13/0241

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart in 7001 Eisenstadt, Neusiedlerstraße 46, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3193-W/07, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum bis (mitbeteiligte Partei: P in W, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein ungarischer Staatsbürger, der in Österreich wohnhaft und berufstätig ist, beantragte eine Differenzzahlung zur Familienbeihilfe für seinen Sohn Tamas Istvan. Der Mitbeteiligte sei seit Februar 1989 rechtskräftig geschieden. Seine geschiedene Ehefrau wohne in Ungarn und beziehe dort Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie habe das alleinige Sorgerecht für die beiden Kinder, und zwar die Tochter sowie den gemeinsamen volljährigen Sohn Tamas Istvan, der bei der Mutter haushaltszugehörig sei. Der Mitbeteiligte habe einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 20% seines jeweiligen Nettodurchschnittsverdienstes für die Kinder, mindestens aber

1.500 Forint, zu leisten und besuche seinen Sohn regelmäßig.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Mitbeteiligten mit der Begründung ab, dass er mit seinem Sohn in keinem gemeinsamen Haushalt lebe und daher keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) habe.

Die vom Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom erhobene Berufung wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen, woraufhin der Mitbeteiligte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes und die Berufungsvorentscheidung gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt auf. In der Begründung führte sie - abgesehen von der Zitierung von Rechtsnormen - aus, im Beschwerdefall sei nicht nur innerstaatliches Recht, sondern auch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (kurz: VO), zu beachten. Der Mitbeteiligte lebe mit seinem Sohn nicht im gemeinsamen Haushalt. Nach den Bestimmungen der VO bestehe auch in derartigen Fällen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Anspruch des Mitbeteiligten auf den Bezug der Familienbeihilfe im Inland. Ausgehend davon, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt werde, reiche nach Art. 1 lit. f VO in diesen Fällen die Tatsache der überwiegenden Kostentragung durch den Mitbeteiligten aus.

In Verkennung der Rechtslage habe das Finanzamt den angefochtenen Bescheid ausschließlich mit der mangelnden Haushaltszugehörigkeit begründet. Dadurch seien für die Entscheidung wesentliche Sachverhaltsaspekte nicht festgestellt worden. Es wäre zu prüfen, ob für den volljährigen Sohn des Mitbeteiligten nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf Familienbeihilfe wegen Berufsausbildung bestehe. Ferner wäre festzustellen gewesen, ob für den Sohn für den in Rede stehenden Zeitraum im "EU-Ausland" als Wohnsitzstaat Familienleistungen an die Mutter vorgesehen seien und wenn ja in welcher Höhe. Unabhängig von der tatsächlichen Antragstellung oder Auszahlung allfällig zustehender Familienleistungen würde bei einem Anspruch der Mutter in Ungarn nach der VO der inländische Anspruch des Mitbeteiligten in diesem Ausmaß ruhen. Der Mitbeteiligte hätte unter der Voraussetzung der überwiegenden Kostentragung Anspruch auf eine entsprechende Differenzzahlung. Sollte in Ungarn kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen, würde der subsidiäre Tatbestand der überwiegenden Kostentragung zur Geltung gelangen und möglicherweise ein primärer Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe bestehen. Daher wäre abzuklären, ob überwiegende Kostentragung durch den Mitbeteiligten in Bezug auf den Unterhalt des Sohnes vorliege. Dazu wären die gesamten Unterhaltskosten zu ermitteln und der prozentuelle Anteil, den der Mitbeteiligte dazu beitrage, festzustellen, wobei auch der Zahlungsfluss durch geeignete Belege nachzuweisen wäre. Im Falle überwiegender Kostentragung und bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen wäre die Familienbeihilfe oder ein allfälliger Differenzbetrag zuzuerkennen, andernfalls bestehe weder Anspruch auf Familienbeihilfe noch auf Ausgleichszahlungen.

Das Finanzamt habe bei der Erlassung des gegenständlichen Bescheides Ermittlungen unterlassen, bei deren Durchführung allenfalls ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Dies berechtige die belangte Behörde gemäß § 289 Abs. 1 BAO dazu, die Berufung durch Aufhebung des bekämpften Bescheides und der Berufungsvorentscheidung unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt zu erledigen. Aufhebung und Zurückverweisung seien gerechtfertigt, weil es nicht Aufgabe der als reine Rechtsmittelbehörde eingerichteten Abgabenbehörde zweiter Instanz sein könne, wie eine Abgabenbehörde erster Instanz für diese den entscheidungswesentlichen Sachverhalt in einem allenfalls umfangreichen Verfahren erstmalig zu ermitteln und somit Aufgaben einer Partei im Streitverfahren zu übernehmen. Weiters sei von Bedeutung, dass alle neuen Sachverhaltsfeststellungen wiederum der Abgabenbehörde erster Instanz unter Einräumung einer entsprechenden Frist zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht werden müssten, was allenfalls zur Notwendigkeit weiterer Erhebungen und zu einer nicht notwendigen Verzögerung des Verfahrens führen würde. Es erscheine auch im Sinne der Verfahrensökonomie gerechtfertigt, wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde hat das Finanzamt gemäß § 292 BAO Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

In der Beschwerde wird vorgebracht, nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 habe Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließlich jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Nur für den Fall, dass ein Anspruch aufgrund eines gemeinsamen Haushaltes nicht mehr bestehe, was dann der Fall sei, wenn das Kind von zu Hause ausgezogen sei, stehe die Familienbeihilfe dem zu, der überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trage. Habe die Kindesmutter das Kind im gemeinsamen Haushalt, schließe dies den Anspruch des Vaters auf Familienbeihilfe/Differenzzahlung aus. Darüber hinaus stelle im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 9 Ob 407/97m, die Betreuung des Kindes eine vermögenswerte Leistung dar und stehe gemäß § 140 Abs. 2 ABGB die Betreuung des Kindes der Erfüllung der Sorgepflicht durch Geldleistung gleich. Es könne daher ein Elternteil, der der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern ausschließlich durch Geldleistung nachkomme, gar nicht überwiegend zum Unterhalt der Kinder beitragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , 2008/13/0067, das gegenständliche Verfahren im Hinblick auf ein beim EuGH anhängiges Vorabentscheidungsverfahren, welches nunmehr mit dem C- 363/08, Romana Slanina, beendet worden ist, ausgesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

In der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation steht nach nationalem Recht dem Beihilfenanspruch der Mutter des Sohnes des Mitbeteiligten, zu deren in Ungarn gelegenem Haushalt das Kind gehört, die Bestimmung des § 2 Abs. 1 FLAG entgegen, wonach Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Solcherart läge aus der Sicht des nationalen Rechts ein Anwendungsfall des § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG vor. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist. Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob der Mitbeteiligte die Unterhaltskosten für seinen Sohn überwiegend trägt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem im Gefolge des , Romana Slanina, ergangenen Erkenntnis vom , 2009/15/0207, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass diese nationale Rechtslage durch die VO keine Änderung dahingehend erfährt, dass der Mutter in diesen Fällen ein unbedingter Anspruch eingeräumt wird. Pro Monat und Kind gebührt die Familienbeihilfe nur einmal (§ 10 Abs. 4 FLAG). Daran ändern die Regelungen der VO nichts. Bei einer Konstellation, wie sie dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegt, steht der Anspruch auf Familienbeihilfe - oder gegebenenfalls bloß auf eine Ausgleichszahlung nach § 4 Abs. 2 FLAG - allein dem in Österreich wohnhaften Elternteil zu, wenn er im Sinne des § 2 Abs. 2 FLAG überwiegend die Unterhaltskosten trägt. Das angeführte Urteil des EuGH (Randnr. 32) steht dem nicht entgegen, betraf dieses Urteil doch den Fall der Rückforderung von Familienbeihilfe, die an die haushaltsführende Mutter nach ihrem Wegzug aus Österreich in einen anderen EU-Mitgliedstaat für Kinder weiter gewährt worden ist, deren unterhaltspflichtiger Vater seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Auffassung der belangten Behörde, dass der Anspruch des Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe davon abhängig ist, ob er die Unterhaltskosten für seinen Sohn überwiegend getragen hat. Hierbei kommt es darauf an, ob der Mitbeteiligte den Geldunterhalt leistet (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0207). Der Umstand, dass die Mutter des Kindes die Betreuungsleistungen erbringt, steht dem nicht entgegen.

Die Beschwerde, die sich nicht gegen die behördliche Ermessensübung iSd § 289 Abs. 1 BAO wendet (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0206), war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch an die mitbeteiligte Partei gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am