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VwGH vom 24.02.2010, 2009/13/0240

VwGH vom 24.02.2010, 2009/13/0240

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der B K in W, vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Favoritenstraße 26/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1267- W/07, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte einen mit datierten, am beim Finanzamt eingelangten Antrag, ihr Familienbeihilfe ab dem für ihren am geborenen Sohn zu gewähren. Der Sohn sei Schüler und besuche eine Fachschule in Polen.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, eine "Schulbestätigung v. Sohn betr. SJ 04/05" beizubringen und die Formulare E 401 und E 411 (nach den Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates und Nr. 574/72 des Rates) betreffend den Anspruch auf Familienleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen, und betreffend eine Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienleistungen von der zuständigen ausländischen Behörde ausfüllen zu lassen. Weiters fragte das Finanzamt die Beschwerdeführerin, wo oder bei wem der Sohn wohne.

Die Beschwerdeführerin legte eine beglaubigte Übersetzung einer Bestätigung einer Schule in Polen vor, wonach ihr Sohn im Schuljahr 2004/2005 Schüler dieser Schule gewesen sei. Weiters legte sie eine beglaubigte Übersetzung einer Erklärung ihrer Mutter in Polen vor, welche sich "während der Abwesenheit der Mutter", der Beschwerdeführerin, um den Enkel kümmere. Schließlich legte sie die ausgefüllten erwähnten Formulare E 401 und E 411 vor.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin ab und führte zur Begründung an: "Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben, muss angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand."

Dagegen berief die Beschwerdeführerin und führte aus, ihr Sohn erhalte von seinem Vater monatlichen Unterhalt von 300 polnischen Zloty. Von ihr erhalte der Sohn monatlich 350 Zloty für die Ausbildungskosten und 400 Zloty für das Essen und das Taschengeld. Die Mietkosten der Wohnung brauche er nicht zahlen, weil sie seinem Vater gehöre. Die Energiekosten von etwa 200 Zloty monatlich würden zur Gänze von ihr abgedeckt. Der Berufung legte sie ein Scheidungsurteil vom samt beglaubigter Übersetzung bei. Der Berufung war auch (neuerlich) ein ausgefülltes Formular mit einem mit datierten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ab Mai 2004 angeschlossen. Schließlich war der Berufung eine Bestätigung eines "Fremdsprachlichen Lehrerkollegs" in Polen vom samt beglaubigter Übersetzung angeschlossen, wonach der Sohn der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2006/2007 Hörer des ersten Studienjahres des dreijährigen Studiums in der Fachrichtung Englisch sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Einen Anspruch auf Familienbeihilfe räume das Gesetz primär demjenigen ein, zu dessen Haushalt das Kind gehöre. Jemand, der die Unterhaltskosten überwiegend trage, ohne dass das Kind bei ihm haushaltszugehörig sei, habe nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn das Kind bei keinem Elternteil haushaltszugehörig sei. Da das Kind der Beschwerdeführerin beim Kindesvater haushaltszugehörig sei, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen.

Im dagegen erhobenen, als Berufung bezeichneten Vorlageantrag entgegnete die Beschwerdeführerin, ihr Sohn lebe bei ihrer Mutter.

Mit Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Sohn werde derzeit im Haushalt der mütterlichen Großmuter in Polen betreut. Für seine Unterhaltskosten komme primär die Beschwerdeführerin auf, welche monatlich 300 Zloty an Unterhalt für ihren Sohn an ihre Mutter bezahle und auch die Kosten des Studiengeldes in Höhe von 350 Zloty monatlich trage. Außerdem würden noch Bücher, Kleidung und Unterwäsche besorgt. Weitere 300 Zloty monatlich leiste der Kindesvater zu Handen der mütterlichen Großmutter für den Unterhalt des minderjährigen Sohnes. Da die Beschwerdeführerin die Unterhaltskosten des bei ihr nicht haushaltszugehörigen Kindes trage, habe sie Anspruch auf Familienbeihilfe, weil das Kind derzeit bei keinem Elternteil haushaltszugehörig sei, sondern seit 2003 bei der Großmutter in Polen wohne.

Dem Schriftsatz wurde eine Erklärung der Mutter der Beschwerdeführerin vom in polnischer Sprache und in beglaubigter deutscher Übersetzung angeschlossen, wonach diese von der Beschwerdeführerin und vom Kindesvater jeweils 300 Zloty monatlich für den Unterhalt ihres Enkelkindes erhalte, welches in der Wohnung seiner Großmutter wohne.

Weiters war dem Schriftsatz eine Bescheinigung einer polnischen Sozialversicherungsanstalt (urschriftlich und in beglaubigter deutscher Übersetzung) angeschlossen, aus der sich ergebe, dass die Beschwerdeführerin von ihrem früheren Ehemann für den gemeinsamen Sohn 300 Zloty monatlich beziehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei "gebürtige Polin" und besitze seit die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie sei in erster Ehe vom bis mit RC verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe stamme der gemeinsame Sohn B, geboren am , der nach der Scheidung bei seinem Vater in Polen lebe. Die Beschwerdeführerin sei am mit dem österreichischen Staatsbürger WK ihre zweite Ehe eingegangen. An "Alimentzahlung" seien lediglich 300 polnische Zloty nachgewiesen, welche die Beschwerdeführerin von ihrem geschiedenen Mann monatlich erhalte. Die belangte Behörde gehe von einer Haushaltszugehörigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin beim in Polen lebenden Vater aus, weil dies zum einen von der Beschwerdeführerin selbst in ihrer Erklärung vom bescheinigt werde (Eintragungsfeld Nr. 21 des Familienbeihilfenantragsformulars) und zum anderen die Wohnadresse des Sohnes in Polen durch die vorgelegte Schulbestätigung vom bestätigt werde. Dies sei auch den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom zu entnehmen, worin festgehalten werde, dass ihr Sohn keine Mietkosten trage, weil die Wohnung seinem Vater gehöre. Eine Teilung der Wohnung (Vater/Sohn) sei jedenfalls nicht nachgewiesen oder behauptet worden, weshalb von einem gemeinsamen Haushalt auszugehen sei, unabhängig davon, dass der Sohn der Beschwerdeführerin auch von seiner Großmutter unterstützt werde.

Die Person habe Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt sei. Einen Anspruch auf Familienbeihilfe räume das Gesetz primär demjenigen ein, zu dessen Haushalt das Kind gehöre. Jemand, der die Unterhaltskosten überwiegend trage, ohne dass das Kind bei ihm haushaltszugehörig sei, habe nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn das Kind bei keinem Elternteil haushaltszugehörig sei.

Die belangte Behörde schließe sich "auf Grund der vorgelegten Unterlagen" der Ansicht des Finanzamtes an, dass im Beschwerdefall von einer Haushaltszugehörigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin beim in Polen lebenden Vater auszugehen sei.

Schließlich habe die Beschwerdeführerin "bis dato, trotz Vorhalt", auch nicht nachweisen oder glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich die überwiegende Kostentragung treffe. Denn die Beschwerdeführerin behaupte lediglich, dass sie für Ausbildungskosten, Essen usw. aufkomme, bleibe aber "bis dato" einen Nachweis tatsächlich geleisteter Zahlungen an den Sohn trotz Aufforderung schuldig. Es sei lediglich ein Zahlungsbeleg über die Alimentzahlung des Vaters vorgelegt worden, nicht jedoch der Mutter, weshalb kein Nachweis für die Richtigkeit der Behauptungen der Beschwerdeführerin erbracht worden sei, dass sie tatsächlich die Kosten des Unterhalts "überwiegend" trage.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Mit Beschluss vom , 2007/13/0075-6, hat der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr Gerichtshof der Europäischen Union) in der Rechtssache C-363/08 (Romana Slanina) ausgesetzt.

Der EuGH hat in der Rechtssache C-363/08 mit Urteil vom entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder und für bestimmte volljährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2 Abs. 3 FLAG sind Kinder einer Person ua. deren Nachkommen.

Die Kosten des Unterhalts umfassen nach § 2 Abs. 4 FLAG bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder Berufsfortbildung.

Sache des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war der Zeitraum bis zum Erlassen des vor der Berufungsbehörde bekämpften erstinstanzlichen Bescheides, sohin ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum vom Mai 2004 bis zum Dezember 2006.

Die belangte Behörde stützt die Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe darauf, dass der Sohn der Beschwerdeführerin mit seinem Vater im gemeinsamen Haushalt wohne, weshalb die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für ihren Sohn habe. Die Beschwerdeführerin bekämpft dies mit dem Hinweis, ihr Sohn lebe im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter.

Im Beschwerdefall kann es dahingestellt bleiben, ob der Sohn der Beschwerdeführerin bei seinem Vater oder bei seiner Großmutter wohnt, weil der Sohn der Beschwerdeführerin ein Nachkomme beider genannten Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 FLAG ist.

Da jedoch sowohl der Vater als auch die Großmutter des Kindes unstrittig keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, sind sie nach dem FLAG nicht berechtigt, Familienbeihilfe zu beziehen.

Dass der Vater des Kindes früher einen Wohnsitz in Österreich gehabt und deshalb Familienbeihilfe bezogen hätte und dass er dann nach Polen gezogen wäre (und deshalb diesen Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem erwähnten Rn 32, allenfalls aus unionsrechtlichen Gründen beibehalten hätte), hat die belangte Behörde nicht festgestellt und behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht.

Da im Beschwerdefall somit keine andere Person als die Beschwerdeführerin nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist, ist ausschlaggebend, ob die Beschwerdeführerin, deren Haushalt das Kind nicht angehört, für den Streitzeitraum iSd § 2 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend getragen hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0207).

Dazu beschränkt sich die belangte Behörde im angefochten Bescheid auf die Aussage, die Beschwerdeführerin habe "trotz Vorhalt" weder nachweisen noch glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich die Kosten überwiegend trage, sondern lediglich behauptet, für bestimmte Kosten aufgekommen zu seien.

Mit welchem "Vorhalt" die Beschwerdeführerin aufgefordert worden wäre, die von der belangten Behörde vermissten Nachweise beizubringen, ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Der Vorhalt des Finanzamtes vom betrifft jedenfalls nicht die Kostentragung. Die als Vorhalt geltende Berufungsvorentscheidung verneinte einen Anspruch der Beschwerdeführerin wegen der Haushaltszugehörigkeit des Sohnes und hielt der Beschwerdeführerin nicht vor, sie habe nicht nachgewiesen, die Unterhaltskosten (überwiegend) zu tragen.

Zu Recht weist die Beschwerdeführerin in Ausführung der Verfahrensrüge darauf hin, dass sie beglaubigte Übersetzungen von Erklärungen ihrer Mutter vorgelegt habe, worin Zahlungsempfänge durch die Beschwerdeführerin bestätigt würden. Hätte die belangte Behörde mit den vorgelegten Unterlagen, die sie im übrigen im angefochtenen Bescheid nicht einmal erwähnt, nicht das Auslangen gefunden, so hätte sie dies der Beschwerdeführerin vorhalten müssen und andere Beweismittel abverlangen müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am