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VwGH 13.05.2015, Ra 2015/06/0038

VwGH 13.05.2015, Ra 2015/06/0038

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2;
BauRallg;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Stattgebung - Einwendungen gegen ein Bauvorhaben - Der Antragsteller führt aus, durch das Bauvorhaben würde ein unwiederbringlicher Schaden an seinem Eigentum entstehen. Baurechtlich ist festzuhalten, dass gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1994 der Nachweis des Eigentums oder des Baurechts an dem für die Bebauung vorgesehenen Grundstück erforderlich ist oder gemäß § 22 Abs. 2 Z 2 leg. cit. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist. Zur Frage des Vorliegens seiner Zustimmung hat der Grundeigentümer auch Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0008). Die Erteilung einer Baubewilligung scheidet daher aus, wenn es nicht entsprechende Nachweise gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0018). Im vorliegenden Revisionsfall ist es strittig, ob eine Beeinträchtigung des Eigentums des Revisionswerbers durch die Bauführung erfolgt. Eine Zustimmung des Revisionswerbers dazu liegt nicht vor. Mit der Frage des Grenzverlaufes unter dem Aspekt des - auch baurechtlich ohne Zustimmung rechtswidrigen - Eingriffes in das Eigentumsrecht des Revisionswerbers hat sich das Landesverwaltungsgericht Steiermark nicht auseinandergesetzt. Es kann daher im gegenständlichen Provisorialverfahren betreffend die aufschiebende Wirkung auch nicht angenommen werden, dass das Verwaltungsgericht die Frage der Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes des Revisionswerbers geprüft hätte und von diesen Prüfergebnissen ausgegangen werden könnte (vgl. hingegen z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/06/0064). Im Hinblick auf den unverhältnismäßigen Nachteil, der den Revisionswerber im Fall einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme seines Eigentums durch die gegenständlichen Baumaßnahmen treffen würde, war daher dem nach § 30 Abs. 2 VwGG gestellten Antrag des Revisionswerbers stattzugeben (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2006/07/0027).
Normen
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2;
VwRallg;
WEG 2002 §28;
WEG 2002 §29;
RS 1
Aus der Regelung des § 22 Abs. 2 Z. 2 Stmk BauG 1995 mit dem Erfordernis der Zustimmungserklärung des Grundeigentümers zu einem Bauvorhaben ist abzuleiten, dass dem Grundeigentümer, im Falle des Miteigentums an einer Liegenschaft sämtlichen Miteigentümern, im Hinblick auf die Frage, ob eine liquide Zustimmung des Grundeigentümers im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, Parteistellung zukommt (Hinweis E vom , 97/05/0214, zu einer gleichartigen Regelung in der Wr BauO). In diesem Rahmen kann von sämtlichen Miteigentümern in einem Baubewilligungsverfahren zulässigerweise Berufung erhoben werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/06/0008 E VwSlg 18234 A/2011 RS 2 (hier: ohne den letzten Satz)
Normen
BauG Stmk 1995 §22 Abs1;
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2;
BauRallg;
RS 2
Die Erteilung einer Baubewilligung ohne Zustimmung des Eigentümers des Baugrundstückes ist rechtswidrig (Hinweis E vom , 2013/06/0018, mwN).
Normen
AVG §38;
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2;
RS 3
Hat der Revisionswerber im gesamten Verfahrensverlauf geltend gemacht, dass das Bauvorhaben teilweise auf einer Liegenschaft beabsichtigt ist, an der ihm Eigentum bzw. Miteigentum zusteht, ist im Baubewilligungsverfahren die Eigentumsfrage daher jedenfalls zu prüfen und allenfalls als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG zu beurteilen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des M, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 50.14-4720/2014-9, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Landesverwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Weiz, Hauptplatz 7, 8160 Weiz; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Weiz, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), erhobenen Revision, soweit sie sich nicht auf den Abbruch eines bestehenden Wintergartens bezieht, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Gegenstand des Verfahrens ist die Baubewilligung für den Abbruch eines bestehenden Wintergartens, die Neuerrichtung eines Wintergartens mit Dachterrasse und die Ergänzung einer Brandwand. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bezieht sich ausdrücklich nicht auf den Abbruch des bisherigen Wintergartens.

Begründend führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, durch das Bauvorhaben würde ein unwiederbringlicher Schaden an seinem Eigentum entstehen, da die in seinem Miteigentum stehende Wand verändert und an diese angebaut würde.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat in dem angefochtenen Erkenntnis ausgeführt, das Vorbringen eines strittigen Grenzverlaufes finde keine Deckung in der Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte. Es handle sich um eine privatrechtliche Einwendung. Versuche, eine gütliche Einigung hinsichtlich des Grenzverlaufes zu erwirken, seien gescheitert. Der Antragsteller denke nicht daran, entsprechend des an ihn gerichteten Schreibens der mitbeteiligten Partei vom einen in einem Gutachten umschriebenen Grenzverlauf anzuerkennen. Die Beschwerde sei daher in diesem Punkt als unzulässig zurückzuweisen gewesen und der Beschwerdeführer sei auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Die Regelung, dass dem Bauansuchen der Nachweis des Eigentums oder des Baurechts an dem für die Bebauung vorgesehenen Grundstück anzuschließen sei, begründe ebenfalls kein Nachbarrecht. Der Wintergarten solle direkt an die bestehende Brandwand angebaut werden. Die Brandwand solle die neue Außenwand des Wintergartens bilden. Die bestehende Brandwand solle in massiver Bauweise auf ca. 3,28 m erhöht werden. Das als tragende Holzkonstruktion ausgeführte, mit Verbindungselementen an die erhöhte Brandwand angebaute Flachdach des Wintergartens, zugänglich über den bestehenden Balkon im ersten Stock, solle als Dachterrasse dienen. Die vorgesehene Absturzsicherung werde die erhöhte Brandmauer um 85 cm übertragen.

Die mitbeteiligte Partei sprach sich in einer Stellungnahme vom gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Sie verfüge über eine konsumierbare Baubewilligung. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde die mitbeteiligte Partei in ihren Rechten beeinträchtigen, weil sie eine Rechtsposition verlöre. Die Konsumation einer Baubewilligung stelle im Übrigen keinen unverhältnismäßigen und unwiederbringlichen Nachteil für den Einwendungen erhebenden Nachbarn dar. Sollte der Revisionswerber obsiegen, hätte die mitbeteiligte Partei die Baumaßnahmen rückgängig zu machen. Ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber würde somit nicht eintreten.

Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Revisionswerber hat im Verfahren und auch in seiner Revision und seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgebracht, dass er Eigentümer bzw. Miteigentümer von Bauteilen sei, die durch das Projekt verändert werden sollten. Damit geht es nicht bloß um die Frage, ob Nachbarrechte durch das Bauvorhaben eingehalten werden, sondern darum, dass gegebenenfalls bei der Verwirklichung des Bauvorhabens ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Revisionswerbers erfolgt. Es geht auch nicht bloß um die Frage eines strittigen Grenzverlaufes, der lediglich in Bezug auf Nachbarrechte von Bedeutung wäre, insofern feststünde, dass die Bauführung jedenfalls nicht auf dem "Nachbargrundstück" stattfindet. Es geht vielmehr darum, dass bei der Konsumierung der Baubewilligung gegebenenfalls in Eigentumsrechte des Revisionswerbers direkt eingegriffen würde.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat sich mit der Frage, ob ein solcher Eigentumseingriff erfolgen würde, in keiner Weise auseinandergesetzt. Baurechtlich ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1994 der Nachweis des Eigentums oder des Baurechts an dem für die Bebauung vorgesehenen Grundstück erforderlich ist oder gemäß § 22 Abs. 2 Z 2 leg. cit. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist. Zur Frage des Vorliegens seiner Zustimmung hat der Grundeigentümer auch Parteistellung im Baubewilligungsverfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0008). Die Erteilung einer Baubewilligung scheidet daher aus, wenn es nicht entsprechende Nachweise gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0018).

Im vorliegenden Revisionsfall ist es gerade strittig, ob eine Beeinträchtigung des Eigentums des Revisionswerbers durch die Bauführung erfolgt. Eine Zustimmung des Revisionswerbers dazu liegt jedenfalls nicht vor. Mit der Frage des Grenzverlaufes unter dem Aspekt des - auch baurechtlich ohne Zustimmung rechtswidrigen -

Eingriffes in das Eigentumsrecht des Revisionswerbers hat sich das Landesverwaltungsgericht Steiermark nicht auseinandergesetzt. Es kann daher im gegenständlichen Provisorialverfahren betreffend die aufschiebende Wirkung auch nicht angenommen werden, dass das Verwaltungsgericht die Frage der Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes des Revisionswerbers geprüft hätte und von diesen Prüfergebnissen ausgegangen werden könnte (vgl. hingegen z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/06/0064).

Im Hinblick auf den unverhältnismäßigen Nachteil, der den Revisionswerber im Fall einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme seines Eigentums durch die gegenständlichen Baumaßnahmen treffen würde, war daher spruchgemäß zu entscheiden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2006/07/0027).

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision des M L in N, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 50.14-4720/2014-9, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde: Gemeinderat der Stadtgemeinde W, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde W hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung für den Abbruch des bestehenden Wintergartens, die Neuerrichtung eines Wintergartens samt nutzbarer Dachterrasse und die bauliche Ergänzung der zum Grundstück Nr. 106/1 gerichteten Brandwand auf dem Grundstück Nr. .52/1, KG W.

2 Bei der mündlichen Bauverhandlung am brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, er sei Miteigentümer der Brandwand und somit nicht nur als Nachbar anzusehen. Er erteile keine Zustimmung zum Bauansuchen. Es sei eine Vermessung durchzuführen. Ferner wandte er sich gegen die Erhöhung der Brandwand in Bezug auf ein näher genanntes Erdgeschoßfenster, das lediglich in einem Abstand von ca. 120 cm von der Brandwand gelegen sei. Der als geschlossene Brüstung ausgeführte Attika-Aufsatz des Wintergartens überrage die bestehende Brandwand um 1,96 m. Dieser Gebäudeteil befinde sich in einem Horizontalabstand von lediglich 100 cm von der Grundstücksgrenze zu seiner Liegenschaft Grundstück Nr. 106/1. Dadurch werde der Mindestabstand von 3 m unterschritten.

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde W vom , gefertigt vom ersten Vizebürgermeister, wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung, der mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde W vom , ausgefertigt vom Bürgermeister, keine Folge gegeben wurde.

5 Gegen den Berufungsbescheid vom erhob der Revisionswerber Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde, soweit sie sich darauf bezieht, dass die bestehende Brandwand zumindest zur Hälfte im Eigentum des Revisionswerbers stehe, als unzulässig zurückgewiesen und der Revisionswerber mit seinen privatrechtlichen Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Darüber hinaus wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

7 Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften führte das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei Nachbar des Baugrundstückes. Der Einwand des strittigen Grenzverlaufes finde keine Deckung in der Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nach § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes (BauG). Das Vorbringen, der Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und dem Nachbargrundstück, und damit auch die Eigentumsverhältnisse an der Brandmauer, sei ungeklärt, sei eine privatrechtliche Einwendung. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren sei vom Verhandlungsleiter der mündlichen Verhandlung am ein erfolgloser Versuch unternommen worden, eine Einigung in der Frage der Grundgrenze zwischen den Grundstücken .52/1 und 106/1 zu erwirken. Die Einholung des Gutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen für Vermessungswesen DI B im zweitinstanzlichen Verfahren sei nicht als ein dem Parteiengehör zu unterziehender Ermittlungsschritt im Bauverfahren, sondern allenfalls als ein weiterer Einigungsversuch zu werten, der als gescheitert zu betrachten sei, nachdem der Beschwerdeführer dem Gutachten keinen Erklärungswert beimesse und er offenbar auch nicht beabsichtige, den im Gutachten umschriebenen Grenzverlauf anzuerkennen. Die Beschwerde sei daher in diesem Punkt, ohne auf das Beschwerdevorbringen näher einzugehen, als unzulässig zurückzuweisen, und der Beschwerdeführer sei mit seiner privatrechtlichen Einwendung auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Die Bestimmung, dass dem Bauansuchen der Nachweis des Eigentums oder des Baurechts an dem Baugrundstück zu erbringen sei, begründe gleichfalls kein Nachbarrecht. Die an das bestehende Gebäude ebenerdig anzubauende, unselbstständige bauliche Anlage (Wintergarten) sei ein eingeschoßiger Zubau. Die Dachterrasse sei kein eigenständiges Geschoß. In Richtung des Grundstückes des Revisionswerbers werde die vom Wintergarten gebildete verlängerte Gebäudefront des Hauses unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet, indem die dem Nachbargrundstück Nr. 106/1 zugewandte Außenfläche des Wintergartens (samt Dachkonstruktion) an die bestehende (erhöhte) Brandwand angebaut werde. Die Absturzsicherung der Dachterrasse (Brüstung) bilde für sich genommen keine Gebäudefront. Auf den vorliegenden Fall finde die Ausnahmeregelung des § 13 Abs. 2 BauG Anwendung mit der Folge, dass kein näher zu bestimmender Grenzabstand einzuhalten sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

9 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat die Akten des Verfahrens vorgelegt.

10 Die mitbeteiligte Partei und die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde haben in einer gemeinsamen Gegenschrift die kostenpflichtige Zurückbzw. Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Rechtsstellung eines Miteigentümers des Baugrundstückes im Baubewilligungsverfahren zulässig.

12 In den Revisionsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, der Revisionswerber habe sich darauf berufen, Eigentümer der Brandmauer zu sein, die durch das gegenständliche Projekt erhöht werde. Es liege daher keine Einwendung aus dem Bereich des Zivilrechts eines Nachbarn vor. Eine Außerstreitstellung des Alleineigentums der mitbeteiligten Partei an der Brandwand sei nicht erfolgt. In seiner Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht habe der Revisionswerber auch inhaltliche Argumente gegen das Gutachten des DI B vorgebracht. Das Landesverwaltungsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt. Die Abstandsfrage trete angesichts der Fehlbeurteilung seiner Einwendungen als Miteigentümer in rechtlicher Relevanz zurück. Befände sich die Mauer im Alleineigentum der mitbeteiligten Partei und wäre erst die daran anschließende Luftsäule im Eigentum des Revisionswerbers, erschiene es wenig relevant, was sich hinter dieser Mauer tue, wobei der Sachverhalt aber auch nicht ganz klar sei. Die Frage, ob das Projekt an die Grundgrenze herangebaut werde oder zu dieser einen zu geringen Abstand einhalte, könne man sich aber ausgehend von der (allerdings vollkommen unzutreffenden) Sichtweise zu klären ersparen, da eine Verletzung der Abstandsvorschriften dann unwahrscheinlich erscheine. Wenn vom Landesverwaltungsgericht ausgeführt werde, dass die Brüstungselemente an sich nicht abstandsrelevant seien und kein zweites Geschoß ausgeprägt werde, werde dieser Ansicht schwer zu widersprechen sein, zumal es sich bei der Terrasse um kein Geschoß handle und nicht einmal die Absicherungselemente Kniestockhöhe erreichen dürften. Zu fragen sei, ob ein Anbau vorliege, da offenbar nur eine vereinzelte Anbindung erfolge. Zwischen der Glaswand des Wintergartens und der Mauer sei ein Schlitz von 60 oder 45 cm ausgeprägt, sodass sich auch bei einem eingeschoßigen Bauwerk die Frage stelle, ob dieses dann die erforderlichen Abstandsvorschriften von 3 m einhalte. Letztlich sei auch dem Aspekt Rechnung zu tragen, dass gerade die Erhöhung der Mauer nicht über die volle Mauerstärke ausgeführt werden solle, sondern nur über die halbe, wobei jener Teil der Mauer erhöht werden solle, der sich näher zum Anwesen des Revisionswerbers befinde, sodass bei einem geteilten Eigentum an der Mauer gerade jener Teil betroffen sei, der nicht dem Grundstück im Alleineigentum der mitbeteiligten Partei, sondern jenem in geteilten Miteigentum zwischen der Bauwerberin und dem Revisionswerber zuzuordnen sei. Ferner werden in der Revision Verletzungen von Verfahrensvorschriften gerügt betreffend die Aktenwidrigkeit der Annahme der Einwendungen des Revisionswerbers als Nachbareinwendungen sowie der Annahme eines Einigungsversuches, weiters Begründungsmängel und die Verletzung des Parteiengehörs. Die Mitwirkung des Bürgermeisters als Entscheidungsträger erster Instanz durch die Ausfertigung des Bescheides des Gemeinderates begründe eine weitere Rechtswidrigkeit. Außerdem seien verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt (wurde näher ausgeführt).

13 Was die Rüge in der Revision betrifft, dass der Bürgermeister wegen Befangenheit aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung den Berufungsbescheid des Gemeinderates nicht hätte ausfertigen dürfen, ist dem entgegenzuhalten, dass den erstinstanzlichen Bescheid der erste Vizebürgermeister unterfertigt hat, sodass dieses Vorbringen schon deshalb ins Leere geht.

14 § 22 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59

idF Nr. 29/2014, lautet auszugsweise:

"§ 22

Ansuchen

(1) Um die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen.

(2) Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:

1. der Nachweis des Eigentums oder des Baurechtes an dem für die Bebauung vorgesehenen Grundstück in Form einer amtlichen Grundbuchabschrift oder in anderer rechtlich gesicherter Form, jeweils nicht älter als sechs Wochen;

2. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist;

..."

15 Aus der Regelung des § 22 Abs. 2 Z 2 BauG mit dem Erfordernis der Zustimmungserklärung des Grundeigentümers zu einem Bauvorhaben ist abzuleiten, dass dem Grundeigentümer, im Fall des Miteigentums an einer Liegenschaft sämtlichen Miteigentümern, im Hinblick auf die Frage, ob eine liquide Zustimmung des Grundeigentümers im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, Parteistellung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0008, mwN).

16 Die Erteilung einer Baubewilligung ohne Zustimmung des Eigentümers des Baugrundstückes ist rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0018, mwN).

17 Es trifft zu, dass der Revisionswerber im gesamten Verfahrensverlauf geltend gemacht hat, dass das Bauvorhaben teilweise auf einer Liegenschaft beabsichtigt ist, an der ihm Eigentum bzw. Miteigentum zusteht. Im Baubewilligungsverfahren ist die Eigentumsfrage daher jedenfalls zu prüfen und allenfalls als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG zu beurteilen (vgl. dazu die Ausführungen bei Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht, 5. Auflage, S. 263 Z 6).

18 Das Landesverwaltungsgericht hätte sich daher angesichts des Vorbringens des Revisionswerbers in der Sache mit der Frage auseinandersetzen müssen, wer Eigentümer bzw. Miteigentümer des vom Bauvorhaben betroffenen Grundstückes, insbesondere hier in Bezug auf die Brandmauer ist. Dadurch, dass das Landesverwaltungsgericht dies unterlassen hat, hat es seine Entscheidung mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Im Übrigen hat das Landesverwaltungsgericht auch nicht begründet und ist es auch nicht ersichtlich, dass das Bauvorhaben allenfalls teilbar wäre, sodass sich die Frage der Eigentumsverhältnisse nur hinsichtlich eines trennbaren Bestandteils des Bauvorhabens stellen würde.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigt, auf das weitere Revisionsvorbringen näher einzugehen.

20 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat. Diesem Rechtsträger fließt auch der Aufwandersatz zu, der aufgrund des VwGG gegebenenfalls vom Revisionswerber zu leisten ist (§ 47 Abs. 5 VwGG). Entgegen der Auffassung der Stadtgemeinde W in ihrer Gegenschrift vermag der Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit darin zu erblicken, wenn zum Aufwandersatz nicht der Rechtsträger des Gerichtes, sondern die Parteien (bzw. deren Rechtsträger) des gerichtlichen Verfahrens verpflichtet werden.

Wien, am 

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Normen
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2;
BauRallg;
VwGG §30 Abs2;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche
Rechte, Privatrechte der Nachbarn BauRallg5/1/8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015060038.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAE-93082