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VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0173

VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0173

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/133.010/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid vom erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe am in Serbien eine um 24 Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 eingebracht. Daraufhin habe die "Erstbehörde" dem Beschwerdeführer eine bis befristete Niederlassungsbewilligung erteilt, die später bis verlängert worden sei.

Aufgrund einer Mitteilung des Landeshauptmannes von Wien (Magistratsabteilung 35) vom seien Erhebungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe getätigt worden, auf deren Grundlage die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt sei, der Beschwerdeführer habe sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die genannte Ehe berufen, aber mit seiner österreichischen Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt. Dabei stützte sie sich vor allem auf die Zeugenaussage der Ehefrau des Beschwerdeführers, die glaubwürdig angegeben habe, den Beschwerdeführer nur geheiratet zu haben, damit seine Kinder nach Österreich kommen könnten, sie habe mit ihm jedoch nicht zusammen sein wollen. Zwei- bis dreimal habe sie in der Wohnung des Beschwerdeführers im Wohnzimmer auf dem Boden auf einer Matratze übernachtet, während der Beschwerdeführer im Kabinett in seinem Bett geschlafen habe. Persönliche Gegenstände von ihr befänden sich nicht in der Wohnung. Auch der Beschwerdeführer habe noch nie bei ihr in der Wohnung übernachtet. Er komme nur einmal im Monat zu ihr und bringe ihr Essen. Es befänden sich auch keine persönlichen Gegenstände von ihm in ihrer Wohnung.

Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Ehefrau bloß vortäuschen sollte, dass sie mit dem Beschwerdeführer nicht zusammen wohne und auch nie zusammen gewohnt habe und daher kein gemeinsames Familienleben mit ihm führe. Auch der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass er mit seiner Ehefrau zusammen wohne oder zusammen gewohnt habe, zumindest nicht in einem Ausmaß, dass sich daraus ein gemeinsames Familienleben ableiten ließe. Für die gewonnene Überzeugung der belangten Behörde spreche ferner, dass die jeweiligen Nachbarn bei den am an der ehelichen Adresse in Wien 12 und am an der tatsächlichen Wohnadresse der Ehefrau des Beschwerdeführers in Wien 5 durchgeführten Erhebungen jeweils nur einen der Ehepartner auf einem vorgezeigten Lichtbild erkannt hätten.

Daraus folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer führe mit seiner Ehefrau kein gemeinsames Familienleben. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile stelle aber - trotz des Zeitablaufes von mehr als fünf Jahren seit der Eheschließung - eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Der Beschwerdeführer halte sich seit fünf Jahren in Österreich auf und gehe regelmäßig einer Beschäftigung nach. Familiäre Bindungen bestünden im Bundesgebiet zu seiner Schwester und seinen beiden Kindern. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, der jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten sei. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung als Arbeiter (bei ständig wechselnden Arbeitgebern) eingehen können. Deshalb werde die durch den ca. fünfjährigen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert, zumal sich sein Aufenthalt auf das genannte rechtsmissbräuchliche Verhalten stütze. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Mangels sonstiger, zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am geltende Fassung des genannten Gesetzes.

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf seine aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein gemeinschaftsrechtlich (nunmehr unionsrechtlich) begründetes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0263, mwN).

Die Beschwerde wendet sich auch gegen die behördliche Annahme, dass die genannten Voraussetzungen erfüllt seien, und bringt dazu vor, beide Ehepartner hätten angegeben, dass zeitweise ein ehelicher Haushalt, "jedenfalls (…) aber ein ehelicher Wohnsitz" bestanden habe. Damit werden aber die der behördlichen Beweiswürdigung zugrunde liegenden, maßgeblichen Feststellungen nicht wirksam bekämpft. So geht die Beschwerde auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheides, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe angegeben, diesen nur geheiratet zu haben, damit seine Kinder nach Österreich kommen könnten, und mit dem Beschwerdeführer nicht zusammen sein zu wollen, lediglich zweibis dreimal in der Wohnung des Beschwerdeführers in Wien 12 am Boden auf einer Matratze übernachtet zu haben, während der Beschwerdeführer in einem anderen Zimmer geschlafen habe, und es befänden sich keine persönlichen Gegenstände von ihr in der Wohnung des Beschwerdeführers, nicht ein. Ebenso wenig tritt die Beschwerde den Feststellungen der belangten Behörde entgegen, dass nach den Angaben des Beschwerdeführers seine Schwester die Ehe zu einem Zeitpunkt, als er seine spätere Ehefrau noch gar nicht gekannt habe, vermittelt und er seine Ehefrau gleich am Tag nach ihrer Ankunft in Serbien geheiratet habe. Der Beschwerdeführer bestreitet ferner nicht, selbst angegeben zu haben, dass sich keine seiner persönlichen Gegenstände in der Wohnung seiner Ehefrau (und umgekehrt) befänden.

Davon ausgehend war es nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde zur Annahme gelangte, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt.

Soweit der Beschwerdeführer unter Zitierung älterer (u.a. zum Fremdengesetz 1992 ergangener) verwaltungsgerichtlicher Judikatur auf eine mehr als fünfjährige Dauer seiner Ehe verweist und daraus ableitet, dass deshalb eine Gefährdungsannahme nicht mehr gerechtfertigt sei, ist für seinen Standpunkt nichts gewonnen, weil die - noch zum Aufenthaltsverbot nach dem Fremdengesetz 1997 ergangene - auf einen Fünfjahreszeitraum abstellende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Anwendungsbereich des FPG nicht aufrechterhalten wurde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0245, mwN).

Auf Basis der im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe getroffenen Feststellungen durfte die belangte Behörde daher - wie erwähnt - davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist.

In die von der Beschwerde ebenfalls bekämpfte Interessenabwägung gemäß § 66 FPG hat die belangte Behörde den ca. fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine familiären Bindungen zu seinen beiden Kindern und seiner Schwester im Bundesgebiet sowie seine Berufstätigkeit einbezogen. Zutreffend hat sie berücksichtigt, dass die beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich nur in Folge der von ihm geschlossenen Scheinehe entstehen habe können. Betreffend seine beiden Kinder bestreitet der Beschwerdeführer die Annahme der belangten Behörde nicht, dass sich diese in der Obsorge seiner Schwester befänden.

Den aus den dargestellten Gründen geminderten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei und die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Entgegen der Beschwerdeansicht ist der belangten Behörde auch kein (materieller) Ermessensfehler vorzuwerfen, zumal die Beschwerde keine besonderen Umstände aufzeigt, die zu einer Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers hätten führen müssen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-93081