VwGH vom 19.12.2012, 2009/13/0226
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der C-Gesellschaft mbH Co KG in K, vertreten durch Prof. Dr. Thomas Keppert Wirtschaftsprüfung GmbH Co KG, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1060 Wien, Theobaldgasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0333-K/06, betreffend
u. a. Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer 1995 und 1997, Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 1997), Umsatzsteuer 1995 und 1997 bis 2002 sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 2003 und 2005, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 2003 und 2005 (Spruchpunkte 3., 8., 12., 15., 17., 19., 21., 23. und 24.) sowie gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 1997 (Spruchpunkte 1. und 10., soweit nicht auf die Umsatzsteuer bezogen; Spruchpunkt 7.) richtet, zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, 25 Spruchpunkte umfassenden Bescheid entschied die belangte Behörde u.a. - in den von den Beschwerdepunkten (abgesehen von deren erkennbar überschießender Formulierung hinsichtlich Umsatzsteuer 1996) umfassten Spruchpunkten - über die Berufungen der beschwerdeführenden GmbH Co KG gegen erstinstanzliche Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1995 und 1997 sowie hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 1997 (Spruchpunkte 1., 7. und 10.), betreffend Umsatzsteuer 1995 sowie 1997 bis 2002 (Spruchpunkte 2., 11., 14., 16., 18., 20. und 22.) und betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 2003 sowie 2005 (Spruchpunkte 3., 8., 12., 15., 17., 19., 21., 23. und 24.).
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer durch weitere Schriftsätze der belangten Behörde ergänzten Gegenschrift erwogen hat:
1. Zur Feststellung von Einkünften:
In Bezug auf diese Spruchpunkte gleicht der Beschwerdefall - mit der Maßgabe, dass im vorliegenden Fall auch Aussprüche über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 1997 betroffen sind - in den wesentlichen Punkten dem mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, 2009/13/0018, erledigten Fall. Aus den dort dargelegten Gründen und - hinsichtlich der Wiederaufnahmen - aus den Gründen des hg. Beschlusses vom , 2002/13/0224, auf die jeweils gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, war die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Feststellung von Einkünften und die damit verbundenen Wiederaufnahmen richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.
2. Zur Umsatzsteuer:
Die Abweisung ihrer Berufungen gegen die Wiederaufnahmen hinsichtlich Umsatzsteuer 1995 und 1997 - hinsichtlich der Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer 1996 hat die belangte Behörde dieser Berufung stattgegeben - bekämpft die beschwerdeführende Partei mit dem Argument, die belangte Behörde habe sich zu wenig mit den Wiederaufnahmsgründen des Finanzamtes auseinandergesetzt, ihre Entscheidung u.a. auch auf die Ergebnisse der Berufungsverhandlung gestützt und in Bezug auf die Wiederaufnahmen damit die Sache des Berufungsverfahrens überschritten. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde verwechseln jedoch den Tatsachenkomplex, der als Wiederaufnahmsgrund in einem Berufungsverfahren darüber dessen Sache begrenzt, mit dem darauf bezogenen Ermittlungsstand. Den vom Finanzamt herangezogenen Grund hat die Berufungsbehörde, wenn die Bescheidausführungen des Finanzamtes mangelhaft sind, zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls auch die dazu erforderlichen Ergänzungen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0062). Wird im vorliegenden Fall daher in der zur erstinstanzlichen Begründung der Wiederaufnahmen u.a. zitierten Tz 5 des Berichtes vom auf eine Beilage dazu verwiesen, wonach im Zuge der Prüfung in Bezug auf bestimmte, einzeln angeführte Rechnungen keinerlei Unterlagen über die zugekauften, in den Rechnungen zumeist nur pauschal beschriebenen Leistungen vorgelegt worden seien, die eine Anerkennung als Betriebsausgabe gerechtfertigt hätten, und "mangels Leistungserbringung" auch der Vorsteuerabzug versagt werde, so hat die belangte Behörde nicht die Sache des Berufungsverfahrens überschritten, wenn sie in Bezug auf diese Rechnungen zum selben Ergebnis gelangte.
Den die Umsatzsteuer betreffenden Sachentscheidungen der belangten Behörde hält die beschwerdeführende Partei in allgemein gehaltener Form entgegen, die belangte Behörde hätte mit Kassation vorzugehen gehabt und nicht ohne Begründung des ausgeübten Ermessens in der Sache selbst entscheiden dürfen. Dazu ist - wie schon im Fall des Erkenntnisses vom heutigen Tag, 2009/13/0018 - gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom , 2007/15/0016, zu verweisen.
Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht auch der in der Beschwerde vertretene Standpunkt, es sei nicht zulässig, nach unbegründeten vorläufigen Bescheiden endgültige Bescheide zu erlassen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Rechtsprechungsnachweise in dem Erkenntnis vom heutigen Tag, 2009/13/0018, verwiesen werden.
Zu erörtern bleibt damit - soweit für die Entscheidungen über die Umsatzsteuer 1995 und 1997 bis 2002 von Bedeutung - noch die Kritik der Beschwerde an der Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den von ihr nicht anerkannten Eingangsrechnungen. Die beschwerdeführende Partei rügt die Unübersichtlichkeit der fast 300 Seiten langen Bescheidbegründung, in der an die Stelle der in der Beschwerde zu 2009/13/0018 kritisierten Verweisungen nun ebenso zahlreiche textbausteinartige Wiederholungen getreten sind, sie wendet sich mit Recht gegen das in einem Bescheid vom August 2009 bizarre Argument, ein 2005 gestellter Beweisantrag hätte schon 2004 gestellt werden können, und sie zeigt die Fehlerhaftigkeit des beweiswürdigenden Hinweises der belangten Behörde auf eine - wie die Gegenschrift einräumt, missverstandene -
Mitteilung der steuerlichen Vertretung der beschwerdeführenden Partei auf. Diese Mängel in der mit etwas Aufwand doch nachvollziehbaren Begründung des Bescheides berühren aber nicht den Kern der die strittigen, für die Umsatzsteuer relevanten Eingangsrechnungen betreffenden Argumentation der belangten Behörde, die den Berufungen zum Teil - nämlich in Bezug auf solche Rechnungen auch der beschwerdeführenden Partei nahestehender Aussteller, bei denen sich die konkrete Wahrscheinlichkeit einer realen Leistungsbeziehung zeigte - auch stattgegeben hat. Wo dies nicht geschah, fehlte es nach Ansicht der belangten Behörde an ausreichenden Behauptungen und den angesichts der Höhe der Rechnungsbeträge erwartbaren Unterlagen über die Geschäfte, auf die sich diese Rechnungen bezogen haben sollen.
Mit fallbezogenen Ausführungen zu einzelnen Rechnungen tritt die beschwerdeführende Partei dem - soweit es die für die Umsatzsteuer beschwerderelevanten Eingangsrechnungen betrifft - nur in Bezug auf fünf Rechnungen der Jahre 1995 (Rechnung vom über S 1 Mio), 1997 (Rechnungen vom über S 225.000 sowie vom über S 900.000 und S 150.000) und 1999 (Rechnung vom über S 300.000) entgegen, wobei in Bezug auf die erste dieser Rechnungen der Argumentation der belangten Behörde, es fehle jede Konkretisierung der angeblich in Anspruch genommenen Leistungen, im Wesentlichen nur entgegengehalten wird, die Rechnung erkläre sich aus dem Anliegen der beschwerdeführenden Partei, "im Jahr 1995 hohe Aufwendungen zu tragen". Zur zweiten Rechnung wird an den verhältnismäßig ausführlichen Erwägungen der belangten Behörde über das Fehlen eines Zusammenhanges zwischen den fakturierten Leistungen und der wirtschaftlichen Tätigkeit der beschwerdeführenden Partei kritisiert, es gebe "keine Feststellung", dass die fakturierten, im Verfahren unbekannt gebliebenen Folder "nicht erstellt" worden seien. Die Schlüssigkeit der Erwägungen der belangten Behörde in Bezug auf die Frage einer Leistungsbeziehung zur beschwerdeführenden Partei wird damit nicht erschüttert.
Die dritte Rechnung in der Höhe von S 900.000 betraf Vermittlungsentgelt "für das Zustandekommen des Vertrages" mit einem Zeitschriftenverlag und "für die Vermarktung von Kleinanzeigen", wobei es sich um 10 % eines "Umsatzpotentials" von S 9 Mio handeln sollte. Der Vertrag war nicht auffindbar, und nach den Feststellungen der belangten Behörde gab es niemals Provisionseinkünfte oder sonstige Umsätze der beschwerdeführenden Partei im Zusammenhang mit der von dem Zeitungsverlag herausgegebenen Wochenzeitung. In der Beschwerde wird dies als Ergebnis einer "oberflächlichen Sachverhaltsfeststellung" kritisiert und unter Hinweis auf § 396 UGB vorgetragen, es sei nicht unüblich, Vermittlungsentgelte auch dann zu bezahlen, wenn das Geschäft nicht zur Ausführung gekommen sei. Sollte damit gemeint sein, dass nur die an den Vertragsabschluss (das der Rechnung zugrunde gelegte "Zustandekommen" des Vertrages, der zu Provisionseinkünften führen sollte) geknüpften Erwartungen sich nicht erfüllt hätten und die Rechnung über das Vermittlungsentgelt dadurch nicht zur Scheinrechnung werde, so stünde dem entgegen, dass ein Vertrag der in der Rechnung bezeichneten Art von der Prüferin in den beschlagnahmten Unterlagen nicht gefunden werden konnte und auch die beschwerdeführende Partei nicht in der Lage war, zu seiner Auffindung beizutragen. Wenn die belangte Behörde das als Indiz dafür wertete, dass es diesen Vertrag nicht gegeben habe, so hält dies der Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof stand.
Die vierte Rechnung bezieht sich auf "10 Mann/Tage a 15.000 S" für "die Konzeption der Immobilienvermarktung (Geschäftspläne, Datenbank-Recherche) im Dezember 1996", wozu der Geschäftsführer K. bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde im Mai 2009 angab, er sei sich "jetzt nicht sicher, ob dieser Aufwand im Zusammenhang mit einem Immobilienmagazin stand und es gab damals wahrscheinlich einen Hängeordner Immobilienmagazin in welchem Unterlagen und Vorrecherchen zu diesem Projekt aufbewahrt worden seien. Diese Unterlagen müssten in den beschlagnahmten Unterlagen sein". Die belangte Behörde führte dazu aus, sie sehe "keine Veranlassung, diesen vagen Vermutungen nachzugehen". Die beschwerdeführende Partei habe lange genug Zeit gehabt, die ihr schon 2003 und 2005 abgeforderten Unterlagen zu beschaffen, was ihr, wenn es die in der Rechnung behaupteten Leistungen gegeben hätte, "jedenfalls möglich gewesen" wäre, und auch eine Suche des Referenten im "EDV-Sichtungsprotokoll des Verwalters der beschlagnahmten Unterlagen" mit den Stichworten "Immobilien" und "Konzept" habe keinen "Hinweis auf ein Immobilienmagazin" ergeben. Ein präzises Vorbringen zu dieser Rechnung über Leistungen, die vielleicht "im Zusammenhang mit einem Immobilienmagazin" standen, enthält auch die Beschwerde nicht, womit die in ihr geübte Kritik an der unzureichenden Detailliertheit des Sichtungsprotokolls, das die belangte Behörde trotz mangelnder Mitwirkung der beschwerdeführenden Partei nach Spuren des behaupteten Geschäfts durchsuchte, ins Leere geht.
Der Rechnung vom über S 300.000 (Herstellung von Büroinfrastruktur durch die bei Beginn der verrechneten Leistungen alleinige Gesellschafterin der Komplementärin der beschwerdeführenden Partei) hat die belangte Behörde längere Ausführungen gewidmet, in denen sie für und gegen die behauptete Leistungsbeziehung sprechende Umstände gegeneinander abwog. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Rechnungsausstellerin das Objekt, in dem die beschwerdeführende Partei regelmäßige Einkünfte aus der Überlassung von Büroinfrastruktur erzielte, zu einem Büroobjekt umgebaut habe und Leistungen der in Rechnung gestellten Art im Zusammenhang mit der Anmietung von Büroräumen (gemeint: durch die beschwerdeführende Partei) angefallen sein konnten. Sie verneinte aber die Feststellbarkeit eines Zusammenhanges zwischen diesem realen Hintergrund und der konkret zu beurteilenden Rechnung auf Grund beweiswürdigender Erwägungen zur Dauer des in der Rechnung genannten Leistungszeitraumes und zur mangelnden Aufschlüsselung der in der Rechnung nur kumulativ genannten Kostenfaktoren. Diese Abwägung von Gesichtspunkten vor dem Hintergrund des auch hier völligen Fehlens einer Dokumentation der in Rechnung gestellten, sich über mehrere Jahre erstreckenden Leistungen fällt in den Kernbereich der Beweiswürdigung, die der Verwaltungsgerichtshof nur in Bezug auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen hat. Dieser Überprüfung hält der angefochtene Bescheid in Bezug auf die genannte Rechnung stand, wenngleich der Beschwerde zuzugestehen ist, dass ein Teil der auch hier - wie zu zahlreichen anderen Rechnungen - formelhaft hinzugefügten Vorwürfe der belangten Behörde betreffend mangelnde Bekanntgabe der die Leistung erbracht habenden "natürlichen Personen" u.dgl. der Art der in Rechnung gestellten Leistung in diesem Fall nicht gerecht wird. Dass die von der belangten Behörde angenommene Scheinrechnung wegen der Umsatzsteuerpflicht der Rechnungsausstellerin der Unternehmensgruppe insgesamt keinen umsatzsteuerlichen Vorteil bringen konnte, wie die Beschwerde noch ins Treffen führt, lässt die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die sich in diesem Zusammenhang auch auf Betriebsausgaben bezog, schon deshalb nicht unschlüssig erscheinen, weil die Beschwerde nicht aufzeigt, dass die auch in ihr thematisierten Bestrebungen nach einer Steuerung der Ergebnisse in der Unternehmensgruppe hier keine Rolle spielen konnten.
Die Beschwerde war daher insoweit, als sie nicht zurückzuweisen war, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am