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VwGH vom 20.12.2012, 2011/23/0170

VwGH vom 20.12.2012, 2011/23/0170

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/285.804/2009, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, war seit im Besitz von Sichtvermerken, am wurde ihm ein unbefristeter Sichtvermerk erteilt.

Ab dem Jahr 1995 hatte der Beschwerdeführer 50 % der Anteile einer GesmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Handel mit Waren aller Art" innegehabt. Obwohl er ab Sommer 1997 in immer größere Zahlungsschwierigkeiten kam, bestellte er dennoch immer mehr Waren bei einer Vielzahl von Unternehmen in einem Gesamtwert von umgerechnet mehr als EUR 520.000,--. Diese fast ausschließlich unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren verbrachte der Beschwerdeführer ins Ausland, ohne die aus diesen Bestellungen resultierenden Verbindlichkeiten zu bezahlen. Ab 1997 verblieb der Beschwerdeführer in der Türkei. Er wurde am in Bulgarien auf Grund eines internationalen Haftbefehls festgenommen und nach Österreich überstellt.

Wegen des beschriebenen strafrechtlichen Fehlverhaltens wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. Am wurde er aus der Strafhaft bedingt entlassen.

Auf Grund des genannten Urteils und der diesem zugrunde liegenden Straftaten erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erkannte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zu. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/18/0599, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In weiterer Folge beantragte der Beschwerdeführer mit dem mit datierten Schriftsatz die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er zwar nicht zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, jedoch zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom mehr als ein Jahr rechtmäßig unselbständig beschäftigt gewesen sei und er sich deshalb auf die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) berufen könne.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien - so die belangte Behörde weiter - habe die Behandlung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit dem der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen worden war, mangels Zuständigkeit abgelehnt. Nach seinen Feststellungen - denen sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anschloss - habe der Beschwerdeführer lediglich vom bis über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt. Nur während dieses Zeitraumes hätte er einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Sinn des Art. 6 ARB 1/80 nachgehen können. Er sei jedoch in diesem Zeitraum nicht beim gleichen Arbeitgeber, sondern bei zwei verschiedenen Arbeitgebern, nämlich vom bis (bei der K.C. KEG) sowie vom bis (bei der K.T. KEG) beschäftigt gewesen. Für die nachfolgenden Beschäftigungen ab hätten keine arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen vorgelegen und es sei einer ordnungsgemäßen Beschäftigung in weiterer Folge das Aufenthaltsverbot entgegengestanden. Es sei daher keine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinn des Art. 6 ARB 1/80 vorgelegen.

Darüber hinaus sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden oder aktenkundig, dass ihm eine begünstigte Stellung nach Art. 7 ARB 1/80 zukomme.

Auch sonstige, seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretene maßgebliche Änderungen seien vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden. Vielmehr sei er den aus dem Aufenthaltsverbot erfließenden Verpflichtungen bisher beharrlich nicht nachgekommen. So sei er immer noch im Bundesgebiet aufrecht gemeldet und im Mai 2007 und Oktober 2008 bei näher genannten Amtshandlungen aufgetreten. Die vom Beschwerdeführer seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingegangenen Arbeitsverhältnisse seien auf Grund des bestehenden Aufenthaltsverbotes und mangels Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz als unrechtmäßig zu qualifizieren.

Insgesamt sei daher die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nach wie vor nicht "gering zu schätzen" oder gar als weggefallen zu betrachten. Auch der seit seiner strafgerichtlichen Verurteilung vergangene Zeitraum ändere daran nichts, sei doch bei Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes davon auszugehen, dass die Behörde während dessen Gültigkeitsdauer ein völliges Wohlverhalten des Fremden voraussetze.

Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erweise sich auch weiterhin als zulässig und dringend geboten im Sinn des Art. 8 EMRK. Der Beschwerdeführer habe auch keine Änderungen in seinen privaten und familiären Lebensumständen geltend gemacht. Schließlich habe auch keine Veranlassung bestanden, das bestehende Aufenthaltsverbot im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens zu beheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Juli 2009) geltende Fassung.

1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag lediglich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zugunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0158, mwN).

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich auf Grund der seiner gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom erhobenen Beschwerde zugesprochenen aufschiebenden Wirkung bis zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom legal in Österreich aufgehalten und er sei (nach seiner Haftentlassung) auf Grund der ihm erteilten Beschäftigungsbewilligung legal über ein Jahr in Österreich unselbständig beschäftigt gewesen. Lediglich auf Grund des - jedoch nicht ihm anzulastenden - Konkurses seines ersten Arbeitgebers sei er gezwungen gewesen, sich eine neue Beschäftigung zu suchen, was ihm durch die Anstellung bei der K.T. KEG ab auch gelungen sei. Daher finde auf ihn Art. 6 ARB 1/80 Anwendung.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid auch "seine Ansprüche" nach Art. 7 ARB 1/80 geltend gemacht. Diese Rechtsposition gehe durch eine längere Abwesenheit vom Arbeitsmarkt auf Grund einer - auch mehrjährigen - Inhaftierung nicht verloren. Die belangte Behörde habe die "Arbeitnehmerzeiten" des Beschwerdeführers in Österreich vor seiner "vorübergehenden Ausreise aus Österreich" und seiner Inhaftierung im Ausmaß von mehr als vier Jahren negiert.

Nach der Rechtsprechung des EuGH - so der Beschwerdeführer weiter - würden die Rechtschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG für türkische Staatsangehörige gelten, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zukomme. Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des seinerzeit angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheides vom noch kein volles Jahr unselbständig tätig gewesen sei, sei "aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes" damals auch die Richtlinie 64/221/EWG nicht anzuwenden gewesen. Eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes in Anbetracht der nunmehr gegebenen Umstände widerspreche jedoch auch dem Unionsrecht.

Dieses Vorbringen zeigt schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil der Beschwerdeführer eine bis zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom allenfalls erworbene Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 infolge des als Maßnahme nach Art. 14 ARB 1/80 zu verstehenden Aufenthaltsverbotes jedenfalls verloren hätte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0206, und vom , Zl. 2008/22/0848, jeweils mwN). Im Hinblick auf das nach wie vor bestehende Aufenthaltsverbot und der daraus abzuleitenden Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes hat der Beschwerdeführer auch seither bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vom eine Position nach ARB 1/80 nicht (neuerlich) erwerben können.

3. In seinem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom hatte der Beschwerdeführer lediglich allgemein auf ein gemeinsames Familienleben mit seiner in Österreich niedergelassenen Familie verwiesen, ohne zu konkretisieren, welche Änderungen sich hinsichtlich seiner familiären Bindungen seit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes ergeben hätten. Auch in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom wurde von ihm lediglich ein - nicht näher konkretisierter - gravierender "Eingriff in seine Privatsphäre" behauptet. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine gegenüber dem Aufenthaltsverbotsbescheid eingetretenen Änderungen in seinen familiären Lebensumständen geltend gemacht habe, als nicht rechtswidrig.

Dessen ungeachtet wird auch mit dem erstmals in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, in Österreich lebten ein Sohn, die Schwiegertochter, die mit einem verstorbenen Sohn verheiratet gewesen sei, und ein Enkel des Beschwerdeführers, keine maßgebliche, gegenüber dem Aufenthaltsverbotsbescheid vom - in diesem waren Bindungen des Beschwerdeführers zu zwei Söhnen und der Schwiegertochter berücksichtigt worden - eingetretene Änderung in den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers aufgezeigt.

Auch die (bereits vor Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides vom erfolgte) bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft und seine seither ausgeübten Beschäftigungen - vermögen in Anbetracht der ihm nur für ein Jahr erteilten Beschäftigungsbewilligung und des mit Bescheid vom verhängten Aufenthaltsverbotes, dessen Wirksamkeit entgegen dem Beschwerdevorbringen erst seit dem hg. Beschluss vom lediglich für einen Zeitraum von ca. neun Monaten vorübergehend aufgeschoben war (zur ex nunc-Wirkung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0047, mwN) - keine entscheidungswesentlichen Änderungen gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides darzustellen. Die belangte Behörde durfte demgegenüber auch berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung auf Grund des Aufenthaltsverbotes seit mehr als drei Jahren nicht nachgekommen und somit nicht von einem Wohlverhalten im fremdenrechtlichen Sinn für den Zeitraum nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes auszugehen war (vgl. dazu erneut das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0158). Der seit der Erlassung des Bescheides vom bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vergangene - jedoch überwiegend durch das erwähnte fremdenrechtliche Fehlverhalten geprägte - Zeitraum von etwa vier Jahren ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der belangten Behörde aufzuzeigen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-93064