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VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007

VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §13;
VwRallg;
RS 1
Für die Beurteilung des Charakters eines Anbringens ist sein wesentlicher Inhalt maßgebend. Es kommt nicht auf die Bezeichnung an, sondern auf die erkennbare Absicht des Einschreiters (Hinweis E vom , 2013/06/0140).
Normen
RS 2
Der Gesetzgeber hatte als Zweck einer mündlichen Verhandlung nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen, sondern auch die mündliche Erörterung der nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht (Hinweis E vom , Ra 2015/09/0009, mwN). Auch eine ergänzende Beweiswürdigung durch das VwG hat regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung zu erfolgen (Hinweis E vom , Ra 2014/20/0174, mwN).
Normen
RS 3
Im gegenständlichen Fall ergänzte das VwG nicht nur den Sachverhalt, sondern stützte seine Entscheidung ausschließlich auf Umstände - nämlich das Fehlen eines Bauansuchens -, die nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens waren und zu denen auch kein Parteiengehör eingeräumt worden war. Es trifft zwar zu, dass die Frage der Zuständigkeit einer Behörde vom VwG auch ohne entsprechendes Parteienvorbringen aufzugreifen ist. Die zum "Überraschungsverbot" entwickelnden Grundsätze sind jedoch auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (Hinweis E vom , Ra 2014/21/0058). Demnach darf weder die Behörde noch das VwG in ihrer rechtlichen Würdigung Sachverhaltselemente einbeziehen, die der Partei nicht bekannt waren. Das VwG hat somit in rechtswidriger Weise von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision des M S in H, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/26/2435-3, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde T, vertreten durch Mag. Stefan Gamsjäger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 6; mitbeteiligte Partei: C S, vertreten durch die Tinzl&Frank Rechtsanwälte-Partnerschaft in 6020 Innsbruck, Museumstraße 21; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde T hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0143, verwiesen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T vom wurde dem nunmehrigen Revisionswerber eine Baubewilligung für die Errichtung eines Schwimmteiches mit Pergola auf dem Grundstück Nr. 240/1, KG T, erteilt. Da er diese bauliche Anlage nicht bescheidkonform errichtet hatte, erteilte ihm der Bürgermeister der Gemeinde T mit Bescheid vom einen Mängelbehebungsauftrag und untersagte die weitere Ausführung des Bauvorhabens. Mit dem hg. Erkenntnis Zl. 2009/06/0143 wurde der Beschwerde des Revisionswerbers Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Vorstellungsbehörde betreffend den Mängelbehebungsauftrag und die Baueinstellung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Verfahrensgegenständlich ist nunmehr ein am beim Gemeindeamt T eingelangter Tekturplan "Tektur betreffend die Änderungen gegenüber dem Baubescheid, ..., vom " für das als Lagerraum und Badeteich mit Außenanlage bezeichnete Projekt. Der Tekturplan umfasst Pläne über die Ansichten Süd, West, Nord und Ost, die Schnitte A-A und B-B sowie einen Grundriss; die Pläne sind jeweils mit datiert; das Deckblatt ist vom Revisionswerber unterschrieben. Dem angefochtenen Erkenntnis zufolge wurde dieser Tekturplan mit Eingabe vom ergänzt (diese Ergänzung liegt den vorgelegten Verfahrensakten nicht bei).

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Gemeinde T dem Revisionswerber die Baubewilligung "für die Änderung der baulichen Anlage in Anlehnung an den rechtskräftigen Bescheid vom , ..., nach Maßgabe der nachgereichten Planunterlagen" unter Vorschreibungen von Auflagen.

Dagegen berief der Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei (Nachbar) mit Schriftsatz vom .

Diese Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Gemeinde T mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund der Vorstellung des Nachbarn wurde der Berufungsbescheid mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wegen mangelhafter Ermittlungen hinsichtlich der Zustimmungserklärung des Nachbarn und der Stellungnahme eines Sachverständigen behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der Gemeinde T zurückverwiesen.

Die gegen diesen Vorstellungsbescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0036, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem zweiten Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde T vom wurde der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T vom behoben, der Antrag des Revisionswerbers vom abgewiesen sowie die Berufung des Nachbarn vom  mangels Beschwer zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die verfahrensgegenständliche Anlage unzulässiger Weise auf mehreren Grundstücken liege, weshalb das Bauansuchen zwingend abzuweisen sei. Durch diese Abweisung des Baubewilligungsantrages könne der Nachbar nicht in Rechten verletzt werden.

Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG). Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Errichtung des beschwerdegegenständlichen Schwimmteiches auf den beiden Grundparzellen Nr. 239/1 und Nr. 240/1 bereits mit rechtskräftigem Baubewilligungsbescheid vom genehmigt worden sei, weshalb die Berufungsbehörde das Bauansuchen nicht wegen der Übertretung einer Grundstücksgrenze hätte abweisen dürfen. Der Revisionswerber habe auch nur um die baurechtliche Bewilligung der abweichenden Bauausführung angesucht, der Bauantrag habe daher die Überdachung, die Holzterrasse, die Nebenräume im nordwestlichen Eckbereich, die Verbindungsbrücke, den Wasserfall, die geschlossene Wandscheibe, die Gehtüre/den Abgang, den Steg, die Sitzbank und die Sandbank nicht betroffen. Die Berufungsbehörde sei somit sowohl über den Antragsgegenstand als auch über den Verfahrensgegenstand hinausgegangen, weil der Nachbar den erstinstanzlichen Bescheid nur hinsichtlich der Feststellungen zum Steg und zur Sitzbank angefochten und nur in Bezug auf "die Höhenführung im Mindestabstandsbereich" Einwände erhoben habe. Der erstinstanzliche Bescheid sei somit in Teilrechtskraft erwachsen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis (vom ) änderte das LVwG den Spruch des Berufungsbescheides vom wie folgt: "Aus Anlass des Berufungsverfahrens in Bezug auf das Rechtsmittel der (in die Parteistellung des ursprünglichen Berufungswerbers eingetretenen) (mitbeteiligten Partei) wird der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T(...) vom , ..., ersatzlos behoben." Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein antragsbedürftiges Verfahren handle und es der Baubehörde nicht erlaubt sei, ohne einen derartigen Antrag etwa eine Baubewilligung zu erteilen. Ein solcher Antrag habe einen eindeutigen (verbalen) Inhalt aufzuweisen, der als solcher - unabhängig von weiteren anzuschließenden Unterlagen und Plänen - Art und Umfang der beantragten Bewilligung eindeutig erkennen lasse (Hinweis auf die hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0185, und vom , Zl. 92/04/0025). Art und Umfang des Ansuchens seien nämlich entscheidend für den Umfang der behördlichen Entscheidungsbefugnis, weil die "Sache", über die eine Behörde im Bauverfahren zu entscheiden habe, durch das Ansuchen/die Anzeige bestimmt werde (Hinweis auf Hauer,Der Nachbar im Baurecht6 (2008) 89 f und 195). Bloße Beilagen, wie Pläne oder Listen, ließen mangels eines entsprechenden verbalen Inhalts Gegenstand und Umfang eines Antrages nicht erkennen (nochmals Hinweis auf das hg. Erkenntnis Zl. 92/04/0025). Die Bedeutung des klaren Inhaltes eines Ansuchens/Antrages liege auch im Licht der Judikatur des VwGH zum Verbot des "Umdeutens" eines Antrages (etwa die eigenmächtige Interpretation der Behörde einer Bauanzeige als Ansuchen auf Erteilung einer Baubewilligung) auf der Hand (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 1901/79, und vom , Zl. 92/04/0113).

Im vorliegenden Fall sei mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde T vom das Baubewilligungsansuchen des Revisionswerbers vom abgewiesen worden. Der mit dieser Berufungsentscheidung zugleich behobene Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T vom sei nach den Bescheidausführungen auf Grund eines Ansuchens des Revisionswerbers um nachträgliche Baubewilligung der geänderten Bauführung des Bauvorhabens "Schwimmteich mit Pergola" entsprechend der Eingabe vom und der (ergänzenden) Eingabe vom ergangen. In der Begründung der Berufungsentscheidung vom sei ausgeführt worden, dass im Laufe des Berufungsverfahrens der Antrag seitens des Revisionswerbers abgeändert worden sei und dieser neue Pläne (datiert mit ) vorgelegt habe. Die dem LVwG zur Beschwerdeentscheidung vorgelegten Aktenunterlagen enthielten weder das Baubewilligungsansuchen vom , noch die dazugehörige Ergänzung vom und auch nicht die Abänderung des Bewilligungsantrages (datiert mit ); lediglich ein Tekturplan mit dem Eingangsstempel der Gemeinde T vom sowie ein mit datierter Tekturplan seien Teil der vorgelegten Aktenunterlagen. Das LVwG habe sodann die Berufungsbehörde aufgefordert, das Baubewilligungsansuchen vom , die dazugehörige Ergänzung vom und die Abänderung des Ergänzungsantrages (in Bezug auf die mit datierten Planunterlagen) nachzureichen. Die Berufungsbehörde habe dazu mitgeteilt, dass am lediglich Tekturpläne bei der Baubehörde eingereicht worden seien. Die Tekturpläne vom seien dem LVwG vorgelegt worden, ein schriftliches Antragsbegehren dazu allerdings nicht. Zur Abänderung des Bewilligungsantrages in Bezug auf die mit datierten Planunterlagen seien bei der Berufungsbehörde keine weiteren Unterlagen vorzufinden; es könne nicht gesagt werden, ob die fehlenden Unterlagen abhandengekommen seien, zumal sich der gegenständliche Bauakt immer wieder beim Amt der Tiroler Landesregierung sowie beim Verwaltungsgerichtshof befunden habe.

Demgemäß - so das LVwG weiter - sei davon auszugehen, dass die Eingabe vom lediglich aus Tekturplänen bestanden und kein schriftliches Bauansuchen zum Inhalt gehabt habe. Auch die Ergänzungseingabe vom habe bloß aus Planunterlagen bestanden. Der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T vom sei daher lediglich auf der Grundlage von Planunterlagen ohne ein schriftliches Antragsbegehren ergangen. Dass ein schriftliches Antragsbegehren des Revisionswerbers aus dem Zeitraum vor Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde T vom verlorengegangen sein könnte, könne ausgeschlossen werden, weil die Gemeinde T bekanntgegeben habe, dass am lediglich Tekturpläne vorgelegt worden seien. Ob zu einem späteren Zeitpunkt, etwa in den Stellungnahmen des Revisionswerbers vom und vom oder im Beschwerdeschriftsatz vom ein schriftliches Ansuchen um Erteilung der Baugenehmigung gestellt worden sei, sei nicht entscheidungswesentlich, weil die Frage der Zuständigkeit einer erstinstanzlichen Behörde zur Erlassung eines Bescheides nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung dieser erstinstanzlichen Entscheidung zu beurteilen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/03/0004). Im gegenständlichen Fall wäre eine klarstellende Willensäußerung des Revisionswerbers in Form eines schriftlichen Antragsbegehrens - abgesehen vom gesetzlichen Erfordernis einer schriftlichen Antragstellung - schon deshalb bedeutsam gewesen, weil er einerseits von einer Teilbarkeit des Verfahrensgegenstandes ausgegangen sei und zum anderen den Standpunkt eingenommen habe, dass die Abweichungen des Bauvorhabens gegenüber dem mit Baubewilligungsbescheid vom erteilten Baukonsens nur teilweise bewilligungsbedürftig seien, während andere Planabweichungen nach Auffassung des Revisionswerbers weder anzeige- noch bewilligungspflichtig seien.

Die Erlassung einer Baubewilligung ohne Vorliegen eines entsprechenden Antrages sei rechtswidrig und von der Berufungsbehörde ersatzlos zu beheben (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0343, vom , Zl. 2009/05/0064, und vom , Zl. 2008/05/0077). Der Bürgermeister der Gemeinde T hätte den Baubewilligungsbescheid vom somit nicht erlassen dürfen, weil kein darauf gerichteter schriftlicher Bauantrag vorgelegen sei, sondern lediglich Tekturpläne über die geänderte Ausführung des Bauvorhabens, aus denen in keiner Weise entnommen werden könne, welche Bauänderungen nun der Revisionswerber bewilligt haben wolle und welche nicht. Die Annahme der Baubehörden, auf Grundlage der eingereichten Tekturpläne könne auch ohne schriftliches Bauansuchen eine Baubewilligung erteilt werden, sei rechtlich unzutreffend.

Das LVwG habe die Frage der Zuständigkeit der Behörde auch dann zu prüfen, wenn dies in der Beschwerde nicht gerügt werde.

Die Berufungsbehörde hätte die Unzuständigkeit der Baubehörde erster Instanz aufgreifen müssen. Da sie das unterlassen habe, belaste sie den Berufungsbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Berufungsbescheid sei dahingehend abzuändern gewesen, dass der Baubewilligungsbescheid erster Instanz vom ersatzlos aufzuheben gewesen sei.

Da die Baubewilligung vom ersatzlos behoben worden sei, sei auch die Berufung des Nachbarn "aus dem Spruch zu entfernen" gewesen (wurde weiter ausgeführt).

Ungeachtet des Antrages des Revisionswerbers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe von einer solchen abgesehen werden können, weil ausschließlich eine Rechtsfrage zu beantworten gewesen sei, nämlich die Fragestellung, ob eine Baubewilligung nach den Vorschriften der TBO ohne einen darauf gerichteten Antrag erteilt werden könne. Der Sachverhalt sei in den entscheidungsrelevanten Punkten aufgrund der vorliegenden Aktenunterlagen als unbestreitbar und geklärt anzusehen, insbesondere ergebe sich nach dem Ausweis der Aktenunterlagen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der Gemeinde T vom kein schriftlicher Bauantrag des Revisionswerbers vorgelegen habe. Gerade dieser Umstand sei vorliegend der entscheidende Aspekt. Eine mündliche Erörterung habe daher eine weitere Klärung der vorliegenden Rechtssache nicht erwarten lassen, einem Entfall der Verhandlung seien demgemäß weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegengestanden (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/06/0221, und vom , Zl. 2011/06/0024).

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wurden.

Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor und beantragte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - in ihrer Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Revisionswerber bringt in seinen Zulässigkeitsausführungen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zunächst vor, bei den Eingaben vom und vom sei von einem wirksamen Antrag und nicht von einem "rechtlichen Nichts" auszugehen. Vor dem Hintergrund, dass dem Revisionswerber behördlich aufgetragen worden sei, um die nachträgliche Erteilung einer Bewilligung für die tatsächlich abweichende Ausführung anzusuchen, könne bei richtiger rechtlicher Beurteilung das Bauansuchen vom  mit der Ergänzung vom , selbst wenn es sich dabei lediglich um Tekturpläne gehandelt hätte, nur als Antrag auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung gewertet werden. Dies gebiete auch die hg. Rechtsprechung zu § 13 Abs. 3 AVG. Selbst in der vom LVwG selbst zitierten hg. Entscheidung vom , Zl. 92/04/0025, zu einem gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren habe der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung lediglich aufgehoben und zur Durchführung einer Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erstinstanzliche Behörde zurückverwiesen. Diese Entscheidung sei vor der Novelle des § 13 Abs. 3 AVG 1991 ergangen. Nach der Novellierung des AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 seien nicht nur Formmängel, sondern auch Mängel, die zuvor zur Zurückweisung geführt hätten, verbesserungsfähig (Hinweis auf Schwaighofer, Tiroler Baurecht (2003), Rz 5 zu § 21 TBO 2001, wo als Beispiel ein fehlender Antrag angeführt werde).

Bereits auf Grund dieses Vorbringens ist die Revision zulässig, sie ist auch berechtigt.

Gemäß § 62 Abs. 1 TBO 2011 sind Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der TBO 2011 mit anhängig waren, nach den Bestimmungen der TBO 2001 weiterzuführen. Im vorliegenden Beschwerdefall ist daher die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (TBO 2001) in der Fassung LGBl. Nr. 48/2011, anzuwenden.

Gemäß § 21 Abs. 1 TBO 2001 ist um die Erteilung der Baubewilligung bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Beim Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden ist im Bauansuchen der vorgesehene Verwendungszweck anzugeben. Nähere Vorgaben über die Form des Ansuchens enthält die TBO 2001 nicht.

Für die Beurteilung des Charakters eines Anbringens ist sein wesentlicher Inhalt maßgebend. Es kommt nicht auf die Bezeichnung an, sondern auf die erkennbare Absicht des Einschreiters (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0140, ergangen zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage des Kärntner Baurechts).

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1991 hat die Behörde bei Mängeln schriftlicher Anbringen von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 37 Abs. 1 AVG 1991 ist der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Im gegenständlichen Fall wurde der Baubehörde erster Instanz am ein Tekturplan "Tektur betreffend die Änderung gegenüber dem Baubescheid, ..., vom ", erstellt am vom Bau- und Zimmermeisteringenieur P., übermittelt. Diese Planunterlage besteht aus den Ansichten Süd, West, Nord und Ost sowie den Schnitten A-A und B-B und einem Grundriss des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens. Sie liegt schriftlich vor und trägt die Unterschrift des Revisionswerbers. Aus dem Hinweis auf die Änderung des mit Bescheid vom genehmigten Bauvorhabens und im Hinblick auf den zuvor erteilten Mängelbehebungsauftrag, der mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom bestätigt worden war, besteht kein Zweifel an der Absicht des Revisionswerbers, anhand der am eingebrachten Unterlagen eine Baubewilligung für die nicht bescheidkonform errichtete Anlage zu erwirken (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0140). Selbst wenn diese Eingabe kein vollständiges Bauansuchen gemäß § 21 iVm § 23 TBO 2001 darstellte bzw. unklar war, auf welche Vorhabensteile sich der Wille des Antragstellers konkret bezog, löste es dennoch einen Rechtsanspruch des Revisionswerbers auf ein Tätigwerden der Behörde dahingehend aus, die amtswegige Behebung eines Mangels des schriftlichen Anbringens zu veranlassen (§ 13 Abs. 3 AVG). Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass der Verwaltungsgerichtshof auch in dem vom LVwG zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/04/0025, ergangen zur Gewerbeordnung 1973, den mangelhaften Antrag nicht als rechtliches Nullum beurteilte, sondern - selbst zur Rechtslage vor der Wiederverlautbarung des AVG mit BGBl. Nr. 51/1991 - davon ausging, die Behörde erster oder zweiter Instanz sei entsprechend den ihr gemäß § 37 AVG obliegenden Auflagen verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern.

Der Ansicht des LVwG, die Baubehörden hätten einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt ohne Vorliegen eines entsprechenden Antrages erlassen, kann somit nicht zugestimmt werden. Bereits aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Darüber hinaus zeigt die Revision auch mit ihrem Vorbringen zum unzulässigen Absehen von einer mündlichen Rechtsmittelverhandlung ein Abgehen des LVwG von der hg. Rechtsprechung und damit das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

§ 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz  - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Verhandlung

§ 24.

(1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn 1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder 2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Die Revision bringt dazu vor, entgegen der Ansicht des LVwG hänge die gegenständliche Rechtssache nicht ausschließlich von der Lösung von Rechtsfragen ab; die Frage, ob ein schriftliches Bauansuchen gestellt worden sei, stelle eine Tatsachenfrage dar. Dazu habe das LVwG auch Ermittlungen durchgeführt, dem Revisionswerber zu den Ermittlungsergebnissen aber weder Parteiengehör eingeräumt noch ihn im Rahmen einer mündlichen Verhandlung angehört. In einer Verhandlung hätte der Revisionswerber darlegen können, dass tatsächlich ein schriftliches Ansuchen bei der Gemeinde T eingebracht worden und dieses offensichtlich - was von der Gemeinde selbst zugestanden werde - in Verstoß geraten sei. Ungeachtet dessen sei aus dem hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/09/0049, ableitbar, dass dann, wenn das LVwG neue Beweisergebnisse erhebe, jedenfalls eine mündliche Verhandlung zur Klärung dieses Sachverhaltes durchzuführen sei. Im gegenständlichen Verfahren sei ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof führte in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 24 Abs. 4 VwGVG unter anderem aus, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen hatte, sondern auch die mündliche Erörterung der nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2015/09/0009, mwN). Auch eine ergänzende Beweiswürdigung durch das LVwG hat regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/20/0174, mwN).

Im gegenständlichen Fall ergänzte das LVwG nicht nur den Sachverhalt, sondern stützte seine Entscheidung ausschließlich auf Umstände - nämlich das Fehlen eines Bauansuchens -, die nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens waren und zu denen auch kein Parteiengehör eingeräumt worden war. Es trifft zwar zu, dass die Frage der Zuständigkeit einer Behörde vom LVwG auch ohne entsprechendes Parteienvorbringen aufzugreifen ist. Die zum "Überraschungsverbot" entwickelnden Grundsätze sind jedoch auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/21/0058). Demnach darf weder die Behörde noch das LVwG in ihrer rechtlichen Würdigung Sachverhaltselemente einbeziehen, die der Partei nicht bekannt waren.

Da das LVwG somit in rechtswidriger Weise von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absah, war das angefochtene Erkenntnis auch aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden
und von Parteierklärungen VwRallg9/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015060007.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAE-93058