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VwGH vom 23.05.2017, Ra 2015/05/0079

VwGH vom 23.05.2017, Ra 2015/05/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 101/073/26938/2014-24, betreffend Versagung einer Gebrauchserlaubnis (mitbeteiligte Partei: P GmbH in W, vertreten durch Mag. Timo Gerersdorfer, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Ettenreichgasse 9/10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Bewilligung eines Schanigartens für einen Eissalon in der K. Straße 9. Beantragt wurde die Aufstellung von sechs Tischen und 24 Sitzplätzen (in einer Fußgängerzone) vor dem Eissalon K. Straße 9 sowie, gegenüberliegend vor dem Gebäude K. Straße 10, von 10 Tischen und 40 Sitzplätzen. Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde gemäß § 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 (GAG) und § 82 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) die Erlaubnis erteilt, den öffentlichen Grund und "den darüber befindlichen Luftraum" vor dem Haus K. Straße 9, links vom Lokaleingang, im Ausmaß von 3,40 m Länge und 2,10 m Breite zur Aufstellung von Tischen und Stühlen innerhalb eines näher bestimmten Zeitraumes benützen zu dürfen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gab das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem gegenständlichen Erkenntnis der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde Folge und änderte den Spruch dahingehend ab, dass der mitbeteiligten Partei die Erlaubnis, den öffentlichen Grund und "den darüber befindlichen Luftraum" vor dem Haus K. Straße 9, links vom Lokaleingang im Ausmaß von 3,40 m Länge und 2,10 m Breite, rechts vom Lokaleingang im Ausmaß von 1,20 m Länge und 2,10 m Breite sowie auf der gegenüberliegenden Straßenseite, vor dem Haus K. Straße 10, im Ausmaß von 6,60 m Länge und 2,00 m Breite zur Aufstellung von Tischen und Stühlen innerhalb eines näher bezeichneten Zeitraumes gebrauchen zu dürfen, erteilt wurde.

Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die von der revisionswerbenden Partei behauptete Voraussetzung einer räumlichen Nähe eines Schanigartens zum beantragenden Gastgewerbebetrieb lasse sich nicht aus dem GAG, im Speziellen nicht aus § 2 Abs. 2 GAG, ableiten, weshalb auch vor dem Haus K. Straße 10 ein Schanigarten errichtet werden dürfe. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die außerordentliche Revision kostenpflichtig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen.

2 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

Die Revision ist aus dem in ihr genannten Grund der mangelnden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff "Vorgärten" im GAG zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

3 Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG), LGBl. Nr. 20/1966, idF LGBl. Nr. 45/2013 lauten auszugsweise:

"§ 1

Gebrauchserlaubnis

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.

..."

"§ 2

Erteilung der Gebrauchserlaubnis

...

(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, beispielsweise Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, des Platzbedarfes für Lade- und Liefertätigkeit, der Aufenthaltsqualität für Personen (insbesonders Gewährleistung von Aufenthalts- und Kommunikationsbereichen), städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.

..."

"Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgaben

...

D. Monatsabgaben je begonnenen Abgabenmonat

...

2. für Vorgärten (Aufstellung von Tischen, Sesseln ua.) von

Geschäftslokalen aller Art je begonnenen m2 Fläche und je begonnenen Monat in der Zone 1 gemäß Tarif A Post 11 7,50 Euro, in der Zone 2 gemäß Tarif A Post 11 5 Euro in einer Fußgängerzone und 1 Euro außerhalb einer Fußgängerzone.

..."

4 Die revisionswerbende Partei bringt im Wesentlichen vor, mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff "Vorgärten" im GAG und dazu, inwieweit eine Gebrauchserlaubnis für "Vorgärten" vor betriebsfremden Gebäudefronten, in deren Nähe sich ebenfalls Geschäftslokale befänden, zu erteilen sei, sei die Revision zulässig. Weiters führte die revisionswerbende Partei im Wesentlichen aus, bei dem Begriff "Vorgarten" handle es sich nach allgemeinem Sprachgebrauch um einen "'kleineren, vor einem Haus gelegenen Garten' (DUDEN)". Dieses Begriffsverständnis werde auch durch die Stammfassung des GAG untermauert, in der der Gesetzgeber von Vorgärten "vor Gast- sowie Kaffeehäusern" spreche. Darüber hinaus sei im Sinne einer systematischen Interpretation § 79 Abs. 1 Bauordnung für Wien (BO) heranzuziehen, wonach ein Vorgarten ebenfalls eine Fläche darstelle, die sich unmittelbar vor einem Gebäude befinde.

Es sei auch auf Grund der sonst bestehenden Gefahr der Kollision zwischen verschiedenen Geschäftsbetreibern nur der Gebrauch der Fläche, die vor der Liegenschaft liege, von der aus der Gebrauch erfolge, als rechtmäßig iSd GAG anzunehmen, was bei dem bewilligten Schanigarten vor dem Haus K. Straße 10 nicht gegeben sei.

5 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Tarif D Post 2 GAG spricht von "Vorgärten (Aufstellung von Tischen, Sesseln ua.) von Geschäftslokalen aller Art". Darunter fallen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schanigärten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0111 zu der damals in Tarif B Post 7 GAG gleichlautend geregelten Bestimmung betreffend Vorgärten). Aus dem Gesetz selbst ergibt sich weiters, dass Vorgärten solche "von Geschäftslokalen" sein müssen. Dass diese unmittelbar vor der Liegenschaft, von der der Gebrauch ausgeht, situiert sein müssen, lässt sich dem Gesetz hingegen nicht entnehmen. Die Stammfassung des GAG, LGBl. Nr. 20/1966 spricht in Tarif B Post 21 von "Vorgärten (zum Beispiel Aufstellung von Tischen und Stühlen) vor Gast- sowie Kaffeehäusern u. dgl.". Diese Wendung wurde jedoch bereits mit der Novelle LGBl. Nr. 25/1967 in Tarif B Post 20 in "Vorgärten (Aufstellung von Tischen, Stühlen) von Gast- sowie Kaffeehäusern u. dgl." und später (ab Novelle LGBl. Nr. 43/1990) in "von Geschäftslokalen aller Art" umgeändert. Daraus ist erkennbar, dass der Gesetzgeber nicht mehr auf die unmittelbare Situierung vor der Liegenschaft abstellt, von der der Gebrauch ausgeht. Aus dem Wortsinn "Vorgärten" ergibt sich, dass eine gewisse räumliche Nahebeziehung zu dem Geschäftslokal gegeben sein muss. Dass ein Schanigarten jedoch nur unmittelbar vor einem Geschäftslokal errichtet werden darf, ergibt sich daraus nicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof, wenn auch in Bezug auf das in § 2 Abs. 5 GAG normierte Frontrecht, bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist aus dem GAG kein Anspruch eines Eigentümers einer Baulichkeit abzuleiten, die Ausdehnung eines Schanigartens im Bereich vor seinem Haus auf die Breite des Lokales des Bewilligungswerbers zu beschränken. Auch besteht kein Anspruch darauf, dass vor dem Haus bzw. vor dem Lokal kein betriebsfremder Schanigarten betrieben werden darf bzw. "die Gehsteigfläche entlang eines Lokales dem jeweiligen Eigentümer oder Nutzungsberechtigten zum Betrieb eines Schanigartens zur Verfügung zu stehen" hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/05/0173, vom , Zl. 2010/05/0197, und vom , Zl. Ra 2014/05/0048; gleichlautend auch Moritz, Bauordnung für Wien5, 643 zu § 2 GebrauchsabgabeG). Der Begriff des Vorgartens wird in der BO und im GAG unterschiedlich verwendet. Das GAG regelt den Gebrauch von öffentlichem Grund, weshalb ein Vorgarten iSd GAG nur als ein auf öffentlichem Grund liegender zu verstehen ist, während ein Vorgarten iSd § 79 Abs. 1 BO ein Grundstreifen ist, der frei bleibt, wenn durch den Bebauungsplan das Anbauen eines Gebäudes an die öffentliche Verkehrsfläche untersagt ist. Somit spielen beim Begriff des Vorgartens der BO im Gegensatz zu jenem des GAG nicht zwei unterschiedliche Liegenschaften eine Rolle und auch nicht öffentlicher Grund, weshalb die von der revisionswerbenden Partei vertretene Auslegung abzulehnen ist.

6 Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend angenommen, dass ein Schanigarten, unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 GAG, auch auf der dem Geschäftslokal gegenüberliegenden Straßenseite (hier einer Fußgängerzone) bewilligt werden kann.

7 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am