VwGH vom 30.03.2017, Ro 2015/07/0033

VwGH vom 30.03.2017, Ro 2015/07/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revisionen 1. des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Ro 2015/07/0033) und 2. des Landeshauptmannes von Niederösterreich (Ro 2015/07/0034) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AB-14-0172, betreffend Sanierung einer Altlast (mitbeteiligte Partei: G R KG in S, vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom trug der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) iVm § 31 Abs. 3 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) Maßnahmen zur Sanierung bzw. Sicherung der Altlast N 53 "Teerfabrik R." auf.

2 In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Altlast N 53 befinde sich westlich des Bahnhofes von A.; an diesem Standort seien im Zeitraum von 1860 bis 1924 eine Teerproduktion und eine Holzimprägnierung betrieben worden. Es sei davon auszugehen, dass es während der Betriebsdauer sowohl im Bereich der Teerfabrik als auch im Bereich der Holzimprägnierung zu Verunreinigungen des Untergrundes gekommen sei. Beide Betriebe seien ursprünglich von G.R. geführt worden; von 1898 bis zum Jahr 1921 habe die mitbeteiligte Partei das Imprägnierwerk betrieben. Die Teerfabrik sei im Jahr 1924 von der Betreiberin J. AG geschlossen worden; diese Firma sei 1934 liquidiert worden. Im Jahr 1928 sei die Liegenschaft einer G-Spirituosenfabrik und - raffinerie verkauft worden. Für die Zeit nach der Schließung der R.-Betriebe bis zum Zweiten Weltkrieg lägen keine Informationen vor. Nach dem Krieg sei der Standort parzelliert worden, er stelle heute ein Siedlungsgebiet mit ca. 55 Einfamilienhäusern sowie einem befestigten Zuckerrübenlagerplatz dar. Es könne als unbestritten angesehen werden, dass die Boden- und Grundwasserkontaminationen, die zur Ausweisung des Altstandortes als Altlast geführt hätten, im Wesentlichen während des Betriebes der R-Unternehmen verursacht worden seien. Untersuchungen gemäß §§ 13 und 14 ALSAG hätten massive Belastungen des Grundwassers ergeben. Die Altlast sei als Priorität 1 eingestuft worden, was bedeute, dass eine erhebliche Gefahr für Umwelt und Menschen von der Altlast ausgehe. Durch Sofortmaßnahmen sei sichergestellt worden, dass eine akute Gefährdung der Bevölkerung ausgeschlossen werde.

3 In rechtlicher Hinsicht führte der LH aus:

4 Da sämtliche Betreiber der Teerfabrik nicht mehr existierten, könnten diese nicht mehr als Verpflichtete herangezogen werden, ebenso wenig der längst verstorbene G.R. Anderes gelte für die mitbeteiligte Partei, welche in Rechtskontinuität seit dem 28. Jänner 1876, ab dem 18. April 1898 in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, bis dato bestehe. Die mitbeteiligte Partei könne als (Teil-)Verursacherin der Altlast angesehen werden, weil davon auszugehen sei, dass die Bodenverunreinigungen kontinuierlich beim Betrieb der Anlagen bzw. im Zuge der Produktion verursacht worden seien. Neben Schadstoffherden im Bereich des ehemaligen Firmenareals der Imprägnieranstalt seien mobile Schadstoffe im Grundwasser vorhanden, die heute nicht mehr einem bestimmten Verursacher zugeordnet werden könnten, zumal auch die Ausgangsprodukte der vorgefundenen Schadstoffe in identischer bzw. weitgehend ähnlicher Form sowohl in der Teerfabrik als auch in der Imprägnierungsanstalt verwendet worden seien. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne jedoch bei einer Mehrzahl von Verursachern jeder als solidarisch Haftender herangezogen werden, sodass es nicht erforderlich sei, die jeweiligen Anteile der einzelnen in Betracht kommenden Verpflichteten zu ermitteln. Im Übrigen sei ein Verschulden nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit von Anordnungen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959. Abgesehen davon könne im vorliegenden Fall von einer Sorgfaltswidrigkeit ausgegangen werden, weil schon im § 64 des Landeswasserrechtsgesetzes für Niederösterreich vom 28. August 1870, LGBl. Nr. 56, gesundheitsschädliche Verunreinigungen der Gewässer zum Wasserfrevel erklärt worden seien. Dass gesundheitsschädliche Grundwasserverunreinigungen im vorliegenden Fall gegeben seien, sei ausführlich dargelegt worden. Daher sei die mitbeteiligte Partei als Verpflichtete im Sinn des § 31 WRG 1959 anzusehen und somit zur Sanierung bzw. Sicherung der gesamten Altlast heranzuziehen. Im Hinblick auf § 17 Abs. 1 ALSAG sei jene Gesetzesbestimmung aufgrund des Umstandes anzuwenden, dass seit Jahrzehnten keine schadenskausalen gewerblichen Tätigkeiten mehr durchgeführt worden seien.

5 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung, in der sie unter anderem geltend machte, die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung des § 31 Abs. 3 WRG 1959 bestehe erst seit dem Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetznovelle 1969; § 31 Abs. 1 WRG 1959 sei seit in Kraft. Eine diesem allgemeinen Reinhaltegebot vergleichbare Regelung habe bis dahin nicht bestanden. Indem die Behörde das Gesetz auf einen Sachverhalt angewendet habe, der sich vor dessen Inkrafttreten ereignet habe, sei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vorgenommen worden.

6 Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der Beschwerde Folge und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos. Es erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung für zulässig, dass es zur Frage der Verpflichtung eines Grundeigentümers und Anlagenbetreibers, welcher schon vor Inkrafttreten des § 31 WRG 1959 seine Liegenschaften veräußert und seine potentiell schadensverursachende Tätigkeit eingestellt habe, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.

7 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wurde ausgeführt, im vorliegenden Fall stehe fest, dass die mitbeteiligte Partei ihre Tätigkeit an dem in Rede stehenden Standort, welcher als Ursache für eine Gewässerverunreinigung in Betracht kommen könnte, im Jahr 1921 eingestellt habe. Es sei weiters davon auszugehen, dass die mitbeteiligte Partei infolge des Verkaufs der betreffenden Liegenschaften (vor dem Zweiten Weltkrieg) nach dem Veräußerungszeitpunkt über diese Liegenschaften und dort allenfalls vorhandene Anlagen nicht verfügungsberechtigt gewesen sei und Aktivitäten der mitbeteiligten Partei, welche zu der Boden- und Grundwasserkontamination geführt haben könnten, nach dem Jahr 1921 nicht stattgefunden hätten. Es gehe also um die allenfalls für das Entstehen der Altlast N 53 kausale Betriebstätigkeit der mitbeteiligten Partei in der Zeit bis 1921. Unzweifelhaft sei, dass die von der belangten Behörde angewendeten wasserrechtlichen Bestimmungen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erlassen gewesen seien. Es sei daher zu prüfen, ob diese Rechtsvorschriften eine taugliche Grundlage zur Anordnung der Sanierung der Altlast gegenüber der mitbeteiligten Partei bildeten.

8 Nach Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 31 WRG 1959 führte das LVwG ferner aus, der Erstrevisionswerber habe in seiner im Verfahren vor dem LVwG abgegebenen Stellungnahme offensichtlich geltend gemacht, dass § 31 Abs. 2 WRG 1959 - trotz des Fehlens von Übergangsbestimmungen - dennoch zur Anwendung komme, weil nicht der Zeitpunkt des schadensverursachenden Ereignisses maßgebend sei, sondern lediglich, ob die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein Handeln gebiete. Dem sei insoweit zuzustimmen, als es für die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 2 und 3 WRG 1959 auf den Zeitpunkt des schadensauslösenden Verhaltens allein nicht ankomme, zumal auch die Handlungspflicht gemäß § 31 Abs. 2 WRG 1959 unabhängig vom Verschulden und der Erfüllung der Verpflichtungen des Abs. 1 sei. Andernfalls käme es zu einem sachlich nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch, weil dann der vor Inkrafttreten des § 31 WRG 1959 fahrlässig Handelnde gegenüber dem vom Zufall Getroffenen bevorzugt wäre. So wäre nicht einzusehen, weshalb der bei der Errichtung einer Anlage vor Inkrafttreten des § 31 WRG 1959 fahrlässig Handelnde von einer Haftung befreit wäre, während im Falle des Vorliegens eines von niemandem zu vertretenden Materialfehlers bei der Herstellung derselben Anlage die Verpflichtung eintreten würde, etwa wenn heute das damalige Fehlverhalten bzw. der ursprüngliche Materialfehler zu einem Schadensfall führe, der in weiterer Folge die Gefahr einer Gewässerverunreinigung hervorrufe. Aus diesem Grund sei es aber auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob bereits zu Zeiten der Geltung des Reichswasserrechtsgesetzes bzw. des Landeswasserrechtsgesetzes für Niederösterreich eine dem § 31

9 Abs. 1 WRG 1959 vergleichbare Sorgfaltsnorm bestanden habe bzw. dessen Inhalt nur eine "Wiederholung, bestenfalls eine Klarstellung der bereits durch das ABGB geschaffenen Rechtslage" darstelle. Es mache nämlich für die Verpflichtung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959, von welcher die Anordnungsbefugnis der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 3 abhänge, keinen Unterschied, ob die Gefahr der Gewässerverunreinigung verschuldet oder unverschuldet herbeigeführt worden sei und wann die erste diese Gefahr bedingende Ursache entstanden sei. Damit sei es aber auch irrelevant, ob Kontaminationen im Bereich des ehemaligen Imprägnierwerkes durch Fahrlässigkeit, höhere Gewalt oder späteres Fehlverhalten Dritter herbeigeführt worden seien.

10 Entscheidend sei vielmehr, ob für die mitbeteiligte Partei im Zeitpunkt des Eintritts dieser Gefahr eine Handlungsverpflichtung bestanden habe, welche - und insoweit spiele die fehlende Anordnung einer Rückwirkung des § 31 Abs. 2 WRG 1959 eine Rolle - aber erst mit dieser Gesetzesbestimmung geschaffen worden sei und daher frühestens mit deren Inkrafttreten entstehen habe können. Aus den Materialien zur WRG-Novelle 1969 sei ganz klar ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Handlungsverpflichtung für künftige Unfälle mit Gewässer gefährdenden Stoffen habe begründen wollen, nicht aber bestehende Kontaminationen im Auge gehabt habe, deren weitere Ausbreitung verhindert werden sollte. Dies werde auch darin deutlich, dass der Gesetzgeber in Art. II der genannten Novelle Regelungen betreffend im Zeitpunkt deren Inkrafttretens bestehende Anlagen im Sinne des gleichzeitig eingeführten und schon aufgrund seiner Bezeichnung ("besondere Vorsorge ...") der Regelung des § 31 ("allgemeine Sorge ...") verbundenen § 31a getroffen habe, während dies hinsichtlich bereits eigetretener Gewässerverunreinigungen nicht erfolgt sei. Hätte der Gesetzgeber eine Handlungspflicht zur Vermeidung der Ausbreitung damals bereits bestehender Gewässerverunreinigungen zu begründen beabsichtigt, wäre nicht einzusehen, weshalb er dies nicht auch in der genannten Übergangsbestimmung berücksichtigt habe. Zwar ende die Handlungspflicht des nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 Verpflichteten nicht mit der eingetretenen Gewässerverunreinigung, sondern zähle auch eine Verhinderung der Ausbreitung derselben und das Beseitigen von wassergefährdenden Stoffen zu den vom Gesetz geforderten Abwehrmaßnahmen, doch setze dies voraus, dass die Handlungspflicht für den Betreffenden zunächst einmal eingetreten sei. Dabei sei zu beachten, dass die Handlungsverpflichtung bereits aufgrund des Gesetzes bestehe und durch den gewässerpolizeilichen Auftrag nur konkretisiert werde. Sie treffe denjenigen, der die durch ihn herbeigeführte Gefahr einer Gewässerverunreinigung rechtlich oder faktisch beherrschen könne und daher in der Lage sei, entsprechende Abwehrmaßnahmen zu treffen. Das sei die mitbeteiligte Partei im entscheidenden Zeitpunkt aber nicht gewesen. Als die Handlungsverpflichtung erstmals in Betracht gekommen sei, sei die mitbeteiligte Partei nicht mehr ihr (potentieller) Adressat gewesen, denn es habe sich nicht mehr um "ihre Anlagen" im Sinne des § 31

11 Abs. 1 WRG 1959 gehandelt. Da die mitbeteiligte Partei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 31 Abs. 2 WRG 1959 (und danach) nicht mehr Eigentümerin, Verfügungsberechtigte oder Betreiberin der Grundstücke und Anlagen gewesen sei, habe sie weder damals noch heute von der Handlungsverpflichtung des § 31 Abs. 2 WRG 1959 betroffen sein können. Damit könne sie aber auch nicht Adressatin eines gewässerpolizeilichen Auftrages nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 sein.

12 An der durch § 31 WRG 1959 geschaffenen Rechtslage habe auch § 17 ALSAG nichts geändert, habe sich der Altlastensanierungsgesetzgeber doch darauf beschränkt, auf die gar nicht zu diesem Zweck geschaffenen einzelnen materiengesetzlichen Bestimmungen, darunter § 31 WRG 1959, zu verweisen und nur die Zuständigkeit zu regeln.

13 Die mitbeteiligte Partei könne daher von vornherein nicht zur Sanierung der in Rede stehenden Altlast auf Basis des § 31 WRG 1959 herangezogen werden, sodass sich die Prüfung des weiteren Vorbringens, insbesondere hinsichtlich der Verursacherschaft, erübrige.

14 Das LVwG ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es liege zur Frage der Verpflichtung eines Grundeigentümers und Anlagenbetreibers, welcher schon vor Inkrafttreten der Bestimmungen des § 31 WRG 1959 seine Liegenschaften veräußert und seine potenziell schadensverursachende Tätigkeit eingestellt habe, keine Judikatur vor.

15 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revisionen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft und des Landeshauptmannes von Niederösterreich als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht.

16 Der Bundesminister bringt vor, die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach feststehe, dass die mitbeteiligte Partei ihre Tätigkeit an dem in Rede stehenden Standort im Jahr 1921 eingestellt habe bzw. dass die von der belangten Behörde angewendeten wasserrechtlichen Bestimmungen (§ 31 WRG 1959) zum Zeitpunkt, als die mitbeteiligte Partei ihre Betriebstätigkeit eingestellt und ihre Liegenschaft veräußert habe, noch nicht erlassen gewesen seien, würden seitens der erstrevisionswerbenden Partei geteilt. Hingegen könne die erstrevisionswerbende Partei den Ausführungen des LVwG betreffend die grundsätzliche Verpflichtung eines Verursachers, für die Beseitigung von vor dem Inkrafttreten des § 31 WRG 1959 verursachte Verschmutzungen nicht herangezogen werden zu können, nicht beipflichten.

17 Für die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 2 und 3 WRG 1959 komme es nicht allein auf den Zeitpunkt des schadensauslösenden Verhaltens an, zumal die Handlungspflicht nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 unabhängig vom Verschulden und der Verpflichtung des Abs. 1 bestehe. Weshalb die durch die WRG-Novelle 1969 geschaffene Regelung des § 31 WRG 1959 nicht auch auf zwar vor dem Inkrafttreten verursachte, aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens (bis heute) (noch immer) bestehende Gewässerverunreinigungen Anwendung finden sollte, lasse sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Erläuterungen erkennen.

18 Kernziel des § 31 WRG 1959 sei die Gefahrenabwehr, wobei es dem Gesetz auf die Existenz einer Gefahr im Beurteilungszeitpunkt ankomme. Demgemäß sei prinzipiell belanglos, wie alt die gefahrenauslösende Anlage sei oder wann die gefahrenverursachenden Maßnahmen gesetzt worden seien. So komme § 31 WRG 1959 selbst dann zur Anwendung, wenn die Gefahr von einer Anlage ausgehe, die bereits vor dem Inkrafttreten des geltenden WRG 1959 bestanden habe. In dieser Hinsicht unterliege § 31 WRG 1959 keinen zeitlichen Beschränkungen seines Anwendungsbereiches. Insofern sei auch von keiner Rückwirkung mit einer entsprechenden Inkrafttretens- bzw. Übergangsbestimmung auszugehen, sondern von einem Sachverhalt, der zwar Jahre vor Inkrafttreten geschaffen worden sei, der allerdings aufgrund der nach wie vor vorhandenen konkreten Gewässerverunreinigung geeignet sei, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens unter die Verpflichtungen des § 31 WRG 1959 zu fallen. Dementsprechend gehe die erstrevisionswerbende Partei davon aus, dass die Handlungspflicht für den betreffenden Verursacher - auch wenn er seine Tätigkeit bereits vorher eingestellt habe und sich die Liegenschaft auch nicht mehr in seinem Eigentum befunden habe - (jedenfalls) mit Inkrafttreten der WRG-Novelle 1969 bestehe. Dass die Handlungspflicht des nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 Verpflichteten nicht mit der eingetretenen Gewässerverunreinigung ende, sondern auch eine Verhinderung der Ausbreitung derselben und als Beseitigung von wassergefährdenden Stoffen zu den vom Gesetz geforderten Abwehrmaßnahmen zähle, werde auch vom LVwG nicht in Frage gestellt.

19 Die Ausführungen des LVwG, dass die Handlungsverpflichtung bereits aufgrund des Gesetzes bestehe, durch den gewässerpolizeilichen Auftrag nur konkretisiert werde und denjenigen treffe, der die durch ihn herbeigeführte Gefahr rechtlich oder faktisch beherrschen könne und auch in der Lage sei, entsprechende Abwehrmaßnahmen zu treffen, griffen etwas zu kurz. Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe eine aus § 31 WRG 1959 erwachsende Verpflichtung unabhängig davon, ob und inwieweit ein allfälliger früherer oder späterer Eigentümer von Anlagen und Liegenschaften ebenfalls als Verpflichteter herangezogen werden könne. Ein gemäß § 31 WRG 1959 Verpflichteter könne sich nicht durch rechtsgeschäftliche Verfügungen, wie zum Beispiel den Verkauf von Anlagen oder Liegenschaften, von denen die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ausgehe, seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung entziehen. Vielmehr seien ihm unabhängig von der zivilrechtlichen Verfügungsgewalt über die Anlagen oder die Liegenschaften, von denen die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ausgehe, die erforderlichen Maßnahmen vorzuschreiben. Insofern sei die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages an einen über ein kontaminiertes Grundstück nicht mehr Verfügungsberechtigten zulässig, weil selbst einen Dritten, in dessen Rechtssphäre eine von ihm nicht verursachte Gewässerverunreinigung eintrete, eine Verpflichtung zur Duldung von Maßnahmen treffe. Insofern gingen die Ausführungen des LVwG, dass die mitbeteiligte Partei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 31 Abs. 2 WRG 1959 (und danach) ohne Zweifel nicht mehr Eigentümerin, Verfügungsberechtigte oder Betreiberin der Grundstücke oder Anlagen gewesen sei und daher weder damals noch heute von der Handlungsverpflichtung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 getroffen werden könne und sie somit auch nicht Adressatin eines gewässerpolizeilichen Auftrages sein könne, ins Leere.

20 Die Frage, ob bereits vor Inkrafttreten des § 31 WRG 1959 eine vergleichbare Sorgfaltsnorm bestanden habe, sei - entgegen den Ausführungen des LVwG - für das Gesamtverständnis der wasserrechtlichen Regelungen betreffend die Behandlung von Verunreinigungen von Bedeutung. Aus Kommentarstellen und den Erläuterungen zu den WRG-Novellen 1959 und 1969 ergebe sich, dass mit § 31 WRG 1959 keine Verpflichtungen geschaffen worden seien, die dem Wasserrecht bis zu diesem Zeitpunkt völlig fremd gewesen seien. Mit § 31 WRG 1959 seien vielmehr durch eine entsprechende Ergänzung des Gesetzes klare Rechtsgrundlagen festgelegt worden, die bisher anhand der Judikatur aufgrund der Interpretation einzelner Gesetzesbestimmungen vollzogen worden seien. Diese Rechtsauffassung finde ihre Stütze überdies in der zu

21 § 32 AWG 1990 ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

22 Die Argumentation der zweitrevisionswerbenden Partei deckt sich im Wesentlichen mit jener des erstrevisionswerbenden Bundesministers.

23 Die mitbeteiligte Partei argumentiert in ihrer Revisionsbeantwortung, § 31 WRG 1959 enthalte ein geschlossenes, abgestuftes System, das nur anwendbar sei, wenn sich die in allen drei Absätzen des § 31 Abs. 1 bis 3 enthaltenen Voraussetzungen, Verpflichtungen und Möglichkeiten erst nach Inkrafttreten dieser Bestimmungen ereignet hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

24 Die Revisionen erweisen sich aus dem im angefochtenen Erkenntnis genannten Grund als zulässig. Sie sind jedoch nicht berechtigt.

25 § 31 Abs. 1 bis 3 WRG 1959 lautet:

"Allgemeine Sorge für die Reinhaltung

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Bei Tankfahrzeugunfällen hat der Lenker, sofern dieser hiezu nicht oder nicht allein in der Lage ist auch der Beifahrer, die erforderlichen Sofortmaßnahmen im Sinne der Betriebsanweisung für Tankfahrzeuge zu treffen. Die Verständigungs- und Hilfeleistungspflicht nach anderen Verwaltungsvorschriften, wie vor allem nach der Straßenverkehrsordnung, wird dadurch nicht berührt. Sind außer den Sofortmaßnahmen weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich, so ist zu ihrer Durchführung der Halter des Tankfahrzeuges verpflichtet.

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzuge eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen - soweit nicht dem Bergrecht unterliegende Anlagen betroffen werden - unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist."

26 Die Tätigkeit der mitbeteiligten Partei, die nach Annahme des LH die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeigeführt hat, endete 1921. Zu diesem Zeitpunkt standen die Wasserrechtsgesetze der Länder in Geltung. Diese enthielten zwar auch schon Bestimmungen über Gewässerverunreinigungen und deren Sanktionierung (insbesondere §§ 10, 16, 72); das Problem der Gewässerverunreinigung war aber nicht klar und eindeutig geregelt (vgl. Haager-Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Wien 1936, 158). Eine dem § 31 entsprechende Regelung fehlte. Eine solche wies auch das WRG 1934 noch nicht auf. Die Mangelhaftigkeit der Regelungen über den Gewässerschutz veranlasste den Gesetzgeber in den Jahren 1959 und 1969 zu einer Neuregelung des Themenkomplexes Gewässergefährdung bzw. -verunreinigung.

27 Durch die WRG-Novelle 1959, BGBl. Nr. 54, wurde dem WRG 1934 folgender § 30b eingefügt:

"§ 30b. Allgemeine Sorge für die Reinhaltung

Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Verunreinigung von Gewässern herbeiführen können, hat die im Interesse der Reinhaltung erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 1297 ABGB anzuwenden; unter den Voraussetzungen des § 1299 ABGB ist die in dieser Gesetzesstelle geforderte erhöhte Sorgfaltspflicht zu vertreten."

28 Diese Bestimmung, die durch die Wiederverlautbarung des WRG 1934 als WRG 1959 die Bezeichnung § 31 erhielt, entspricht im Wesentlichen dem derzeit geltenden § 31 Abs. 1 WRG 1959.

29 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (594 Blg NR VIII. GP) führen hiezu aus:

"Die Reinhaltung der Gewässer geht jedermann an, nicht nur die Wasserberechtigten. Jedermann hat in seiner wirtschaftlichen Betätigung und im Privatbereich die nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch zumutbare und erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Beeinträchtigung der Wassergüte zu vermeiden. Eine erhöhte Sorgfalt wird im Sinne des § 1299 ABGB insbesondere bei gewerblichen Betriebsanlangen und bei Wasseranlagen anzuwenden sein. Die noch immer weit verbreitete Auffassung, dass ein Gewässer zum Abtransport aller unerwünschten Stoffe zu dienen habe, lässt sich eben nicht mehr aufrechterhalten. Dies gilt insbesondere für das Einwerfen von Abfällen, Müll u. dgl. Es wird allerdings ständiger Aufklärung und Belehrung der Bevölkerung bedürfen, um die Mithilfe jedes einzelnen an der Reinhaltung der Gewässer zur Selbstverständlichkeit zu machen. Von besonderer Bedeutung ist eine entsprechende Sorgfalt beim Umgang mit Öl und anderen schwer abbaufähigen oder giftigen Stoffen, die in Wasserläufen und im Grundwasser nicht bloß empfindliche, sondern auch nachhaltige und zuweilen kaum behebbare Schäden verursachen. Diese Sorgfalt muss sich auf die Lagerung und die Fortleitung solcher Stoffe erstrecken (zum Beispiel Treibstoffbehälter, Tankstellen, Rohrleitungen)."

30 Diese Neuregelung erwies sich jedoch als ungeeignet zur Erreichung des angestrebten Zieles der Gewässerreinhaltung.

31 Nach Auffassung von Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Wien 1962, 153, hatte § 31 in der Fassung der WRG-Novelle 1959 keinen normativen Inhalt, sondern brachte nur eine Wiederholung, bestenfalls eine Klarstellung der bereits durch das ABGB geschaffenen Rechtslage.

32 Der Verwaltungsgerichtshof stellte im Erkenntnis vom , 1165/66, klar, dass § 31 WRG 1959 idF der Novelle 1959 kein Tatbild einer Verwaltungsübertretung enthielt, sondern lediglich eine Sorgfaltspflicht umschrieb. Eine Bestrafung wegen Nichteinhaltung dieser Sorgfaltspflicht war daher nicht möglich.

33 § 31 WRG 1959 idF der Novelle 1959 bot der Behörde auch keine Handhabe, bei Eintritt einer Gewässergefährdung mit einem wasserpolizeilichen Auftrag einzuschreiten. Auch ein auf § 138 iVm § 31 WRG 1959 gestütztes Vorgehen kam beim Eintritt einer (bloßen) Gewässergefährdung nicht in Betracht, weil

34 § 138 WRG 1959 eine Übertretung des WRG 1959 zur Voraussetzung hat, was aber angesichts der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der in § 31 WRG 1959 keinen Verwaltungsstraftatbestand sah, ausgeschlossen war. § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 hat eine bereits eingetretene Gewässerverunreinigung zur Voraussetzung; die bloße Gefahr einer Gewässerverunreinigung reicht nicht aus (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 261/69).

35 Der Gesetzgeber sah sich daher zu einer wesentlichen Änderung des § 31 WRG 1959 veranlasst. Durch die WRG-Novelle 1969, BGBl. Nr. 207, erhielt dieser folgende Fassung:

"§ 31. Allgemeine Sorge für die Reinhaltung

(1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, dass eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Bei Tankfahrzeugunfällen hat der Lenker, sofern dieser hiezu nicht oder nicht allein in der Lage ist auch der Beifahrer, die erforderlichen Sofortmaßnahmen im Sinne der Betriebsanweisung für Tankfahrzeuge zu treffen. Die Verständigungs- und Hilfeleistungspflicht nach anderen Verwaltungsvorschriften, wie vor allem nach der Straßenverkehrsordnung, wird dadurch nicht berührt. Sind außer den Sofortmaßnahmen weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich, so ist zu ihrer Durchführung der Halter des Tankfahrzeuges verpflichtet.

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzuge eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen - soweit nicht dem Bergrecht unterliegende Anlagen betroffen werden - unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr in Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist."

36 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1217 Blg NR XI. GP) zeigen, dass nicht nur die Bedeutung des bisherigen § 31 WRG 1959 unklar war, sondern dass die Bestimmung auch als ungenügend angesehen wurde und daher nicht nur präzisiert, sondern ergänzt werden sollte. So wird am Beginn der Erläuterungen unter anderem ausgeführt:

"Als weitere Ergänzung der Gewässerschutzvorschriften in nicht bewilligungspflichtigen Fällen soll § 31, der in Judikatur und Literatur keine einheitliche Aufnahme gefunden hat, rechtlich präziser gefaßt und durch die Regelung der Vorgangsweise bei wassergefährdenden Unfällen ergänzt werden."

Ferner halten die Erläuterungen zu § 31 Abs. 1 letzter Satz WRG 1959 unter anderem fest:

"(...) Durch die Umwandlung der manchmal mißverstandenen, auf das ABGB. bezogenen Sorgfaltsbestimmung in eine öffentlich-rechtliche Reinhaltungsverpflichtung soll eine Gewässerverunreinigung nach Möglichkeit von vornherein vermieden werden, ohne gleich ein eigenes Verfahren durchführen zu müssen. (...)"

37 Aus dieser Entstehungsgeschichte des § 31 WRG 1959 ergibt sich, dass erst mit der WRG-Novelle 1969 eine öffentlichrechtliche Handlungspflicht des "Verpflichteten" eingeführt und bei deren Nichtbefolgung der Behörde eine Handhabe zum Einschreiten gegeben wurde.

38 § 31 WRG 1959 ist zwar verschuldensunabhängig, er geht aber vom Verursacherprinzip aus. Die Verpflichtung zur Abwehr einer Gewässerverunreinigung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 trifft somit den objektiven Verursacher (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/07/0233, mwN).

39 Die im Revisionsfall gegenständliche Gewässergefährdung wurde durch Tätigkeiten bis zum Jahr 1921 verursacht. Hat der Gesetzgeber aber die öffentlich-rechtliche Handlungspflicht des Verursachers erst mit der WRG-Novelle 1969 eingeführt, dann kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass er diese Handlungspflicht auch auf Gewässergefährdungen angewendet wissen wollte, die lange vor dem Inkrafttreten der WRG-Novelle 1969 verursacht wurden. Entgegen der Auffassung der revisionswerbenden Parteien läge eine rückwirkende Anwendung des Gesetzes vor, weil an einen Sachverhalt, nämlich die Verursachung einer Gewässergefährdung, angeknüpft würde, der vor Inkrafttreten der WRG-Novelle 1969 verwirklicht wurde. Von einer solchen Rückwirkung des Gesetzes könnte nur ausgegangen werden, wenn sich dafür im Gesetz oder allenfalls in den Materialien ausreichende Anhaltspunkte fänden. Die Übergangsbestimmungen zur WRG-Novelle 1969 zeigen aber, dass keine solche Rückwirkung beabsichtigt war.

40 Mit dieser Novelle wurde nicht nur § 31 neu gefasst, sondern auch der mit "Besondere Vorsorge gegen allgemeine Wassergefährdung" überschriebene § 31a in das WRG 1959 eingefügt. Dieser unterwarf in seinem Abs. 1 die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Lagerung oder Leitung wassergefährdender Stoffe einer wasserrechtlichen Bewilligung. Während Übergangsbestimmungen zu § 31 fehlen, enthält Art. II. der WRG-Novelle 1969 folgende Übergangsbestimmung zu § 31a:

"Ist bei Anlagen nach § 31a Abs. 1 WRG (...), die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes schon bestehen und bisher nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes nicht behandelt wurden, im Hinblick auf den Zustand oder die Beschaffenheit der Anlage mit einer öffentliche Interessen gefährdenden Gewässerverunreinigung zu rechnen, so hat die nach § 31a Abs. 1 WRG (...) zuständige Wasserrechtsbehörde dem Inhaber aufzutragen, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen innerhalb angemessener Frist zu treffen;

(...)"

41 Daraus, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der erst durch die WRG-Novelle 1969 wasserrechtlich erfassten wassergefährdenden Anlagen eine Übergangsbestimmung erlassen hat, die auch schon bestehende Anlagen behördlichen Maßnahmen unterwirft, bei der mit § 31a WRG 1959 eng verwandten Norm des § 31 leg.cit., die ebenfalls gegenüber dem bisherigen Zustand neue Verpflichtungen schuf, hingegen solche Übergangsbestimmungen nicht erlassen hat, ist zu schließen, dass er § 31 idF der Novelle 1969 nicht auf Sachverhalte angewendet wissen wollte, bei denen das Tatbestandselement der Verursachung der Gewässerverunreinigung bereits vor dem Inkrafttreten der Novelle verwirklicht worden war.

42 Schon diese spezifisch aus den Übergangsbestimmungen zur WRG-Novelle 1969 ableitbare Absicht des Gesetzgebers verbietet es, jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche die Bestimmungen des § 32 AWG 1990 über Behandlungsaufträge auch auf Abfälle anwandte, die vor dem Inkrafttreten des AWG nicht gesetzeskonform behandelt wurden (vgl. die Erkenntnisse vom , 93/05/0300, vom , 93/05/0137, und vom , 2001/07/0103), zur Lösung der Frage heranzuziehen, ob § 31 WRG 1959 auf den Revisionsfall anzuwenden ist. Hiezu kommt, dass mit § 32 AWG 1990 keine neuen Verpflichtungen eingeführt, sondern - wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AWG 1990 (1274 Blg NR XVII. GP) ausdrücklich betonen - im grundsätzlichen die geltenden Regelungen des Sonderabfallgesetzes übernommen wurden. Es erübrigt sich daher, noch auf weitere Unterschiede zwischen § 32 AWG 1990 und § 31 WRG 1959 einzugehen.

43 Es trifft zwar zu, dass es für die Handlungspflicht nach § 31 WRG 1959 nicht auf den Zeitpunkt der Verursachung der Gewässergefährdung ankommt; vielmehr greift § 31 WRG 1959 auch nach diesem Zeitpunkt so lange, wie die Gewässergefährdung andauert. Dies gilt aber nur dann, wenn (auch) der Verursachungszeitpunkt im zeitlichen Anwendungsbereich des § 31 WRG 1959 liegt.

44 § 31 WRG 1959 ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Revisionen erweisen sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

45 Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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