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VwGH vom 27.07.2017, Ro 2015/07/0024

VwGH vom 27.07.2017, Ro 2015/07/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der T GmbH in I, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/37/3183-7, betreffend Feststellung der Abfallart (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 18), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit Schriftsatz vom beantragte die revisionswerbende Partei gemäß § 3 Abs. 1 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes (TAWG) die Feststellung, welcher der im § 2 Abs. 1 bis 5 TAWG genannten Abfallarten der in ihren Krankenhäusern in den "patientennahen Bereichen" (in einem vorgelegten Gutachten näher beschriebene) "gemeinsam gesammelte" Abfall bestehend aus bestimmten medizinischen Abfällen und bestimmten Restabfällen zuzuordnen sei.

2 Die Tiroler Landesregierung erledigte diesen Antrag - im Instanzenzug - mit Bescheid vom dahin, dass sie feststellte, dass es sich bei den in Rede stehenden Abfällen um zwei verschiedene Abfallarten handle:

3 Medizinische Abfälle mit der SN 97104 (Abfälle ohne Verletzungsgefahr) und medizinische Abfälle mit der SN 97105 (Abfälle mit Verletzungsgefahr) seien den "sonstigen Abfällen" gemäß § 2 Abs. 4 TAWG zuzuordnen; jene Abfälle, die nach der Trennung von den getrennt zu sammelnden Abfällen verblieben, seien dem Restmüll (gemischten Siedlungsabfall) gemäß § 2 Abs. 3 TAWG zuzuordnen.

4 Begründend führte die Tiroler Landesregierung dazu (im Kern) aus, der vorliegende Feststellungsantrag sei betreffend ein Gemisch aus Restmüll und medizinischen Abfällen gestellt worden, das in dieser Form bei rechtskonformer Vorgangsweise bei der Entsorgung überhaupt nicht anfallen könne. Die gemeinsame Sammlung von Restmüll und medizinischen Abfällen als sonstige Abfälle im Sinn des § 2 Abs. 4 TAWG sei nicht zulässig.

5 2. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/07/0226, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

6 Zur Begründung führte der Gerichtshof im Wesentlichen das Folgende aus (Hervorhebung nicht im Original):

"Wie die (revisionswerbende) Partei zutreffend ausführt, bildet ausschließlich die rechtliche Qualifizierung von anfallenden Abfällen den Gegenstand eines nach § 3 TAWG erlassenen Feststellungsbescheides. Nicht entscheidend ist somit die Frage der Art der Sammlung der anfallenden Abfälle. In welcher Weise die (revisionswerbende) Partei daher mit den im Krankenhaus anfallenden Abfällen verfährt, hat mit der Frage der rechtlichen Einordnung des anfallenden Abfalles unter die Bestimmung des § 2 Abs. 3 TAWG oder des § 2 Abs. 4 TAWG nichts zu tun (vgl. die zum Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz 1990 ergangenen, auf die hier geltende Rechtslage übertragbaren hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/07/0076, sowie vom , Zl. 98/07/0132).

Der Gegenstand des vorliegend von den zuständigen Behörden zu führenden Feststellungsverfahrens nach § 3 TAWG war somit durch den von der (revisionswerbenden) Partei gestellten Feststellungsantrag vom begrenzt, sodass der darin (...) beschriebene, gemeinsam gesammelte Abfall einer Beurteilung anhand der Abfallarten des § 1 Abs. 1 bis 5 TAWG hätte unterzogen werden müssen."

7 3. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom wies das - gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der Tiroler Landesregierung getretene - Landesverwaltungsgericht Tirol den Feststellungsantrag der revisionswerbenden Partei vom als unzulässig zurück, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zuließ.

8 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 96/07/0076, und vom , Zl. 98/07/0132, festgehalten, dass sich ein Feststellungsverfahren auf die Frage der rechtlichen Qualifizierung des betroffenen Abfalls beschränke und demgegenüber die Frage der Entsorgung der anfallenden Abfälle im Feststellungsverfahren irrelevant sei; nicht die Frage der Entsorgung der anfallenden Abfälle, sondern ausschließlich deren rechtliche Qualifizierung bilde den Gegenstand des nach § 3 Abs. 2 TAWG idF LGBl. Nr. 50/1990 zu erlassenden Feststellungsbescheides. Diesen Erkenntnissen sei das TAWG idF LGBl. Nr. 50/1990 zugrunde gelegen, dessen § 2 Abs. 2 bis 4 lediglich folgende Abfallarten unterschieden habe: Haushaltsmüll, Sperrmüll und betriebliche Abfälle.

9 Der Katalog der nunmehr in § 2 Abs. 1 bis 5 TAWG idF LGBl. Nr. 28/2011 definierten Abfallarten sei detaillierter als jener des § 2 Abs. 2 bis 4 TAWG idF LGBl. Nr. 50/1990. "In Anlehnung an das Vermischungsverbot" des § 15 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 sei es nicht zulässig, verschiedene der in § 2 Abs. 1 bis 5 TAWG genannten Abfallarten zu vermischen oder zu vermengen, um sicherzustellen, dass der so "hergestellte" Abfall einer bestimmten Abfallart der zitierten Bestimmung zuzuordnen sei. Der gegenständliche, sich auf ein entgegen der Trennverpflichtung hergestelltes "Abfallgemisch" beziehende Antrag widerspreche "dem Wesen eines Feststellungsverfahrens". Ein derartiges Abfallgemisch könne entgegen der Rechtsmeinung der revisionswerbenden Partei nicht Gegenstand eines Feststellungsverfahrens sein, weshalb der Feststellungsantrag vom als unzulässig zurückzuweisen sei.

10 Die Revision ließ das Verwaltungsgericht mit der wesentlichen Begründung zu, dass ein Feststellungsverfahren nach § 3 TAWG voraussetze, dass der zu beurteilende Abfall nicht das Ergebnis eines unzulässigen Vermischungsvorganges sei; zu dieser Rechtsfrage, der auch über den Anlassfall hinaus Bedeutung zukomme, liege "nach dem Kenntnisstand des Landesverwaltungsgerichtes Tirol keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor".

11 Eine Bezugnahme auf das - gerade das vom Verwaltungsgericht zu entscheidende Feststellungsverfahren betreffende - Vorerkenntnis zur hg. Zl. 2012/07/0226 enthalten die Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht.

12 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

II.

Der Verwaltungsgericht hat in einem - gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

13 1. Die vorliegend in den Blick zu nehmenden Bestimmungen lauten wie folgt:

Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG), LGBl. Nr. 3/2008

idF LGBl. Nr. 130/2013:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Sperrmüll ist jener Siedlungsabfall, der wegen seiner Größe oder Form nicht in die für die Sammlung des Siedlungsabfalls auf den einzelnen Grundstücken bestimmten Müllbehälter eingebracht werden kann.

(2) Getrennt zu sammelnde Siedlungsabfälle sind jene Siedlungsabfälle, die nach bundesrechtlichen Bestimmungen oder einer Verordnung der Landesregierung getrennt vom restlichen Siedlungsabfall zu sammeln sind.

(3) Restmüll (gemischter Siedlungsabfall) ist jener Siedlungsabfall, der nach der Trennung von den getrennt zu sammelnden Siedlungsabfällen und dem Sperrmüll verbleibt. Gemischte Siedlungsabfälle im Sinn des Europäischen Abfallverzeichnisses gelten auch dann weiterhin als gemischte Siedlungsabfälle, wenn sie einem Behandlungsverfahren unterzogen worden sind, das ihre Eigenschaften nicht wesentlich verändert hat.

(4) Sonstige Abfälle sind alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle mit Ausnahme der Siedlungsabfälle wie betriebliche Produktionsabfälle, Abfälle aus dem Bauwesen, Sandfanginhalte, Rückstände aus der Kanalreinigung, Straßenkehricht oder Altreifen.

(5) Biologisch verwertbare Abfälle sind Garten- und Parkabfälle, Nahrungs- und Küchenabfälle aus Haushalten, aus dem Gaststätten- und Cateringgewerbe und aus dem Handel sowie vergleichbare Abfälle aus Nahrungs-, Genuss- und Futtermittelverarbeitungsbetrieben, aus der Land- und Forstwirtschaft und aus der Straßenerhaltung.

(...)

§ 3

Feststellungsverfahren

(1) Bei Streitigkeiten darüber, welcher der im § 2 Abs. 1, bis 5 genannten Abfallarten ein Abfall zuzuordnen ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies auf Antrag des Abfallbesitzers oder der Gemeinde oder von Amts wegen mit schriftlichem Bescheid festzustellen.

(...)"

Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013:

"Vollstreckung

§ 63. (1) Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

14 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 3. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision bringt die revisionswerbende Partei - neben der Aussage, dass das Verwaltungsgericht die Revision zu Recht zugelassen habe - ergänzend vor, das Vorerkenntnis zur hg. Zl. 2012/07/0226 beantworte die vom Verwaltungsgericht in der Begründung der Zulassung der Revision aufgeworfene Rechtsfrage explizit, wobei die revisionswerbende Partei die zentrale Passage der Entscheidungsgründe jenes Erkenntnisses wiedergibt.

16 Das angefochtene Erkenntnis widerspreche "offensichtlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes".

17 4. Die Revision ist mit Blick auf das wiedergegebene Vorbringen der revisionswerbenden Partei zulässig (Art. 133 Abs. 4 erster Satz erster Fall B-VG) und auch berechtigt.

18 4.1. Wie den oben (unter Punkt I.2.) wiedergegebenen Entscheidungsgründen des gerade das vorliegende Feststellungsverfahren betreffenden Erkenntnisses zur hg. Zl. 2012/07/0226 zu entnehmen ist, wird dieses Feststellungsverfahren nach § 3 TAWG durch den von der revisionswerbenden Partei mit Schriftsatz vom gestellten Feststellungsantrag begrenzt und hätte - nunmehr - das Verwaltungsgericht den in diesem Antrag beschriebenen, gemeinsam gesammelten Abfall einer Beurteilung anhand der Abfallarten des § 1 Abs. 1 bis 5 TAWG unterziehen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis (welches zur Rechtslage des TAWG idF LGBl. Nr. 28/2011 ergangen ist) auch klar zum Ausdruck gebracht, dass es für die Entscheidung über den von der revisionswerbenden Partei gestellten Feststellungsantrag unerheblich ist, in welcher Weise die revisionswerbende Partei mit den im Krankenhaus anfallenden Abfällen verfährt bzw. wie sie diese anfallenden Abfälle sammelt.

19 4.2. Demgegenüber liegt dem angefochtenen Erkenntnis die Auffassung zugrunde, das von der revisionswerbenden Partei "unter Missachtung einer gesetzlichen Trennverpflichtung hergestellte Abfallgemisch" könne nicht zulässigerweise Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 3 Abs. 1 TAWG sein.

20 Mit dieser Rechtsauffassung hat sich das Verwaltungsgericht zum einen über die Bindungswirkung des aufhebenden Vorerkenntnisses zur hg. Zl. 2012/07/0226 (§ 63 Abs. 1 VwGG) hinweggesetzt und zum anderen dadurch das angefochtene Erkenntnis - auf ähnliche Weise wie im ersten Rechtsgang die Tiroler Landesregierung ihren Bescheid vom - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

21 5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-93017