Suchen Hilfe
VwGH vom 24.04.2012, 2011/23/0161

VwGH vom 24.04.2012, 2011/23/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 679/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein israelischer Staatsangehöriger, reiste laut eigenen Angaben im November 1992 nach Österreich ein. Aus einer mittlerweile wieder geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen entstammen zwei Söhne, geboren 1997 bzw. 1999.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes gemäß den §§ 142 Abs. 2, 143 zweiter Fall StGB und des Verbrechens des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lagen folgende Straftaten zu Grunde:

Der Beschwerdeführer hatte am einem Angestellten eines Wettbüros mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe Bargeld in Höhe von ca. EUR 5.320,-- weggenommen, indem er ein Küchenmesser gegen ihn zückte, ihn zu Boden drückte und aufforderte, eine Metallkassette aufzusperren, und sodann das Bargeld aus der Metallkassette nahm.

Im Jahr 2005 hatte der Beschwerdeführer ein Bankinstitut in Wien in kurzen Abständen insgesamt vier Mal überfallen: Am hatte er eine Bankangestellte durch die Äußerung "Überfall, ich habe eine Bombe, schnell, schnell", wobei er mittels einer Schachtel vortäuschte, er hätte eine Bombe, zur Ausfolgung von EUR 15.800,-- genötigt. Am hatte er eine Bankangestellte durch die Äußerung "Überfall, schnell, schnell", wobei er eine Hand in seine Jackentasche gab, um vorzutäuschen, er hätte eine Waffe, zur Ausfolgung von EUR 8.313,--

genötigt. Am hatte er einen Bankangestellten durch die Äußerung "Geld her, Überfall, schnell, sonst schieße ich", wobei er eine Hand in seine Jackentasche gab, um vorzutäuschen, er hätte eine Waffe, zur Ausfolgung von EUR 10.600,-- genötigt. Am hatte er einen Bankangestellten durch die Äußerung "Geld her, schnell, schnell, alle Scheine", wobei er eine Softgun-Pistole gegen ihn richtete, zur Ausfolgung von EUR 11.350,-- genötigt. Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom wurde die Freiheitsstrafe auf sieben Jahre herabgesetzt.

Im Hinblick auf die dargestellte Verurteilung und die zugrundeliegenden Straftaten erließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG).

Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund der vorliegenden Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maße, sodass sich auch die Annahme gemäß § 60 Abs. 1 FPG als gerechtfertigt erweise.

In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den durchgehenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit November 1992 sowie auf seine zwei minderjährigen Kinder, für die ihm gemeinsam mit der Mutter die Obsorge zukomme. In den Jahren 1992 bis 2000 habe der Beschwerdeführer bei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien gearbeitet, danach sei er im Gastronomiebereich tätig gewesen. Derzeit absolviere er eine Ausbildung zum Metallbautechniker und habe eine Zusage für eine Arbeitsstelle nach seiner Haftentlassung. Zum "Ausland" habe er keine Bindungen mehr. Im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt sowie die familiären und beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers nahm die belangte Behörde an, dass mit der vorliegenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein beträchtlicher Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei.

Angesichts der in den Straftaten zum Ausdruck kommenden Missachtung des Eigentums und der körperlichen Integrität Dritter sei das Aufenthaltsverbot aber - so die belangte Behörde weiter - zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten. Das der Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten liege noch viel zu kurz zurück, um auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine wesentliche Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Darüber hinaus befinde sich der Beschwerdeführer seit der von ihm zuletzt begangenen Straftat durchgehend in Haft. Eine positive Zukunftsprognose sei somit derzeit nicht möglich. Die aus der langen Aufenthaltsdauer ableitbare Integration habe in ihrer sozialen Komponente durch die verübten Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Angesichts des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers seien die damit verbundenen Auswirkungen auf seine Lebenssituation und die seiner Familie von ihm in Kauf zu nehmen.

Da auch keine besonderen zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, habe sie von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Abschließend hielt die belangte Behörde noch fest, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen nicht vorhergesehen werden könne, weshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Dezember 2007 geltende Fassung.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ansicht der Behörde, dass auf Grund der dargestellten Verurteilung und der zugrunde liegenden Straftaten der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt und die Gefährdungsannahme des § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.

Allerdings erachtet der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 66 FPG als mangelhaft.

Nach § 60 Abs. 6 FPG gilt § 66 FPG auch für Aufenthaltsverbote. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, mit dem in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, ist daher nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Es darf jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden und seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf seinen seit 1992 durchgehenden Aufenthalt in Österreich und auf seine intensiven Bindungen zu seinen Kindern. Die Obsorge für die Kinder komme ihm gemeinsam mit deren Mutter zu, darüber hinaus sei er für sie die alleinige Bezugsperson zur Ausübung des gemeinsamen Glaubens und es bestehe zu ihnen auch während seiner Strafhaft ein enger und regelmäßiger Kontakt. Weiters verweist er noch auf die derzeit von ihm absolvierte Ausbildung sowie auf die vorliegende Beschäftigungszusage für die Zeit nach seiner Haftentlassung.

Die belangte Behörde hat die genannten Umstände aber ohnehin in ihre Interessenabwägung einbezogen. Sie hat dem daraus resultierenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet allerdings zu Recht das - auf Grund seiner erheblichen Delinquenz - besonders große öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung und damit an der Verhinderung weiterer Straftaten der vorliegenden Art gegenübergestellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren insgesamt fünf Raubüberfälle verübt hat, wobei vier Banküberfälle innerhalb von nur vier Monaten begangen wurden. Von diesen Raubüberfällen hat sich der Beschwerdeführer auch durch die Bindungen zu seinen Kindern nicht abhalten lassen.

Dass die belangte Behörde nicht ausdrücklich die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Kinder dargelegt hat, ist im vorliegenden Fall nicht als relevanter Begründungsmangel anzusehen. Angesichts des von der belangten Behörde zutreffend als besonders hoch eingestuften öffentlichen Interesses an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen der vorliegenden Art ist es nämlich nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes nicht nur vom Beschwerdeführer selbst, sondern im Ergebnis auch von seinen Kindern in Kauf genommen werden müssen.

Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang auch, die belangte Behörde habe die maßgeblichen Umstände nur unzureichend erhoben. Dabei legt er aber nicht dar, welche von der belangten Behörde nicht ohnehin schon berücksichtigten Umstände zu ermitteln gewesen wären, die eine abweichende Beurteilung nach sich ziehen hätten können. Auch die laut Beschwerdevorbringen teilweise "widersprüchlichen Ausführungen der Behörde", denen der Beschwerdeführer entgegengetreten ist bzw. zu denen er vernommen werden hätte müssen, werden in der Beschwerde nicht näher konkretisiert.

Schließlich bekämpft der Beschwerdeführer noch die unterbliebene Befristung des Aufenthaltsverbotes. Diesbezüglich bringt er vor, er habe sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Strafhaft befunden und Ziel dieser Strafhaft sei unter anderem seine Resozialisierung. Der Umstand der zu verbüßenden Strafhaft führt aber nicht dazu, dass von einem Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung nach einem konkret bestimmbaren Zeitraum ausgegangen werden könnte. Die Auffassung der belangten Behörde, der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe habe bei der Bescheiderlassung nicht für einen bestimmten Zeitpunkt vorhergesehen werden können, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-93016