VwGH vom 29.03.2017, Ra 2015/05/0051
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision 1. des Dr. B R und 2. der Dr. R R, beide in M, beide vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Hauptplatz 17, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-6/001-2015, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde Mödling, vertreten durch die Krist Bubits Rechtsanwälte OG in 2340 M, Kaiserin Elisabeth-Straße 2; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: T GmbH in B, vertreten durch Dr. Heinz-Dietmar Schimanko, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 20/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadtgemeinde Mödling hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 Die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerberin) ist Eigentümerin eines näher bezeichneten Grundstückes im Gebiet der Stadtgemeinde M.
2 Für dieses Grundstück sind im hiefür geltenden Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde die Widmung "Bauland - Wohngebiet" und im hiefür geltenden Bebauungsplan der Stadtgemeinde die Bauklasse II, die offene/gekuppelte Bebauungsweise und die Bebauungsdichte mit 25 % festgelegt. Im Verordnungstext zu diesem Bebauungsplan (Bebauungsvorschriften, "letztgültige Fassung nach Gemeinderat vom ") ist im Teil I-Allgemeiner Teil unter Punkt 3.4. normiert, dass bei der Neuerrichtung von Wohneinheiten ab insgesamt 5 Wohneinheiten (inklusive des Bestandes) jene Anzahl an PKW-Stellplätzen auf Eigengrund vorzusehen ist, welche sich aus der Multiplikation "Anzahl neu errichteter Wohneinheiten x 1,5 Stellplätze" ergibt.
3 Mit dem am beim Bürgermeister der Stadtgemeinde M. (im Folgenden: Bürgermeister) eingelangten Bauansuchen vom beantragte die Bauwerberin die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit 9 Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 14 KFZ-Stellplätzen auf diesem Grundstück. Mit den Einreichunterlagen legte sie u.a. den "Lageplan zur Umwandlung in den Grenzkataster" des DI M. vom vor.
4 Die Revisionswerber sind je zur Hälfte Eigentümer der näher bezeichneten, an das Baugrundstück (östlich) angrenzenden Liegenschaft und erhoben mit Schriftsatz vom Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben, die sie in der am durchgeführten Bauverhandlung ergänzten. Darin brachten sie (u.a.) vor, dass es keine gesicherte Grundstücksgrenze gebe, die Planunterlagen unvollständig seien, durch das Bauvorhaben Teilflächen ihrer Liegenschaft in Anspruch genommen würden und die verordnete Bebauungsdichte nicht eingehalten werde. Ferner wendeten sie die Unzulässigkeit des Bauvorhabens wegen der Überbauung der Baufluchtlinien durch die Garagenabfahrt und einen Balkon, der Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe, der Beeinträchtigung der Belichtung der Hauptfenster zulässiger Gebäude auf ihrer Liegenschaft, der Beeinträchtigung durch Lärm, Abgase und Blendung auf Grund der Ein- und Ausfahrt der Fahrzeuge im Zusammenhang mit der Tiefgarage, der Beeinträchtigung der Standsicherheit und Trockenheit ihrer bestehenden Gebäude sowie der Verletzung des Ortsbildes ein.
5 In der mündlichen Bauverhandlung am führte die bautechnische Amtssachverständige Ing. S. (u.a.) Folgendes aus:
"... Die Liegenschaft hat lt. Grundbuchsauszug eine Größe von 1.761,-- m2, lt. Vermessungsplan der Vermessung M. ... ZT GmbH 1.752,-- m2.
Das Gebäude hat eine Bruttogrundrissfläche von 437,36 m2; dies entspricht einer Bebauungsdichte von 24,96%, womit sie unter der maximal zulässigen Dichte von 25% liegt, welche lt. Bebauungsplan verordnet ist.
Das Gebäude ist innerhalb der vorderen und hinteren Baufluchtlinie situiert, wobei die hintere Baufluchtlinie zulässigerweise mit Balkonen überragt wird, welche ein Drittel der Gebäudelänge bzw. mit 4,80 m die zulässige Länge von 5m nicht überschreiten; die Auskragung von 0,80m entspricht ebenfalls den Bestimmungen des § 52 NÖ BauO 1996, wonach ein Vorbau in den halben Bauwich, jedoch max. 2m, ragen darf.
...
Das Bestandsgelände wird bis zu 0,41m abgesenkt und die Bemessung der Gebäudehöhen generell von diesem neuen Geländeniveau
aus durchgeführt.
Gebäudehöhen:
Nordansicht (Ansicht 1):
7,91m
(Ansicht 5):
7,88m
...
Ostseite (Ansicht 2):
7,90m
(Ansicht 4-Stiegenhaus):
9,85m
(Ansicht 6):
7,87m
Südseite (Ansicht 3):
7,98m
...
...
Bauwiche bzw. Baufluchtlinie lt. Lageplan:
...
Ostseite:
? 4,00m
...
Die Abstände zu den west- und ostseitigen Grundgrenzen entsprechen mit ? 4,00m den halben Gebäudehöhen; die Höhe des Stiegenhauses (Ansicht 4) bleibt bei der Ermittlung der Gebäudehöhe unberücksichtigt, zumal der Abstand von 12,105 m zur ostseitigen Grundgrenze eine Beeinträchtigung des Lichteinfalls zulässiger Hauptfenster ausschließen lässt.
Die Tiefgaragenabfahrt an der Ostseite des Grundstückes hat ein Neigung von 10% und ist nach den Bestimmungen der NÖ BTV nicht zwangsläufig zu überdachen. Sie führt daher ungedeckt in das Kellergeschoss.
Aufgrund der Anforderung des derzeit gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ... von 1,5 Stellplätzen je Wohnung ergeben sich bei 9 Einheiten 13,5, d.h. aufgerundet 14 Kfz-Stellplätze. Es sind daher alle Pflicht-Stellplätze.
..."
6 Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde der Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit 9 Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 14 KFZ-Stellplätzen auf dem Baugrundstück unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt.
7 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber Berufung, mit der sie als deren Beilage die in ihrem Auftrag erstellte Naturaufnahme des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen DI B. mit dem Plandatum hinsichtlich des Grenzverlaufs ihrer Liegenschaft zum Baugrundstück vorlegten.
8 Im Berufungsverfahren wurde der Leiter des Vermessungsamtes B., DI K., am zum Verlauf dieser Grenze als Zeuge vernommen.
9 Mit dem auf Grund des Beschlusses des Stadtrates der Stadtgemeinde M. (im Folgenden: Stadtrat) vom erlassenen Bescheid vom wurde die Berufung der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen.
10 Dazu führte der Stadtrat im Wesentlichen zusammenfassend aus, dass ein Bauvorhaben vor dem Hintergrund des § 19 Abs. 1 Z 1 lit a (zweiter Aufzählungspunkt) NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) nicht zwingend der Umwandlung des Baugrundstückes in den Grenzkataster und sohin der Herstellung eines nach dem Grenzkatasterstand verbindlichen Grenzverlaufes bedürfe. Die lagerichtige Darstellung der Grenzen und deren Kennzeichnung in der Natur könnten auch durch eine Naturaufnahme erfolgen, wenn die Grenzen in der Natur gekennzeichnet seien (z.B. Zäune, Mauern, Traufen, Grenzsteine) und mit dem aktuellen Grundsteuerkataster übereinstimmten. Nach Aussage des Leiters des Vermessungsamtes (vom ) sei nicht jeder beliebige Naturstand heranzuziehen, sondern nur der, der durch die im Grundsteuerkataster eingemessenen Grenzeinrichtungen bzw. Grenzpunkte gekennzeichnet sei. Das betreffe im gegenständlichen Fall die Grenzeinrichtung "Einfriedungsmauer, Nr. 2037" und die Grenzeinrichtung "Zaunsäule, Nr. 16058" (= Nr. 16288 im Plan des DI B.). Die zwischen diesen beiden Grenzeinrichtungen durch wen auch immer gesetzten Zaunpfeiler fänden, nachdem sie im Grundsteuerkataster nicht eingemessen seien, keine Berücksichtigung. Da die beiden soeben erwähnten Grenzpunkte in der Natur gekennzeichnet seien und mit dem Grundsteuerkataster übereinstimmten, sei die Grenze lagerichtig im Sinne des § 19 Abs. 1 (gemeint: Z 1) lit. a (zweiter Aufzählungspunkt dritter Spiegelstrich) BO dargestellt. Die Bauwerberin habe eben diesen Grenzverlauf in den Grenzkataster umwandeln wollen, was ihr durch Verweigerung der Zustimmung der Revisionswerber verwehrt worden sei. Dass diese beiden Grenzeinrichtungen in der Natur vorhanden und gekennzeichnet seien, finde nicht nur in der (genannten) Zeugeneinvernahme und in der öffentlichen Urkunde des DI M., sondern auch in der Naturaufnahme des DI B. Bestätigung.
11 Weiters führte der Stadtrat zusammenfassend (u.a.) aus, dass nach den Projektunterlagen von der Bauwerberin die gesetzlich geforderte Gebäudehöhe und der gesetzlich geforderte Bauwich eingehalten würden. Ein Anspruch des Nachbarn auf "Abrückung" über den gesetzlichen seitlichen Bauwich hinaus bestehe grundsätzlich nicht. Aus dem Umstand, dass das Gebäude der Revisionswerber - wenn auch nach dem gültigen Konsens aus dem Jahr 1931 - einen geringeren als den in § 50 Abs. 1 BO geforderten seitlichen Bauwich einhalte, könne zugunsten der Revisionswerber nichts gewonnen werden. Da in der dem Bauplatz der Bauwerberin zugewandten Westfront gemäß dem geltenden Konsens nur Nebenfenster vorgesehen und künftige bewilligungspflichtige Maßnahmen auf dem Grundstück der Revisionswerber dem Normzweck der §§ 50 ff BO zu unterwerfen seien, berühre das bekämpfte Bauvorhaben keinen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf ausreichende Belichtung der Hauptfenster.
12 Die Errichtung einer unterirdischen Kraftfahrzeugabstellanlage mit 14 PKW-Stellplätzen bei 9 Wohneinheiten entspreche einer Stellplatzanzahl von 1,5 pro Wohneinheit, welches Verhältnis im Einklang mit dem im Verordnungstext zum Bebauungsplan festgelegten Stellplatzschlüssel für PKW (1:1,5) stehe. Im Hinblick darauf liege eine Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß vor und seien die Revisionswerber vom Immissionsschutz gemäß § 48 BO ausgenommen.
13 Zum Vorbringen der Revisionswerber, dass ihr Gebäude über eine flache Fundamentierung verfüge sowie seine Standsicherheit durch Aushub- und Spundarbeiten, aber auch durch die massive Geländeänderung infolge der Errichtung der Tiefgarage samt der Zufahrt an der gemeinsamen Grundgrenze beeinträchtigt werde, sei darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um Befürchtungen im Zusammenhang mit der Bauausführung und nicht mit dem Projekt und dessen Benützung nach Fertigstellung handle. Ferner sei in dem einen Bescheidbestandteil bildenden Schreiben des von der Bauwerberin beauftragten und in die Planverfassung eingebundenen Zivilingenieurs für Bauwesen DI K. (gemeint: vom ) festgehalten, dass "die Kellerwände mit 30cm Stahlbeton vorgesehen (sind) und dass (die) Bewehrung der ‚Dichtbetonwände' automatisch eine Überdimensionierung hinsichtlich Erddruck (ergibt), der somit weder für das eigene noch für ein Nachbarobjekt ein Problem darstellt". Damit seien statische Überlegungen in die Planung eingeflossen, und die Mauern des Bauvorhabens beugten einer Beeinträchtigung der Standsicherheit der umliegenden Gebäude vor. Da weder eine Hanglage bestehe noch ein Bauwerk an der Grundgrenze stehe und der Boden keine Auffälligkeiten aufweise, bestünden keine Bedenken hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Standsicherheit des Gebäudes der Revisionswerber durch das Bauvorhaben. Eine Beeinträchtigung sei umso mehr auszuschließen, als das Gebäude der Nachbarn gemäß dem Einreichplan mit einer unter dem Keller beginnenden Fundierung von jedenfalls 2 m Tiefe ausgestattet sei. Was die behauptete massive Veränderung der Höhenlage durch den Tiefgaragen- und Kelleraushub anbelange, gälten Tiefbauwerke, wie die Errichtung einer Tiefgarage, nicht als Geländeveränderung.
14 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber Beschwerde, in der sie (u.a.) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragten.
15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt 1.) die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.
16 Dazu führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, dass es sich bei der Frage eines bestimmten Grenzverlaufes um eine im Bewilligungsverfahren allenfalls auftretende Vorfrage gemäß § 38 AVG handle, die von der Baubehörde nur insoweit zu lösen sei, als dieser für die Entscheidung über das Bauansuchen rechtlich erheblich sei. Der hier strittige Grenzverlauf sei für die Beurteilung des Bauansuchens der Bauwerberin bzw. allfälliger subjektiv-öffentlicher Rechte der Revisionswerber rechtlich nicht erheblich, möge er auch zivilrechtlich für diese bedeutsam erscheinen. So sei das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren, bei dem ausschließlich die eingereichten Pläne, nicht jedoch ein tatsächlicher, davon abweichender Zustand maßgebend seien. Aus dem gegenständlichen Einreichplan ergebe sich, dass der geringste Abstand des Bauvorhabens zur Grundgrenze der Revisionswerber (im Bereich der Ansicht 6) 4 m betrage, während die Ansichten 2 und 4 eine Entfernung von 10,23 m bzw. 12,10 m aufwiesen. Diese beiden den Revisionswerbern zugewandten Ansichten wiesen nach dem vorliegenden Gebäudehöhennachweis eine Höhe von 8 m bzw. 7,91 m auf. Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes müsse die Gebäudehöhe nach § 53 BO innerhalb des jeweils durch eine Bauklasse gemäß § 70 Abs. 2 BO festgelegten Rahmens (Bebauungshöhe) liegen. Entsprechend den für das Baugrundstück geltenden Bestimmungen des Bebauungsplanes seien eine Bebauung in offener Bebauungsweise und die Bauklasse II vorgesehen, sodass eine Bebauung bis zu einer Höhe von 8 m zulässig sei. Gemäß § 50 Abs. 1 BO müsse der seitliche Bauwich im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes der halben Gebäudehöhe (bzw. zumindest 3 m) sowie ab einer Gebäudehöhe von mehr als 8 m und einer Länge der der Grundstücksgrenze zugewandten Gebäudefront von mehr als 15 m für jenen Teil der Gebäudefront, der über diese 15 m hinausreiche, der vollen Gebäudehöhe entsprechen.
17 Ungeachtet des Umstandes, dass diese Bestimmung im konkreten Fall eingehalten worden sei, stehe den Revisionswerbern im Hinblick auf ihr Recht gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 BO jedoch nur die Einhaltung eines Abstandes im Ausmaß der halben Gebäudehöhe auf die Länge der gesamten Grundstücksgrenze zu, weil es der Bauwerberin überlassen bleibe, wo sie den größeren Bauwich situiere. Die Nachbarn hätten somit einen Rechtsanspruch darauf, dass bei einer Gebäudehöhe von 8 m ein Abstand zur Grundstücksgrenze von 4 m entlang der gesamten Länge eingehalten werde bzw. bei einem Abstand zur Grundstückgrenze von 3 m eine Gebäudehöhe von maximal 6 m. Daraus folge, dass im gegenständlichen Fall der geringste Abstand bei den Ansichten 2 und 4 über 10 m betrage, weshalb eine Verletzung der Revisionswerber in dem von ihnen geltend gemachten Recht gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 BO nicht möglich sei.
18 Bezüglich der Ansicht 6 sei festzuhalten, dass bei der ermittelten Gebäudehöhe von 7,87 m (125,59 m2/15,96 m) ein Abstand zur Grundstücksgrenze von zumindest 3,935 m entlang der gesamten Länge eingehalten werden müsse. Selbst unter Heranziehung des von den Revisionswerbern behaupteten Grenzverlaufes (diese sähen auf Grund der Naturaufnahme des DI B. eine Abweichung der "Grundstücke" von 1 cm und 3 cm zu ihren Gunsten) wäre ein Abstand zur Grundstücksgrenze von 3,97 m (mehr als die zumindest notwendigen 3,935 m) gewährleistet. Die behauptete Verletzung der Revisionswerber in dem von ihnen geltend gemachten Recht gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 BO liege im Ergebnis auch bei Ansicht 6 nicht vor.
19 Bei der Berechnung des freien Lichteinfalls gemäß § 51 Abs. 4 BO sei von dem im Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides jeweils bestehenden zulässigen Gelände auszugehen. In § 107 NÖ Bautechnikverordnung 1997 (im Folgenden: BTV) werde geregelt, wo ein Bauwerber seine Hauptfenster anordnen dürfe, und dieser habe sich bei einer künftigen Bebauung daran zu orientieren, wo Hauptfenster zulässigerweise angeordnet werden könnten. Die zulässige Lage von Hauptfenstern bei künftig bewilligungsfähigen Gebäuden auf dem Grundstück der Revisionswerber werde von der maximal zulässigen Bebauung des Baugrundstückes der Bauwerberin bestimmt, weil diese Bebauung für den freien Lichteinfall auf Hauptfenster künftig bewilligungsfähiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück der Revisionswerber entscheidend sei. Im geregelten Baulandbereich, wie im gegenständlichen Fall, ergebe sich die zulässige Bebauung aus den Festlegungen im Bebauungsplan. Lege man an die maximal zulässige Bebauung auf dem Baugrundstück eine Ebene im Lichteinfallswinkel von 45 Grad, so ergebe die Schnittlinie auf der im geringsten Abstand zur Grundstücksgrenze möglichen Gebäudefront eines zulässigen Gebäudes auf dem Grundstück der Revisionswerber jene Linie, ab der ihre zukünftigen Hauptfenster bei Berücksichtigung der ungünstigsten zulässigen Bebauung auf dem Baugrundstück (Gebäudehöhe 8 m bei Mindestbauwich 4 m) grundsätzlich zulässig seien. Daraus ergebe sich weiters, dass durch Teile eines Bauvorhabens auf dem Baugrundstück, welche unterhalb der Ebene im Lichteinfallswinkel von 45 Grad lägen, jedenfalls keine Beeinträchtigung des freien Lichteinfalls unter 45 Grad auf zulässige Hauptfenster eines zulässigen, künftig bewilligungsfähigen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück der Revisionswerber erfolge.
20 Entgegen dem Beschwerdevorbringen sei es diesen keineswegs untersagt, in möglichen künftigen Fassadenflächen in Richtung des Baugrundstückes Hauptfenster anzuordnen, jedoch werde eine Anordnung der Hauptfenster je nachdem, welchen Abstand diese künftigen Fassadenflächen zur Grundgrenze aufweisen würden, nur unter Einhaltung einer gewissen Parapethöhe möglich sein, zumal sich § 107 Abs. 3 BTV an die jeweiligen Bauwerber (in concreto: die Revisionswerber bei zukünftigen Projekten) richte.
21 Wie der Stadtrat bereits zutreffend ausgeführt habe, komme den Revisionswerbern hinsichtlich der Einhaltung der Bebauungsdichte kein Mitspracherecht zu, weil "dies" kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne der taxativen Aufzählung des § 6 Abs. 2 BO darstelle. Soweit die Revisionswerber monierten, dass die Behörde in jedem Fall auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu achten habe, dürfe generell angemerkt werden, dass im Hinblick auf das oben beschriebene eingeschränkte Mitspracherecht der Nachbarn nicht jede objektive Rechtswidrigkeit des Bescheides der Gemeindebehörde - so eine solche vorliegen sollte - zu dessen Aufhebung führen könne und die Prüfungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde auf Fragen beschränkt sei, hinsichtlich derer der Nachbar ein Mitspracherecht besitze und ein solches geltend gemacht habe.
22 Ebenso sei die Thematik der Immissionen von der Rechtsmittelbehörde nicht aufzugreifen gewesen, weil es sich bei den bewilligten 14 Stellplätzen um eine Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß handle (§ 6 Abs. 2 Z 2 iVm den §§ 63 und 69 Abs. 2 Z 10 BO). Auch aus der dem Bescheid zugrunde liegenden Verhandlungsschrift vom gehe hervor, dass nur die nach dem geltenden Bebauungsplan erforderliche Anzahl an Pflichtstellplätzen errichtet werde. Ergänzend sei festzuhalten, dass § 6 Abs. 2 BO den Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Vorschreibung einer bestimmten Anzahl von Stellplätzen einräume. Die von der Baubewilligung erfasste Anzahl von Abstellplätzen gehe zwar über das gesetzlich normierte Mindestmaß hinaus, orientiere sich aber an dem im Bebauungsplan der Gemeinde gemäß den §§ 63 und 69 Abs. 2 Z 10 BO vorgeschriebenen Ausmaß von 1,5 Stellplätzen pro Wohnung. In Konkretisierung des Flächenwidmungsplanes gemäß § 69 Abs. 1 BO habe der hier zu beachtende Bebauungsplan für das Baugrundstück neben Straßenfluchtlinien und Baufluchtlinien eine bestimmte Anzahl an Pflichtstellplätzen pro Wohnung angeordnet. Immissionen auf Grund der Zu- und Abfahrten durch Kraftfahrzeuge zum bzw. vom genehmigten Gebäude würden damit von dem nach § 6 Abs. 2 BO gewährleisteten Schutz vor Immissionen - der ausdrücklich Immissionen aus der Benützung einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ausnehme - nicht erfasst. Wie die Revisionswerber selbst unter Verweis auf den Motivenbericht zur NÖ Bauordnung 2014 (im Folgenden: BO 2014) ausführten, solle gegenüber der BO präzisierend klargestellt werden, dass der vorgeschriebene Umfang der Stellplätze nicht nur die in der NÖ Bautechnikverordnung 2014 festgelegte Mindestzahl umfasse, sondern auch jene, die z.B. in einer Verordnung des Gemeinderates (z.B. eigene Verordnung nach § 63 Abs. 1 oder im Bebauungsplan) festgelegt worden sei. Der Schluss, dass dies bisher nicht gegolten haben solle, sei nicht nachvollziehbar, weil in dieser Bestimmung nur eine Klarstellung und Verdeutlichung dahingehend erfolge, dass die bisher geltende Regelung weitergeführt werde. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtsansicht des Stadtrates nicht zu beanstanden.
23 Einem Nachbarn komme auf Grund des § 6 Abs. 2 Z 1 BO nur hinsichtlich seines bestehenden Bauwerks ein Nachbarrecht auf Wahrung der Standsicherheit zu, wobei sich dieses Recht nur auf ein Bauwerk und nicht auf das Grundstück beziehe. Hiebei komme es darauf an, dass dieses Nachbarrecht durch den konsensgemäßen Bestand der bewilligungsgegenständlichen baulichen Anlage und deren Verwendung nicht verletzt werde. Soweit die Revisionswerber eine Gefährdung der Standsicherheit durch die bauliche Anlage im Rahmen der Bauausführung befürchteten, machten sie damit kein Nachbarrecht im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 1 BO geltend, zumal die Bauausführung nicht Gegenstand des Bewilligungsverfahrens sei. Darüber hinaus habe der dem Verfahren beigezogene Sachverständige dargelegt, dass bei Einhaltung der in diesem Zusammenhang vorgeschriebenen Auflagen eine solche Gefahr für das Gebäude der Revisionswerber nicht bestehe, zumal die Kellerwände des geplanten Gebäudes der Bauwerberin mit 30 cm Stahlbeton vorgesehen seien und die Bewehrung der "Dichtbetonwände" automatisch eine Überdimensionierung "hinsichtlich Erddruck" ergebe. Diesem Gutachten seien die Revisionswerber nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
24 Die Beschwerde erweise sich daher als unbegründet, wobei die Entscheidung darüber gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe getroffen werden können. Zwar sei diese von den Revisionswerbern beantragt worden, jedoch seien im Ergebnis ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen gewesen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten sei, dies vor dem Hintergrund, dass der Verhandlungsantrag ausschließlich mit dem strittigen Grenzverlauf begründet worden sei, diese Frage jedoch nicht von Relevanz sei.
25 In der Revision beantragen die Revisionswerber, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu es dahin abzuändern, dass der vorliegende Baubewilligungsantrag abgewiesen werde.
26 Die Bauwerberin und der Stadtrat erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt wird.
27 Mit Schriftsatz vom legten die Revisionswerber das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom , 8 C 107/16t, vor, mit dem (u.a.) der Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Revisionswerber festgestellt und die Bauwerberin zur Einwilligung in die Vermarkung dieser festgestellten Grenze mit der Maßgabe, dass die Zustimmung mit der Rechtskraft dieses Urteils als ersetzt gelte, verpflichtet wurde. In diesem Schriftsatz brachten die Revisionswerber (u.a.) vor, dass mit dem genannten - zwischenzeitig rechtskräftigen - Urteil nunmehr der Verlauf der Grenze zwischen ihrem Grundstück und dem Grundstück der Bauwerberin unter Zugrundelegung der (näher bezeichneten) Vermessungsurkunde vom bindend festgestellt worden sei und dieser tatsächliche Grenzverlauf - im Sinne ihres im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens - erheblich von dem von den Baubehörden im Rahmen der Vorfragenentscheidung angenommenen Grenzverlauf abweiche, welcher tatsächliche Grenzverlauf eben nicht in einer geraden Linie, sondern mit einem "Knick" verlaufe. Die Revisionswerber hätten im Bauverfahren auch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht. Durch den nunmehr festgestellten richtigen Grenzverlauf sei erwiesen, dass der Bauwich im Verhältnis zum Grundstück der Revisionswerber nicht eingehalten werde, und es weiche der tatsächliche Grenzverlauf bis zu 15 cm von der von den Baubehörden angenommenen (geraden) Grenzlinie ab, sodass der von der Bauwerberin einzuhaltende Mindestbauwich zum Nachteil der Revisionswerber um zumindest 6,5 cm nicht eingehalten werde.
28 In ihrer Stellungnahme vom brachte die Bauwerberin dazu (u.a.) vor, dass die Revisionswerber mit ihrem Schriftsatz vom und der damit verbundenen Urkundenvorlage gegen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot verstießen, sie zwischenzeitig mit dem am beim Bürgermeister eingereichten dritten Planwechsel eine Modifikation des bewilligten Bauvorhabens vorgenommen habe, womit sie das Bauvorhaben an den festgestellten Grenzverlauf angepasst habe, sodass der seitliche Bauwich jedenfalls eingehalten werde, und die Wiederaufnahme des Baubewilligungsverfahrens aufgrund des dritten Planwechsels nichts an der Rechtmäßigkeit der Baubewilligung ändern werde, "wie sie in der Fassung des zwischenzeitigen ersten bis dritten Planwechsels besteht".
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
29 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit (§ 28 Abs. 3 VwGG) bringt die Revision (u.a.) vor, dass der Immissionsschutz der Nachbarn im Zusammenhang mit Abstellanlagen nur insoweit eingeschränkt sei, als es sich um Immissionen aus diesen Anlagen im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß handle, wobei durch § 63 Abs. 1 BO iVm § 155 Abs. 1 Z 1 BTV bei der Herstellung von Wohnungen immer ein Stellplatz pro Wohneinheit vorgeschrieben sei. Nach Auffassung des Stadtrates und des Verwaltungsgerichtes seien allerdings auch Stellplätze, welche aufgrund einer Anordnung des Bebauungsplanes (§ 69 Abs. 2 Z 10 BO) zu schaffen seien, als Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß zu bewerten und die daraus resultierenden Immissionen gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 BO hinzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch bereits im Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/0766, dargelegt, dass das gesetzlich vorgeschriebene Ausmaß der Abstellanlage bei der Herstellung von Wohnungen einen Stellplatz pro Wohneinheit betrage und daher bei Wohnungen jede Überschreitung in der Herstellung von Abstellanlagen (möge sie auch im Zusammenhang mit einer Anordnung des Bebauungsplanes zur Herstellung von Abstellplätzen stehen) zwingend den Immissionsschutz der Nachbarn gemäß § 48 BO zur Folge habe. Selbst wenn man jedoch diese Auffassung nicht teilen sollte, erschiene die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfrage deshalb von entscheidender und weit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung, weil sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur noch nicht explizit damit auseinandergesetzt habe, ob der Immissionsschutz gemäß § 48 BO dann versage, wenn durch den Bauwerber Stellplätze aufgrund einer Anordnung des Bebauungsplanes hergestellt werden müssten, welche über die gesetzlich (in Verbindung mit der BTV) angeordnete Anzahl der Mindeststellplätze hinausgingen.
30 Die Revision erweist sich bereits in Anbetracht dieser Rechtsfrage als zulässig und im Ergebnis auch als berechtigt.
31 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen. Zufolge der zu diesem Zeitpunkt geltenden NÖ Bauordnung 2014 (vgl. § 70 Abs. 1 leg. cit.) war das gegenständliche Bauverfahren (mit dem am bei der Baubehörde eingelangten Bauansuchen) nach der bisherigen Rechtslage (vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am ), somit nach der BO idF LGBl. 8200-23, zu Ende zu führen (vgl. auch etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2016/05/0107).
32 Die §§ 6, 48, 63, 68 und 69 BO lauten (teilweise auszugsweise) wie folgt:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 4 und § 35 haben Parteistellung:
...
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück
angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
...
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz
der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)
sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die
Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 11) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.
..."
"§ 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung
ausgehen, dürfen
1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase,
Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
"§ 63
Verpflichtung zur Herstellung von Abstellanlagen für
Kraftfahrzeuge
(1) Wird ein Gebäude errichtet, vergrößert oder dessen Verwendungszweck geändert, sind dem voraussichtlichen Bedarf entsprechend Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge herzustellen. Die Mindestanzahl der Stellplätze ist mit Verordnung der Landesregierung festzulegen:
Für
nach Anzahl der
1. Wohngebäude
Wohnungen
..."
"§ 68
Erlassung des Bebauungsplans
...
(3) Der Bebauungsplan besteht aus dem Wortlaut der Verordnung (Bebauungsvorschriften) und den dazugehörigen Plandarstellungen.
..."
"§ 69
Inhalt des Bebauungsplans
...
(2) Im Bebauungsplan dürfen neben den in Abs. 1 vorgesehenen Regelungen für das Bauland festgelegt werden:
...
10. die Lage und das Ausmaß von privaten Abstellanlagen
sowie eine höhere als die nach § 63 Abs. 1 festgelegte Anzahl von Stellplätzen,
..."
33 § 155 BTV in der hier maßgeblichen Fassung LBGl. 8200/7-7
lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 155
Anzahl der Stellplätze
(1) Die Anzahl der nach § 63 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, zu errichtenden Stellplätze wird für Personenkraftwagen je nach dem Verwendungszweck des Gebäudes wie folgt festgesetzt:
für
ein Stellplatz für je
1. Wohngebäude
1 Wohnung
..."
34 Der Verordnungstext zum Bebauungsplan (Bebauungsvorschriften) der Stadtgemeinde ("letztgültige Fassung nach Gemeinderat vom ") lautet im Teil I-Allgemeiner Teil auszugsweise wie folgt:
" ...
3. Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge:
...
3.4. Bei Neuerrichtung von Wohneinheiten sind ab insgesamt 5 Wohneinheiten (inklusive des Bestandes) jene Anzahl an PKW-Stellplätzen auf Eigengrund vorzusehen, welche sich aus der Multiplikation "Anzahl neu errichteter Wohneinheiten x 1,5 Stellplätze" ergibt.
..."
35 Die Revisionswerber sind Nachbarn im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 BO.
36 Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde und der Verwaltungsgerichte wie auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn nach der BO im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/05/0060, mwN).
37 Die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte sind in § 6 Abs. 2 BO taxativ aufgezählt, sodass der Nachbar keine über die in dieser Gesetzesbestimmung festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte hinausgehenden Rechte geltend machen kann. Ferner gehen die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter als ihre materiellen Rechte, sodass Verfahrensfehler für die Nachbarn nur dann von Relevanz sein können, wenn damit eine Verletzung ihrer materiellen Nachbarrechte gegeben wäre (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0003, mwN).
38 Gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 BO ist ein Nachbarrecht betreffend den Schutz vor Immissionen nach § 48 leg. cit. für diejenigen Immissionen, die sich aus der Benützung einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63 leg. cit.) ergeben, nicht eingeräumt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2013/05/0179, 0180, 0182, mwN).
39 Gemäß § 63 Abs. 1 zweiter Satz BO ist die Mindestanzahl der Stellplätze mit Verordnung der Landesregierung, und zwar (Z 1) für Wohngebäude nach Anzahl der Wohnungen, festzulegen. Diese Mindestanzahl wird in § 155 (Abs. 1 Z 1) der - unter anderem aufgrund dieser Gesetzesbestimmung erlassenen - BTV für Wohngebäude mit 1 Stellplatz für je 1 Wohnung festgesetzt.
40 Zwar darf gemäß § 69 Abs. 2 Z 10 BO in einem Bebauungsplan (u.a.) auch eine höhere als die nach § 63 Abs. 1 BO festgelegte Anzahl von Stellplätzen festgelegt werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Verordnung der Landesregierung (§ 63 Abs. 1 BO), sondern um eine vom Gemeinderat gemäß § 72 Abs. 3 BO beschlossene und erlassene Verordnung.
41 Daraus ergibt sich, dass eine Abstellanlage für Kraftfahrzeuge "im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß" im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 BO nur dann vorliegt, wenn diese Anlage nicht eine höhere Anzahl von Stellplätzen als die in § 155 BTV gemäß § 63 Abs. 1 BO festgelegte Mindestanzahl umfasst, und daher dann, wenn diese Mindestanzahl von einer Abstellanlage für Kraftfahrzeuge überschritten wird, die sich aus der Benützung einer solchen Abstellanlage ergebenden Immissionen vom Einwendungsausschluss des § 6 Abs. 2 Z 2 BO nicht erfasst werden.
42 Im gegenständlichen Fall wurde die Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit 9 Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 14 KFZ-Stellplätzen erteilt, sodass eine Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 BO iVm § 63 Abs. 1 leg. cit. und § 155 Abs. 1 Z 1 BTV nicht vorliegt. Im Hinblick darauf kommt die in § 48 BO getroffene Immissionsschutzregelung zum Tragen, die einem Nachbarn das subjektiv-öffentliche Recht einräumt, dass von einem Bauwerk oder dessen Benützung keine Emissionen ausgehen, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden oder Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung örtlich unzumutbar belästigen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/05/0017, mwN).
43 Mit seiner Auffassung, dass die Thematik der Immissionen von der Rechtsmittelbehörde nicht aufzugreifen gewesen sei, weil es sich bei den bewilligten 14 Stellplätzen im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Z 2 iVm den §§ 63 und 69 Abs. 2 Z 10 BO um eine Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß handle, hat das Verwaltungsgericht daher das Gesetz verkannt. Hiebei führt der Hinweis des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis auf die Materialien zur BO 2014 im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb zu keinem anderen Auslegungsergebnis, weil § 6 Abs. 2 Z 2 BO 2014 nicht (mehr) - wie § 6 Abs. 2 Z 2 BO - (u.a.) auf Immissionen, die sich aus der Benützung "einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben", abstellt, überdies § 63 BO 2014 einen gegenüber § 63 BO geänderten Regelungsinhalt aufweist und es für die Auslegung einer gesetzlichen Norm nicht darauf ankommt, welche Vorstellung der Gesetzgeber (einer anderen Gesetzgebungsperiode) vom Norminhalt der seiner Auffassung nach novellierungsbedürftigen Regelung allenfalls gehabt haben mag (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0164, mwN). Es wäre somit für die Beurteilung der von den Revisionswerbern eingewendeten, sich aus der Benützung der genannten Abstellanlage ergebenden Immissionen erforderlich gewesen, auf sachverständiger Grundlage die Immissionsbelastung an der Grundgrenze zur Liegenschaft der Revisionswerber zu ermitteln und in medizinischer Hinsicht die Auswirkungen dieser Belastung auf den menschlichen Organismus zu beurteilen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0086, 0087, mwN).
44 Die Revision bringt weiters vor, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis inhaltlich unrichtig einerseits darauf abgestellt habe, dass der geringste Abstand des Bauvorhabens zur Grundgrenze der Revisionswerber (im Bereich der Ansicht 6) 4 m betrage, während es in weiterer Folge offengelassen habe, ob gerade im Bereich der Ansicht 6 der tatsächliche Abstand des Gebäudes zur Grundstücksgrenze unter Berücksichtigung des abweichenden (richtigen) Grenzverlaufes nicht nur im (für die Revisionswerber) günstigsten Fall 3,97 m betrage. Das Verwaltungsgericht habe - ebenso wie die Baubehörden - die Gebäudehöhe falsch beurteilt, und es hätte davor zwingend den tatsächlichen Grenzverlauf prüfen und feststellen müssen, der von der Naturaufnahme des DI M. abweiche. In diesem Zusammenhang rügt die Revision auch, dass das Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, obwohl die Revisionswerber diese in ihrer Beschwerde beantragt hätten. Insbesondere hätte die beantragte Verhandlung die Möglichkeit zur Klärung des strittigen Grenzverlaufes geboten und darin von den Revisionswerbern die Beeinträchtigung der Standsicherheit ihrer Gebäude durch das Bauvorhaben sowie die vom Verwaltungsgericht unrichtig beurteilten Aspekte für die Beurteilung der Gebäudehöhe und der dabei zu berücksichtigenden Gebäudeteile aufgezeigt werden können.
45 Auch in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Unterlassens der von den Revisionswerbern beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht kommt der Revision Berechtigung zu.
46 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, (in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Stammfassung) lautet auszugsweise:
"Verhandlung§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder,
wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
...
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
...
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.
..."
47 Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren stehen in so engem Zusammenhang mit Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück und dessen Wert bzw. auf den ungestörten Genuss des Eigentums am Nachbargrundstück, dass sie als "civil rights" anzusehen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/05/0004, mwH auf die Judikatur des EGMR).
48 In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen gehabt hat. Ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage. Bei sachverhaltsbezogenem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden ist (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/05/0035, mwN).
49 In ihrer gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde haben die Revisionswerber ein umfangreiches Vorbringen, insbesondere (auch) in Bezug auf den strittigen Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und ihrer Liegenschaft sowie auf die Gebäudehöhe, die Beeinträchtigung der ausreichenden Belichtung der Hauptfenster zukünftiger zulässiger bewilligungsfähiger Gebäude auf ihrem Grundstück und die Beeinträchtigung durch Immissionen im Zusammenhang mit der projektierten Tiefgarage erstattet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es lagen daher sowohl Rechtsfragen als auch ein maßgebliches sachverhaltsbezogenes Vorbringen der Revisionswerber zur Erörterung vor.
50 Auf dem Boden der oben zitierten Rechtsprechung wäre eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen. Ist jedoch eine Verhandlung nach Art. 6 EMRK geboten, dann ist eine Prüfung der Relevanz des Verfahrensmangels der Unterlassung einer solchen Verhandlung nicht durchzuführen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/05/0014, mwN).
51 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich angesichts des damit gegebenen Verfahrensstandes erübrigt, auf das weitere Revisionsvorbringen näher einzugehen.
52 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015050051.L00 |
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Baurecht Nachbar |
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