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VwGH vom 12.12.2017, Ra 2015/05/0043

VwGH vom 12.12.2017, Ra 2015/05/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision 1. des Dipl. Ing. F M und 2. der I M, beide in P, beide vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Anton Frank, Mag. Ursula Schilchegger-Silber, Mag. Dr. Andreas Rabl, Dr. Andreas Auer, Dr. Tanja Gottschling und MMag. Lisa Maria Jarmer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Bauernstraße 9/WDZ 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-150266/18/VG/WP-150267/2, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Marktgemeinde T; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Marktgemeinde Taiskirchen im Innkreis hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind jeweils Hälfteeigentümer des verfahrensgegenständlichen, mit der Widmung "Dorfgebiet" versehenen Grundstückes Nr. 1506, KG U. Das ehemalige landwirtschaftliche Anwesen auf diesem Grundstück setzt sich unter anderem aus dem früheren Bauernhaus (im verfahrensgegenständlichen Bauansuchen als Wohneinheit 1 bezeichnet), dem südlichen Hofgebäude (im Bauansuchen in Bezug auf das Erdgeschoß als Wohneinheit 2 und in Bezug auf das erste und zweite Obergeschoß als Wohneinheit 3 bezeichnet) und dem nördlichen Hofgebäude (im Bauansuchen als Wohneinheit 4 bezeichnet) zusammen. Mit Ansuchen vom beantragten die Revisionswerber gemäß § 28 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für den Zubau des Eingangsbereiches der Wohneinheit 1, den Einbau der Wohneinheit 2 im Erdgeschoß des südlichen Hofgebäudes, bauliche Änderungen in der Wohneinheit 3 sowie die Errichtung eines weiteren Zimmers und einer Feuermauer in der Wohneinheit 4.

2 Nach Durchführung einer Bauverhandlung am und der Vorlage von Austauschplänen (betreffend die genaue Bezeichnung der Räume) durch die Revisionswerber teilte der Bürgermeister der Marktgemeinde T. den Revisionswerbern mit Schreiben vom mit näherer Begründung mit, es sei vorgesehen, den Baubewilligungsantrag für vier Wohneinheiten abzuweisen, weil er nicht, wie im Plan angeführt, vier sondern acht eigene Wohneinheiten aufweise. Eine Baubewilligung würde daher eine Legalisierung der teilweise illegal errichteten Wohnungen bedeuten. Derzeit seien nur drei Wohnungen baurechtlich genehmigt. Zwei Wohnungen im Bauernhaus könnten aus früheren Zeiten der aktiven Landwirtschaft für Besitzer und Auszugswohnung anerkannt werden. Für das südliche Stallgebäude sei 2008 eine Wohnung rechtskräftig bewilligt worden. Weil zum Zeitpunkt dieser Baubewilligung im Bauernhaus schon vier Wohnungen benützt worden seien, musste die sog. Schusterwohnung stillgelegt werden. Dies sei im Einvernehmen mit den Revisionswerbern erfolgt, damit überhaupt diese neue Baubewilligung habe erteilt werden können. Obwohl den Revisionswerbern dies bewusst gewesen sei, hätten sie diese stillgelegte Wohnung wieder vermietet.

3 In ihrer Stellungnahme vom vertraten die Revisionswerber die Ansicht, dass ihr Bauansuchen lediglich vier Wohneinheiten betreffe. Nach einer Rechtsauskunft des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung handle es sich bei einer Wohneinheit/Wohnung um eine in sich geschlossene und gegen außen abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang, innerhalb eines Wohnhauses, innerhalb eines Geschoßes oder auf mehrere Geschoße verteilt, die über eine sanitäre Mindestausstattung (WC, Küche oder Kochnische, fließendes Wasser) verfüge.

4 Der Bürgermeister der Marktgemeinde T. wies mit Bescheid vom das angeführte Bauansuchen ab. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, bei dem durchgeführten Lokalaugenschein sei festgestellt worden, dass in den Einreichunterlagen die einzelnen Räume bzw. Wohnungen nicht richtig bezeichnet worden seien. Im ehemaligen Bauernhaus sei die Raumbezeichnung so dargestellt, dass es sich um eine Wohneinheit handle. Beim Lokalaugenschein sei festgestellt worden, dass schon im Bauernhaus vier in sich geschlossene Wohneinheiten bestünden. Diese vier Wohneinheiten seien vom Vorhaus durch eigene Wohnungseingangstüren getrennt und hätten jeweils eine eigene Küche, Wohnräume, WC, Bad bzw. Duschkabine. Bei dem Lokalaugenschein seien nicht - wie beantragt - vier Wohnungen, sondern acht Wohnungen festgestellt worden. Gemäß § 30 Abs. 7 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden: ROG) seien in der Widmung "Dorfgebiet" in bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Gebäuden höchstens bis zu vier Wohneinheiten erlaubt. Daher habe die beantragte Baubewilligung versagt werden müssen.

5 Der Gemeinderat der Marktgemeinde T. wies die dagegen von den Revisionswerbern erhobene Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Er führte im Wesentlichen dazu aus, dass mit der Baubewilligung vom für eine zusätzliche Wohnung im südlichen Stallgebäude die höchstzulässige Anzahl von vier Wohnungen/Wohneinheiten gemäß § 30 Abs. 7 ROG in der Widmung "Dorfgebiet" erreicht sei. Der ohne Baubewilligung durchgeführte Um- und Einbau weiterer Wohnungen/Wohneinheiten, wie im vorgelegten Plan vom in der Fassung des Änderungsplanes vom dargestellt bzw. bei der Bauverhandlung festgestellt, sei nicht genehmigungsfähig. Daran ändere nichts, dass der bautechnische Sachverständige, der das Projekt nur in bautechnischer und nicht in rechtlicher Hinsicht beurteile, das Projekt für sich genommen als bautechnisch korrekt beurteilt habe.

6 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) hat die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig hat es ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dass das Baubewilligungsverfahren stets ein Projektgenehmigungsverfahren sei, bei dem die Zulässigkeit des Bauansuchens auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen sei. Soweit die Gemeindebehörden auf den tatsächlichen - von den Plänen abweichenden - Zustand abgestellt hätten, sei dies in rechtswidriger Weise erfolgt. Dennoch vermöge dieser Einwand den Revisionswerbern nicht zur Erteilung der Baubewilligung zu verhelfen. Unter Bezugnahme auf die hg. Judikatur und die OIB-Richtlinien führte das Verwaltungsgericht weiters aus, dass der Begriff "Wohneinheit/Wohnung" zwingend aus zwei Komponenten bestehe: Einerseits müsse es sich bei einer Wohnung um ein Raumensemble handeln, das eine in sich geschlossene und gegen außen abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang bilde und das über eine sanitäre Mindestausstattung (WC, Küche oder Kochnische, fließendes Wasser) verfüge. Andererseits müsse dieses Raumensemble geeignet sein, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses einer einzelnen Person oder einer durch enge Bande zusammengefügten Gemeinschaft (Haushalt) auf Dauer zu dienen. Haushalt bedeute in diesem Fall, dass wirtschaftliche Entscheidungen über die Beschaffung (Einkommen) und Verwendung (Konsum) von Mitteln nicht individuell, sondern im Zusammenhang mit und in teilweiser oder völliger Abhängigkeit von der Bedarfslage und den gemeinsamen Vorstellungen und Zielen der Mitglieder des betreffenden sozialen Gebildes erfolgten.

8 Während es im Anwendungsbereich des Oö. Raumordnungsgesetzes 1972 nicht möglich gewesen sei, leerstehende landwirtschaftliche Gebäude (im Grünland) zu Wohn- und Betriebszwecken zu nutzen, sollte mit § 30 Abs. 6 und 7 ROG - auf die der hier einschlägige § 22 Abs. 2 ROG verweise - eine Möglichkeit geschaffen werden, solche Gebäude einer eingeschränkten - ursprünglich mit zwei Wohneinheiten begrenzten - Wohnnutzung zuzuführen (Hinweis auf BlgLT 340/1993 24. GP 28f), wobei nach der ursprünglichen Regelung auch noch eine Sonderausweisung im Flächenwidmungsplan notwendig gewesen sei. Mit der ROG-Novelle 1994, LGBl. Nr. 83, sei die Notwendigkeit einer Sonderausweisung aufgegeben und das zulässige Maß an Wohneinheiten von zwei auf vier erhöht worden. Zugleich sei die Möglichkeit des Einbaues von Wohnungen in bestehende land- und forstwirtschaftliche Gebäude im Dorfgebiet (gemäß § 22 Abs. 2 ROG) durch Verweis auf die Bestimmung des § 30 Abs. 6 und 7 ROG geschaffen worden (Hinweis auf BlgLT 1021/1997 24. GP 5ff). Die Genese des § 30 Abs. 6 und 7 ROG zeige dessen Ausnahmecharakter:

Die Nutzung bestehender land- und forstwirtschaftlicher Gebäude solle im Grünland sowie im Dorfgebiet (zum Erhalt der dörflichen Struktur) die Ausnahme bleiben.

9 Dem Begriff der Wohneinheit/Wohnung komme damit im bau- und raumordnungsrechtlichen Zusammenhang begrenzende Funktion zu: Eine Wohneinheit/Wohnung solle nur der Aufnahme eines einzigen Haushaltes dienen. Würde man - wie die Revisionswerber behaupten - von diesem Kriterium abrücken und die Führung mehrerer Haushalte innerhalb eines abgeschlossenen Raumensembles zulassen, käme es zu einem Unterlaufen der angeführten gesetzlichen Bestimmungen und deren Regelungszweckes. Der Bauwerber müsste weniger Stellplätze bzw. keine Gemeinschaftsanlagen errichten und käme in den Genuss einer Vielzahl von Bauerleichterungen, da ein Kleinhausbau vorliegen würde. Der Bauwerber hätte es dann durch die entsprechende Gestaltung eines Raumensembles in der Hand, den Ausnahmecharakter der genannten Bestimmungen zu unterlaufen und eine große Anzahl von Personen (mehr als vier Haushalte) im Gebäude unterzubringen. Die von den Revisionswerbern ventilierte Auslegung des Begriffes "Wohneinheit" widerstreite damit eindeutig der ratio der beispielhaft wiedergegebenen gesetzlichen Regelungen.

10 Es komme bei der Beurteilung eines Bauvorhabens nicht auf die Absichten des Bauwerbers an, sondern allein auf die Darstellung in den Plänen. Das in den Einreichplänen dargestellte Projekt enthalte bei Berücksichtigung des angeführten Begriffsverständnisses einer Wohneinheit/Wohnung - entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung der Revisionswerber - mehr als vier Wohneinheiten/Wohnungen:

11 Bei dem als Wohneinheit 1 bezeichneten (östlichen) zweigeschossigen Wohngebäude handle es sich offensichtlich um den ehemaligen Wohntrakt des landwirtschaftlichen Betriebes. Durch geringfügige bauliche Maßnahmen solle im Erdgeschoß eine neue Eingangssituation (Zubau an der westlichen Gebäudeseite) geschaffen werden, die im Obergeschoß die Schaffung eines Balkons ermögliche. Zusätzlich seien in beiden Geschoßen neue Zwischenwände zur Neugestaltung der vorhandenen Räume vorgesehen. Die Erschließung des Wohngebäudes erfolge über ein allgemein zugängliches zentrales Stiegenhaus, von dem aus der Zutritt in die dahinterliegenden Raumgruppen erfolge. Zur Schaffung eines baulichen Abschlusses hin zum Stiegenhaus sehe das Projekt im Erdgeschoß und im Obergeschoß jeweils eine neu zu errichtende Trennwand in Massivbauweise vor. Durch eine weitere Trennwand - ebenfalls in Massivbauweise - bilde sich somit im Zutrittsbereich ein Vorraum. Dadurch entstehe im südlichen Teil der Geschoße eine in sich geschlossene und zum Stiegenhaus abgeschlossene Raumgruppe. Im Erdgeschoß bestehe die Raumgruppe aus Bad, WC sowie Küche und verfüge damit über eine sanitäre Mindestausstattung. Ebenfalls zu dieser Raumgruppe gehörten ein Wohnzimmer, ein Schlafraum und ein Kinderzimmer. Das Raumensemble ermögliche damit die Führung eines eigenen Haushaltes. Es liege damit eine Wohneinheit/Wohnung vor, da es sich um eine in sich geschlossene und gegen außen (zum allgemein zugänglichen Stiegenhaus) abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang (Tür-Stiegenhaus-Vorraum) innerhalb eines Geschoßes eines Wohnhauses handle, die über eine sanitäre Mindestausstattung verfüge. Im Obergeschoß bestehe die Raumgruppe aus Bad, WC sowie einem Mehrzweckraum, der auf Grund seiner unbeschränkten Nutzungsfestlegung jedenfalls den Einbau einer Küchenzeile ermögliche. Die räumliche Situierung über der Küche im Erdgeschoß begünstige auf Grund der darunter bestehenden Wasser- und Abwasserführungen den Einbau einer Küchenzeile. Die Raumgruppe verfüge damit über eine sanitäre Mindestausstattung. Darüber hinaus zählten zu dieser Raumgruppe noch ein Büro sowie ein Wohnraum. Das Raumensemble ermögliche damit die Führung eines eigenen Haushaltes und stelle im Sinn der angeführten Begriffsdefinition eine Wohneinheit/Wohnung dar.

12 Die übrigen Zimmer beider Geschoße könnten jeweils zu einer nördlichen Raumgruppe zusammengefasst werden. Der Zugang erfolge jeweils vom (allgemein zugänglichen) Stiegenhaus. Durch eine neue Zwischenwand im nordöstlichen Zimmer werde ein abgetrenntes WC samt Waschgelegenheit geschaffen. Das in beiden Geschoßen als Mehrzweckraum bezeichnete Zimmer ermögliche auf Grund der unbeschränkten Nutzungsfestlegung jedenfalls den Einbau einer Küchenzeile. Damit verfügten auch die nördlichen Raumgruppen beider Geschoße über eine sanitäre Mindestausstattung. Die beiden nördlichen Raumgruppen im Erdgeschoß bzw. Obergeschoß ermöglichten damit jeweils die Führung eines eigenen Haushalts und stellten im Sinn der angeführten Definition je eine Wohneinheit/Wohnung dar.

13 Das als "Wohneinheit 1" bezeichnete Gebäude umfasse damit - entgegen der Bezeichnung der Revisionswerber - vier Wohneinheiten.

14 Das südliche Wohngebäude (ehemaliger Stall mit neu aufgesetztem Holzblockhaus) bestehe nach den Angaben der Revisionswerber aus einer abgeschlossenen "Wohneinheit 2" im Erdgeschoß und über eine "Wohneinheit 3" im ersten und zweiten Obergeschoß. Die Erschließung von Wohneinheit 2 erfolge über eine südlich an das Gebäude angeordnete Rampe und einen neu zu errichtenden Windfang.

15 Das erste Obergeschoß werde über eine nördlich an das Gebäude angefügte Außenstiege erschlossen. Die weitere - innere - Erschließung erfolge über ein zentrales Stiegenhaus. Von diesem Stiegenhaus aus gelange man im ersten Obergeschoß über zwei Türen in eine in sich geschlossene Raumgruppe, die über einen Schlafraum, ein Kinderzimmer, einen Vorraum, einen Lüftungsraum, Bad/WC und einen Raum für Wohnen/Essen/Kochen verfüge. Auf Grund dieses Raumensembles sei die Führung eines eigenen Haushaltes möglich. Es liege eine Wohnung/Wohneinheit vor, da es sich um eine in sich geschlossene und gegen außen (zum allgemein zugänglichen Stiegenhaus) abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang innerhalb eines Geschoßes eines Wohnhauses handle, die eine sanitäre Mindestausstattung umfasse. Das - durch die innenliegende Stiege erschlossene - zweite Obergeschoß verfüge über einen Schlafraum, ein Büro, ein Bad/WC und einen Mehrzweckraum, der auf Grund seiner unbeschränkten Nutzungsfestlegung jedenfalls den Einbau einer Küchenzeile ermögliche. Es liege damit auch im zweiten Obergeschoß eine Wohnung/Wohneinheit vor, da es sich um eine in sich geschlossene und gegen außen (zum allgemeinzugänglichen Stiegenhaus) abgeschlossene Einheit mit eigenem Zugang innerhalb eines Geschoßes eines Wohnhauses handle, die über eine sanitäre Mindestausstattung verfüge.

16 Das südliche Wohngebäude umfasse damit - entgegen der Bezeichnung der Revisionswerber - insgesamt drei Wohneinheiten.

17 Im Ergebnis seien den vorliegenden Planunterlagen acht Wohneinheiten zu entnehmen (offenbar gemeint: einschließlich der Wohneinheit 4 im nördlichen Gebäude). Nach § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 30 Abs. 7 ROG sei eine Verwendung von bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Gebäuden zu Wohnzwecken im Dorfgebiet für insgesamt höchstens vier Wohneinheiten erlaubt, weshalb die Beschwerde der Revisionswerber schon aus diesem Grund abzuweisen gewesen sei. Die Versagung der Baubewilligung durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sei daher im Ergebnis zu Recht erfolgt.

18 Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 VwGVG trotz Parteienantrages abgesehen werden können, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt gewesen sei und in der vorliegenden Beschwerde ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen worden seien, zu deren Lösung im Sinn der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten sei.

19 In der dagegen erhobenen Revision wird die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

20 Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrensakten vorgelegt. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung zur Auslegung des Begriffes Wohneinheit in § 30 Abs. 7 ROG 1994 als zulässig.

22 In den Revisionsgründen treten die Revisionswerber der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht zur Auslegung des Begriffes Wohneinheit entgegen. Darüber hinaus bringen sie auch vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen. Hätte es eine mündliche Verhandlung durchgeführt und einen Bausachverständigen beigezogen, hätte es die Feststellung getroffen, dass die von der belangten Behörde angenommenen Wohneinheiten nicht existierten, da die bautechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Bereits mit diesem Vorbringen zeigt die Revision eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:

23 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

...

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.

..."

24 Ein Entfall der Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG kommt demnach dann nicht in Betracht, wenn Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. etwa , mwN).

25 Die Entscheidung über den Antrag der Revisionswerber auf Erteilung einer Baubewilligung betrifft einen zivilrechtlichen Anspruch im Sinn des Art. 6 EMRK ("civil right"), nämlich das Recht, auf ihrem Grundstück ein Gebäude zu errichten (vgl. EGMR , Allan Jacobsson/Schweden (Nr. 1), 10842/84, Z 73, sowie VfGH VfSlg. 19.587/2011).

26 Nach der Judikatur des EGMR kann das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ein Absehen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung rechtfertigen. Der außergewöhnliche Charakter der Umstände, die das Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen können, hängt von der Natur der Fragen ("the nature of the issues") ab, die vom zuständigen nationalen Gericht zu beantworten sind, nicht von deren Häufigkeit (vgl. EGMR , Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Z 97). Das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände hat der EGMR in Fällen anerkannt, in welchen es im Verfahren vor dem Gericht ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht (vgl. EGMR , Pönkä/Estland, 64160/11, Z 32). So hat der EGMR den Entfall einer mündlichen Verhandlung etwa dann als gerechtfertigt angesehen, wenn angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht, oder etwa wenn keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen sind, die Tatsachen nicht bestritten werden und das Gericht auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahmen und der Aktenlage entscheiden kann oder auch, wenn die Erfordernisse der Effizienz und Wirtschaftlichkeit gegen die systematische Abhaltung von Verhandlungen sprechen, etwa in Sozialversicherungsfällen, in welchen allgemein gesehen eher technische Fragen besser auf schriftliche Weise behandelt werden und die systematische Abhaltung von Verhandlungen die Beachtung des Grundsatzes einer angemessenen Verfahrensdauer vereiteln würde (vgl. nochmals , mit Hinweisen auf EGMR , Allan Jacobsson/Schweden (Nr. 2), 8/1997/792/993, und das oben zitierte Urteil des EGMR in der Rechtssache Schädler-Eberle/Liechtenstein). Des Weiteren hielt der EGMR in seiner Judikatur fest, dass der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung in Fällen gerechtfertigt sein kann, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (vgl. EGMR , Saccoccia/Österreich, 69917/01, Z 76, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung, sowie weiters EGMR , Efferl/Österreich, 13556/07, und EGMR , Tusnovics/Österreich, 24719/12, Z 21). In diesem Zusammenhang ist der EGMR etwa in Bezug auf die von einem Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob es sich bei einem bestimmten Bauernhof um einen Erbhof handle, zu dem Schluss gelangt, dass dessen Beschwerde komplexe Rechts- und Tatfragen aufwerfe, weshalb das Gericht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht hätte verzichten dürfen (vgl. EGMR , Osinger/Österreich, 54645/00).

27 Im Revisionsfall hatte das Verwaltungsgericht die Frage zu klären, ob durch das Bauvorhaben der Revisionswerber die in § 30 Abs. 7 ROG enthaltene Begrenzung der Verwendung von land- und forstwirtschaftlichen Gebäuden für Wohnzwecke auf höchstens vier Wohneinheiten überschritten wird, wobei der Inhalt des Begriffes Wohneinheit zu ermitteln und für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben anzuwenden war. Es handelt sich dabei um eine komplexe Rechtsfrage im Sinn der oben dargestellten Judikatur des EGMR. Zwar konnte sich das Verwaltungsgericht dabei auf ein - zu einer den Begriff Wohneinheit enthaltenden Bestimmung eines Bebauungsplanes ergangenes - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes () stützen, wobei es jedoch im Rahmen der Verwendung dieses Begriffes in bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen darüber hinaus als entscheidend erachtet hat, dass eine Wohnung/Wohneinheit nur der Aufnahme eines einzelnen Haushaltes diene. Dazu kommt, dass die in Rede stehenden Rechtsfragen - ebenso wie das von den Revisionswerbern eingereichte Bauvorhaben - erstmals durch das Verwaltungsgericht behandelt bzw. gewürdigt wurden. Die Baubehörden hatten ihre von den Revisionswerbern bekämpfte Abweisung des Bauansuchens darauf gestützt , dass der laut Lokalaugenschein bestehende tatsächliche Zustand dem Gesetz widerspreche.

28 Vor diesem Hintergrund kann fallbezogen nicht davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die erforderliche Auslegung des Begriffes Wohneinheit in § 30 Abs. 7 ROG Rechtsfragen zu entscheiden hatte, die nicht übermäßig komplex sind, weshalb auf Grund des Art. 6 EMRK die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten war.

29 Ein Verstoß des Verwaltungsgerichtes gegen die aus Art. 6 EMRK abgeleitete Verhandlungspflicht führt auch ohne nähere Prüfung einer Relevanz dieses Verfahrensmangels zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG. Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr einzugehen (vgl. , und ).

30 Die vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG entfallen.

31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. I Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am