VwGH vom 19.01.2012, 2011/23/0149
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des P, vertreten durch Mag. Michael Stanzl, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Thaliastraße 155, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/32.623/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste im Juli 2002 im Alter von 17 Jahren illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Der unabhängige Bundesasylsenat hat diesen Antrag im Instanzenzug abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria festgestellt; diese Entscheidung erwuchs am in Rechtskraft. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof am abgelehnt.
Mit Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. Der dagegen erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge gegeben.
Die belangte Behörde hielt fest, dass der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sei, sich seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und daher die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien. In Ansehung des § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ledig und kinderlos sei, familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Im erstinstanzlichen Bescheid, dessen Entscheidungsgründe von der belangten Behörde als für den angefochtenen Bescheid ebenfalls maßgebend erklärt worden sind, wurde darüber hinaus Folgendes festgehalten: Der Beschwerdeführer habe seit einen befristeten Mietvertrag für eine Wohnung; er sei seit bei der Firma Mediaprint, darüber hinaus seit als Künstler im Burgtheater beschäftigt und auch sozialversichert. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass sich sein gesamter Freundeskreis in Österreich befinde und er in Nigeria keine Familienangehörigen mehr habe. Er habe bei der Universität Wien für das Wintersemester 2006/2007 um eine weitere Ausbildung angesucht. Ausgehend davon ging die belangte Behörde zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers aus. Allerdings sei dieser Eingriff zulässig, da er zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der mittlerweile zweijährige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers jedoch gravierend.
II.
1. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1806/07-8, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im August 2007 geltende Fassung.
2. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Frage der Rechtmäßigkeit richtet sich dabei nach § 31 FPG. Unstrittig ist, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ abgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer bringt allerdings vor, dass er "zumindest" seit durchgehend Inhaber von jeweils befristet erteilten Beschäftigungsbewilligungen als Künstler gewesen sei und sich somit gemäß § 31 FPG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z 6 FPG halten sich Fremde u.a. dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, "wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten (…) innehaben".
Nach der Aktenlage wurde für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung (Künstler) für die Zeit von bis erteilt, die jedenfalls um ein Jahr bis Ende August 2006 verlängert wurde. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer gehen übereinstimmend davon aus, dass der Beschwerdeführer auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über eine Beschäftigungsbewilligung als Künstler verfügt hat.
Die nach der Aktenlage vorliegenden Beschäftigungsbewilligungen entsprechen aber schon deshalb nicht den in § 31 Abs. 1 Z 6 FPG normierten Voraussetzungen, weil ihre Gültigkeitsdauer jeweils über sechs Monaten lag. Das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG "mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten" - wie dies § 31 Abs. 1 Z 6 FPG erfordert - lässt sich weder den Akten entnehmen noch wurde es in der Beschwerde behauptet. Dem geltend gemachten Feststellungsmangel fehlt somit die Relevanz.
3. Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.
Die Beschwerde kritisiert in dieser Hinsicht, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers über seine private und familiäre Situation nicht ausreichend auseinander gesetzt, keine ordnungsgemäße und nachvollziehbare Abwägung zwischen den privaten und den öffentlichen Interessen vorgenommen und das ihr eingeräumte Ermessen unrichtig ausgeübt habe.
Der Beschwerdeführer verweist diesbezüglich auf seine regelmäßige, den Lebensunterhalt sichernde berufliche Tätigkeit als Künstler am Wiener Burgtheater sowie bei der Firma Mediaprint, auf die gesicherte Wohnmöglichkeit, auf seinen Freundes- und Bekanntenkreis sowie auf sein Studium an der Universität Wien. Diesem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde diese Umstände - und sei es auch im Wege der Bezugnahme auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides - bei ihrer Interessenabwägung ohnehin berücksichtigt hat. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aus den genannten Umständen - auch angesichts der Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von fünf Jahren - aber nicht ableiten müssen, dass seine Ausweisung aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig und daher unzulässig sei. Die geltend gemachten Umstände stellen sich - auch wegen des zweijährigen unrechtmäßigen Aufenthaltes - nämlich nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.
Soweit der Beschwerdeführer noch rügt, dass die belangte Behörde den Sachverhalt nicht ausreichend erhoben und seine Einvernahme unterlassen habe, ist ihm zu erwidern, dass in der Beschwerde nicht dargelegt wird, welche - bei der Beurteilung durch die belangte Behörde nicht ohnehin schon berücksichtigten - Umstände konkret zu ermitteln gewesen wären. Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0204).
Bei dem erstmals in der Beschwerde vorgebrachten Hinweis des Beschwerdeführers auf seinen nach Erlassung des angefochtenen Bescheides in Österreich geborenen Sohn übersieht er, dass der angefochtene Bescheid mangels diesbezüglichen Vorbringens im Verwaltungsverfahren darauf nicht Bedacht nehmen konnte. Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG war dies somit nicht weiter zu berücksichtigen. Soweit der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, dass er verlobt ist und plant, in absehbarer Zeit zu heiraten, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine in keiner Weise näher konkretisierte Absicht, zu heiraten, für sich betrachtet keinen Umstand darstellt, der das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich wesentlich zu verstärken vermag.
Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die Auffassung der belangten Behörde, die Ausweisung des Beschwerdeführers sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig anzusehen und auch die Ermessensübung sei nicht zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.
4. Die Beschwerde erweist sich daher als unberechtigt und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-92978