TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 22.05.2013, 2009/13/0155

VwGH vom 22.05.2013, 2009/13/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs, den Hofrat Dr. Nowakowski sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2003-W/09, betreffend Einkommensteuer 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist kroatischer Staatsbürger und in Österreich unselbständig erwerbstätig.

Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2007 beantragte er die Berücksichtigung von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in der Höhe von 1.150,44 EUR und für Familienheimfahrten in der Höhe von 2.797,50 EUR, gesamt 3.947,94 EUR als Werbungskosten.

Mit Vorhalt vom forderte das zuständige Finanzamt den Beschwerdeführer auf, das Beförderungsmittel bekannt zu geben, mit dem die Familienheimfahrten erfolgt seien. Im Falle von öffentlichen Verkehrsmitteln wurde um Vorlage der Fahrkarten, bei Fahrten mit dem eigenen Kfz um Vorlage des Zulassungsscheins, des Führerscheins, des Fahrtenbuchs sowie der Benzinrechnungen ersucht. Weiters ersuchte das Finanzamt um Vorlage einer Einkommensbestätigung der Ehefrau von der Finanzbehörde des Heimatlandes.

In Beantwortung dieses Vorhalts brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Kopie eines Zulassungsscheins sowie ein Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 bei. Inhaltlich führte er aus, dass der Familienwohnsitz in Kroatien ca. 400 km vom Beschäftigungsort in Wien entfernt sei. Zur Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Ehefrau am Familienwohnsitz in Kroatien nicht beschäftigt sei, sondern sich der Bewirtschaftung des der Eigenversorgung dienenden landwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes (Weingarten, Acker) widme. Diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer auf die in den Vorjahren vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Am erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid für 2007 ohne Berücksichtigung der beantragten Werbungskosten. Begründend wurde ausgeführt, dass im Verfahren abverlangte Unterlagen (Fahrtenbuch, Führerschein, Benzinrechnungen, Einkommen der Ehefrau) nicht vorgelegt worden seien und Fahrtkosten nur bei Nachweisen berücksichtigt werden könnten, die eine Kontrolle dieser Fahrten erlaubten.

Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen diesen Bescheid. Aus einem im Arbeitnehmerveranlagungsverfahren 2006 vorgelegten Grundbuchsauszug gehe hervor, dass das Ehepaar Jelec am Familienwohnsitz in Kroatien über einen kleinen landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz (Acker und Weingarten) verfüge. Dieser müsse für die Dauer der beschäftigungsbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers von dessen Ehefrau bewirtschaftet werden, weshalb eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich nicht möglich bzw. zumutbar sei. Bei der Ehefrau handle es sich um eine "Drittstaatsangehörige", die für einen dauernden Aufenthalt in Österreich eine quotenpflichtige Niederlassungsbewilligung benötige, deren Erteilung aufgrund der geringen Anzahl der Quotenplätze mehrere Jahre dauern würde. Darüber hinaus würde die Verlegung des Wohnsitzes erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen, da die Lebenshaltungskosten in Österreich um ein Vielfaches höher seien, als in Kroatien. Die Höhe der Fahrtkosten für die Familienheimfahrten ergebe sich aus der Verwendung des eigenen Kfz. Aufgrund der Entfernung von rund 400 km in eine Richtung und dem amtlichen Kilometergeld in der Höhe von 0,38 EUR würden bereits bei einer einzigen Heimfahrt Aufwendungen in der Höhe von 304 EUR entstehen, sodass bereits bei zehn Heimfahrten pro Jahr die Aufwendungen betragsmäßig über dem großen Pendlerpauschale lägen.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, weitere Unterlagen vorzulegen, da nicht erkennbar sei, wie oft und ob Familienheimfahrten durchgeführt worden seien. Hiezu habe der Beschwerdeführer ein Fahrtenbuch bzw. die entsprechenden Belege für das Jahr 2007 vorzulegen. Weiters möge er bekanntgeben, wie oft Familienheimfahrten durchgeführt worden seien und ob die Ehefrau einen Antrag auf Zuzug nach Österreich gestellt habe. Weiters wurde ein behördlicher Nachweis über die Bewirtschaftung des Grundbesitzes in Kroatien und dessen Erträge sowie ein Nachweis über den in Österreich getätigten Mietaufwand abverlangt.

Nach Ablauf der Frist zur Beibringung der Unterlagen wurde die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die mit Vorhalt vom angeforderten Unterlagen nicht beigebracht worden seien.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 durch die Abgabenbehörde

2. Instanz.

Gemeinsam mit dem Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2008 übermittelte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom , eingelangt beim Finanzamt am , u.a. eine Aufstellung betreffend seiner Mietzahlungen für das Jahr 2007 sowie eine Kopie seines Reisepasses und seines Niederlassungsnachweises und eine eidesstattliche Erklärung seiner Ehefrau, wonach ihr Ehemann fast jede Woche mit seinem Kfz nach Hause nach Kroatien komme, wobei die Entfernung von Wien etwa 400 km betrage.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt der belangten Behörde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vor. Die mit der Eingabe vom beim Finanzamt eingebrachten Unterlagen (Aufstellung der Mietzahlungen 2007, Kopie des Reisepasses und Niederlassungsnachweises, eidesstattliche Erklärung der Ehefrau) wurden der belangten Behörde vom Finanzamt nicht vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer der Aufforderung des Finanzamtes gemäß § 138 BAO, den Inhalt seines Anbringens in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) mit Hilfe näher bezeichneter Unterlagen zu erläutern, nur in unzureichendem Ausmaß (betreffend den Bedenkenvorhalt vom ) bzw. gar nicht (bezüglich des Ergänzungsersuchens vom ) nachgekommen sei. Vom Finanzamt angeforderte Unterlagen mit Hilfe derer die Familienheimfahrten nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden sollten, wie bezughabende Belege (Tankrechnungen und dergleichen) bzw. ein Fahrtenbuch seien nicht vorgelegt worden. Auch zur Häufigkeit der Familienheimfahrten habe der Beschwerdeführer keine Aussage getroffen. Gestützt auf das Erkenntnis des , führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer damit aber weder glaubhaft gemacht noch nachgewiesen habe, dass entsprechende Kosten überhaupt angefallen seien. Es sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer solche Fahrten nicht unternommen habe bzw. ihm Kosten (z.B. wegen kostenloser Mitfahrgelegenheiten) nicht entstanden seien. Weiters habe der Beschwerdeführer keine Nachweise hinsichtlich der Mietaufwendungen für die Unterkunft am Beschäftigungsort erbracht. Es sei nicht auszuschließen, dass dem Beschwerdeführer auch hiefür keine Kosten entstanden seien, etwa weil der Arbeitgeber diese übernommen habe bzw. Teile der Kosten durch Mitbewohner übernommen wurden und die tatsächlichen Aufwendungen somit unter dem Werbungskostenpauschale lägen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der gerügt wird, dass die vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom ergänzend beigebrachten, entscheidungsrelevanten Unterlagen in der Berufungsentscheidung der belangten Behörde keinerlei Berücksichtigung gefunden haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 280 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. Langen daher "neue Tatsachen, Beweise und Anträge" im Laufe des Rechtsmittelverfahrens bei der Abgabenbehörde erster Instanz ein, so befindet sich das entsprechende Anbringen in der der Berufungsbehörde zuzurechnenden Sphäre und ist im Sinne des § 280 BAO von der Rechtsmittelbehörde zu berücksichtigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2000/13/0175, VwSlg. 7625/F, und vom , 97/13/0123). Das gilt auch, wenn die Abgabenbehörde erster Instanz ihrer Pflicht zur Verständigung (§ 276 Abs. 8 letzter Satz BAO) nicht nachgekommen ist ( Ritz , BAO4, § 280 Tz 2).

Vor diesem Hintergrund rügt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu Recht, wenn er darauf hinweist, dass die mittels Eingabe vom vorgelegten Unterlagen von der Abgabenbehörde zweiter Instanz in keiner Weise berücksichtigt wurden. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit den erwähnten Unterlagen (Aufstellung der Mietzahlungen 2007, Kopie des Reisepasses und des Niederlassungsnachweises, eidesstattliche Erklärung der Ehefrau) - mangels Kenntnis davon - nicht auseinandergesetzt, obwohl diese, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift selbst ausführt, als Nachweis für die Höhe der getätigten Aufwendungen von Bedeutung gewesen wären. Da die belangte Behörde bereits mit dem Hinweis auf den unterbliebenen Nachweis bzw. die unterbliebene Glaubhaftmachung der Kosten die Berücksichtigung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten verneinte, unterließ sie es, sich in weiterer Folge mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung auseinander zu setzen (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2005/14/0046, VwSlg. 8074/F; , 2004/15/0138 und 2005/15/0011, jeweils mwN; , 2007/15/0044; , 2005/13/0150, mwN).

Soweit sich die belangte Behörde in der Gegenschrift erstmals mit der Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich auseinandersetzt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger hg. Judikatur eine im angefochtenen Bescheid fehlende Begründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 97/13/0123; , 2003/13/0163, und vom , 2002/13/0093).

Vor dem Hintergrund der Begründung des angefochtenen Bescheids hatte der Beschwerdeführer auch keinen Anlass, in der Bescheidbeschwerde zur Frage der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung Stellung zu nehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am