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VwGH vom 27.02.2017, Ro 2015/06/0021

VwGH vom 27.02.2017, Ro 2015/06/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl, Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision 1. des W W in A und 2. des E S in D, beide vertreten durch Mag. Dr. Harald Skrube, Dr. Bernhard Hundegger und Mag. Johannes Joven, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Peraustraße 33, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom , KLVwG-1739- 1745/23/2014, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Velden am Wörther See; mitbeteiligte Parteien:

1. Dr. W B und 2. C B, beide in I, 3. E P in S 4. J L und 5. E L, beide in B; 6. Mag. H K in W, vertreten durch Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Oppolzergasse 6; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Marktgemeinde Velden hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Ansuchen vom ersuchten die Revisionswerber (im Folgenden: Bauwerber) um Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für den Zu- und Umbau des bestehenden Hotels S. Das Bestandobjekt solle zur touristischen Nutzung als Geschäftsfläche im Erdgeschoß und zu vermietbaren Luxussuiten in den Obergeschoßen umgebaut sowie durch einen Zubau erweitert werden. Das gegenständliche Bauvorhaben erstreckt sich über zwei Parzellen (Nr. X und Nr. Y der KG V.) von Ost nach West. Südwestlich grenzt das Bauvorhaben an den K.-F.-Weg, an den südwestlich das im Miteigentum der mitbeteiligten Parteien stehende Grundstück Nr. Z anschließt. Nördlich des geplanten Bauvorhabens befindet sich die Gemeindestraße S.

2 In der mündlichen Verhandlung vom erhoben unter anderem die mitbeteiligten Parteien als Nachbarn umfangreiche Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

3 Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde V. den Bauwerbern gemäß § 6 lit. a, b, d, e sowie §§ 16, 17 und 18 Kärntner Bauordnung 1996 (im Folgenden: K-BO) nach Maßgabe der mit dem behördlichen Genehmigungsvermerk versehenen Einreichpläne und unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen die beantragte baubehördliche Bewilligung.

4 Die dagegen erhobenen Berufungen unter anderem der mitbeteiligten Parteien wurden mit Bescheid des Gemeindesvorstandes der Marktgemeinde V. vom (im Folgenden: Berufungsbescheid 1) abgewiesen.

5 Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom wurde den dagegen unter anderem von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Vorstellungen Folge gegeben, der Berufungsbescheid 1 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde V. zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Gegenstand der Baubewilligung im Baubewilligungsbescheid vom nicht ausreichend konkret bzw. widersprüchlich beschrieben worden sei und sich die Baubehörden noch kein ausreichendes Bild über den Betriebsablauf sowie über den Betrieb als solchen verschafft hätten. Zudem sei in § 8 Abs. 4 des maßgeblichen Bebauungsplanes V.-S. vom festgelegt, dass die Baulinien entlang der Landes- und Gemeindestraßen anlässlich der Baubewilligung in jedem Einzelfall festzusetzen seien. Die im gegenständlichen Fall vorgenommene Festlegung dieser Baulinien sei nicht ausreichend nachvollziehbar, da diese durch keine schriftlichen Nachweise, sondern allein durch die (vom Planer vorgenommene) Einzeichnung in den Einreichplänen belegt sei.

6 In der Folge führte der Gemeindevorstand der Marktgemeinde V. ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, in welchem insbesondere der hochbautechnische Amtssachverständige Dipl.-Ing. M. sein Gutachten vom zur Festlegung der Baulinien entlang der Gemeindestraßen erstattete.

7 Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde V. vom (im Folgenden: Berufungsbescheid 2) wurden in Spruchpunkt I. die Baulinien entlang den Gemeindestraßen S. und K.- F.-Weg festgelegt und in Spruchpunkt II. die Baubewilligung vom insofern abgeändert, als nach Maßgabe der ergänzend vorgelegten (näher bezeichneten) Unterlagen neben dem Um- und Zubau des Hotels S. auch die in der Betriebsbeschreibung vom angeführte Verwendung der baulichen Anlage als Hotelbetrieb, als Gastronomiebetrieb (Cafe im Erdgeschoß) und als Verkaufslokal (Shop im Erdgeschoß) baubewilligt werde. In Spruchpunkt III. wurden die Berufungen unter anderem der mitbeteiligten Parteien sowie deren Einwendungen im Rahmen des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens als unbegründet abgewiesen.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde den dagegen erhobenen Beschwerden der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben, die Spruchpunkte I. und III. des Berufungsbescheides 2 behoben und dessen Spruchpunkt II. insofern abgeändert, als der Antrag der Bauwerber auf Bewilligung eines Zu- und Umbaus beim Hotel S. abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen diese Entscheidung eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Darüber hinaus wurde eine weitere Beschwerde gegen den Berufungsbescheid 2 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt III.) und gegen diese Entscheidung eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt IV.).

9 Das Landesverwaltungsgericht Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) führte im Wesentlichen aus, der maßgebliche Bebauungsplan der Gemeinde V. normiere in § 8 Abs. 4, dass die Baulinien entlang der Landes- und Gemeindestraßen anlässlich der Baubewilligung in jedem Einzelfall festzusetzen seien. Zwar normiere § 4 Abs. 2 Kärntner Bauvorschriften (K-BV), dass "wenn und soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt sind", die Bestimmungen des Abs. 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 K-BV nicht anzuwenden seien, in der Bestimmung des § 8 Abs. 4 des maßgeblichen Bebauungsplanes sei eine solche abstandsrelevante Festlegung jedoch nicht zu erblicken, zumal daraus kein Abstand, welcher im Bebauungsplan verordnet sei, abzuleiten sei. Dies habe zur Folge, dass jedenfalls die Bestimmungen der §§ 4 bis 10 K-BV zur Anwendung kämen.

10 Diesbezüglich gehe bereits aus den von den Bauwerbern vorgelegten Einreichplänen bzw. aus der den Einreichplänen entsprechenden "OZ 13 (Einfügung der Straßenmittellinie)" hervor, dass die gegenständlichen Schattenflächen nicht den Bestimmungen des § 7 Abs. 3 K-BV entsprächen, wonach angrenzende öffentliche Verkehrsflächen bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsfläche einbezogen werden dürften. Aus den vorgelegten Plänen gehe hervor, dass auch seitens der Bauwerber nicht bestritten und vom beigezogenen Sachverständigen bestätigt worden sei, dass die Schattenflächen in mehreren Bereichen in ungleichem Ausmaß die halbe Tiefe der Verkehrsfläche überragten. Planänderungen seien von den Bauwerbern trotz entsprechender Aufforderung nicht vorgenommen worden.

11 Auf Grund des Umstandes, dass die Abstandsflächen zum Grundstück der mitbeteiligten Parteien nicht den Bestimmungen der K-BV entsprächen, sei dem gegenständlichen Vorhaben die Baubewilligung zu versagen gewesen, wobei auf die zahlreichen weiteren Einwendungen nicht mehr im Detail einzugehen gewesen sei.

12 Den Ausspruch der Zulässigkeit der ordentlichen Revision gegen Spruchpunkt I. begründete das Verwaltungsgericht dahin, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit § 8 Abs. 4 des Bebauungsplanes der Marktgemeinde V. eine abstandsrelevante Regelung sei, nicht vorliege.

13 Gegen dieses Erkenntnis - erkennbar nur im Umfang seines Spruchpunktes I. - richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, in der Sache selbst zu entscheiden; in eventu Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

14 Das Verwaltungsgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt. Der Erst- und der Sechstmitbeteiligte erstatteten eine Revisionsbeantwortung. Die Adressatin des Spruchpunktes III. des angefochtenen Erkenntnisses, mit dem ihre Beschwerde abgewiesen wurde, ist nicht Mitbeteiligte im Verfahren über die Revision gegen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses. Ihre Stellungnahme vom ist daher keine Revisionsbeantwortung im hier vorliegenden Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist - wie das Verwaltungsgericht und auch die Revisionswerber zutreffend ausführen - angesichts des Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit § 8 Abs. 4 des Bebauungsplanes der Marktgemeinde V. eine abstandsrelevante Regelung im Sinn des § 4 Abs. 2 K-BV darstellt, zulässig.

16 Im Revisionsfall war die K-BO, LGBl. Nr. 62/1996, in der Fassung LGBl. Nr. 16/2009 (vgl. Art. IV Abs. 3 der Novelle LGBl. Nr. 80/2012, wonach im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen weiterzuführen sind) anzuwenden.

§ 23 K-BO lautet auszugsweise:

"§ 23

Parteien, Einwendungen

...

(2) Anrainer sind:

a) die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück

angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie

...

(3) Anrainer im Sinn des Abs. 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, daß sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über

...

e) die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden

oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;

..."

17 Die §§ 4, 5 und 7 in der im Revisionsfall anzuwendenden Stammfassung der K-BV, LGBl. Nr. 56/1985, lauten auszugsweise:

"§ 4

Abstände

(1) Oberirdische Gebäude und sonstige bauliche Anlagen sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder so anzuordnen, daß sie voneinander und von der Grundstücksgrenze einen ausreichenden Abstand haben. Der Abstand ist in Abstandsflächen (§ 5) auszudrücken.

(2) Wenn und soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt sind, sind die Bestimmungen des Abs. 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 nicht anzuwenden.

(3) Der Abstand oberirdischer Gebäude und baulicher Anlagen voneinander und von der Grundstücksgrenze ist nach den Bestimmungen der §§ 5 bis 10 so festzulegen, daß

a) jener Freiraum gewahrt bleibt, der zur angemessenen

Nutzung von Grundstücken und Gebäuden auf dem zu bebauenden Grundstück und auf den Nachbargrundstücken erforderlich ist;

..."

"§ 5

Abstandsflächen

(1) Die Abstandsfläche ist für jede Außenwand eines oberirdischen Gebäudes zu ermitteln. Die Abstandsfläche muß so tief sein wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und den durch eine Linie verbundenen Schattenpunkten, die sich auf einer in Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegten Waagrechten ergeben, wenn über das Gebäude Licht in einem Winkel von 45 Grad einfällt. Zur Ermittlung der Abstandsfläche sind so viele Schattenpunkte heranzuziehen, daß durch ihre Verbindung eine entsprechende Darstellung der Abstandsfläche ermöglicht ist. Bei der Ermittlung der Schattenpunkte sind untergeordnete Vorbauten und Bauteile (§ 6 Abs. 2 lit. a bis d) nicht zu berücksichtigen. Übersteigen Vorbauten und Bauteile das im § 6 Abs. 2 lit. c angeführte Ausmaß von 1,30 m, so ist anstelle der Außenwand eine lotrechte Ebene heranzuziehen, die parallel zur Außenwand, jedoch um 1,30 m von der äußersten Begrenzung des Gebäudes in Richtung zur Außenwand, gezogen wird.

(2) Ergibt sich aus Abs. 1 eine Tiefe der Abstandsfläche von weniger als 3,00 m, so ist als Tiefe der Abstandsfläche 3,00 m anzunehmen."

"§ 7

Gebäudeanordnung und Abstandsflächen

(1) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, daß die Abstandsflächen gegenüberliegender Außenwände einander nicht überdecken. Als gegenüberliegende Außenwände gelten solche, deren Flächen zueinander parallel verlaufen oder die einen kleineren Winkel als 90 Grad einschließen. Soweit es sich um die Abstandsflächen innerhalb desselben Baugrundstückes handelt, darf eine Abstandsfläche bis zu ihrer halben Tiefe die andere überdecken.

(2) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, daß die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen, soweit durch Abs. 3 nicht anderes bestimmt ist.

(3) Angrenzende öffentliche Verkehrsflächen dürfen bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsfläche einbezogen werden."

18 § 8 der im Revisionsfall maßgeblichen Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde V. vom (Bebauungsplan V.-S.) lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 8

Baulinien

(GPLG § 14 (1) f)

1. Die Baulinien sind jene Grenzlinien eines

Baugrundstückes, innerhalb welcher Gebäude errichtet werden können.

...

3. Die Baulinien für Neu- und Zubauten werden durch die

zeichnerische Anlage, nach Geschossen getrennt, festgelegt. Sind keine Angaben über die seitlichen Abstände in der zeichnerischen Anlage enthalten, ist bei Neu- und Zubauten der gemäß § 5 der Kärntner Bauvorschriften ermittelte Mindestabstand einzuhalten.

4. Die Baulinien entlang der Landesstraßen und

Gemeindestraßen sind anläßlich der Baubewilligung in jedem Einzelfall festzusetzen.

..."

19 Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Bestimmungen über die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden entweder aus den §§ 4 bis 10 K-BV oder aus einem Bebauungsplan ergeben. In einem Bebauungsplan können abweichend von § 4 K-BV Abstände festgesetzt werden. § 4 Abs. 2 K-BV ordnet an, dass "wenn und soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt sind", die Bestimmungen des Abs. 1 letzter Satz dieses Paragraphen und der §§ 5 bis 10 nicht anzuwenden sind. Die §§ 4 bis 10 K-BV kommen jedoch dann zur Anwendung, insoweit der Bebauungsplan keine Regelung bezüglich der Abstände enthält (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/06/0064, mwN).

20 In den Erläuterungen zur Stammfassung der K-BV, LGBl. Nr. 56/1985, wird zu § 4 K-BV (abgedruckt in W. Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein, Kärntner Baurecht5 (2015) Seite 486) unter anderem Folgendes ausgeführt:

" ... Es ist jedoch erforderlich, auf die Bestimmungen des

§ 14 Abs. 5 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 ... zu verweisen, da

nicht jede in einem Bebauungsplan enthaltene Anordnung, etwa über

die Baulinien ... , die Festlegung von Abständen nach den

Bestimmungen der §§ 5 bis 10 entbehrlich macht. Nicht jede ‚Abstandsregelung' in Bebauungsplänen kann die Anordnungen der §§ 4 bis 10 ersetzen. Es müssen ‚qualifizierte' Abstandsregelungen sein. Wird etwa in einem Bebauungsplan nicht hinsichtlich aller vier Seiten eines Grundstückes ein qualifizierter Abstand

festgelegt ... , sondern nur für zwei Seiten, so gelten

hinsichtlich der anderen zwei Seiten die Abstandsregelungen dieses Gesetzes. ..."

21 Es kann demnach nicht jede in einem Bebauungsplan enthaltene Anordnung, sondern ausschließlich eine "qualifizierte" Abstandsregelung die Unanwendbarkeit des § 4 Abs. 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 K-BV nach sich ziehen.

22 Bezüglich der Baulinien ergibt sich aus § 8 Z 3 und 4 des maßgeblichen Bebauungsplanes V.-S., dass diese für Neu- und Zubauten durch die zeichnerische Anlage, nach Geschoßen getrennt, festgelegt werden und bei Fehlen von Angaben über die seitlichen Abstände in der zeichnerischen Anlage, bei Neu- und Zubauten der gemäß § 5 K-BO ermittelte Mindestabstand einzuhalten ist. Demgegenüber ordnet der Bebauungsplan betreffend die Baulinien entlang der Landes- und Gemeindestraßen an, dass diese anlässlich der Baubewilligung in jedem Einzelfall festzusetzen sind.

23 Durch diese Anordnung werden somit keine zu Landes- oder Gemeindestraßen allenfalls einzuhaltenden Abstände festgelegt, sondern es wird der Baubehörde die Festlegung der Baulinien anlässlich der Erteilung der Baubewilligung aufgetragen. Im Bebauungsplan selbst werden demnach keine Abstände zur Gemeindestraße K.-F.-Weg festgelegt, sodass sich der zu dieser Grundgrenze einzuhaltende Mindestabstand aus den §§ 4 bis 10 K-BV ergibt.

24 Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch § 25 Abs. 7 Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995 (bzw. der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bebauungsplanes V.-S. in Geltung stehende, insoweit inhaltsgleiche § 14 Abs. 5 Gemeindeplanungsgesetz 1982). Darin hat der Landesgesetzgeber angeordnet, dass Baulinien, die nicht zugleich mit Bebauungsbedingungen nach Abs. 1 lit. b und d festgelegt oder mit Festlegungen nach Abs. 6 verbunden werden, die Festlegung des Abstandes oberirdischer Gebäude zur Grundstücksgrenze in einem Bauverfahren nach der K-BO nicht ersetzen.

25 Das Verwaltungsgericht ging im angefochtenen Erkenntnis somit zutreffend von einer Anwendbarkeit der §§ 4 bis 10 K-BV in Bezug auf den einzuhaltenden Mindestabstand zur am K.-F.-Weg liegenden Grundstücksgrenze aus.

26 Soweit die Revisionswerber unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 92/05/0230, ausführen, die mitbeteiligten Parteien hätten als Nachbarn kein subjektives Recht auf Einhaltung eines Mindestabstandes eines Gebäudes bzw. einer sonstigen baulichen Anlage zu einer öffentlichen Verkehrsfläche, verkennen sie den diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt, der mit dem Revisionsfall nicht vergleichbar ist. Dort ging es um die Einwendungen eines Nachbarn, dessen Grundstück östlich an das Baugrundstück angrenzte, während das Baugrundstück im Norden durch einen Weg begrenzt wurde. Der Nachbar hatte im Verfahren Einwendungen lediglich in Bezug auf die zwischen der auf dem Baugrundstück geplanten Flügelmauer und der nördlichen Grundgrenze liegende Abstandsfläche geltend gemacht, nicht aber in Bezug auf den Abstand zwischen der Flügelmauer und seiner (östlich des Baugrundstückes liegenden) Grundstücksgrenze. Vor dem Hintergrund der dargestellten Lage des Nachbargrundstückes ist die in diesem Erkenntnis getätigte Aussage des Verwaltungsgerichtshofes zu verstehen, wonach der Beschwerdeführer "kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung eines Mindestabstandes der Flügelmauer zum öffentlichen Weg" hat. Dass den Nachbarn keinesfalls ein subjektives Recht auf Einhaltung eines Mindestabstandes zu einer öffentlichen Verkehrsfläche zukommen kann, lässt sich aus dieser Aussage hingegen nicht ableiten. Vielmehr geht der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur davon aus, dass sich der Nachbar mit Erfolg (nur) auf jene Abstandsvorschriften berufen könne, die sich gegenüber seiner Liegenschaft auswirkten, was auch dann der Fall sein kann, wenn das dem Baugrundstück gegenüber liegende Nachbargrundstück von diesem durch eine Verkehrsfläche getrennt ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 90/06/0164, mwN).

27 Allein der Umstand, dass die dem Baugrundstück gegenüber liegende Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien von diesem durch den K.-F.-Weg, welcher - nach den insoweit unbestrittenen Angaben des hochbautechnischen Amtssachverständigen in dessen Gutachten vom - eine Breite von 4 m aufweist, getrennt ist, schließt somit die Möglichkeit der Verletzung der den mitbeteiligten Parteien gemäß § 23 Abs. 3 lit. e K-BO zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte nicht aus.

28 Die Frage, ob § 7 Abs. 3 K-BV (auch) dem Schutz der Nachbarn dient und den mitbeteiligten Parteien - wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist - daher ein subjektivöffentliches Recht an der Einhaltung dieser Bestimmung zukommt, kann im Revisionsfall aus nachstehenden Gründen dahingestellt bleiben:

29 Das Verwaltungsgericht ging in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses davon aus, dass die in den näher bezeichneten Einreichplänen der Bauwerber dargestellten "Schattenflächen" nicht den Bestimmungen des § 7 Abs. 3 K-BV entsprächen, da die "Schattenflächen" in mehreren Bereichen in ungleichem Ausmaß die halbe Tiefe der Verkehrsfläche überragten, und hat sodann zusammenfassend ausgeführt, dass die "Abstandsflächen" zum Grundstück der mitbeteiligten Parteien nicht den Bestimmungen der K-BV entsprächen, weshalb die Baubewilligung zu versagen gewesen sei. Indem das Verwaltungsgericht den Begriff der "Schattenfläche" mit jenem der "Abstandsfläche" gleichsetzte, verkannte es allerdings den Inhalt der §§ 5 und 7 K-BV. Nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz K-BV muss die Abstandsfläche so tief sein wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und den durch eine Linie verbundenen Schattenpunkten. Die solcherart ermittelte Abstandsfläche beträgt somit lediglich sechs Zehntel der Schattenfläche und darf nach § 7 Abs. 3 K-BV in die angrenzende Verkehrsfläche bis zu ihrer halben Tiefe hineinreichen.

30 Wie sich aus den vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Einreichunterlagen ergibt, befindet sich der am tiefsten in den K.-F.-Weg ragende Schattenpunkt in einer Entfernung von 7,53 m von der Außenwand des geplanten Gebäudes am Baugrundstück, woraus sich gemäß § 5 Abs. 1 K-BV ein einzuhaltender Abstand von 4,52 m (7,53 m x 6/10) ergibt. Ausgehend von dem sich an dieser Stelle aus den Einreichunterlagen ergebenden Abstand der Außenmauer zur Grundgrenze im Ausmaß von mehr als 3,10 m und der halben Tiefe des K.-F.-Weges im Ausmaß von 2 m, liegt die Abstandsfläche jedenfalls innerhalb der sich aus § 7 Abs. 3 K-BV ergebenden Grenze. Die allein auf eine Verletzung des § 7 Abs. 3 K-BV gestützte Versagung der Baubewilligung erfolgte daher zu Unrecht.

31 Das angefochtene Erkenntnis war daher im spruchgemäßen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

32 Von der Durchführung der von den Revisionswerbern beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung der BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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