VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0147

VwGH vom 31.05.2012, 2011/23/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Peter Gregorich, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Servitengasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/392.303/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) wegen nicht nachgewiesener Unterhaltsmittel ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Am brachte der Beschwerdeführer einen Asylantrag ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom rechtskräftig abgewiesen wurde. Am wurde der Beschwerdeführer in seinen Heimatstaat abgeschoben.

Nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet im Dezember 2000 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßiger Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes bestraft und in seinen Heimatstaat abgeschoben.

Nach seiner erneuten illegalen Einreise in das Bundesgebiet am stellte der Beschwerdeführer am einen zweiten Asylantrag. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom in erster Instanz abgewiesen, gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Am heiratete der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin M. In der Folge wurde das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom aufgehoben. Im Hinblick auf seine Eheschließung erhielt der Beschwerdeführer eine bis zum gültige Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter DrittSta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG", die danach wiederholt (zuletzt als "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" mit einer Gültigkeit bis zum ) verlängert wurde.

Am zog der Beschwerdeführer seine im Asylverfahren erhobene Berufung zurück. Am wurde die Ehe des Beschwerdeführers mit M. einvernehmlich geschieden.

Mit Bescheid vom erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot und begründete dies im Wesentlichen damit, dass sich der Beschwerdeführer im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen habe, obwohl ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In der Begründung stützte sich die belangte Behörde insbesondere auf die Aussage der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers (M.) sowie auf das Ergebnis einer Hauserhebung an der gemeinsamen Meldeanschrift am . M. habe bei einer Befragung im Zuge der genannten Hauserhebung zugegeben, dass es sich bei ihrer Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine "reine Scheinehe" gehandelt habe. Diese Aussage habe sie bei einer Befragung am wiederholt und ergänzend angegeben, dass die Scheinehe durch ihre Schwiegermutter vermittelt worden sei und dass sie für das Eingehen der Ehe einmalig EUR 7.000,-- und für ein Jahr monatlich jeweils EUR 500,-- erhalten habe. Im Zuge der genannten Hauserhebung seien auch mehrere Hausparteien befragt worden, die angegeben hätten, in der gegenständlichen Wohnung würden seit "Jahr und Tag" M. gemeinsam mit ihrem Sohn, ihrer Mutter und deren Lebensgefährten wohnen. Der Beschwerdeführer sei diesen Hausparteien gänzlich unbekannt gewesen.

Demgegenüber habe der Beschwerdeführer sowohl in seiner Stellungnahme vom als auch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid das Bestehen einer Scheinehe bestritten. Es habe sich um eine "reine Liebesheirat" gehandelt, der gemeinsame Haushalt mit seiner Ehefrau sei bis zuletzt aufrecht gewesen. In der Berufung habe der Beschwerdeführer überdies auf die Aussage seiner geschiedenen Ehefrau bei ihrer Einvernahme am verwiesen, in der diese das Eingehen einer Scheinehe noch entschieden bestritten habe.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass sie keine Veranlassung habe, dem Eingeständnis der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers keinen Glauben zu schenken. Daran könne auch die ursprüngliche Aussage von M., es handle sich um eine aufrechte Ehe, nichts ändern, liege es doch im Wesen einer Scheinehe, diese zunächst als aufrechte Ehe darzustellen. Darüber hinaus stehe das Eingeständnis von M. mit dem Ergebnis der Hauserhebung, wonach der Beschwerdeführer im Wohnhaus völlig unbekannt sei, in Einklang. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer das Bestehen einer Scheinehe zwar bestritten, aber keinerlei Beweismittel zum Beleg für sein Vorbringen vorgelegt.

Die belangte Behörde sah es daher als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe geschlossen habe, um einen Aufenthaltstitel zu erwirken. In rechtlicher Hinsicht seien somit der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht und die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG erfüllt.

In Ansehung des § 66 FPG stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer seit dem mit einer mazedonischen Staatsangehörigen verheiratet sei und dass seine nunmehrige Ehefrau auf Grund dieser Eheschließung seit dem über einen Aufenthaltstitel verfüge. Somit sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Scheinehen, dringend geboten sei. Die aus der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet ableitbare Integration sei in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass sich sein Aufenthalt anfänglich auf einen letztlich unberechtigten Asylantrag gestützt habe und in der Folge auf die dargestellte Scheinehe. Auch die unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers seien erst durch diese Scheinehe ermöglicht worden. Die nunmehrige Ehefrau des Beschwerdeführers sei seit etwa acht Monaten im Bundesgebiet aufhältig; ihr Recht, in Österreich niedergelassen zu bleiben, würde allerdings (mit Verlust der Niederlassungsbewilligung des zusammenführenden Beschwerdeführers) nach § 27 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) von Gesetzes wegen untergehen. Auch sei nicht geltend gemacht worden, dass einer gemeinsamen Ausreise des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau unüberwindliche Hindernisse entgegenstünden. Allfällige aus dem Aufenthaltsverbot resultierende Einschränkungen betreffend den Kontakt zu seiner Ehefrau seien im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Im Ergebnis würden die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wiegen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG oder des NAG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Februar 2008 geltende Fassung.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht und die Gefährdungsannahme gemäß § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.

Allerdings erachtet der Beschwerdeführer die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG als rechtswidrig. Diesbezüglich verweist er auf seinen langjährigen, seit November 2001 bestehenden Aufenthalt im Bundesgebiet, auf seine soziale und berufliche Integration, auf sein Zusammenleben mit seiner nunmehrigen Ehefrau, die ebenfalls im Besitz eines Aufenthaltstitels sei, sowie darauf, dass sein Fehlverhalten nunmehr nahezu fünf Jahre zurückliege.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat nämlich die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine nunmehrige Ehe mit einer mazedonischen Staatsangehörigen und seine Berufstätigkeit bei ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass allein die faktische Dauer des Aufenthaltes zu berücksichtigen sei, ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen ist, die soziale und berufliche Integration des Beschwerdeführers werde in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass sich sein Aufenthalt zunächst auf einen offenbar unberechtigten Asylantrag, der somit die illegale Einreise entgegen dem bestehenden Aufenthaltsverbot nicht zu rechtfertigen vermochte, stützte und sein Aufenthaltsrecht in der Folge auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen war (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0214, bzw. das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0278).

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner nunmehrigen Ehe hat die belangte Behörde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Aufenthaltstitel seiner - erst seit acht Monaten im Bundesgebiet aufhältigen - Ehefrau mit dem Wegfall seiner Niederlassungsbewilligung gemäß § 27 Abs. 1 NAG von Gesetzes wegen untergehen würde. Vor allem tritt die Beschwerde aber der behördlichen Annahme nicht entgegen, dass dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau die Führung eines Familienlebens im gemeinsamen Heimatstaat zumutbar sei.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, dass sein Fehlverhalten nunmehr nahezu fünf Jahre zurückliege und somit das Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes verringert sei, ist ihm zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer zunächst durch die Stellung eines unberechtigten Asylantrages die Effektuierung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes zu verhindern suchte, dass er nach seiner Abschiebung neuerlich illegal einreiste und ihm auch die deshalb erfolgte Bestrafung nicht davon abhielt, sich nach illegaler Einreise und Stellung eines weiteren offenbar unberechtigten Asylantrages sowie dem Abschluss einer Scheinehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Auf diese Ehe hat sich der Beschwerdeführer aus Anlass der Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung im Jahr 2005 noch berufen. Angesichts dieses massiven, auf eine Umgehung der Einwanderungsbestimmungen gerichteten Verhaltens ist aber ein solches Vorgehen auch für die Zukunft zu befürchten.

Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers würden nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Allfällige, daraus resultierende nachteilige Auswirkungen sind vom Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich darauf verweist, dass er zu seinem Heimatstaat keinerlei Beziehungen mehr habe, handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Gründe, wonach die - in der Beschwerde auch nicht bekämpfte - Ermessensübung durch die belangte Behörde zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre, sind nicht ersichtlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am