VwGH vom 26.09.2017, Ro 2015/05/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz, sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der S. Gesellschaft m.b.H. in A, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Edisonstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-150288/5/VG/EG - 150302/2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde:
Gemeinderat der Stadtgemeinde A; mitbeteiligte Parteien:
1. Oö. Umweltanwaltschaft in L; 2. A P in A; 3. R P in A; 4. K M in A; 5. C M in A; 6. M K in A; 7. R K in A; 8. S P in A; 9. O P in A; 10. H D in A; 11. S D in A; 12. H I in A; 13. M I in A;
14. V S in A und 15. A S in A; weitere Partei:
Oö. Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadtgemeinde A hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin suchte mit Eingabe vom (am selben Tag eingelangt beim Stadtamt A) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Erweiterung der bestehenden Getränkeproduktion durch zwei Hallenschiffe auf den näher angeführten Grundstücken in der KG A. an. In der geplanten, unmittelbar westlich an den bestehenden Betrieb der Revisionswerberin anschließenden Halle 1 in einer Größe von
2.274 m2 soll nach der dem Ansuchen angeschlossenen Einreichbeschreibung die Produktion von nichtalkoholischen Getränken (Energy Drinks) und deren Verpackung bzw. Palettierung mit Dosen erfolgen. Die fertigen palettierten Produkte werden nach der Einreichbeschreibung mittels Förderbandes von der Halle des Neubaus durch den Bestand im geschlossenen Bereich zum bestehenden Hochregallager befördert. In dieser Halle werden voraussichtlich vier Mitarbeiter zur Überwachung der maschinentechnischen Anlage beschäftigt werden, wobei der eigentliche Arbeitsplatz im nördlichen Teil der Halle 1 im Bereich der Verpackung liegt, an dem der Großteil der Arbeitszeit verbracht wird. Die im Anschluss daran projektierte Halle 2 in der Größe von 1.883,37 m2 soll als Lager für die jeweils für eine Tagesproduktion benötigten Leerdosen und Leerpaletten dienen. Im nördlichen Bereich der Halle 1 sind weiters Büro und Sanitärräume vorgesehen, nördlich vor der Halle 2 ist ein überdachter Ladehof geplant mit einer Seitenwand zur Straße hin (dorthin werden die benötigten Leerdosen und Leerpaletten geliefert).
2 Der bautechnische Amtssachverständige der Oö. Landesregierung Ing. B. führte in seinem Schreiben vom im Zuge der erstbehördlichen Vorprüfung aus, dass es sich beim Betrieb der Revisionswerberin um einen Betrieb zur Erzeugung von Nahrungs- und Genussmitteln mit industriellem Charakter handle. Der bestehende Betrieb liege auf einer Grundfläche von mehr als 20 ha mit der Widmung Betriebsbaugebiet. Die nunmehr vorgesehene Erweiterung einer automatisierten Dosenabfüllanlage sowie für Lagerflächen komme in der Widmung "gemischtes Baugebiet" zu liegen.
3 Die Erstmitbeteiligte (die Oö. Umweltanwaltschaft) war dem Verfahren gemäß § 32 Abs. 2 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) beizuziehen. Die Zweit- bis Fünftzehntmitbeteiligten sind jeweils Miteigentümer von Grundstücken, die nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes zu den zu bebauenden Grundstücken höchstens 50 m entfernt sind. In der für den anberaumten mündlichen Verhandlung machten die Erstmitbeteiligte, die Sechst- bis Neuntmitbeteiligten und die Vierzehnt- und Fünftzehntmitbeteiligten Einwendungen insbesondere dahingehend geltend, dass die Zulässigkeit des Bauvorhabens im Hinblick auf die Betriebstype in der verfahrensgegenständlichen Widmung gemischtes Baugebiet bezweifelt wurde. Die Zweit- bis Fünftmitbeteiligten bzw. Zehnt- bis Dreizehntmitbeteiligten erhoben Bedenken in Bezug auf die Verminderung des Lichteinfalles durch die geplante Höhe der Halle, die Lärmbelastung durch die vermehrten Bewegungen auf dem Betriebsareal und eine stärkere Geruchsbelastung durch die geplante Dosenabfüllanlage.
4 In der mündlichen Verhandlung führte der bautechnische Amtssachverständige Ing. B. zum Bauvorhaben in seinem Befund aus, dass die Halle 1 des geplanten Bauvorhabens unmittelbar an die bestehende Getränkeproduktionshalle samt Abfüllung angrenze. In der Halle 1 erfolge die Abfüllung, Verpackung und Palettierung von nichtalkoholischen Getränken. Die fertig palettierten Produkte würden mit Förderbändern von der Halle des Zubaus durch den Bestand im geschlossenen Bereich zum bestehenden Hochregallager befördert werden. Es erfolge kein Auslieferungsverkehr im Bereich der gegenständlichen Zubauten. In der Halle 2 würden die für die Abfüllung benötigten Leerdosen und Leerpaletten gelagert. Die Manipulation erfolge mit einem Elektrostapler. Die Ladestation befinde sich in der Halle. Die Dosenaufgabe zur Abfüllung erfolge in der Halle 1. Zur Beurteilung der schalltechnischen Auswirkungen sei von der Revisionswerberin ein schalltechnisches Projekt der T-GmbH vom samt Ergänzung vom vorgelegt worden. Die Lärm-Ist-Situation sei bereits bei Messungen im Jahre 2004 dokumentiert worden. Zusätzlich sei im östlichen Bereich der G Straße (auf einem näher bezeichneten Grundstück) im Jahre 2012 eine Ist-Messung durchgeführt worden. Zur Ermittlung der in der neuen Produktionshalle zu erwartenden Innenpegel seien schalltechnische Messungen bei vergleichbaren Produktionsbereichen durchgeführt worden. Für die Immissionsberechnung werde eine Schallschutzwand entlang der nordwestlichen Grundstücksgrenze mit einer Länge von 37 m und einer Höhe von 4,5 m vorgesehen. Entsprechend der Ergänzung vom werde diese Schallschutzwand auch entlang der westlichen Grundgrenze zur G Straße, beginnend vom nordwestlichen Grundstückseck, auf eine Länge von 10 m über die Verladezone hinaus erweitert. Die Gesamtlänge der projektierten Schallschutzwand betrage demnach rund 70 m. Die Höhe werde generell mit 4,5 m über dem Niveau des Verladebereichs angegeben.
5 In seinem Gutachten hielt dieser Amtssachverständige im Wesentlichen fest, dass nach den Bestimmungen der Oö. Betriebstypenverordnung 1997 (im Folgenden: BTypVO) für eine Flaschenabfüllanlage die Widmungskategorie Betriebsbaugebiet festgelegt sei. Der gesamte bestehende Betrieb der Lebensmittel- und Getränkeproduktion befinde sich in der Widmung "Betriebsbaugebiet". Die nunmehr geplante Erweiterung der Getränkeproduktion mit Dosenabfüllung und Lager solle im nordwestlichen Betriebsareal in der Widmungskategorie gemischtes Baugebiet errichtet werden. Zur Beurteilung, ob der geplante Betrieb anhand der Oö. Grenzwertverordnung in der Widmung gemischtes Baugebiet zulässig sei, sei ein schalltechnisches Projekt der T-GmbH vom vorgelegt worden. Die Grundlage würden Lärm-Ist-Messungen entsprechend dem zugrunde liegenden schalltechnischen Projekt vom sein. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass bei projektgemäßer Ausführung der geplanten Betriebserweiterung die Grenzwerte gemäß Oö. Grenzwertverordnung sowohl an der eigenen Grundstücksgrenze als auch im ungünstigsten Einwirkungsbereich der nächstgelegenen Anrainerliegenschaften eingehalten werden könnten. Durch die projektierten Schallschutzwände (entsprechend der Variante 2 eine übers Eck geführte Schallschutzwand entlang der nördlichen und westlichen Grundgrenze mit einer Länge von insgesamt 70 m) würden die Immissionen der Verladetätigkeiten zu den nächstgelegenen Anrainern abgeschirmt.
6 Die schalltechnische Untersuchung habe ergeben, dass die Immissionen der gesamten Betriebsanlage (inklusive der nunmehr geplanten Erweiterung) keine Anhebung der bereits durch den bestehenden Betrieb vorhandenen Immissionen bei den maßgeblich in Betracht kommenden Anrainerliegenschaften bewirkten. Zusätzlich würden die Immissionsgrenzwerte für gemischtes Baugebiet (bei den südlich angrenzenden Wohnnachbarn (Anm: den Vierzehnt- und Fünfzehntmitbeteiligten)) als auch die Grenzwerte für Wohngebiet (bei den Wohnanrainern westlich der G Straße (Anm: alle anderen Mitbeteiligten außer der Erstmitbeteiligten)) gemäß der Oö. Grenzwertverordnung zur Tages- und Nachtzeit eingehalten. Im schalltechnischen Projekt seien diverse Mindestanforderungen an die Außenbauteile, Türen, Fenster, lüftungs- und klimatechnischen Anlagen aufgelistet. Bei derartigen Betrieben der Lebensmittelerzeugung sei es als betriebsüblich anzusehen, dass die Türen und Fenster zur üblichen Lüftung geschlossen gehalten würden. Der Luftwechsel werde über die am Dach aufgesetzten Lüfter gewährleistet. Die Zulässigkeit der Betriebserweiterung im gemischten Baugebiet werde im angeführten schalltechnischen Projekt (Überprüfung der Grenzwerte gemäß Oö. Grenzwertverordnung) dargelegt. Über die Frage der Widmungskonformität habe die Behörde in ihrer rechtlichen Abwägung zu entscheiden.
7 Der Bürgermeister der Stadtgemeinde A erteilte mit Bescheid vom der angeführten Erweiterung der bestehenden Getränkeproduktion der Revisonswerberin durch zwei Hallenschiffe auf den im Bauansuchen näher bezeichneten Grundstücken die Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen. Er führte dazu im Wesentlichen aus, dass gemäß § 31 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) im Hinblick auf bauliche Anlagen, die einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedürften, Einwendungen, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht würde, im Bauverfahren nur zu berücksichtigen seien, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie beträfen. Die von dem Gewerbebetrieb konkret ausgehende Belästigung sei hingegen Gegenstand des gewerblichen Betriebsanlagenverfahrens. Für die Beurteilung des Erweiterungsbaues in der Widmung gemischtes Baugebiet sei maßgeblich, dass der Erweiterungsbau direkt an die bestehende Getränkeproduktionshalle angebaut werden solle, wobei zum Bestand eine offene Verbindung bestehe und innerbetriebliche Beförderungen hinein erfolgen würden. Aufgrund dieser Gegebenheiten sei nach Ansicht der erstinstanzlichen Baubehörde von der Einheitlichkeit der gesamten Betriebsanlage samt Erweiterungsbau auszugehen und verbiete sich eine gesonderte Beurteilung alleine des Erweiterungsbaues bzw. eine gesonderte Zuordnung zu einer Betriebstype und somit eine isolierte Betrachtung des Erweiterungsbaues als Flaschenabfüllanlage.
8 Der Gesamtbetrieb sei unstrittig ein Betrieb mit industriellem Produktionscharakter. Gemäß Anlage 1 BTypVO ergebe sich eine Einordnung des Gesamtbetriebes in Gruppe 2 "Betriebe zur Erzeugung von Getränken und Tabakwaren" unter "B/M Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken, Fruchtsäften oder Spirituosen" und in Gruppe 1 "Betriebe zur Erzeugung von Nahrungs- und Genussmitteln" unter "B/M Erzeugung von Backwaren oder Süßwaren". Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe der "Grundsatz der Einheitlichkeit der Betriebsanlage" dazu geführt, dass im Bauverfahren im Rahmen der Betriebstypenprüfung - also zur Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes nach seiner Betriebstype in einer bestimmten Widmungskategorie - auch bei Erweiterungsmaßnahmen grundsätzlich der gesamte Betrieb einer Prüfung zugrunde zu legen gewesen sei. Zuletzt habe sich jedoch durch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in einer Entscheidung vom , Zl. 2011/05/0067, eine Lockerung dieser Judikatur für bloße Fälle der Betriebserweiterung ergeben. Bei der Auslegung dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes folge die erstinstanzliche Baubehörde dem Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. J vom . Die Aussagen in diesem Erkenntnis seien danach so auszulegen, dass für eine bloße Betriebserweiterung ein anderer Beurteilungsmaßstab anzuwenden sei, nämlich dass die zuständige Baubehörde im Baubewilligungsverfahren den Auswirkungen, die sie im Ermittlungsverfahren (bei betriebstypologischer Betrachtungsweise) für den präsumtiven Gesamtbetrieb feststelle, jene Immissionen gegenüberstelle, die im Rahmen des rechtskräftigen Baubewilligungskonsenses bereits vom bestehenden Stammbetrieb verursacht würden. Auf ihre Vereinbarkeit mit der Widmungskategorie "gemischtes Baugebiet" seien in der Folge nur jene Werte zu prüfen, die sich nach Vornahme der Betriebserweiterung gegenüber dem bewilligten Status-quo als erhöht darstellen würden. Hingegen schade es nicht, dass andere, durch die Erweiterung nicht verstärkte Auswirkungen im gemischten Baugebiet unzulässig seien. Es sei sohin eine zweistufige Ermittlung vorzunehmen: Im ersten Schritt seien in Anwendung der bisherigen Betriebstypentheorie jene Auswirkungen zu bestimmen, die nach Fertigstellung des Erweiterungsbaues für den Gesamtbetrieb zu erwarten seien. In einem zweiten Schritt seien die zuvor ermittelten Werte insgesamt den bereits vom bestehenden Baukonsens gedeckten Vergleichswerten des Stammbetriebes gegenüberzustellen. Wenn es zu keiner Überschreitung komme, hätten die durch die Erweiterung verursachten Auswirkungen bei der Beurteilung der Widmungskonformität des Erweiterungsbaues außer Betracht zu bleiben.
9 Der bautechnische Amtssachverständige habe festgestellt, dass der präsumtive Gesamtbetrieb (inklusive der geplanten Erweiterung) keine Anhebung der bereits durch den bestehenden Betrieb vorhandenen Schallimmissionen bewirke. Darüber hinaus würden durch den anzunehmenden Gesamtbetrieb für die südlich angrenzenden Wohnnachbarn die Immissionsgrenzwerte für gemischtes Baugebiet und für die Anrainer westlich der G Straße sogar die Immissionsgrenzwerte für Wohngebiet nach der Oö. Grenzwertverordnung eingehalten. Es komme sohin durch die Betriebserweiterung unter Einschluss der schon durch den konsentierten Betrieb verursachten Immissionen zu keiner Erhöhung der Immissionswerte. Auch der Amtssachverständige für Luftreinhaltung habe festgestellt, dass weder aus der Getränkeproduktion der geplanten Abfüllanlage noch aus den zusätzlichen LKW-Fahrten eine relevante Erhöhung der Luftschadstoffimmissionen bei den Nachbarn zu erwarten sei.
10 Da somit feststehe, dass die Erweiterungsmaßnahmen keine Immissionsverstärkung bewirken würden, sei auch evident, dass es zu keiner Überschreitung der vom bereits bestehenden Baukonsens gedeckten Immissionswerte des Stammbetriebes komme. Es liege daher keine wesentliche Störung durch die Betriebserweiterung im Sinne des § 22 Abs. 5 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden: ROG) vor und sei die Errichtung des Erweiterungsbaues in der Widmungskategorie "gemischtes Baugebiet" zulässig.
11 Die dagegen erhobenen Berufungen der mitbeteiligten Parteien wurden mit dem auf dem Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde A. vom beruhenden Bescheid vom abgewiesen. Aus der Begründung in der Berufungsentscheidung ergibt sich, dass die Berufungen der Zweitbis Viert- und der Zehnt- bis Dreizehntmitbeteiligten mangels zulässiger Einwendungen als unzulässig beurteilt wurden. Zu den als zulässig erachteten Berufungen der übrigen Mitbeteiligten, die alle die Frage der allfälligen Widmungswidrigkeit des vorliegenden Erweiterungsbaues in der Widmungskategorie gemischtes Baugebiet und damit die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype im Sinne § 31 Abs. 6 BO rechtzeitig geltend gemacht hätten, teilte die Berufungsbehörde die Ansicht der erstinstanzlichen Behörde, dass im Lichte des von der ersten Instanz angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2011/05/0067, eine Immissionsprüfung dahingehend vorzunehmen sei, ob es durch die Betriebserweiterung zu einer Verstärkung von Immissionen komme. Aufgrund der vorliegenden schlüssigen Gutachten der herangezogenen Amtssachverständigen sei diese Frage zutreffend verneint worden.
12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) in Spruchpunkt I. aus Anlass der Beschwerde der Erstmitbeteiligten den angeführten Berufungsbescheid vom "ersatzlos" auf und sprach aus:
"Der Antrag der S. ... Ges.m.b.H. vom auf
Erteilung der Baubewilligung zur Erweiterung der Getränkeproduktion durch zwei Hallenschiffe auf näher bezeichneten Grundstücken der KG A wird gemäß § 35 Abs. 1 Z 2 Oö. Bauordnung 1994 iVm Anlage 1 zur Oö. Betriebstypenverordnung 1997 abgewiesen."
13 In Spruchpunkt II. wurden die übrigen Mitbeteiligten (und Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) mit ihren Beschwerden auf Spruchpunkt I. verwiesen. In Spruchpunkt III. wurde eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.
14 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung in Spruchpunkt I. nach Darstellung des relevanten Sachverhaltes und Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen damit, dass sich die Parteistellung der Erstmitbeteiligten (der Oö. Umweltanwaltschaft) im vorliegenden Baubewilligungsverfahren aus § 32 Abs. 2 BO iVm § 5 Abs. 1 Oö. Umweltschutzgesetz (im Folgenden: USchG) ergebe. Danach sei die Oö. Umweltanwaltschaft berechtigt, Einwendungen zur Wahrung des Umweltschutzes, insbesondere zur Vermeidung von schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt, zu erheben. Die Erstmitbeteiligte habe geltend gemacht, dass für Betriebe mit industriellem Produktionscharakter andere Maßstäbe der Zulässigkeit im gemischten Baugebiet gälten. In der Einleitung der Anlage 1 zur BTypVO finde sich die Regelung, dass "Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, ... im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig (sind), wenn sie keinen industriellen Produktionscharakter aufweisen." Indem die erstinstanzliche Behörde von Anfang an festgestellt habe, dass es sich gegenständlich um einen Betrieb mit industriellem Produktionscharakter handle, wäre zu beachten gewesen, dass nach der Einleitung zur Anlage 1 BTypVO ein solcher Betrieb mit industriellem Produktionscharakter im gemischten Baugebiet, wie es im vorliegenden Fall gegeben sei, nicht zulässig sei. Weiters könnten die Überlegungen aus dem Gutachten von Univ. Prof. Dr. J im Zusammenhang mit dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht herangezogen werden, weil es für einen Mühlenbetrieb erstellt worden sei, für den ein Bebauungsplan bestanden habe, und der bestehende Mühlenbetrieb auch nicht ein solcher mit industriellem Produktionscharakter gewesen sei.
15 Mit diesem Vorbringen habe die Erstmitbeteiligte eine zulässige Einwendung zur Wahrung des Umweltschutzes im Sinne des § 5 Abs. 1 USchG erhoben.
16 Das Verwaltungsgericht verkenne nicht, dass im vorliegenden Fall - mangels einer Übergangsbestimmung - bereits § 21 Abs. 2a ROG in der Fassung der Novelle 2015 zu beachten sei. Demnach könnten Teile eines Betriebes, die sich emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype dieses Betriebes unterschieden (wie Büro- oder Lagernutzungen), auch in einer Widmungskategorie, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspreche, errichtet werden, wenn sie für sich gesehen in der betreffenden Widmungskategorie zulässig seien.
17 Eine Prüfung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens anhand dieser neuen raumordnungsrechtlichen Bestimmung komme für das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht in Betracht, weil der bestehende Betrieb der Revisionswerberin samt der geplanten Erweiterung unstrittig einen industriellen Produktionscharakter aufweise und der von der Erstmitbeteiligten angesprochene Einleitungssatz zur Anlage 1 zur BTypVO nach wie vor in Geltung stehe. Demnach seien Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet seien, im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig, wenn sie "keinen industriellen Produktionscharakter" aufwiesen. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass der bestehende Betrieb samt geplanter Erweiterung rechtlich als Einheit zu qualifizieren sei. Dies sei u.a. darin begründet, dass der Erweiterungsbau direkt an die bestehende Getränkeproduktionshalle angebaut werden solle, wobei zum Bestand eine offene Verbindung bestehen und innerbetriebliche Beförderungen dorthin erfolgen sollten. Der Gesamtbetrieb falle unbestritten unter Betriebstypen der Anlage 1 zur BTypVO, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet seien (nämlich Betriebstypus Gruppe 1: "B/M Erzeugung von Back- und Zuckerbäckerwaren"; Betriebstypus Gruppe 2: "B/M Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken und Fruchtsäften"). Die von der genannten Erweiterung betroffenen Grundstücke lägen im gemischten Baugebiet. Somit sei die beantragte Baubewilligung für die geplante Betriebserweiterung gemäß § 35 Abs. 1 Z 2 BO iVm Anlage 1 zu BTypVO wegen Widerspruchs zur Flächenwidmung zu versagen. Gegenteiliges ergebe sich auch aus der im Verwaltungsverfahren erwähnten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom und dem dazu erstellten angeführten Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. J nicht, weil dort keine Aussagen zum hier relevanten industriellen Produktionscharakter des in Frage stehenden Betriebes im Sinne der angeführten Anlage 1 getroffen würden.
18 Zu den anderen Mitbeteiligten und somit zu Spruchpunkt II. führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Zweit- bis Fünftmitbeteiligten sowie die Zehnt- bis Dreizehntmitbeteiligten die Einwendung zur Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie erstmals in der Berufung und damit nicht rechtzeitig erhoben hätten. Sie seien mit diesem Vorbringen präkludiert. Die erhobenen konkreten Immissionseinwendungen in Bezug auf den durch das Bauvorhaben verursachten Lärm und Geruch stellten im Lichte des § 31 Abs. 6 BO unzulässige Einwendungen der Nachbarn im baurechtlichen Verfahren dar. Abgesehen davon seien die Zweit- bis Fünftzehntmitbeteiligten aber angesichts der in Spruchpunkt I. erfolgten Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages der Revisionswerberin nicht mehr beschwert, weshalb auf das Vorbringen dieser Nachbarn (insbesondere auf jenes der Sechstbis Neunt- und Vierzehnt- bis Fünftzehntmitbeteiligten zur Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie) nicht mehr eingegangen habe werden müssen. Es könne dazu auf die Begründung zu Spruchpunkt I. verwiesen werden.
19 Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision (Spruchpunkt III.) wurde ausgeführt, dass - soweit erkennbar - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum maßgeblichen Einleitungssatz der Anlage 1 zur BTypVO vorliege, insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der Regelung des § 21 Abs. 2a Oö. ROG 1994 idF LGBl. Nr. 69/2015.
20 In der dagegen erhobenen Revision wird die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
21 Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrensakten vorgelegt. 22 Die Vierzehnt- und Fünftzehntmitbeteiligten haben eine Revisionsbeantwortung erstattet.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
24 Die vorliegende Revision ist angesichts der vom Verwaltungsgericht wie auch von der Revisionswerberin aufgezeigten Rechtsfrage, ob § 21 Abs. 2a ROG idF der Novelle 2015 dann nicht anzuwenden ist, wenn die in der Einleitung zur Anlage 1 der BTypVO angeführte Anordnung zum Tragen kommt (nach der Betriebe, die nach Anlage 1 grundsätzlich in den Widmungskategorien B/M errichtet werden dürfen, im gemischten Baugebiet (M) dann nicht zulässig sind, wenn es sich um einen Betrieb mit industriellem Produktionscharakter handelt), zulässig.
25 Die Revision ist auch berechtigt:
26 Im vorliegenden Fall ist die BO, LGBl. Nr. 66/1994, in der Fassung LGBl. Nr. 36/2008 (vgl. dazu Art. II Abs. 2 der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013, LGBl. Nr. 34) und LGBl. Nr. 90/2013 anzuwenden.
27 Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der BO
lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 31
Einwendungen der Nachbarn
(1) Nachbarn sind
1. bei Wohngebäuden ...
2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die
Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.
Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.
(1a) ...
(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die, Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. ...
(5) ...
(6) Bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen."
"§ 32
Bauverhandlung
(1) Wird der Antrag nicht gemäß § 30 zurückgewiesen oder abgewiesen, hat die Baubehörde über jeden Baubewilligungsantrag nach § 28 eine mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbindende mündliche Verhandlung (Bauverhandlung) gemäß den §§ 40 ff AVG durchzuführen, der mindestens ein Bausachverständiger beizuziehen ist. Zur Bauverhandlung sind jedenfalls die Parteien (insbesondere der Bauwerber und die Nachbarn einschließlich jener Miteigentümer, die im Sinn des § 31 Abs. 2 als Nachbarn gelten) sowie die zuständige Straßenverwaltung, der Planverfasser und der Bauführer, wenn er bereits bestimmt ist, zu laden. ...
(2) Soweit es sich nicht um Wohngebäude handelt, ist bei Bauvorhaben nach § 24 Abs. 1 Z 1 bis 3 auch die Oö. Umweltanwaltschaft als Partei (§ 5 Abs. 1 Oö. Umweltschutzgesetz 1996) zur Bauverhandlung zu laden. Entfällt die Bauverhandlung (Abs. 7), ist die Oö. Umweltanwaltschaft als Partei vom Baubewilligungsantrag vor Erteilung der Baubewilligung zu verständigen und zur Abgabe einer Stellungnahme binnen angemessener Frist aufzufordern.
..."
"§ 35
Entscheidung über den Baubewilligungsantrag
(1) Die Baubehörde hat über den Antrag gemäß § 28 einen
schriftlichen Bescheid zu erlassen. Sofern nicht eine
Zurückweisung oder eine Abweisung nach § 30 zu erfolgen hat, ist
die beantragte Baubewilligung zu erteilen, wenn
1. ...
2. das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen
des Flächenwidmungsplans und des Bebauungsplans sowie sonstigen
baurechtlichen Vorschriften nicht widerspricht und
3. ...
Andernfalls ist die beantragte Baubewilligung zu versagen ..."
28 § 21 Abs. 2a ROG, LGBl. Nr. 114/1993, idF LGBl. Nr. 69/2015, lautet wie folgt:
"(2a) Teile eines Betriebes, die sich emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype dieses Betriebes unterscheiden (wie Büro- oder Lagernutzungen), können auch in einer Widmungskategorie, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspricht, errichtet werden, wenn sie für sich gesehen in der betreffenden Widmungskategorie zulässig sind."
29 § 22 Abs. 5 ROG in der angeführten Fassung sieht Folgendes vor:
"(5) Als gemischte Baugebiete sind solche Flächen vorzusehen,
die vorrangig dazu dienen,
1. Klein- und Mittelbetriebe aufzunehmen, die auf Grund
ihrer Betriebstype die Umgebung nicht wesentlich stören;
2. Lagerplätze zu errichten, die nicht wesentlich stören;
3. sonstige Bauwerke und Anlagen, die in Wohngebieten
(Abs. 1) errichtet werden dürfen, sowie Büro- und
Verwaltungsgebäude aufzunehmen.
Zur funktionalen Gliederung kann in gemischten Baugebieten die Zulässigkeit von Bauwerken und Anlagen, die in Wohngebieten errichtet werden dürfen, eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. In einem solchen Fall dürfen, sofern nicht ausdrücklich in der Widmung ausgeschlossen, auch die zugeordneten Betriebswohnungen errichtet werden."
30 Die BTpyVO, LGBl. Nr. 111/1997, idF LGBl. Nr. 72/2001,
lautet auszugsweise:
"Anlage 1
zur
O.Ö. BETRIEBSTYPENVERORDNUNG 1997
Folgende Betriebe sind auf Grund ihrer Betriebstype den Widmungskategorien gemischtes Baugebiet (M), Betriebsbaugebiet (B) und Industriegebiet (I) zuzuordnen.
Betriebe, die den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, sind im gemischten Baugebiet (M) nur dann zulässig, wenn sie keinen industriellen Produktionscharakter aufweisen.
1. BETRIEBE ZUR ERZEUGUNG VON NAHRUNGS- UND GENUSSMITTELN
SOWIE VON TIEFKÜHLPRODUKTEN
...
B/M - Erzeugung von Back- und Zuckerbäckerwaren
...
2. BETRIEBE ZUR ERZEUGUNG VON GETRÄNKEN UND TABAKWAREN
...
B/M - Erzeugung von nichtalkoholischen Getränken und Fruchtsäften
..."
31 Die Revisionswerberin macht geltend, dass das Verwaltungsgericht die Regelung des § 21 Abs. 2a ROG idF der Novelle 2015 zu Unrecht im vorliegenden Fall nicht angewendet habe. Dies widerspreche insbesondere den Zielsetzungen, die der Landesgesetzgeber bei der Einführung dieser Bestimmung verfolgt habe. Die Revisionswerberin verweist dabei auf die Gesetzesmaterialien (1471 BlgLT 27. GP 12f; siehe dazu näher im Folgenden).
32 Dass diese neu geschaffene Möglichkeit des § 21 Abs. 2a ROG bestehenden Betrieben der Widmungskategorie B/M nicht offen stehen sollte, wenn diese über einen industriellen Produktionscharakter im Sinne des Einleitungssatzes der Anlage 1 zur BTypVO verfügten, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Zudem würde eine solche Auslegung dem von der angeführten Novelle verfolgten Ziel widersprechen, Betrieben durch das Abgehen vom vom Verwaltungsgerichtshof judizierten Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage gerade emissionsneutrale bzw. emissionsarme Betriebsentwicklungen zu ermöglichen. Dies müsste dann auch für bestehende Betriebe gelten, die nach der BTypVO lediglich im Betriebsbaugebiet zulässig wären. Diese Auslegung widerspreche auch dem allgemeinen Grundsatz, wonach überflüssige bzw. inhaltsleere Aussagen dem Gesetzgeber im Zweifel nicht zu unterstellen seien. Auch verlange der Grundsatz der rechtskonformen Interpretation, dass Rechtsnormen so ausgelegt würden, dass sie mit höherrangigem Recht im Einklang stünden. In diesem Sinne wäre die verfahrensgegenständliche Erweiterung im Lichte der Regelung des § 21 Abs. 2a ROG auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen.
33 Das Verwaltungsgericht hätte daher Feststellungen dazu treffen müssen, ob sich die beantragte Erweiterung emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype des bestehenden Betriebes der Revisionswerberin unterscheide und ob unter Abgehen vom Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage die Erweiterung für sich gesehen in der Widmungskategorie gemischtes Baugebiet zulässig sei.
34 Diesem Vorbringen der Revisionswerberin kommt Berechtigung zu.
35 § 21 Abs. 2a ROG kommt bei Vorliegen folgender zwei Voraussetzungen zur Anwendung. Zum einen muss es sich um die Errichtung von Teilen eines Betriebes handeln, die sich emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype dieses Betriebes unterscheiden (wie Büro- oder Lagernutzungen); zum anderen muss es um die Errichtung derartiger Teile eines Betriebes in einer Widmungskategorie gehen, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspricht.
36 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der in der Einleitung zur Anlage 1 der BTypVO enthaltenen Anordnung, dass Betriebe, die nach der Anlage 1 den Widmungskategorien B/M zugeordnet sind, im gemischten Baugebiet dann nicht zulässig sind, wenn sie einen industriellen Produktionscharakter aufweisen. Aus dieser Anordnung ergibt sich für den verfahrensgegenständlichen Betrieb der Revisionswerberin mit industriellem Produktionscharakter, dass die Widmungskategorie gemischtes Baugebiet eine solche ist, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspricht. Die Widmungskategorie, die dem vorliegenden Getränkeerzeugungsbetrieb mit industriellem Produktionscharakter von der Betriebstype her entspricht, ist die Widmungskategorie Betriebsbaugebiet. Es ist daher die Voraussetzung des § 21 Abs. 2a ROG im vorliegenden Fall erfüllt, dass die Errichtung von Teilen eines Betriebes in einer Widmungskategorie beantragt ist, die nicht der Betriebstype dieses Betriebes entspricht. Es kann somit der Ansicht des Verwaltungsgerichtes nicht gefolgt werden, dass für Betriebe mit industriellem Produktionscharakter, die nach der BTypVO nur in der Widmungskategorie Betriebsbaugebiet und nicht im gemischten Baugebiet zulässig sind, in dem Falle, dass eine Erweiterung des Betriebes - wie im vorliegenden Fall - auf einer Fläche mit der Widmungskategorie gemischtes Baugebiet vorgesehen ist, § 21 Abs. 2a ROG nicht anzuwenden wäre.
37 Für diese Auslegung des § 21 Abs. 2a ROG sprechen auch die von der Revisionswerberin zutreffend angeführten Gesetzesmaterialien (1471 BlgLT 27. GP 12f) zu der genannten Novelle des ROG aus dem Jahre 2015.
38 Darin wird Folgendes ausgeführt:
"Zu Art. I Z 28 (§ 21 Abs. 2a):
Derzeit besteht eine rechtlich unbefriedigende Situation für angestrebte Entwicklungen und Erweiterungen von Betrieben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von der Einheit der Betriebstype auszugehen, sodass auch für geplante nicht wesentlich störende Betriebserweiterungen (zB Lager und Büro) dieselben Widmungsvoraussetzungen wie für die bestehenden (emissionsstärkeren) Betriebsanlagenteile erfüllt werden müssen. Dadurch wurden in der Vergangenheit beispielsweise auch emissionsneutrale bzw. emissionsarme Betriebsentwicklungen erschwert oder verhindert.
Durch diese Novellierung sollen vor allem betriebliche Erweiterungen, aber in Einzelfällen auch Neuansiedlungen durch räumlich-funktionale Gliederungen, etwa durch Zonierungen in Produktion im Betriebsbaugebiet, Verwaltung, Büro und Lager im eingeschränkten gemischten Baugebiet, ausdrücklich ermöglicht werden. Damit soll insbesondere eine Absicherung bestehender Betriebsstandorte unter Wahrung der Nachbarrechte gewährleistet und den Gemeinden mehr Planungsspielraum bei Neuansiedlungen eingeräumt werden. Mit dieser gesetzlichen Neuregelung wird somit künftig vom judizierten Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage abgegangen."
39 Mit dieser Novelle wollte der Landesgesetzgeber eine Einschränkung des vom Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Betriebstypenprüfung judizierten Grundsatzes der Einheit des Betriebes dahingehend erreichen, dass emissionsneutrale bzw. emissionsarme Betriebsentwicklungen auch in anderen Widmungskategorien als jener, der der Betrieb an sich zuzuordnen ist, möglich sein sollen. Der Gesetzgeber bezog sich damit auf alle Fälle von emissionsarmen bzw. -neutralen Teilen von Betrieben, deren Errichtung nunmehr auch auf Grundstücken mit einer Widmungskategorie zulässig sein soll, der der Betriebstyp dieses Betriebes nicht entspricht.
40 Das Verwaltungsgericht hätte somit § 21 Abs. 2a ROG anzuwenden gehabt und allenfalls unter Heranziehung von Sachverständigen prüfen müssen, ob die in Frage stehenden Teile des Betriebes als solche zu qualifizieren sind, die sich emissionsseitig wesentlich von der Betriebstype dieses Betriebes unterscheiden. Inwiefern sich die in Frage stehenden Teile eines Betriebes emissionsseitig von der Betriebstype unterscheiden müssen, zeigt der Gesetzgeber insofern näher auf, als er als Beispiel für derartige emissionsseitig wesentlich unterschiedliche Betriebsteile im Gesetzestext selbst die Büro- oder Lagernutzung anführt.
41 Wäre dies zu bejahen, wäre weiters gemäß § 21 Abs. 2a ROG unter allfälliger Heranziehung von Sachverständigen die Frage zu behandeln, ob diese Teile des Betriebes für sich betrachtet in der Widmungskategorie gemischtes Baugebiet zulässig sind.
42 Da das Verwaltungsgericht § 21 Abs. 2a ROG in rechtswidriger Weise im vorliegenden Fall als nicht anwendbar erachtete, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass auf das übrige Revisionsvorbringen nicht einzugehen war. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
43 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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