VwGH vom 23.01.2012, 2007/10/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Schick, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der M P in Wien, vertreten durch Lansky, Ganzger Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-SOZ/53/9671/2006, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Rücküberweisung von einbehaltener Mietbeihilfe in Angelegenheiten der Sozialhilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhielt in der Zeit vom Oktober 2003 bis einschließlich Dezember 2004, jeweils aufgrund von Bescheiden des Magistrats der Stadt Wien, Geldaushilfen nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG). Die Höhe dieser Geldaushilfen wurde ermittelt, indem der Richtsatz für Alleinunterstützte zuzüglich der höchstmöglichen Mietbeihilfe nach der Richtsatzverordnung in Anschlag gebracht und als Einkommen der Beschwerdeführerin ihr Pensionsvorschuss einbezogen wurde.
Mit Schreiben vom verständigte die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Beschwerdeführerin davon, dass ein Anspruch auf eine Invaliditätspension ab anerkannt werde und "bis auf weiteres" gegen nachträgliche Verrechnung eine vorläufige Leistung gewährt werde. Die für die Zeit vom bis gebührende Nachzahlung werde zur Deckung von Ersatzforderungen des Arbeitsmarktservice und des Magistrats der Stadt Wien vorerst einbehalten.
Mit Bescheid der PVA vom wurde der Beschwerdeführerin eine Invaliditätspension ab gewährt.
Mit Schreiben vom teilte die PVA der Beschwerdeführerin mit, dass von dem laut Schreiben vom einbehaltenen Nachzahlungsbetrag ein Betrag in Höhe von EUR 2.380,02 an den Magistrat der Stadt Wien überwiesen worden sei.
Mit Bescheid der PVA vom wurde der Beschwerdeführerin ab auch eine Ausgleichszulage gewährt.
Nachdem die Stadt Wien mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass der ab entstandene Sozialhilfeaufwand für die Beschwerdeführerin insgesamt EUR 5.650,50 betrage, teilte die PVA der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom mit, dass aus den einbehaltenen Nachzahlungsbeträgen weitere EUR 3.270,48 an die Stadt Wien überwiesen worden seien.
Mit Schreiben vom bestätigte der Magistrat der Stadt Wien gegenüber der Beschwerdeführerin, dass der bei der PVA angemeldete Betrag in der Höhe von EUR 5.650,50 in der Zwischenzeit zur Gänze von der PVA zurückerstattet worden sei.
Mit Schreiben ihres Sachwalters vom brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr sei für die Zeit von Oktober 2003 bis einschließlich Dezember 2004 Mietbeihilfe ausbezahlt worden, und zwar für den gesamten Zeitraum in Höhe von EUR 3.223,42. Sie stelle daher den Antrag "auf Rücküberweisung der gesamten einbehaltenen Mietbeihilfe", weil sie ihrer Ansicht nach bei laufendem Pensionsbezug Anspruch auf diesen Betrag habe und der Einbehalt des Mietanteils zu Unrecht erfolgt sei. Dies folge nicht zuletzt daraus, das ihr ungeachtet des Bezugs ihrer Pension und ihrer Ausgleichszulage vom Magistrat der Stadt Wien weiterhin Mietbeihilfe gewährt werde. Für den Fall der Ablehnung des Antrages werde um Ausstellung eines Bescheides ersucht.
Nachdem der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom diesen Antrag - gemäß § 8 Abs. 1, § 12, § 13 Abs. 1, § 26 und § 28 WSHG idF: LGBl. Nr. 15/2005 iZm. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 4 und § 5 der Richtsatzverordnung - abgewiesen hatte, erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie beantragte, die Berufungsbehörde möge den erstbehördlichen Bescheid dahin abändern, dass der Beschwerdeführerin "jedenfalls die Rücküberweisung der zu Unrecht einbehaltenen Mietbeihilfen in der Höhe des von der Erstbehörde errechneten Betrages von EUR 2.691,42 zugesprochen wird; weiters die Rücküberweisung der darüber hinaus zu Unrecht einbehaltenen Mietbeihilfen in der Höhe von EUR 532,00 (sodass sich ein Gesamtbetrag von EUR 3.223,42 ergibt) zugesprochen wird".
Mit Bescheid vom bestätigte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (UVS) den erstbehördlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass der Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen werde. Begründend führte der UVS aus, das an die Erstbehörde gerichtete Begehren der Beschwerdeführerin laute auf Rückerstattung jener Teile der für sie geleisteten Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (Mietbeihilfe), die ihrer Meinung nach unberechtigter Weise als Bestandteil einer Erstattungsforderung gegenüber dem Pensionsversicherungsträger geltend gemacht worden seien. Das WSHG enthalte jedoch keinerlei Bestimmung, die als Grundlage für einen solchen Antrag in Frage komme. Lediglich dadurch, dass der Pensionsversicherungsträger den Erstattungsbetrag mit den Forderungen der Beschwerdeführerin auf Pensionsnachzahlung verrechnet und sich solcher Art der nachzuzahlende Betrag verringert habe, wäre eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Rechten denkbar. In einem solchen Fall habe die Beschwerdeführerin aber den von ihr angesprochenen Differenzbetrag, der sich aus den Mietbeihilfen im fraglichen Zeitraum zusammensetze, gegenüber dem Pensionsversicherungsträger geltend zu machen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gewährung der Sozialhilfe im Zeitraum Oktober 2003 bis einschließlich Dezember 2004 verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, beantragt aber die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des WSHG lauteten (auszugsweise):
"2. ABSCHNITT
HILFE ZUR SICHERUNG DES LEBENSBEDARFES
Anspruch
§ 8. (1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Gemeinschaft oder Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
…
§ 12. Der Lebensunterhalt umfaßt insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.
§ 13. (1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen. Erfolgt eine Neufestsetzung der Richtsätze durch Verordnung der Landesregierung oder ergibt sich eine Änderung des Einkommens des Hilfesuchenden oder der der bisherigen Berechnung der Sozialhilfeleistung zu Grunde liegenden Situation des Hilfesuchenden, so sind Ansprüche nach diesem Gesetz rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Neufestsetzung der Richtsätze oder der Änderung des Einkommens oder der Situation neu zu berechnen.
…
6. ABSCHNITT
ERSATZ VON LEISTUNGEN ZUR SICHERUNG DES LEBENSBEDARFES
…
Ersatz durch den Empfänger der Hilfe und seine Erben
§ 26. (1) Der Empfänger der Hilfe ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet,
1. soweit er über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hiezu gelangt, oder
2. wenn er innerhalb der letzten drei Jahre vor der Zeit der Hilfeleistung, weiters während der Hilfeleistung oder innerhalb von drei Jahren nach ihrer Beendigung durch Rechtshandlungen oder diesbezüglich wirksame Unterlassungen, wie etwa die Unterlassung des Antrittes einer Erbschaft, die Mittellosigkeit selbst verursacht hat.
Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde.
(2) Die Kosten der folgenden Leistungen sind vom Empfänger der Hilfe jedenfalls nicht zu ersetzen:
1. aller Leistungen, mit Ausnahme der in Abs. 3 angeführten, die ihm vor Erreichung der Volljährigkeit gewährt wurden,
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2. | der Hilfe für werdende Mütter oder Wöchnerinnen |
3. | der Leistungen anläßlich einer Erkrankung an einer anzeigepflichtigen Krankheit im Sinne des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186, |
4. | der Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung. |
… | |
Ersatz durch die Träger der Sozialversicherung |
§ 28. Für die Ersatzansprüche gegen die Träger der Sozialversicherung gelten die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen über die Beziehungen der Versicherungsträger zu den Sozialhilfeträgern einschließlich der darauf Bezug nehmenden Verfahrensvorschriften.
…"
1.2. § 324 ASVG idF. BGBl. I Nr. 145/2003 lautete (auszugsweise):
"Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe
§ 324. (1) Unterstützt ein Träger der Sozialhilfe auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung bzw. eine Dienststelle des Bundes oder eines Landes auf Grund der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde einen Hilfsbedürftigen für eine Zeit, für die er einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung nach diesem Bundesgesetz hat, so hat der Versicherungsträger dem Träger der Sozialhilfe bzw. dem Bund oder Land die von diesem geleisteten Unterstützungen gemäß den Bestimmungen der §§ 325 bis 328 zu ersetzen, jedoch bei Geldleistungen nur bis zur Höhe der Versicherungsleistung, auf die der Unterstützte während dieser Zeit Anspruch hat; für Sachleistungen sind, soweit nicht eine Abgeltung nach § 328 Platz greift, dem Träger der Sozialhilfe die erwachsenen Kosten soweit zu ersetzen, als dem Versicherungsträger selbst Kosten für derartige Sachleistungen erwachsen wären. Das gleiche gilt, wenn Angehörige des Berechtigten unterstützt werden, für solche Ansprüche, die dem Berechtigten mit Rücksicht auf diese Angehörigen zustehen.
(2) Der Ersatz nach Abs. 1 gebührt sowohl für Sachleistungen als auch für Geldleistungen, für letztere jedoch nur, wenn sie entweder während des Laufes des Verfahrens zur Feststellung der Versicherungsleistung oder bei nachgewiesener nicht rechtzeitiger Auszahlung einer bereits festgestellten Versicherungsleistung gewährt werden.
…"
2. Die Beschwerde ist im Ergebnis unbegründet.
2.1. Unstrittig ist im Beschwerdefall die Höhe der von der Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum bezogenen Geldaushilfen sowie die Höhe des von der PVA an die Stadt Wien überwiesenen Betrages. Ebenso unstrittig ist, dass der Beschwerdeführerin rückwirkend ab eine Invaliditätspension sowie eine Ausgleichszulage gewährt wurde.
2.2. In der Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe mit ihrem verfahrenseinleitenden Antrag eine rückwirkende Neubemessung der Sozialhilfeleistungen nach dem WSHG beantragt.
Dazu ist festzuhalten, dass weder die Formulierung des verfahrenseinleitenden Antrages vom noch der Berufungsantrag eine solche rückwirkende Neubemessung der Sozialhilfe, deren Zulässigkeit hier nicht untersucht zu werden braucht, erwähnt. Diese Anträge waren zweifelsfrei auf die nach Auffassung der Beschwerdeführerin gebotene "Rücküberweisung" vermeintlich zu Unrecht "einbehaltener" (gemeint: rückabgewickelter) Mietbeihilfe für den maßgeblichen Zeitraum in näher genanntem Ausmaß gerichtet.
Wie die belangte Behörde zutreffend erkennt, ist eine derartige Entscheidung über eine Rücküberweisung von - im Wege des Ersatzes nach § 324 ASVG - vermeintlich zu Unrecht rückabgewickelter Sozialhilfeleistungen im WSHG nicht vorgesehen. Da auch keine Zuständigkeit einer anderen Behörde besteht, ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, dass sie keine Weiterleitung an eine andere Behörde nach § 6 Abs. 1 AVG vorgenommen, sondern den Antrag als unzulässig zurückgewiesen hat.
Es kann bei diesem Ergebnis dahinstehen, auf welchem Weg eine Entscheidung darüber erlangt werden kann, ob der Sozialhilfeträger zu Recht den Ersatz nach § 324 Abs. 1 ASVG der im maßgeblichen Zeitraum von ihm geleisteten Geldaushilfe von der PVA in voller Höhe geltend gemacht hat (vgl. in diesem Zusammenhang die Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes vom , 10ObS95/97m, vom , 3Ob248/05z, und vom , 10ObS124/07v, sowie die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg Nr. 17684, und vom , VfSlg Nr. 18439).
2.3. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
KAAAE-92953