VwGH vom 28.02.2018, Ra 2015/04/0087

VwGH vom 28.02.2018, Ra 2015/04/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des Finanzamtes Klagenfurt, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W214 2009971- 1/52E, betreffend eine Beschwerde nach dem Datenschutzgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: Dr. V I in F, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit der am bei der Datenschutzkommission (nunmehr: Datenschutzbehörde) eingebrachten Beschwerde machte die mitbeteiligte Partei geltend, durch in einem Artikel der K vom veröffentlichte Mitteilungen des Hofrat R, "Wir haben entsprechende Erhebungen aufgenommen" und "Herr (...) wird demnächst vorgeladen" in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten gemäß § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 verletzt worden zu sein.

2 2. Mit Bescheid vom gab die Datenschutzbehörde der Beschwerde statt und stellte fest, die mitbeteiligte Partei sei von der revisionswerbenden Partei dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden, dass diese über Anfrage eines Journalisten Auskunft über ein anhängiges Verfahren wegen des Verdachts von - von der mitbeteiligten Partei zu verantwortenden - Verwaltungsübertretungen gegeben habe.

3 3. Das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) wies die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

4 In seiner Begründung hielt das Verwaltungsgericht zunächst zur Anwendbarkeit des Datenschutzgesetzes 2000 fest, ein Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung von Daten könne in nahezu jeder Form und somit auch durch mündliche Übermittlung erfolgen. Die mündliche oder schriftliche Bekanntgabe, dass gegen eine bestimmte Person (kriminalpolizeiliche) Ermittlungen geführt werden, sei daher - ebenso wie die Bekanntgabe von einzelnen detaillierten Fakten - eine für das Recht auf Geheimhaltung dieses Betroffenen relevante Datenübermittlung.

5 Der Eingriff einer staatlichen Behörde in das Grundrecht auf Datenschutz bedürfe nach § 1 Abs. 2 DSG 2000 einer gesetzlichen Grundlage. Im gegenständlichen Fall handle es sich um die Verwendung von Daten über den Verdacht der Begehung von Straftaten, weshalb die Zulässigkeit einer Datenverwendung ausschließlich an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 DSG 2000 zu prüfen sei. Diese Bestimmung enthalte keinen die erfolgte Übermittlung rechtfertigenden Tatbestand. Eine materiengesetzliche Rechtfertigung im Sinn des § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 Z 1 DSG 2000 bestehe nicht und werde von der revisionswerbenden Partei auch nicht behauptet. Die Anwendung des § 8 Abs. 4 Z 3 zweiter Tatbestand DSG 2000 komme ebenso nicht in Betracht, weil diese Bestimmung lediglich einen Rechtfertigungstatbestand für die Verwendung strafrechtsbezogener Daten durch private Auftraggeber enthalte. Selbst wenn man entgegen den Erläuterungen zum DSG 2000 und entgegen der herrschenden Lehre eine Anwendung im öffentlichen Bereich bejahen würde, komme § 8 Abs. 4 Z 3 zweiter Tatbestand DSG 2000 schon deshalb nicht zum Tragen, weil der dort vorgesehene Tatbestand nicht erfüllte wäre. Es könne nämlich keineswegs davon ausgegangen werden, dass bei einer Weitergabe von Informationen an Medien zum Zweck der Veröffentlichung "die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet".

6 Durch die Bestätigung der von der revisionswerbenden Partei gegen die - auf Grund ihrer Tätigkeiten medial in der Öffentlichkeit stehende - mitbeteiligte Partei geführten Ermittlungen wegen des Verdachts von Verwaltungsübertretungen gegenüber einem Redakteur habe die revisionswerbende Partei die mitbeteiligte Partei betreffende strafrechtsbezogene Daten unrechtmäßig übermittelt und ermöglicht, dass diese publik gemacht worden seien. Der Ansicht der revisionswerbenden Partei, wonach sich aus der Formulierung des Spruches des Bescheides der belangten Behörde "Auskunft (...) gegeben" ergebe, dass der leitende Organwalter aktiv Informationen weitergegeben und diese nicht bloß bestätigt habe, sei nicht zu folgen. Auch die Bestätigung des Vorhandenseins einer Anzeige stelle eine "Beauskunftung" dar. Schließlich ließe sich die gegenständliche Auskunft auch nicht durch das Auskunftspflichtgesetz rechtfertigen, weil vorliegend eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht (Grundrecht auf Datenschutz) einer Beauskunftung entgegenstünde.

7 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

8 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt. Die mitbeteiligte Partei sah von einer Revisionsbeantwortung ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 1. Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Entscheidung in der gegenständlichen Sache hänge von der Lösung der Rechtsfrage ab, welche Daten von § 1 Abs. 1 DSG 2000 erfasst seien. Diese Frage sei vom Verwaltungsgericht unrichtig beantwortet worden.

10 Die Zulässigkeit der Revision wird zudem damit begründet, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob § 8 Abs. 4 Z 3 zweiter Fall DSG 2000 auch im "öffentlichen Bereich" anwendbar sei. Das Verwaltungsgericht habe diese Frage zu Unrecht verneint.

11 Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich jedoch als nicht berechtigt.

12 2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 83/2013, lauten auszugsweise wie folgt:

"Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene

Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur

Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung

geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher

Bestimmungen

1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über

ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet

werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;

2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das

Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig."

"Definitionen

§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. ‚Daten' ("personenbezogene Daten"): Angaben über Betroffene (Z 3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; "nur indirekt personenbezogen" sind Daten für einen Auftraggeber (Z 4), Dienstleister (Z 5) oder Empfänger einer Übermittlung (Z 12) dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, daß dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann;

2. bis 3. (...)

4. Auftraggeber: natürliche oder juristische Personen,

Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft

beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie

allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen

haben, Daten zu verwenden (Z 8), unabhängig davon, ob sie die

Daten selbst verwenden (Z 8) oder damit einen Dienstleister (Z 5)

beauftragen. Sie gelten auch dann als Auftraggeber, wenn der mit

der Herstellung eines Werkes beauftragte Dienstleister (Z 5) die

Entscheidung trifft, zu diesem Zweck Daten zu verwenden (Z 8), es

sei denn dies wurde ihm ausdrücklich untersagt oder der

Beauftragte hat auf Grund von Rechtsvorschriften oder

Verhaltensregeln über die Verwendung eigenverantwortlich zu

entscheiden;

5. bis 15. (...)"

"Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung

nicht-sensibler Daten

§ 8. (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind

bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder

Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder

2. der Betroffene der Verwendung seiner Daten zugestimmt

hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die

Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder

3. lebenswichtige Interessen des Betroffenen die Verwendung

erfordern oder

4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers

oder eines Dritten die Verwendung erfordern.

(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem

Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die

Verwendung der Daten

1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine

wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich

übertragenen Aufgabe ist oder

2. durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in

Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht oder

3. zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines Dritten

erforderlich ist oder

4. zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zwischen

Auftraggeber und Betroffenem erforderlich ist oder

5. zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von

Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist

und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden oder

6. ausschließlich die Ausübung einer öffentlichen Funktion

durch den Betroffenen zum Gegenstand hat oder

7. im Katastrophenfall, soweit dies zur Hilfeleistung für

die von der Katastrophe unmittelbar betroffenen Personen, zur

Auffindung und Identifizierung von Abgängigen und Verstorbenen und

zur Information von Angehörigen notwendig ist; im letztgenannten

Fall gilt § 48a Abs. 3.

(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder

verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen,

insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten,

sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende

Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur

dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des

Betroffenen, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder

Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht oder

2. die Verwendung derartiger Daten für Auftraggeber des

öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur

Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder

3. sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten

aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet oder

4. die Datenweitergabe zum Zweck der Erstattung einer

Anzeige an eine zur Verfolgung der angezeigten strafbaren Handlungen (Unterlassungen) zuständige Behörde erfolgt."

"Beschwerde an die Datenschutzbehörde

§ 31. (1) (...)

(2) Die Datenschutzbehörde erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.

(3) bis (6) (...)

(7) Soweit sich eine Beschwerde nach Abs. 1 oder 2 als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben und die Rechtsverletzung festzustellen. Ist eine festgestellte Verletzung im Recht auf Auskunft (Abs. 1) einem Auftraggeber des privaten Bereichs zuzurechnen, so ist diesem auf Antrag zusätzlich die - allenfalls erneute - Reaktion auf das Auskunftsbegehren nach § 26 Abs. 4, 5 oder 10 in jenem Umfang aufzutragen, der erforderlich ist, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist, ist sie abzuweisen.

(8) (...)"

"Bescheide der Datenschutzbehörde

§ 38. (1) Partei in Verfahren vor der Datenschutzbehörde sind auch die Auftraggeber des öffentlichen Bereichs.

(2) bis (3) (...)"

"Revision beim Verwaltungsgerichtshof

§ 40. Revision beim Verwaltungsgerichtshof können auch Parteien gemäß § 38 Abs. 1 erheben."

13 3.1. Die revisionswerbende Partei bringt vor, die im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsansicht, wonach die mündliche Bekanntgabe bzw. Bestätigung, dass gegen eine bestimmte Person (kriminalpolizeiliche) - gegenständlich finanzpolizeiliche bzw. verwaltungsstrafrechtliche - Ermittlungen geführt werden, eine für das Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 relevante Datenübermittlung darstelle, sei unrichtig. Der Datenbegriff des § 1 Abs. 1 DSG 2000 umfasse nur automationsunterstützt verarbeitet Daten sowie Daten in strukturierten manuellen Dateien. Da die gegenständlichen Äußerungen weder aus einer automationsunterstützten Datenverarbeitung noch aus einer strukturierten manuellen Datei stammten, sei ein Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung ausgeschlossen und das angefochtene Erkenntnis daher rechtswidrig.

14 3.2. Mit diesem Vorbringen übersieht die revisionswerbende Partei, dass die Abs. 1 und 3 in § 1 DSG 2000 jeweils einen unterschiedlich weiten Anwendungsbereich aufweisen.

§ 1 Abs. 3 DSG 2000 bezieht sich ausschließlich auf automationsunterstützt verarbeitete Daten und Daten in manuellen Dateien und räumt jedermann ein Recht auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung solcher Daten ein.

Eine solche Einschränkung ist dem im vorliegenden Fall relevanten § 1 Abs. 1 DSG 2000, der einen jedermann zustehenden Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden "personenbezogenen Daten" normiert (soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht), hingegen nicht zu entnehmen. § 1 Abs. 1 DSG 2000 schränkt den Geheimhaltungsanspruch lediglich dahingehend ein, dass ein schutzwürdiges Interesse ausgeschlossen ist, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

15 § 1 Abs. 1 DSG 2000 gewährt somit einen umfassenden Geheimhaltungsanspruch personenbezogener Daten, unabhängig von den technisch-organisatorischen Bedingungen ihrer Verarbeitung (vgl. Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht (2010) Rz. 2/12, Ennöckl, Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung (2014) 160 und Eberhard, Art. 1 DSG, in:

Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht Rz. 38 (2016)). Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 19.937/2014 (zuletzt bestätigt durch ) ausgesprochen, dass das Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 - anders als etwa das bei der Datenschutzbehörde durchsetzbare Recht auf Löschung gemäß § 1 Abs. 3 DSG 2000 - nicht auf automationsunterstützt verarbeitete Daten oder manuelle Daten eingeschränkt ist (vgl. zu dieser Unterscheidung auch ). Der davon abweichenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (vgl. ), auf die die revisionswerbende Partei verweist, ist im Schrifttum - gestützt auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 DSG 2000 sowie historische und unionsrechtliche Erwägungen - überzeugend entgegengetreten worden (vgl. Ennöckl, aaO, 161 ff).

16 Die im vorliegenden Fall erfolgte Auskunftserteilung durch die revisionswerbende Partei fällt daher in den Schutzbereich des in § 1 Abs. 1 DSG 2000 normierten Rechts auf Geheimhaltung.

17 4.1. Die revisionswerbende Partei erachtet weiters die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 enthalte lediglich einen Rechtfertigungstatbestand für die Verwendung strafrechtsbezogener Daten durch private Auftraggeber, als unrichtig. Das Verwaltungsgericht stütze sich hier lediglich auf die Gesetzesmaterialien und eine einzelne Literaturmeinung, der jegliche Begründung fehle. Es sei auch nicht einsichtig, warum einem privaten Auftraggeber eine weitergehende Verwendung strafrechtsbezogener Daten erlaubt sein solle als einem öffentlichen Auftraggeber.

18 4.2. Die Weitergabe von Informationen über Verwaltungsstrafverfahren ist - wie auch vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - nach § 8 Abs. 4 DSG 2000 zu beurteilen (vgl. Flendrovsky, BVwG: Behördliche Medieninformation über Verwaltungsstrafverfahren unzulässig, jusIT 1/2016, 34). Strafrechtsbezogene Daten sind nach der Datenschutzrichtlinie nicht "sensible Daten", sie werden aber - ausweislich der Erläuterungen zu § 8 Abs. 4 DSG 2000 (vgl. RV 1613 BlgNR 20. GP 41) - "in die Nähe dieser Daten gerückt". Die Verarbeitung strafrechtsbezogener Daten muss daher möglichst beschränkt bleiben, weshalb die Z 3 in § 8 Abs. 4 DSG 2000 - so die Erläuterungen - Grenzen zieht, "innerhalb welcher die Verwendung dieser Daten auch durch private Auftraggeber zulässig sein soll". Der Struktur nach wird das Regelungsregime zur Verwendung strafrechtsrelevanter Daten als Mischform zwischen den Bestimmungen in Bezug auf nicht sensible Daten und sensible Daten angesehen (vgl. Ennöckl, aaO, 386 f).

19 Der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 lässt - anders als beispielsweise § 8 Abs. 4 Z 2 DSG 2000, der explizit vom "Auftraggeber des öffentlichen Bereichs" spricht - offen, ob dieser Tatbestand für Auftraggeber des öffentlichen und/oder des privaten Bereichs Anwendung findet. Auch die Gesetzesmaterialien bringen diesbezüglich keine hinreichende Klarstellung. Die bereits wiedergegebene Formulierung in den Erläuterungen (arg: "auch durch private Auftraggeber") könnte - wie die Revision meint - so gelesen werden, dass § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich Anwendung findet. Die Formulierung könnte aber ebenso auf die vorangehenden Tatbestände der Z 1 und 2 des § 8 Abs. 4 DSG 2000, die primär für Auftraggeber des öffentlichen Bereiches gelten, Bezug nehmen und damit zum Ausdruck bringen, dass die Verwendung strafrechtsbezogener Daten im Wege der Z 3 "auch" durch private Auftraggeber ermöglicht werden soll (die ebenfalls für private Auftraggeber geltende Z 4 ist erst durch die Novelle BGBl. I Nr. 133/2009 hinzugekommen).

20 Auch im Schrifttum wird angenommen, dass sich § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 auf Grund der dort normierten Voraussetzungen ausschließlich an Auftraggeber des privaten Bereichs richte. Die (im vorliegenden Fall einschlägige) zweite Alternative dieser Bestimmung, die eine allgemeine Interessenabwägungsklausel für den Bereich der strafrechtsrelevanten Daten normiert, sei demnach vor allem für Fälle gedacht, in denen von Bewerbern für bestimmte berufliche Tätigkeiten, die eine besondere Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers verlangen, der Nachweis der Unbescholtenheit in Form einer Strafregisterauskunft verlangt werde (vgl. Jahnel, aaO, Rz. 4/68, und Ennöckl, aaO, 387 und 391).

21 Für eine solche enge Auslegung spricht insbesondere der - durch ihre generalklauselartige Ausgestaltung bedingte - geringe Determinierungsgrad dieser Bestimmung:

§ 8 Abs. 4 Z 3 zweiter Fall DSG 2000 normiert in Bezug auf strafrechtsbezogene Daten unbestimmt und offen, dass kein Verstoß gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen vorliegt, wenn sich die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus "sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt". Eingeschränkt wird dieser Ausnahmetatbestand lediglich durch die allgemeine Vorgabe, dass "die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet". Es erfolgt aber weder eine Präzisierung der Interessen des Auftraggebers, die in die Abwägung einfließen, noch eine Einschränkung in der Weise, wie sie etwa § 8 Abs. 4 Z 2 DSG 2000 normiert, nämlich dass die Verwendung der Daten eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer dem Auftraggeber gesetzlich übertragenen Aufgabe sein muss.

22 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten durch Eingriffe einer staatlichen Behörde wegen des Gesetzesvorbehalts des § 1 Abs. 2 DSG 2000 nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist (vgl. VfSlg. 18.643/2008). Die Grundkonstruktion des Eingriffsvorbehalts des § 1 Abs. 2 DSG 2000 geht somit davon aus, dass der Gesetzgeber in der jeweiligen materiengesetzlichen Regelung die Voraussetzungen und Grenzen zulässiger Eingriffe in das Recht auf Datenschutz durch staatliche Auftraggeber festzulegen, zu konkretisieren und zu begrenzen hat (vgl. , sowie Ennöckl, aaO, 368, mwN). § 1 Abs. 2 DSG 2000 gilt allerdings nur für Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz durch staatliche Behörden. Damit sind an den Determinierungsgrad solcher gesetzlichen Befugnisse zugunsten privater Auftraggeber von Verfassung wegen geringere Anforderungen zu stellen (Ennöckl, aaO, 369).

23 Da die generalklauselartige Ermächtigung in § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 den Anforderungen an - mit der Verfassung in Einklang stehende - Grundrechtseingriffe staatlicher Behörde somit nicht entsprechen würde, ist im Sinn einer verfassungskonformen Auslegung davon auszugehen, dass diese Bestimmung keinen Rechtfertigungstatbestand für die Verwendung strafrechtsbezogener Daten durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs bildet. Das Verwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 Z 3 DSG 2000 daher zu Recht verneint, weshalb auf das weitere Vorbringen, ob die erfolgte Auskunftserteilung den Vorgaben dieser Bestimmung entsprochen hat, nicht weiter einzugehen war. Eine gesonderte einschlägige (materien)gesetzliche Regelung, die eine solche Auskunftserteilung tragen könnte, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich (vgl. etwa zur Information der Medien durch die Staatsanwaltschaften § 35b Staatsanwaltschaftsgesetz).

24 5. Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

25 Das Begehren der belangten Behörde (Datenschutzbehörde) gegenüber dem Bund, ihr für die Revisionsbeantwortung Aufwandersatz im gebührenden Ausmaß zuzuerkennen, war abzuweisen, weil der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG, der einerseits zum Aufwandersatz verpflichtet und dem andererseits der Aufwandersatz zufließen würde, im vorliegenden Fall ident ist (vgl. dazu , mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015040087.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

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