zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 15.03.2017, Ra 2015/04/0082

VwGH vom 15.03.2017, Ra 2015/04/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, 1010 Wien, Wipplingerstraße 8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-221/012/26632/2014/A-27, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: Ing. W K in W, vertreten durch Mag. Gerhard Sporer, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Baumgartenstraße 82), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 1. Der Mitbeteiligte stellte am beim Revisionswerber den Antrag auf Feststellung seiner individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994 für das Gewerbe "Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten". Mit Bescheid vom traf die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 19 GewO 1994 die Feststellung, dass der Mitbeteiligte die individuelle Befähigung im Sinne des gestellten Antrages nicht besitze.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und sprach aus, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben werde. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte erfülle wegen der festgestellten Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer zur Ausübung des Baumeistergewerbes befugten Ges.m.b.H. in den Jahren 2007-2013 die fachliche Qualifikation für das Baumeistergewerbe hinsichtlich der ausführenden Tätigkeiten. Der Mitbeteiligte sei nicht legitimiert, einen Antrag auf Feststellung seiner individuellen Befähigung zu stellen, weil er ohnehin den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erbringe. Der angefochtene Bescheid sei aufzuheben und über den Antrag von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde im zweiten Rechtsgang neuerlich - durch Zurückweisung mit der oben angeführten Begründung - zu entscheiden.

4 Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege.

5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

7 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht bezüglich der von ihm gewählten Entscheidungsform von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

9 Das Verwaltungsgericht hat - obwohl es davon ausgegangen ist, dass eine Zurückweisung durch die Verwaltungsbehörde zu erfolgen hätte - den Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG "ersatzlos behoben".

10 Zur entsprechenden Formulierung eines auf § 66 Abs. 4 AVG gestützten Berufungsbescheides vertrat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Unterbehörde in diesen Fällen über den Verfahrensgegenstand grundsätzlich nicht mehr neuerlich entscheiden dürfe (vgl. hiezu etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 108, wiedergegebene Rechtsprechung).

11 Dieser Grundsatz ist auch auf einen entsprechend formulierten Spruch eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes zu übertragen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/09/0015). Ein so gefasster Spruch stellt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache selbst dar, welche eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/12/0003).

12 Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache selbst hätte jedoch nicht durch ersatzlose Aufhebung des bei ihm angefochtenen verwaltungsbehördlichen Bescheides erfolgen dürfen, weil dies dazu führen würde, dass der Antrag des Mitbeteiligten unerledigt bliebe. Dies erhellt im Übrigen auch die begründenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtes, das der belangten Behörde im Ergebnis die Erlassung eines Zurückweisungsbescheides "im zweiten Rechtsgang" aufträgt, was - wie die Revision zurecht aufzeigt - in Widerspruch zu der spruchgemäßen ersatzlosen Behebung des Bescheides steht.

13 Wollte man den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses als Vergreifen im Ausdruck und damit als Zurückverweisung an die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ansehen, ist auf Folgendes zu verweisen: Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird zu § 28 VwGVG - gerade unter Hinweis auf die einschlägigen Gesetzesmaterialien - die Auffassung, dass in dieser Bestimmung ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, sowie etwa die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/08/0005, vom , Ro 2014/22/0021, uva.).

14 Nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG wäre es dem Verwaltungsgericht freigestanden, mit Aufhebung des Bescheides vorzugehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen, ergibt sich schon daraus, dass das Verwaltungsgericht selbst ein Ermittlungsverfahren durchführte und eine Ergänzungsbedürftigkeit des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes nicht angenommen sondern vielmehr die Rechtssache ausgehend von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen als entscheidungsreif angesehen hat.

15 Indem das Verwaltungsgericht somit die rechtlichen Voraussetzungen für eine ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides verkannt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am