Suchen Hilfe
VwGH vom 12.09.2012, 2011/23/0130

VwGH vom 12.09.2012, 2011/23/0130

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 15/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/157204/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin, einer mazedonischen Staatsangehörigen, wurde auf Grund ihres Antrages vom - im Hinblick auf die Ehe ihres in Österreich lebenden Vaters (eines mazedonischen Staatsangehörigen) mit einer österreichischen Staatsbürgerin - eine bis zum gültige Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt.

Der Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin vom wurde von der Niederlassungsbehörde mit der Begründung, dass ihr Lebensunterhalt nicht gesichert sei, zunächst nicht erledigt und der Akt wegen des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 25 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) der Bundespolizeidirektion Wien übermittelt.

Mit Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Wien die Beschwerdeführerin gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus, weil ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG führen würde.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, dass ihr Vater - anders als von der erstinstanzlichen Behörde noch angenommen - nunmehr wiederum erwerbstätig sei und monatlich EUR 1.670,-- verdiene.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" (gemäß § 47 Abs. 2 NAG) beantragt habe; allerdings liege dieser Aufenthaltsgrund nicht vor, weil sie infolge ihrer Volljährigkeit keine "Familienangehörige" iSd § 2 Abs. 1 Z 9 NAG mehr sei. Die Beschwerdeführerin sei aber - "wovon die Aufenthaltsbehörde dem gegebenen Sachverhalt nach zunächst ausgegangen" sei - auch keine "Angehörige" iSd § 47 Abs. 3 NAG, "weil sie keine Angehörige der Zusammenführenden (ihrer Stiefmutter) bzw. deren Ehegatten (ihres Vaters) in gerader aufsteigender Linie" sei. Es liege somit in beiden Fällen ein Versagungsgrund (iSd § 54 Abs. 1 Z 2 FPG) vor.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG anerkannte die belangte Behörde angesichts des eineinhalbjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich sowie ihrer familiären Bindungen zu ihrem Vater und zu ihrer Stiefmutter einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben. Dem stehe jedoch das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin würden somit nicht schwerer wiegen "als das in den genannten Versagungsgründen gegründete hohe öffentliche Interesse an ihrem Verlassen des Bundesgebietes und damit der Abwendung der Gefahr, dass sie künftighin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft werden könnte".

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1647/07-8, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG bzw. des NAG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Juli 2007 geltende Fassung.

Die Beschwerdeführerin hielt sich während eines - über ihren rechtzeitigen Antrag (vom ) eingeleiteten - Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet auf. Sie konnte daher gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund im Sinn des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder 2 NAG entgegenstand (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0309, mwN).

Anders als die erstinstanzliche Behörde stützte die belangte Behörde die Ausweisung nicht auf das Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG (der zufolge ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden darf, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt). Daran vermag auch der im Zusammenhang mit der Interessenabwägung erfolgte Verweis auf das öffentliche Interesse an der Abwendung der Gefahr einer künftigen finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nichts zu ändern, zumal - worauf auch die Beschwerde zutreffend hinweist - in keiner Weise begründet wurde, weshalb der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer derartigen finanziellen Belastung führen könnte. Es erfolgte auch keine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen, wonach der Vater der Beschwerdeführerin nunmehr wieder erwerbstätig sei und monatlich EUR 1.670,-- verdiene.

Die belangte Behörde begründete das Vorliegen eines Versagungsgrundes für die Verlängerung des der Beschwerdeführerin zuletzt erteilten Aufenthaltstitels vielmehr damit, dass die Beschwerdeführerin weder "Familienangehörige" iSd § 47 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG noch "Angehörige" iSd § 47 Abs. 3 NAG sei. Somit könne weder ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG erteilt werden (wie dies von der Beschwerdeführerin beantragt worden sei) noch eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nach § 47 Abs. 3 NAG (wie dies von der Niederlassungsbehörde erwogen worden sei), weil "sowohl in der einen wie in der anderen Richtung, also bei beiden Aufenthaltsgründen (…) ein Versagungsgrund" vorliege.

Das Vorliegen der Eigenschaft als "Familienangehöriger" oder als "Angehöriger" im Sinn der genannten Bestimmungen stellt aber keine allgemeine Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder 2 NAG dar. Vielmehr zog die belangte Behörde für das Vorliegen eines Versagungsgrundes (iSd § 54 Abs. 1 Z 2 FPG) das Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung heran. Soll die Versagung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels aber auf das Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung gestützt werden, so wäre der Verlängerungsantrag von der Niederlassungsbehörde abzuweisen und nicht die Vorgangsweise nach § 25 Abs. 1 NAG (Verständigung der Fremdenpolizeibehörde zur allfälligen Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) einzuhalten (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0608, mwN). Die allein auf das Fehlen besonderer Erteilungsvoraussetzungen abstellende Erlassung einer Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Z 2 FPG ist hingegen nicht zulässig (siehe das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0028).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren auf gesonderten Ersatz der Umsatzsteuer findet darin keine Deckung und war daher abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-92894