VwGH vom 29.01.2010, 2007/10/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Umweltanwaltschaft in 4021 Linz, Kärntnerstraße 10-12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. N-105475/18-2006-Mö/Gre, betreffend naturschutzbehördliche Feststellung (mitbeteiligte Partei: E AG in Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom wurde
1.) festgestellt, dass durch die von der mitbeteiligten Partei geplante Sanierung der Böschung im Bereich von Fluss-km 8,8 bis 9,0, linksufrig der Traun, KG und Stadtgemeinde Traun, im 50 m Schutzbereich der Traun bei projektgemäßer Ausführung und Einhaltung von im Einzelnen genannten Auflagen (u.a. Einbau von mindestens 10 großen Wurzelstöcken und 5 großen Raubäumen, Verfüllung der Zwischenräume zwischen den Felsblöcken mit lokalem Substrat, durchgehende Bepflanzung der verfüllten Hohlräume mit Weidenstecklingen), solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden (Spruchteil I),
2.) der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung einer näher beschriebenen Baustraße abgewiesen (Spruchteil II).
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei plane die Sanierung von Hochwasserschäden am linken Traunufer unterhalb des Kraftwerkes Traun-Pucking, wo es im Bereich zwischen Fluss-km 8,8 bis 9,0 zu mehreren Böschungsanrissen gekommen sei. Bei der geplanten Sanierung handle es sich um die Herstellung eines Granitsteinwurfes am Böschungsfuß mittels Steinblöcken. Auf diesen solle eine Rauwurfschlichtung aufgesetzt und anschließend die gesamte Steinverbauung mit Grobschotter hinterfüllt werden.
Dem eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz zufolge liege das Sanierungsvorhaben außerhalb des Naturschutzgebietes "Traunauen bei St. Martin", die für die Arbeiten erforderliche Baustraße verlaufe jedoch quer durch den Auwald und berühre das Naturschutzgebiet maßgeblich. Der Schutzzweck des Naturschutzgebietes würde dadurch wesentlich beeinträchtigt, die beantragte Ausnahmebewilligung für die Baustraße sei daher abzulehnen. Hingegen habe die Ufersanierung selbst keinen Einfluss auf das Naturschutzgebiet und beeinträchtige bei Einhaltung von im Einzelnen angeführten Auflagen weder das Landschaftsbild noch den lokalen Naturhaushalt. Zwar sei dem Verzicht auf eine Sanierung der Böschungsanrisse aus naturschutzfachlicher Sicht der Vorzug zu geben, es sei aber die geplante Sanierung naturschutzfachlich vertretbar. Sie müsste allerdings statt über die geplante Baustraße über alternative Vorgangsweisen ausgeführt werden, etwa durch flussseitige Ausführung der Baumaßnahmen unter Einsatz von Pontons.
Im Zuge der vorzunehmenden Interessenabwägung sei von der Behörde daher zu berücksichtigen gewesen, dass der durch die geplante Ufersicherung bewirkte Eingriff in das Landschaftsbild und in den Naturhaushalt bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen so weit vermindert werde, dass Landschaftsbild und lokaler Naturhaushalt nicht wesentlich beeinträchtigt würden. Hingegen würde der Schutzzweck des Naturschutzgebietes durch die Errichtung der Baustraße wesentlich beeinträchtigt. Zu berücksichtigen sei, dass für die mitbeteiligte Partei eine wasserrechtliche Instandhaltungsverpflichtung bestehe. Es habe daher die naturschutzbehördliche Feststellung ausgesprochen werden können, dass durch die Ufersanierung selbst solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt würden. Andererseits habe die für die Baustraße beantragte Ausnahmebewilligung nicht erteilt werden können.
Gegen diesen Bescheid, und zwar ausdrücklich nur gegen dessen Spruchteil I richtet sich die von der beschwerdeführenden Partei gemäß § 5 Abs. 1 OÖ Umweltschutzgesetz 1996 iVm § 39 OÖ Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah im Übrigen aber ebenso wie die mitbeteiligte Partei von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 OÖ Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (OÖ NSchG) gilt der Natur- und Landschaftsschutz im Sinne dieser Bestimmung für Flüsse und Bäche (einschließlich ihrer gestauten Bereiche) und einen daran unmittelbar anschließenden 50 m breiten Geländestreifen, wenn sie in einer von der Landesregierung zu erlassenden Verordnung angeführt sind.
Die Verordnung der OÖ Landesregierung über den Landschaftsschutz im Bereich von Flüssen und Bächen führt im Pkt 5.1. die Traun an.
In geschützten Bereichen gemäß Abs. 1 ist gemäß § 10 Abs. 2 OÖ NSchG jeder Eingriff in das Landschaftsbild und im Grünland in den Naturhaushalt verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das Gutachten eines Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz gestützte Auffassung zu Grunde, die von der mitbeteiligten Partei geplante Ufersanierung verletze bei projektgemäßer Ausführung und Einhaltung bestimmter Auflagen öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht.
Die beschwerdeführende Partei wendet dagegen im Wesentlichen ein, es sei zwar durch die Vorschreibung von Auflagen (Einbau von Wurzelstöcken und Raubäumen, Verfüllung mit standortgemäßem Substrat) versucht worden, die Härte der gewählten Verbauung zu mildern. Es seien diese Auflagen aber nicht evaluiert worden und es sei ein Verlust an standorttypischen Strukturen wie Flachwasserzonen, Uferanbrüchen und einer naturgemäßeren Uferzonenausformung in Kauf genommen worden. Das Gutachten des Amtssachverständigen sei "inkohärent" und werde daher von der beschwerdeführenden Partei in Zweifel gezogen, weil der Amtssachverständige seiner eigenen Argumentation betreffend Alternativlösungen bzw. der eigenen Präferenz für die völlige Unterlassung der beantragten Ufersicherung nicht gefolgt sei. Kostengünstigere Alternativen seien nicht geprüft und die eingereichten Maßnahmen diesen nicht gegenübergestellt worden. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren habe die beschwerdeführende Partei jedoch Alternativen zur beantragten Verbauung aufgezeigt, die kein Abgehen von der grundsätzlich bestehenden Instandhaltungsverpflichtung der mitbeteiligten Partei bedeuteten. Die belangte Behörde sei darauf aber nicht eingegangen, sondern habe lediglich die beantragten Sanierungsmaßnahmen mit einem völligen Unterlassen der Ufersicherung verglichen. Eine Prüfung der Vorschläge der beschwerdeführenden Partei hätte ergeben, dass der Verpflichtung der mitbeteiligten Partei ebenso wie den Forderungen der Ökologie in einem höheren Maß entsprochen würde als durch die von der mitbeteiligten Partei geplanten Maßnahmen. Schließlich hätte die belangte Behörde in die Interessenabwägung auch die wasserwirtschaftlichen Interessen des Bundes und die sich aus der Wasserrahmenrichtlinie ergebenden internationalen Verpflichtungen einbeziehen müssen. Für die Sicherung und Entwicklung eines möglichst guten ökologischen Zustandes der Fließgewässer seien nämlich naturnahe Ufer und Gewässersohlen eine unabdingbare Voraussetzung. Bei einer umfassenden Interessenabwägung hätte die belangte Behörde daher zu einer Versagung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Feststellung gelangen müssen.
Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Feststellungsverfahren gemäß § 10 Abs. 2 OÖ NSchG ein projektbezogenes Verfahren ist (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0141, und vom , Zl. 99/10/0065). Gegenstand dieses Verfahrens ist daher das vom Antragsteller eingereichte Projekt, das von der Behörde auf seine Vereinbarkeit mit den öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes zu prüfen ist. Eine Verletzung dieser Interessen hat zu einer Abweisung des Antrages zu führen, wenn nicht an der Verwirklichung des Vorhabens ein überwiegendes anderes Interesse besteht.
Die belangte Behörde ist, dem Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz folgend, zur Auffassung gelangt, dass die von der mitbeteiligten Partei beantragte Ufersanierung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen zu keiner Verletzung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes führe. Durch die vorgeschriebenen Auflagen werde die Eingriffswirkung so weit vermindert, dass Landschaftsbild und Naturhaushalt nicht wesentlich beeinträchtigt würden.
Der Vorwurf, das dieser Auffassung zu Grunde liegende Gutachten sei unschlüssig, weil der Amtssachverständige seiner eigenen fachlichen Einschätzung nicht konsequent gefolgt sei, ist unzutreffend: Der Amtssachverständige hat nämlich ausgeführt, dass "eine zumindest lokal wirksame Gewässerdynamik, welche auch lokale Ufererosionen bewirken würde, durchaus im Sinne des gesamtheitlich zu betrachtenden Ökosystemkomplexes mit einer dynamischen Übergangszone Wasser - Land liegen würde". Die Ermöglichung einer derartigen Dynamik läge durchaus im Sinne des Naturschutzes. Die vollständige Unterlassung einer Sanierung der Ufersicherung sei als "potenzielle Alternativvariante" zur harten Verbauung zu betrachten. Sollte die Wiederherstellung der Ufersicherung jedoch unabdingbar sein, müsste jedenfalls die Forderung der beschwerdeführenden Partei nach Alternativlösungen zu einer harten Verbauung berücksichtigt werden. Eine Sanierung bzw. Wiederherstellung der Ufersicherung sei aber aus naturschutzfachlicher Sicht "nicht generell abzulehnen". Bei Einhaltung der - in der Folge vorgeschriebenen - Auflagen würden durch die beantragte Sanierung nämlich weder das Landschaftsbild noch der lokale Naturhaushalt wesentlich beeinträchtigt.
Der Sachverständige erachtete also einen Verzicht auf das eingereichte Projekt bzw. eine Ausführung alternativer Maßnahmen als aus naturkundlicher Sicht vorteilhafter als das von der mitbeteiligten Partei eingereichte Projekt, räumte aber ein, dass auch eine Verwirklichung des Projekts zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung von Landschaftsbild oder Naturhaushalt führen würde, sofern die vorgeschlagenen Auflagen eingehalten werden. Eine Unschlüssigkeit des Gutachtens kann aus diesen Darlegungen nicht abgeleitet werden.
Offenbar verkennt jedoch die beschwerdeführende Partei, dass die Vorschriften des OÖ NSchG über den Uferschutz keine Regelung enthalten, wonach einem Vorhaben, das dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes nicht widerspricht, eine Feststellung iSd § 10 Abs. 2 OÖ NSchG deshalb zu versagen wäre, weil "Alternativen" zum Projekt existieren. Vielmehr hat der Projektwerber - wie dargelegt - ein Recht darauf, dass er das von ihm beantragte Vorhaben ausführen kann, wenn es den öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes nicht widerspricht. In einem solchen Fall kann er auch nicht verhalten werden, ein unter Naturschutzgesichtspunkten vorteilhafteres Alternativprojekt zu verwirklichen. Schon aus diesem Grund zeigt die beschwerdeführende Partei mit dem Vorwurf, die belangte Behörde sei nicht auf die von ihr vorgeschlagenen Alternativlösungen eingegangen, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Dass die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Beurteilung, das Projekt der mitbeteiligten Partei habe bei Einhaltung bestimmter Auflagen keine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes zur Folge, unzutreffend wäre, hat die beschwerdeführende Partei nicht konkret vorgebracht. Sie hat insbesondere kein auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des vorliegenden Falles Bedacht nehmendes Vorbringen erstattet, dem nachvollziehbar zu entnehmen wäre, dass das Vorhaben der mitbeteiligten Partei das Landschaftsbild oder den Naturhaushalt erheblich beeinträchtige.
Konnte die belangte Behörde aber zu Recht davon ausgehen, dass mit dem Projekt der mitbeteiligten Partei bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen keine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes verbunden sei, erübrigte sich eine Interessenabwägung iSd § 10 Abs. 2 OÖ NSchG.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
ZAAAE-92880