VwGH vom 20.04.2016, Ra 2015/04/0050
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der T Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-840001/43/Kl/BRe, betreffend Kostenersatz gemäß § 76 AVG in einem vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. O-AG in K, vertreten durch die Heid Schiefer Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4; 2. P GmbH in W, vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 2; 3. S AG, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt IV des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , 2010/04/0066, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (belangte Behörde) vom (über die Abweisung des Antrags der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung einer - mehrere Lose betreffenden - Zuschlagsentscheidung der erstmitbeteiligten Partei) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darin - auf das Wesentliche zusammengefasst - festgehalten, dass für die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter habe, die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein könne, wenn sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw. unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln lasse. Fallbezogen hätte die belangte Behörde das durch ein Sachverständigengutachten untermauerte Vorbringen der Revisionswerberin, wonach die Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerinnen (der zweit- und drittmitbeteiligten Partei) die in der Ausschreibung festgelegten Anforderungen in einzelnen Punkten nicht erfüllen, auf fachlicher Ebene überprüfen müssen (dass die belangte Behörde selbst über den dafür erforderlichen Sachverstand verfügte, sei nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden).
2 Im Anschluss daran beantragte die Revisionswerberin mit Eingabe vom die Weiterführung dieses Verfahrens als Feststellungsverfahren.
Mit Beschluss vom bestellte das zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich DI K zum nichtamtlichen Sachverständigen. Der Sachverständige wurde um die Erstattung eines Gutachtens betreffend den Inhalt der Ausschreibungsunterlagen und die Ausschreibungskonformität der Angebote der Revisionswerberin sowie der zweit- und drittmitbeteiligten Partei ersucht. Der Sachverständige erstattete ein Gutachten, demzufolge - soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz - das Angebot der drittmitbeteiligten Partei zu Los 3 die Anforderungen der Ausschreibung nicht erfülle und daher auszuscheiden gewesen wäre. Dieses Gutachten wurde in der mündlichen Verhandlung am erörtert und der Sachverständige wurde im Hinblick auf weitere Fragen der Revisionswerberin mit einem Ergänzungsgutachten betreffend das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei beauftragt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich dem Feststellungsantrag der Revisionswerberin insofern teilweise statt, als festgestellt wurde, dass der Zuschlag hinsichtlich Los 3 wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006 nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei; im Übrigen wurde der Feststellungsantrag abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Auftraggeberin (erstmitbeteiligte Partei) wurde zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren verpflichtet (Spruchpunkt II). Der Antrag der Auftraggeberin auf Feststellung, dass die Revisionswerberin keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, wurde abgewiesen (Spruchpunkt III). Die Revisionswerberin wurde verpflichtet, die erwachsenen Barauslagen in Höhe von EUR 12.231,70 für die Gebühren für Sachverständigentätigkeit zu leisten (Spruchpunkt IV). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen (Spruchpunkt V).
Das Verwaltungsgericht erachtete das Sachverständigengutachten als logisch nachvollziehbar und stellte ausgehend davon fest, dass das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei zu den Losen 1, 2 und 5 ausschreibungskonform und richtig bewertet worden sei. Demgegenüber erfülle das Angebot der drittmitbeteiligten Partei zu Los 3 die Anforderungen der Ausschreibung nicht. Der Zuschlag in Los 3 sei daher rechtswidrig gewesen. Bei rechtmäßigem Vorgehen der Auftraggeberin hätte die Revisionswerberin den Zuschlag in Los 3 erhalten müssen, weil ihr Angebot die Ausschreibungsbedingungen erfülle und richtig bewertet worden sei.
Zu Spruchpunkt IV hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Gebühren des Sachverständigen über Antrag mit EUR 12.231,70 festzusetzen und gemäß § 76 Abs. 1 AVG als Barauslagen der Revisionswerberin (als Antragstellerin) vorzuschreiben gewesen seien.
4 Gegen Spruchpunkt IV dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete zwar eine als solche bezeichnete Revisionsbeantwortung, führte darin aber lediglich aus, keine (inhaltliche) Stellungnahme abgeben zu können, weil sie vom hier gegenständlichen Spruchpunkt IV bzw. von der Frage einer allenfalls schuldhaften Verursachung der Sachverständigenkosten durch die Auftraggeberin nicht betroffen sei.
Sonstige Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet. II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Zur Zulässigkeit bringt die Revisionswerberin vor, das Verwaltungsgericht sei insoweit von der (näher angeführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es unterlassen habe, die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 und 3 AVG und somit das Verschulden eines Beteiligten zu prüfen. Das Verwaltungsgericht hätte erkennen müssen, dass die Auftraggeberin die Bestellung des Sachverständigen durch ihre unrichtige Zuschlagserteilung verursacht und daher die Kosten des Sachverständigen (zumindest teilweise) zu tragen habe. Die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichtes laufe dem grundsätzlichen System des Kostenersatzanspruches der obsiegenden Partei zuwider.
Die Revision ist zulässig und auf Grund der nachstehenden Erwägungen auch berechtigt.
7 § 76 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 137/2001, lautet auszugsweise:
" § 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. ...
(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.
(3) Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.
..."
8 Vorauszuschicken ist, dass die hier maßgeblichen Verwaltungsvorschriften des Oö. Vergaberechtsschutzgesetzes 2006 keine von § 76 AVG abweichende Regelung vorsehen.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2002/04/0203, dem Grunde nach zum Ausdruck gebracht, dass die im Zuge eines vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahrens anfallenden Barauslagen (sofern kein Fall des § 76 Abs. 2 AVG vorliegt) nach § 76 Abs. 1 AVG dem Antragsteller (dort) des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen sind (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 964/02).
10 Mit Erkenntnis vom , 2005/04/0048, hob der Verwaltungsgerichtshof einen Bescheid des Bundesvergabeamtes, mit dem dem Bund (gestützt auf § 76 Abs. 2 AVG) die Zahlung der Gebühren für einen nichtamtlichen Sachverständigen auferlegt worden waren, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, eine Auferlegung von Kostenersatz nach § 76 Abs. 2 AVG komme im Fall der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz (gemäß § 76 Abs. 2 AVG) aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, der gemäß § 76 Abs. 5 AVG subsidiär die Kosten zu tragen hätte, nicht in Betracht. Aus diesem Erkenntnis ergibt sich nicht, dass eine Auferlegung von Kostenersatz nach § 76 Abs. 2 AVG gegenüber dem im vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahren nicht obsiegenden Auftraggeber, der eine Amtshandlung durch sein Verschulden verursacht hat, generell unzulässig wäre. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof die Auferlegung von Kostenersatz nur für den Fall ausgeschlossen, in dem der zum Kostenersatz verpflichtete Rechtsträger mit dem Rechtsträger nach § 76 Abs. 5 AVG, in dessen Namen die Behörde (hier: das Verwaltungsgericht) gehandelt hat, ident ist. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dass im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Barauslagen für Amtshandlungen im Zuge von vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahren keine Prüfung zu erfolgen hätte, ob die Amtshandlung im Sinn des § 76 Abs. 2 AVG durch das Verschulden eines Beteiligten verursacht wurde.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Prüfung der Frage, ob ein Verschulden im Sinn des § 76 Abs. 2 AVG vorliegt, vom Verschuldensbegriff des § 1294 ABGB auszugehen; ein Verschulden des Beteiligten ist also nur dann anzunehmen, wenn ihn zumindest der Vorwurf trifft, dass er es an der gehörigen Aufmerksamkeit oder dem gehörigen Fleiß habe fehlen lassen (siehe das Erkenntnis vom , 2004/05/0099, mwN). Weiters setzt die Heranziehung eines Beteiligten nach § 76 Abs. 2 AVG voraus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten des Beteiligten und der mit Kosten verbundenen Amtshandlung bestand und die einzelnen Verfahrenshandlungen, welche die Kosten verursacht haben, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts erforderlich waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/07/0163, mwN).
12 Im vorliegenden Fall stellte das Verwaltungsgericht gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten fest, dass der von der Auftraggeberin zu Los 3 erteilte Zuschlag rechtswidrig war, weil das Angebot der drittmitbeteiligten Partei (Zuschlagsempfängerin in diesem Los) eine näher beschriebene Anforderung der Ausschreibung ("64 Zeilen oder mehr") nicht erfüllt habe und daher gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 als nicht ausschreibungskonform auszuscheiden gewesen wäre.
13 Nach § 123 Abs. 2 Z 5 BVergG 2006 ist bei Angeboten, die für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommen, zu prüfen, ob das Angebot den (sonstigen) Ausschreibungsbestimmungen entspricht. Die Angebotsprüfung ist nach § 122 BVergG 2006 Personen zu übertragen, die über die fachlichen Voraussetzungen verfügen;
erforderlichenfalls sind Sachverständige beizuziehen. Den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote sind nach § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 - zwingend - vor der Zuschlagsentscheidung auszuscheiden. Es liegen fallbezogen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es der Auftraggeberin bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit und des gehörigen Fleißes unmöglich bzw. unzumutbar gewesen wäre, die (nunmehr vom Verwaltungsgericht festgestellte) Ausschreibungswidrigkeit des Angebotes der drittmitbeteiligten Partei zu Los 3 zu erkennen und das Angebot demzufolge auszuscheiden. Die Unterlassung der gebotenen Vorgangsweise war kausal für die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen (jedenfalls im konkret verfügten Umfang). Der Umstand, dass das die Amtshandlung herbeiführende Verhalten der Auftraggeberin bereits vor dem Antrag auf Einleitung des vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahrens gesetzt worden ist, steht für sich genommen seiner Maßgeblichkeit im Rahmen des § 76 Abs. 2 AVG nicht entgegen.
Angesichts dessen, dass das die Barauslagen hervorrufende Sachverständigengutachten auch die Zuschlagserteilung in den Losen 1, 2 und 5 zugunsten der zweitmitbeteiligten Partei zum Gegenstand hatte, hinsichtlich derer eine Rechtswidrigkeit nicht festgestellt wurde, ist zwar nicht davon auszugehen, dass das Sachverständigengutachten allein durch Verschulden der Auftraggeberin verursacht worden ist. Diesbezüglich sieht § 76 Abs. 3 AVG vor, dass die Barauslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen sind, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 des § 76 AVG auf mehrere Beteiligte zutreffen. Dies gilt auch für Konstellationen, in denen ein Beteiligter nach Abs. 1 (auf Grund des verfahrenseinleitenden Antrages) und ein anderer Beteiligter nach Abs. 2 erster Satz (auf Grund Verschuldens) des § 76 AVG zum Kostenersatz heranzuziehen ist (siehe das hg. Erkenntnis vom , 98/05/0112, sowie Hengstschläger/Leeb , AVG § 76 Rz. 55, mwN).
14 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht § 76 Abs. 2 und 3 AVG nicht berücksichtigt und keine Prüfung dazu vorgenommen, ob die Auftraggeberin durch ihr Verschulden die Einholung des Sachverständigengutachtens und damit die zu ersetzenden Barauslagen zumindest mitverursacht hat. Aus diesem Grund war Spruchpunkt IV des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
15 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.
16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am