VwGH vom 23.10.2017, Ro 2015/04/0025

VwGH vom 23.10.2017, Ro 2015/04/0025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision der A KG in S, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-2613/5/2014, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit Eingabe vom meldete die revisionswerbende Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau (belangte Behörde) ein Gewerbe mit folgendem Wortlaut an:

"Organisation, Erfassung und Durchführung von Kranken- und Rettungstransporten, mit hierfür speziell ausgestatteten Kranken- und Rettungsfahrzeugen und ausgebildetem Personal, welches ausschließlich auf Grundlage des SanG mit San-AV und San-AFV in der gültigen Fassung agiert. Hiervon ausdrücklich ausgenommen ist die Tätigkeit des konzessionierten Gewerbes für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen, analog zu Taxi- und Mietwagengewerben."

2 Die belangte Behörde stellte mit Bescheid vom gemäß § 340 Abs. 1 GewO 1999 fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten freien Gewerbes nicht vorlägen, und untersagte der revisionswerbenden Partei dessen Ausübung.

3 2.1. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) wies die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

4 2.2. In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, qualifizierte Krankentransporte und Rettungstransporte fielen kompetenzrechtlich unter den Tatbestand des Rettungswesens bzw. des Gemeindesanitätsdienstes und seien somit der Kompetenz der Länder zuzurechnen. Wenn die revisionswerbende Partei die Überprüfung der Eintragung des näher bezeichneten freien Gewerbes beantrage, so werde darauf verwiesen, dass unbestritten eine derartige Eintragung nicht vorliege und zudem auf Grund klarer gesetzlicher Regelungen für die Durchführung von Krankentransporten dafür auch kein Raum bleibe. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sei die Tätigkeit des konzessionierten Gewerbes für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen, analog zum Taxi- und Mietwagengewerbe. Die gewerbliche Personenbeförderung falle "unter die Kompetenz des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie" oder unter den Kompetenzbereich des Landes Kärnten. Daher bleibe kein Raum für ein freies Gewerbe nach der Gewerbeordnung 1994. Für die Ausübung des freien Gewerbes bilde zwar die Anmeldung die Grundlage, für den Umfang der Gewerbeberechtigung sei aber der Wortlaut der Gewerbeanmeldung im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend.

5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, der Revision "nicht Folge zu geben". II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 1. Das Verwaltungsgericht hat die ordentliche Revision zugelassen, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob Kranken- und Rettungstransporte als freies Gewerbe nach der Gewerbeordnung 1994 ausgeübt werden können.

8 Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich jedoch nicht als berechtigt.

9 2. In der Revision wird vorgebracht, das freie Gewerbe im umschriebenen Umfang entspreche dem Begriff "Privater Rettungsdienst" und sei von den "öffentlichen Rettungsdiensten der Länder" abzugrenzen. Es habe sich am freien Markt eine Branche entwickelt, deren Gegenstand die Überführung von Patienten von Krankenhäusern zu Flugplätzen oder in private Krankenhäuser bzw. überhaupt nach Hause umfasse. Diese seien jedenfalls nicht dem Begriff "öffentlicher Rettungsdienst" zu unterstellen. Im Wesentlichen handle es sich im Bereich des "privaten Rettungsdienstes" um keine qualifizierten Rettungs- und/oder Krankentransporte und erfolge die finanzielle Abgeltung dieser Dienstleistung nicht über die öffentliche Hand, sondern ausschließlich durch Privatversicherungen oder private Auftraggeber. Die Kompetenz der Länder im Bereich "Rettungswesen" umfasse ausschließlich den "öffentlichen Rettungsdienst". Neben diesem bestehe ein privatwirtschaftliches Betätigungsfeld für "privaten Rettungsdienst".

Die revisionswerbende Partei erbringe keine Hilfeleistung an Ort und Stelle, weil ihre Aufträge privater Natur seien und sie nicht im Sinne einer Rettungszentrale die Notrufe entgegennehme. Sie übe ihre Tätigkeit nicht im Rahmen einer Rettungsorganisation im Sinne des Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetzes aus, sodass in Folge nicht konkurrierender Hilfeleistungen keine Verschlechterung bzw. Minderung der Qualität an Leistungsangeboten zu erwarten sei. Während im Notfall die anerkannten Rettungsorganisationen für die Durchführung verantwortlich seien, erbringe die revisionswerbende Partei die Dienstleistung gegenüber dem Auftraggeber, an den sich ein etwaiger "Hilfe-Empfänger" wenden müsse. Die revisionswerbende Partei stehe somit nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu den im Bereich des öffentlichen und besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes tätigen anerkannten Rettungsorganisationen.

10 3.1. Das "Rettungswesen" fällt durch die Herausnahme aus dem Bundeskompetenztatbestand "Gesundheitswesen" in Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz der Länder (vgl. VfSlg. 2784/1955 sowie Lienbacher, Krankentransporte (ohne Hubschrauberrettung), in: Grillberger/Mosler (Hrsg.), Europäisches Wirtschaftsrecht und soziale Krankenversicherung (2003) 523 (526); nach VfSlg. 12.320/1990 gilt dies auch dann, wenn die Angelegenheiten des Hilfs- und Rettungsdienstes von Vereinen besorgt werden). Gemäß Art. 118 Abs. 3 Z 7 B-VG zählt das "Hilfs- und Rettungswesen" zur örtlichen Gesundheitspolizei, die von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich besorgt wird. Das Hilfs- und Rettungswesen beinhaltet die Regelung der Organisation von Erster Hilfe und Krankentransporten, ihre Finanzierung und die Anerkennung von Organisationen als Träger dieser Aufgaben (vgl. VfSlg. 16.941/2003).

11 Das Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz, LGBl. Nr. 96/1992 in der Fassung LGBl. Nr. 5/2015, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Zielsetzung

Ziel dieses Gesetzes ist es, in Kärnten die Erbringung der Leistungen des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes und der besonderen Hilfs- und Rettungsdienste durch Zuwendungen an anerkannte Rettungsorganisationen zu fördern.

(...)

§ 3

Allgemeiner Hilfs- und Rettungsdienst

Aufgabe des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes ist

es,

a) Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung

erlitten haben und medizinischer Behandlung bedürfen, Erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie unter sachgerechter Betreuung mit einem geeigneten Verkehrsmittel in eine Krankenanstalt u. ä. zu befördern oder sonst ärztlicher Versorgung zuzuführen;

b) Personen, die wegen ihres Gesundheitszustandes kein

gewöhnliches Transportmittel benützen können, unter sachgerechter

Betreuung mit einem geeigneten Verkehrsmittel zu befördern;

c) bei Veranstaltungen im erforderlichen Umfang eine der

Art der Veranstaltung entsprechende Erste Hilfe an Ort und Stelle

bereitzustellen;

d) Schulungen in Erster Hilfe anzubieten;

  1. das für die Erfüllung der Aufgaben nach lit. a bis c erforderliche Personal und die hiefür erforderlichen Einrichtungen - im Fall der lit. c jedenfalls auf Kosten des Veranstalters - im entsprechenden Ausmaß bereitzustellen.

  2. § 4

  3. Besonderer Hilfs- und Rettungsdienst

Aufgabe des besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes im Sinne dieses Gesetzes ist es, im unwegsamen, insbesondere im alpinen Gelände (Bergrettung), im Wasser (Wasserrettung) oder in Höhlen (Höhlenrettung) Verunglückten, Vermißten oder sonst in Not Geratenen zu helfen, sie zu versorgen, zu bergen oder zu retten; dies schließt die Leistung von Erster Hilfe an Ort und Stelle mit ein. Zu den Aufgaben des besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes zählt auch die Suche mit Rettungshunden nach Personen, die aufgrund von Naturkatastrophen, geistiger Verwirrtheit oder in Folge von Unfällen in Gelände vermisst werden, in dem keine Absturz- oder Lawinengefahr besteht.

(...)

§ 5

Anerkennung einer Rettungsorganisation

(1) Juristische Personen sind auf Antrag von der Landesregierung durch Bescheid als Rettungsorganisation anzuerkennen, wenn sie eine ordnungsgemäße Besorgung des allgemeinen Hilfs- oder Rettungsdienstes (§ 3) oder eines besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes (§ 4) im Land Kärnten oder in bestimmten Teilen des Landes, die zumindest den Bereich eines politischen Bezirkes oder den einer Gemeinde mit mehr als 2000 Einwohnern umfassen, erwarten lassen. Bei juristischen Personen, die nicht ihren Sitz, sondern nur einen Einsatzbereich in Kärnten haben, darf die Anerkennung nur hinsichtlich des in Kärnten gelegenen Einsatzbereiches erfolgen.

(2) Voraussetzung für die Anerkennung einer juristischen Person als Rettungsorganisation ist es, daß sie

a) ihren Sitz oder - sofern die weiteren Voraussetzungen nach Abs. 2a erfüllt sind - eine Einsatzzentrale in Kärnten hat und nach ihrem Organisationsrecht zur Erbringung von Leistungen des allgemeinen oder eines besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes berufen ist;

b) gemeinnützig tätig ist und ihre Aufgaben überwiegend mit

ehrenamtlich tätigen Mitgliedern erfüllt;

c) gegen die Verläßlichkeit ihrer Vertreter keine Bedenken

bestehen; Verläßlichkeit ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn

eine satzungsgemäß zur Vertretung der Rettungsorganisation

berufene Person - besteht in Kärnten nur eine Einsatzzentrale,

nicht aber der Sitz der juristischen Person, auch die gemäß

Abs. 2a namhaft zu machende Person - durch ein inländisches

Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener

strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen

Freiheitsstrafe verurteilt wurde;

d) in Kärnten über eine ausreichende Zahl von für die

Erfüllung ihrer Aufgaben ausgebildeten Mitarbeitern, über

erforderliche geeignete Transportmittel und die hiefür

erforderlichen sachkundigen Personen verfügt;

e) in Kärnten über eine für den Einsatzbereich ausreichende

Anzahl von Einsatzstellen verfügt, die mittels Funk oder Telefon ständig erreichbar sind; die Anzahl der Einsatzstellen ist dann ausreichend, wenn eine entsprechend rasche Besorgung der Aufgaben nach § 3 oder § 4 gewährleistet ist.

(2a) bis (12) (...)

(...)"

12 3.2. Die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (sofern sie nicht im Weg des Linienverkehrs erfolgt) darf gemäß § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 (GelverkG) nur auf Grund einer Konzession ausgeübt werden. Nach der Rechtsprechung geht das GelverkG - wie sich aus seinem § 1 Abs. 2 ergibt - vom Grundsatz aus, dass für den Bereich der nichtlinienmäßigen gewerbsmäßigen Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen die GewO 1994 mit der Maßgabe gilt, dass das GelverkG nicht besondere Bestimmungen trifft (vgl. , sowie etwa Resch/Pürgy, Verkehrsrecht, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht Bd. 13 (2013) 889 (998)). Für die Durchführung gewerblicher Kranken- und Rettungstransporte wird im Schrifttum eine Mietwagenkonzession gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 GelverkG in Betracht gezogen (vgl. Lienbacher, aaO, 532).

13 3.3. Gemäß § 340 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 hat die Behörde auf Grund der Anmeldung des Gewerbes zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen.

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 340 Abs. 1 GewO 1994 bei der nach dieser Gesetzesstelle durchzuführenden Prüfung der Anmeldungsvoraussetzungen wegen des konstitutiven Charakters der Gewerbeanmeldung von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anmeldung auszugehen. Maßgeblich ist daher ausschließlich der Wortlaut der Gewerbeanmeldung, so wie sie erstattet wurde (vgl. etwa , mwN).

15 Dem in § 339 Abs. 2 GewO 1994 normierten Erfordernis der genauen Bezeichnung des Gewerbes wird (nur) dann entsprochen, wenn die gewählte Bezeichnung die Art der beabsichtigten Gewerbeausübung eindeutig erkennen und keinen Zweifel über den damit umschriebenen Gegenstand aufkommen lässt. Entscheidend dafür, ob ein in der Gewerbeanmeldung verwendeter Begriff "genau" iSd § 339 Abs. 2 GewO 1994 ist, ist die Frage, ob der Begriffsinhalt eindeutig abgrenzbar ist (vgl. , mwN). Die für den Umfang der Gewerbeberechtigung maßgebliche Bezeichnung legt den Gegenstand der angestrebten Tätigkeit fest und hat zumindest dem einschlägigen Abnehmerkreis geläufig zu sein (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Pöschl, System der Gewerbeordnung (2016) 119). Die bei der Anmeldung eines freien Gewerbes gewählte Gewerbebezeichnung muss eine eindeutige Abgrenzung gegenüber nicht freien Gewerben und gegenüber nicht der Gewerbeordnung 1994 unterliegenden Tätigkeiten ermöglichen (vgl. VwGH 2013/04/0078).

16 4. Diese Anforderungen erfüllt die Anmeldung der revisionswerbenden Partei schon deshalb nicht, weil ihr Wortlaut eine Abgrenzung gegenüber dem - in die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz der Länder fallenden - Rettungswesen nicht zulässt. Mit der Formulierung "Organisation, Erfassung und Durchführung von Kranken- und Rettungstransporten, mit hierfür speziell ausgestatteten Kranken- und Rettungsfahrzeugen und ausgebildetem Personal (...)" wird dem Erfordernis der genauen Bezeichnung des Gewerbes nicht entsprochen. Es ist nämlich nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen, dass der in der Anmeldung umschriebene Gegenstand die Erbringung von Leistungen des Hilfs- und Rettungsdienstes, die das Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz von der Landesregierung anerkannten gemeinnützigen Rettungsorganisationen überträgt, ausschließt.

17 Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten freien Gewerbes somit zu Recht verneint und die Ausübung untersagt.

18 5. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

19 Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob bzw. inwieweit die Durchführung von gewerblichen Kranken- und Rettungstransporten überhaupt in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1994 fallen kann.

20 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am