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VwGH vom 22.11.2012, 2011/23/0123

VwGH vom 22.11.2012, 2011/23/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/56/4630/2007-6, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine slowakische Staatsangehörige, ist ab dem (mit kurzen Unterbrechungen) in Wien behördlich gemeldet. Am wurde ihre Tochter B., ebenfalls slowakische Staatsangehörige, geboren. Am heiratete sie den Vater ihrer Tochter, den indischen Staatsangehörigen S. Dieser war im Februar 2001 als Asylwerber nach Österreich gekommen, sein Asylantrag war mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom rechtskräftig abgewiesen worden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. 2006/19/0213, abgelehnt. Darüber hinaus hatte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom gegen ihn rechtskräftig ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. In ihrer Begründung führte die Bundespolizeidirektion Wien aus, die Beschwerdeführerin habe im Zuge der am beantragten Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gemäß § 53 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) keinen Nachweis erbracht, aus welchen Mitteln sie ihren Unterhalt bestreiten würde. Die Tochter der Beschwerdeführerin wurde ebenfalls mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 2 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Mit der gegen ihre Ausweisung erhobenen Berufung legte die Beschwerdeführerin eine bis gültige Beschäftigungsbewilligung ihres Ehemannes sowie dessen aktuellen Lohnzettel vor, demzufolge er monatlich knapp über EUR 1.000,-- verdiene. In der Folge brachte sie noch vor, dass sie - sollte ihr Ehemann das Bundesgebiet verlassen müssen - sich selbst Arbeit suchen würde.

Die Tochter der Beschwerdeführerin erhob gegen ihre Ausweisung ebenfalls Berufung. Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien dieser Berufung Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos. In seiner Begründung verwies der Unabhängige Verwaltungssenat auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG, nach dessen Abs. 3 lit. b eine Ausweisung gegen minderjährige Unionsbürger nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zulässig sei, außer die Ausweisung sei zum Wohl des Kindes (wie im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vorgesehen) notwendig. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt.

Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen ihre Ausweisung hingegen ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In ihrer Begründung führte sie aus, die Beschwerdeführerin sei als Unionsbürgerin verpflichtet, zur Darlegung ihres Niederlassungsrechts den Nachweis ausreichender Existenzmittel zu erbringen. Diesen Nachweis habe die Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde - nicht erbracht, zumal ihre geplante Aufenthaltsdauer mangels anderer Angaben als zeitlich unbefristet anzusehen sei und die Löhne ihres Ehemannes - angesichts des gegen ihn bestehenden Rückkehrverbotes - für die Zukunft "lediglich schwebend wirksam" seien. Solche Existenzmittel könnten nicht als ausreichend iSd § 53 Abs. 2 NAG angesehen werden. In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde nur auf die Ehe der Beschwerdeführerin. Da ein effektives Familienleben angesichts des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Ehemannes auch bei einem Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht gesichert sei, stehe der Ausweisung § 66 FPG nicht entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im November 2007 geltende Fassung.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0465).

Die belangte Behörde ging im Rahmen ihrer Interessenabwägung lediglich auf das Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann ein. Hingegen lässt der angefochtene Bescheid nicht erkennen, dass die belangte Behörde auf die Auswirkungen der Ausweisung der Beschwerdeführerin auf ihre Tochter Bedacht genommen hat, obwohl die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen sie für unzulässig erachtet wurde. Das zeigt auch die Beschwerde - zutreffend - auf.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-92856