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VwGH vom 21.12.2016, Ro 2015/04/0019

VwGH vom 21.12.2016, Ro 2015/04/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision des Mag. R O in W, vertreten durch die Posch, Schausberger Lutz Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-850219/3/WEI/KHU, betreffend Widerruf der Berechtigung zur selbständigen Ausübung von Wirtschaftstreuhandberufen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kammer der Wirtschaftstreuhänder), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Der Revisionswerber wurde am zum Steuerberater und am zum Wirtschaftstreuhänder bestellt.

2 Mit meldete der Revisionswerber seine Berufsberechtigung ruhend.

3 Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom , Zl. 25 Hv 42/14i, wurde über den Revisionswerber wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe, nämlich 26 Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

4 2. Mit Bescheid vom sprach die belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (im Folgenden: belangte Behörde) den Widerruf der durch öffentliche Bestellung erteilten Berechtigungen zur selbständigen Ausübung der Wirtschaftstreuhandberufe Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gemäß § 104 Abs. 1 Z 1 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) mit Datum der Zustellung des Bescheides aus.

5 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass der Spruch um den Hinweis auf die nicht mehr gegebenen Bestellungsvoraussetzungen der besonderen Vertrauenswürdigkeit iSd § 9 WTBG ergänzt wurde.

6 Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt folgerte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht, der Behörde komme beim Widerruf gemäß § 104 WTBG kein

Ermessen zu (arg.: "hat ... zu widerrufen"). Es sei nicht auf die

faktische Berufsausübung abzustellen, sondern auf die erteilte Berufsberechtigung, die ungeachtet der erfolgten Ruhendmeldung aufrecht sei. Während im Falle der Ruhendmeldung nach Anzeige der Beendigung des Ruhens die zunächst mögliche weitere Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufs bloß unter Untersagungsvorbehalt stehe, führe der Widerruf gemäß § 104 WTBG zum Verlust der Berufsberechtigung und zur Streichung aus der Liste der Wirtschaftstreuhänder. Ausgehend von der festgestellten Verurteilung sei gemäß § 9 Z 1 lit. a WTBG vom Wegfall der besonderen Vertrauenswürdigkeit auszugehen, solange diese Verurteilung nicht getilgt sei.

7 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung könne wegen des unstrittigen Sachverhalts abgesehen werden.

8 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht in Hinblick auf die fehlende Rechtsprechung zu der Frage für zulässig, ob ein Widerruf nach § 104 WTBG auch nach vorangegangener Ruhendmeldung der Berufsausübungsbefugnis zulässig sei.

9 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

10 Die belangte Behörde beantragt, die Revision zurück-, bzw. abzuweisen.

11 5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision ist wegen der vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

13 5.1. Die Revision bestreitet nicht das Vorliegen des Tatbestandes der Verurteilung des Berufsberechtigten von einem Gericht wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer mehr als dreimonatigen Freiheitsstrafe, der zum Verlust der besonderen Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 9 Z 1 lit. a WTBG und in der Folge zum Widerruf gemäß § 104 WTBG führt.

14 Der Revisionswerber vertritt jedoch im Wesentlichen die Ansicht, durch die Ruhendmeldung der Befugnis gemäß § 97 WTBG sei ein Widerruf der öffentlichen Bestellung gemäß § 104 WTBG obsolet geworden. Die belangte Behörde hätte nämlich die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit im Falle der Beendigung des Ruhens zu untersagen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 WTBG nicht vorliegen würden. Andernfalls hätte die belangte Behörde auch nicht auf die Einleitung eines Suspendierungsverfahrens gemäß § 99 WTBG verzichten dürfen, das sie aber in Hinblick auf die Ruhendmeldung nicht durchgeführt habe. Aufgrund der erfolgten Ruhendmeldung würde den Bestimmungen des WTBG, dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 8 WTBG der Beruf nicht ausgeübt werden dürfe, bereits Genüge getan und das angestrebte Rechtsschutzziel erreicht. Überdies sei eine Wiederaufnahme der Berufsausübung für den Revisionswerber mangels Nachweises des Vorliegens der besonderen Vertrauenswürdigkeit bis auf weiteres ohnehin nicht möglich.

15 Das Verwaltungsgericht habe nicht begründet, warum es von dem ihm eingeräumten Ermessen in dieser und nicht in anderer, für den Revisionswerber günstigerer Art Gebrauch gemacht habe.

16 Zudem habe das Verwaltungsgericht das Parteiengehör durch Unterlassung der mündlichen Verhandlung verletzt. Der Revisionswerber hätte andernfalls zu seiner besonderen Vertrauenswürdigkeit Stellung nehmen können.

17 5.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG), BGBl. I Nr. 58/1999 idF BGBl. I Nr. 121/2013, lauten auszugsweise:

"Voraussetzungen

§ 8. (1) Allgemeine Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung sind:

1. die volle Handlungsfähigkeit,

2. die besondere Vertrauenswürdigkeit,

(...)

Besondere Vertrauenswürdigkeit

§ 9. Die besondere Vertrauenswürdigkeit liegt dann nicht vor,

wenn der Berufswerber rechtskräftig verurteilt oder bestraft

worden ist

1. a) von einem Gericht wegen einer mit Vorsatz begangenen

strafbaren Handlung zu einer mehr als dreimonatigen

Freiheitsstrafe oder

b) von einem Gericht wegen einer mit Bereicherungsvorsatz

begangenen strafbaren Handlung oder

c) von einem Gericht wegen eines Finanzvergehens oder

d) von einer Finanzstrafbehörde wegen eines vorsätzlichen

Finanzvergehens mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit und

diese Verurteilung oder Bestrafung noch nicht getilgt ist oder solange die Beschränkung der

2. Auskunft gemäß § 6 Abs. 2 oder Abs. 3 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 68, noch nicht eingetreten ist.

(...)

Ruhen der Befugnis

§ 97. (1) Berufsberechtigte sind berechtigt, auf ihre Befugnis zur selbständigen Ausübung ihres Wirtschaftstreuhandberufes vorübergehend mit der Rechtsfolge zu verzichten, das hierdurch Ruhen der Berufsbefugnis eintritt.

(2) Der Eintritt des Ruhens ist der Kammer der Wirtschaftstreuhänder unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat den Eintritt des Ruhens im Amtsblatt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu veröffentlichen.

(...)

(4) Die Beendigung des Ruhens ist der Kammer der Wirtschaftstreuhänder unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Der schriftlichen Anzeige auf Beendigung des Ruhens sind die Belege zum Nachweis der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 anzuschließen.

(5) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit zu untersagen, wenn


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1.
keine Belege gemäß Abs. 4 vorgelegt werden oder
2.
die Allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 nicht vorliegen oder
3.
im Falle der persönlichen Wiederaufnahme der
Berufstätigkeit durch eine natürliche Person nach mehr als siebenjährigem Ruhen.

(6) Von einer Untersagung ist im Fall des Abs. 5 Z 3 abzusehen, wenn der Berufsberechtigte in dieser Zeit überwiegend facheinschlägig gearbeitet hat.

(7) Im Falle der persönlichen Wiederaufnahme der Berufstätigkeit durch eine natürliche Person nach mehr als siebenjährigem Ruhen hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder diese Wiederaufnahme von der Ablegung der mündlichen Fachprüfung abhängig zu machen, wenn der Berufsberechtigte in dieser Zeit nicht überwiegend facheinschlägig gearbeitet hat.

(8) Über die Untersagung der Wiederaufnahme ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen. Dieser Bescheid ist dem Berufsberechtigten zu eigenen Handen zuzustellen.

(9) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Beendigung des Ruhens im Amtsblatt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu veröffentlichen.

(...)

2. Abschnitt

Erlöschen der Berechtigung

Allgemeines

§ 102. Die Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines

Wirtschaftstreuhandberufes erlischt durch

1. Verzicht gemäß § 103 oder

2. Widerruf der öffentlichen Bestellung gemäß § 104 oder

3. Widerruf der Anerkennung gemäß § 105 oder

4. Tod oder

5. Auflösung der Gesellschaft.

(...)

Widerruf der öffentlichen Bestellung

§ 104. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat eine durch öffentliche Bestellung erteilte Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes zu widerrufen, wenn

1. eine der allgemeinen Voraussetzungen für die öffentliche

Bestellung nicht mehr gegeben ist oder

2. die Einholung der Genehmigung gemäß § 93 Abs. 4 unterlassen wurde.

(2) Über den Widerruf der Bestellung ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen.

(3) Vom Widerruf der öffentlichen Bestellung ist in den Fällen des § 9 Z 1 lit. d abzusehen, wenn eine ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet ist und die Folgen des Vergehens unbedeutend sind.

(...)

Streichung - Veröffentlichung

§ 106. (1) Auf Grund des Erlöschens der Berechtigung hat die Streichung aus der Liste der Wirtschaftstreuhänder zu erfolgen.

(2) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Streichung auf Grund eines Widerrufes von Amts wegen im Amtsblatt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu veröffentlichen."

18 5.3. Die Berechtigung zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes erlischt gemäß § 102 WTBG durch Verzicht gemäß § 103, Widerruf der öffentlichen Bestellung gemäß § 104, Widerruf der Anerkennung gemäß § 105, Tod oder Auflösung der Gesellschaft. Gemäß § 106 WTBG hat auf Grund des Erlöschens der Berechtigung die Streichung aus der Liste der Wirtschaftstreuhänder zu erfolgen.

19 Durch das Ruhen einer Berufsberechtigung geht die Befugnis, einen Wirtschaftstreuhandberuf selbständig auszuüben, nicht verloren. Während des Ruhens ist somit lediglich die Ausübung wirtschaftstreuhänderischer Tätigkeiten untersagt (vgl. RV 1273 BlgNR 20. GP, 75). Bei Ruhendmeldung gemäß § 97 WTBG entscheidet über die Beendigung des Ruhens grundsätzlich der Berufsberechtigte, wobei die von diesem anzuzeigende Wiederaufnahme der Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen zu untersagen ist.

20 Der Argumentation der Revision, mit der Ruhendmeldung werde das gesetzlich angestrebte Rechtsschutzziel im Falle des Verlusts der besonderen Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 9 WTBG ohnehin erreicht, ist nicht zu folgen: Diese verkennt den Unterschied zwischen den Rechtsfolgen des Widerrufs durch die Behörde und der (bloßen) Ruhendmeldung durch den Berufsberechtigten. Während der Widerruf gemäß § 104 WTBG zum Verlust der Berufsausübungsberechtigung und zur Streichung aus der Liste der Wirtschaftstreuhänder führt, sodass vor Wiederaufnahme der Tätigkeit durch den Revisionswerber ein neues Bestellungsverfahren zur Wiedererlangung der Berufsbefugnis erforderlich wäre, zeitigt die bloße Ruhendmeldung der Berufsbefugnis dem Erlöschen der Berufsausübungsbefugnis keineswegs gleichzuhaltende Rechtsfolgen. Letztere bedeutet nämlich einen vorübergehenden Verzicht des Berufsberechtigten auf die Ausübung der nach wie vor aufrechten Berufsbefugnis.

21 Bereits das Verwaltungsgericht verweist zu Recht darauf, dass die Sichtweise des Revisionswerbers zu dem nicht zu rechtfertigenden Ergebnis führen würde, dass der Berufsberechtigte durch bloße Ruhendmeldung der Berufsausübung den gesetzlich angeordneten Verlust der Berufsberechtigung hintanhalten könnte.

22 5.4. Insofern die Revision ins Treffen führt, die belangte Behörde hätte für den Fall, dass der Widerruf nicht als obsolet zu betrachten sei, auch ein Suspendierungsverfahren durchführen müssen, ist ihr zu entgegnen, dass die Durchführung eines Suspendierungsverfahrens keine Voraussetzung für den Widerruf gemäß § 104 WTBG darstellt. Die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Suspendierungsverfahren vorlagen und ob ein solches betreffend den Revisionswerber anzustrengen gewesen wäre oder nicht, ist daher für die Beantwortung der hier maßgeblichen Rechtsfrage irrelevant.

23 Die Revision tritt dem Standpunkt des Verwaltungsgerichts, dass die maßgebliche Bestimmung des WTBG der Behörde von vornherein kein Ermessen einräume, nicht entgegen, sodass auf den bloßen Hinweis, das Verwaltungsgericht habe seine Ermessensausübung nicht nachvollziehbar dargestellt, nicht weiter einzugehen ist.

24 5.5. Selbst dann, wenn eine Verhandlung ausdrücklich beantragt wurde, kann das Verwaltungsgericht jedoch im Fall, dass § 24 Abs. 4 VwGVG 2014 anwendbar ist, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Das Unterlassen der mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht steht fallbezogen angesichts des unstrittigen entscheidungsrelevanten Sachverhalts und der nicht übermäßig komplexen Rechtsfragen in Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhandlungspflicht (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2016/04/0047, mwN).

25 Dem persönlichen Eindruck vom Berufsberechtigten kommt im Verfahren gemäß § 104 iVm § 9 WTBG keine rechtliche Relevanz zu, weil der Verlust der besonderen Vertrauenswürdigkeit alleine auf der Tatbestandswirkung der gerichtlichen Verurteilung beruht. Eine Prognosebeurteilung ist im Zusammenhang mit dem Widerruf gemäß § 104 WTBG nicht vorzunehmen, weshalb die unterlassene persönliche Anhörung des Revisionswerbers keinen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. zu letzterem den hg. Beschluss vom , Ra 2015/18/0277).

26 6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Zur Begründung kann auf die Ausführungen unter Rz 24 verwiesen werden.

27 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am