VwGH vom 05.04.2017, Ra 2015/04/0028
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision des W M in L, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Conradvon-Hötzendorf-Straße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2015/25/0162-2, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1 1. Mit Straferkenntnis vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Lienz über den Revisionswerber wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 3 zweiter Fall in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 56 Stunden). Dem Revisionswerber wurde angelastet, er sei als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A KG dafür verantwortlich, dass am die gewerbebehördlich bewilligte Bus- und LKW-Garage in L in geänderter Weise betrieben worden sei. Es hätten auf dem Vorplatz Waschtätigkeiten an einem Omnibus stattgefunden, obwohl eine Betriebsanlagengenehmigung dafür gefehlt habe und die geänderte Betriebsweise geeignet gewesen sei, eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge, als es die Geldstrafe von EUR 600,-- auf EUR 200,--
herabsetzte und den Verfahrenskostenbeitrag mit EUR 20,-- neu festsetzte. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
3 In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass Servicetätigkeiten, wie etwa das Waschen der Fahrzeuge, vom Konsens der Betriebsanlagenbewilligung nicht umfasst seien. Es handle sich gegenständlich weder um ein einmaliges Vorgehen, noch habe der Revisionswerber das Vorhandensein eines Kontrollsystems aufgezeigt, das geeignet sei, solche Waschtätigkeiten durch Dienstnehmer zu verhindern.
Die Frage, ob das Abspülen von Verunreinigungen mit Wasser im konkreten Fall eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer darstelle oder nicht, sei für das angelastete Tatbild nicht maßgeblich. Die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlagenänderung in § 81 Abs. 1 GewO 1994 verweise auf die Wahrung der Interessen nach § 74 Abs. 2 GewO 1994. Dort werde das betriebsanlagenrechtliche Genehmigungserfordernis an die Eignung geknüpft, die angeführten Interessen zu beeinträchtigen (so etwa die Gewässerbeschaffenheit in Z 5). "Wenn dieser Umstand mit dem Vergleich des Regens bestritten" werde, sei dies unpassend, weil sich der Regen nicht eigne, festsitzende Verunreinigungen zu lösen. Am gegenständlichen Vorplatz erfolge die Oberflächenentwässerung in eine Versickerungsmulde, wodurch verunreinigtes Wasser die Beschaffenheit von Gewässern nachteilig beeinflussen könnte. Ob dies tatsächlich zu befürchten sei, wäre in einem Genehmigungsverfahren zu klären.
Die Herabsetzung der Strafhöhe begründete das Verwaltungsgericht damit, dass der Revisionswerber bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz nicht einschlägig verwaltungsstrafrechtlich vorgemerkt sei, dass man glaubhaft gemacht habe, die Außenreinigung der Busse erfolge grundsätzlich bei der benachbarten Firma S, und dass im konkreten Fall die Reinigung des Busses mit Leitungswasser ohne die Verwendung von Reinigungsmitteln erfolgt sei.
4 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegenden außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob im vorliegenden Fall eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften erforderlich bzw. vorgeschrieben sei.
7 Die Revision erweist sich in Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig und auch berechtigt.
8 2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 (§ 74) bzw. BGBl. I Nr. 125/2013 (§ 81), lauten auszugsweise wie folgt:
"Betriebsanlagen
§ 74. (1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung
der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der
Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise,
wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. bis 4 (...)
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der
Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
(3) bis (7) (...)"
§ 81. (1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
(2) bis (4) (...)"
9 3. Dem Revisionswerber wird im vorliegenden Fall der konsenswidrige Betrieb einer gewerberechtlich genehmigten Betriebsanlage zur Last gelegt (§ 366 Abs. 1 Z 3 zweiter Fall in Verbindung mit § 81 Abs. 1 GewO 1994). Das Waschen eines Omnibusses auf dem Vorplatz der Garagen sei vom bestehenden Konsens nicht umfasst und - im Sinn des § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 -
geeignet, die Beschaffenheit von Gewässern nachteilig zu beeinflussen.
10 Aus § 81 Abs. 1 GewO 1994 ergibt sich, dass nicht jede Änderung einer genehmigten gewerblichen Betriebsanlage einer behördlichen Genehmigung bedarf. Vielmehr ist eine Genehmigung nur dann erforderlich, wenn die beabsichtigten Änderungen geeignet sind, die in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu berühren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/04/0002, sowie Bergthaler/Holzinger, § 81 in:
Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO Rz. 3).
Hinsichtlich § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 gilt es zu berücksichtigen, dass auf nachteilige Einwirkungen der Betriebsanlage auf die Beschaffenheit der Gewässer nur Bedacht zu nehmen ist, wenn nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist. Wasserrechtliche Aspekte sind im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren bloß dann der Gewerbebehörde übertragen, wenn sie nicht den Gegenstand eines gesonderten wasserrechtlichen Verfahrens vor der Wasserrechtsbehörde bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/04/0116). Dabei kommt es auf das Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung im Zeitpunkt des gewerbebehördlichen Abspruches nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/04/0151).
Erfüllt die betreffende Maßnahme somit einen wasserrechtlichen Bewilligungstatbestand, ist die Gewerbebehörde - außerhalb der Mitanwendung in den Fällen der Verfahrens- und Entscheidungskonzentration gemäß § 356b Abs. 1 GewO 1994, die jedoch ein gewerberechtliches Verfahren voraussetzen - zur Wahrung des Schutzes der Gewässer von einer nachteiligen Einwirkung seitens gewerblicher Betriebsanlagen nicht zuständig. Bedarf eine Änderung einer genehmigten gewerblichen Betriebsanlage aber keiner behördlichen Genehmigung gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994, ist auch der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 nicht erfüllt.
11 Darauf hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht Bedacht genommen und keine Feststellungen dazu getroffen, ob für die Waschtätigkeit auf dem Vorplatz der Betriebsanlage eine Bewilligungspflicht auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften besteht.
12 4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft "ERV-Kosten", für deren gesonderte Geltendmachung die genannten Rechtsvorschriften keine Grundlage bieten (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/21/0152, mwN). Wien, am