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VwGH vom 20.04.2016, Ra 2015/04/0018

VwGH vom 20.04.2016, Ra 2015/04/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der A in W, vertreten durch die Wurst Ströck Weiß Rechtsanwälte Partnerschaft in 1010 Wien, Mahlerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W134 2014375-1/12E, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Partei: H GmbH in W, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse jeweils vom , 2013/04/0061, 0062 sowie 2013/04/0149, verwiesen, denen folgende vergaberechtliche Konstellation zugrunde lag:

Mit Bescheid vom gab das Bundesvergabeamt den Anträgen der mitbeteiligten Partei auf Nichtigerklärung einer Ausscheidensentscheidung, der Zuschlagsentscheidung und einer sonstigen Festlegung der Revisionswerberin (als Auftraggeberin) im Vergabeverfahren "A - Unterstützung des Sicherheitsdienstes" statt. In der Folge widerrief die Revisionswerberin dieses Vergabeverfahren und führte - ohne Beteiligung der mitbeteiligten Partei - ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nach § 30 Abs. 2 Z 1 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) durch. Mit Bescheid vom wurde (unter anderem) der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Nichtigerklärung der Wahl dieses Verhandlungsverfahrens zurückgewiesen und der Wiedereinsetzungsantrag gegen den Ablauf der diesbezüglichen Anfechtungsfrist abgewiesen. Am schloss die Revisionswerberin mit der S GmbH einen Vertrag über die verfahrensgegenständlichen Leistungen.

Mit dem erstzitierten Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Begründend hielt der Verwaltungsgerichtshof - auf das Wesentliche zusammengefasst - fest, dass das Bundesvergabeamt auch im Anwendungsbereich des § 313 Abs. 2 BVergG 2006 die erzielten Ermittlungsergebnisse hätte berücksichtigen müssen. Die eingeholte Stellungnahme der Akkreditierung Austria könne nicht als Beleg für die mögliche Gleichwertigkeit der von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten Zertifizierung nach EN 50518 mit der von der Revisionswerberin verlangten Zertifizierung nach ISO 9001:2008 herangezogen werden.

Mit dem zweitzitierten Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil das Bundesvergabeamt zu Unrecht ein Schreiben der Revisionswerberin vom als gesondert anfechtbare Entscheidung qualifiziert und demzufolge den Nachprüfungsantrag der mitbeteiligten Partei als verspätet angesehen hatte.

2 Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Weiterführung des Verfahrens als Feststellungsverfahren.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom gab das (zuständig gewordene) Bundesverwaltungsgericht diesem Antrag statt und stellte fest, dass das Vergabeverfahren "A - Unterstützung des Sicherheitsdienstes" rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei (Spruchpunkt A.I). Der (das Vergabeverfahren beendende) Vertrag vom wurde mit Ablauf des aufgehoben (Spruchpunkt A.II). Die Revisionswerberin wurde verpflichtet, eine Geldbuße in der Höhe von EUR 58.000,- zu bezahlen und der mitbeteiligten Partei (als Antragstellerin) die entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen (Spruchpunkte A.III und A.IV). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

Zu der - von der Revisionswerberin bestrittenen - Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei verwies das Verwaltungsgericht auf die von der mitbeteiligten Partei (bereits im ersten Vergabenachprüfungsverfahren) vorgelegte Bestätigung des Sachverständigen S, in der dieser angegeben habe, dass die mitbeteiligte Partei bereits im Jänner 2013 über ein Qualitätsmanagementsystem verfügt habe, das den Vorgaben der ISO 9001:2008 entspreche bzw. mit dieser vergleichbar sei. Weiters führte das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen, wonach eine Vergabekontrollbehörde den Antrag eines Bieters in einem vergaberechtlichen Rechtsschutzverfahren nur dann als unzulässig zurückzuweisen habe, wenn sich aus der Aktenlage ergebe, dass der Bieter auszuscheiden gewesen wäre (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2007/04/0095). Auf Grund der Aktenlage und insbesondere auf Grund des Schreibens des Sachverständigen S könne nicht davon ausgegangen werden, dass die mitbeteiligte Partei auszuscheiden gewesen wäre, eher scheine das Gegenteil der Fall zu sein. Eine vertiefte Prüfung etwa durch Beiziehung eines Sachverständigen könne im Hinblick auf die genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unterbleiben. Der mitbeteiligten Partei komme somit Antragslegitimation zu.

Betreffend den Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 prüfte das Verwaltungsgericht, ob die ursprünglichen Bedingungen für den Auftrag grundlegend geändert worden seien. Diesbezüglich erachtete das Verwaltungsgericht die Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union im - nachträgliche Vertragsänderungen betreffenden - Urteil vom , Rs C-454/06, pressetext , als maßgeblich. Da die Revisionswerberin den Nachweis einer Eignungsanforderung nunmehr auch durch die Erfüllung einer (näher genannten) Richtlinie des Verbandes der Sicherheitsunternehmen zugelassen habe (die gegenüber der ursprünglich allein maßgeblichen EN 50518 bedeutsame Unterschiede aufweise), sei es im zweiten Vergabeverfahren zu einer Veränderung des (potentiellen) Bieterkreises gekommen. Somit liege eine grundlegende Änderung der Ausschreibungsbedingungen vor, weshalb die Revisionswerberin zu Unrecht den - eng auszulegenden - Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 herangezogen habe.

Betreffend die Nichtigerklärung des Vertrages folgte das Verwaltungsgericht der Argumentation der Revisionswerberin nur insoweit, als es die Aufhebung des Vertrages erst sechs Monate nach Erlassung des Erkenntnisses vorsah, um der Revisionswerberin die Möglichkeit zu geben, für den Schutz der wertvollen Kulturgüter der A ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Schließlich begründete das Verwaltungsgericht die Festsetzung der Geldbuße in der Höhe von ca. 5 % der Auftragssumme.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

6 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit (unter anderem) vor, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, inwieweit die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 für die Inanspruchnahme eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung gegeben sind, wenn die Auftraggeberin die Bedingungen des Vergabeverfahrens nur hinsichtlich der Eignungskriterien ändere - und auch diesbezüglich nur im unbedingt nötigen Ausmaß, um einen Wettbewerb zu ermöglichen. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes der Z 1 des § 30 Abs. 2 BVergG 2006 könnten nicht denjenigen der Z 4 und 5 dieser Bestimmung (betreffend die Vergabe zusätzlicher Leistungen) gleichgehalten werden. Das "Wesen" des Ausnahmetatbestandes gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 ziele gerade darauf ab, den Bieterkreis zu ändern, weil mit den ursprünglichen Kriterien kein geeigneter Bieter gefunden worden sei.

Bereits im Hinblick auf dieses Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig.

2. Zur Antragslegitimation im vergaberechtlichen Feststellungsverfahren:

Der Revision kommt aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:

7 Vorauszuschicken ist, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung, die Antragslegitimation zu bejahen, - entgegen der Revisionsauffassung - nicht vom zitierten hg. Erkenntnis 2013/04/0061, 0062 abgewichen ist. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof - soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz - lediglich festgehalten, dass das Bundesvergabeamt im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die mitbeteiligte Partei über eine "vergleichbare Zertifizierung" verfüge, die eingeholte Stellungnahme der Akkreditierung Austria zur Vergleichbarkeit einer Zertifizierung nach EN 50518 mit einer Zertifizierung nach ISO 9001:2008 nicht hätte außer Acht lassen dürfen. Da diese Stellungnahme zum Ergebnis komme, dass die EN 50518 kaum Gemeinsamkeiten mit der ISO 9001:2008 aufweise, könne sie nicht als Beleg für die mögliche Gleichwertigkeit dieser beiden Normen herangezogen werden. Ausführungen zu der vom Verwaltungsgericht nunmehr begründend herangezogenen Bestätigung des Sachverständigen S oder eine Aussage dahingehend, dass die mitbeteiligte Partei keinesfalls über eine "vergleichbare Zertifizierung" verfüge, finden sich im genannten Erkenntnis nicht.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit dem Begriff des Schadens als Voraussetzung für die Antragslegitimation bei Feststellungsanträgen gemäß § 331 Abs. 1 BVergG 2006 befasst und dazu im Erkenntnis vom , 2012/04/0032, 0034, Folgendes festgehalten:

"Für Feststellungsanträge ist gemäß § 331 Abs. 1 BVergG 2006 das Erfordernis eines durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandenen oder zu entstehen drohenden Schadens Voraussetzung. Ein dem Antragsteller drohender Schaden liegt bereits dann vor, wenn die Möglichkeit des Antragstellers, am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtswidrigkeit beeinträchtigt werden kann. Dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, wird bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0134, mwN; vgl. für Nachprüfungsanträge das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0239, mwH). Im Erkenntnis Zl. 2011/04/0134 hat der Gerichtshof auch ausgesprochen, dass die Möglichkeit, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen bzw. den Zuschlag zu erhalten, durch eine behauptete Rechtswidrigkeit dann nicht beeinträchtigt werden kann, wenn nach den unbestrittenen Sachverhaltsannahmen davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin die auftragsgegenständliche Leistung (im dort zugrunde liegenden Fall: jedenfalls in zeitlicher Hinsicht) nicht vollständig erbringen kann. Im Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0168, hat der Gerichtshof die Auffassung der dort belangten Behörde nicht beanstandet, wonach der Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung des vorliegenden Vertragsgegenstandes ein Schaden nicht entstehen oder drohen könnte, weil sie fallbezogen nicht in der Lage gewesen wäre, die nachgefragte Leistung in ihrer Gesamtheit zu erbringen."

9 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Antragslegitimation von Bietern festgehalten, dass die Vergabekontrollbehörde bei hinreichend konkreten Einwänden einer Verfahrenspartei verpflichtet ist, diese eingewendeten Gründe dahin zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre, wobei sie bei dieser Prüfung nur die aus den Akten des Vergabeverfahrens ersichtlichen Umstände zu berücksichtigen hat und in einem solchen Fall nicht etwa ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausscheidungsgrundes einholen muss (siehe das Erkenntnis vom , 2011/04/0011, mwN).

Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , in der Rechtssache C-689/13, PFE, lässt sich für die Beurteilung der Antragslegitimation im vorliegenden Fall schon deshalb nichts ableiten, weil ein allfälliges Interesse (hier:) der mitbeteiligten Partei am Ausschluss der Angebote anderer Bieter nicht Gegenstand des (hier zugrunde liegenden) Verfahrens auf Feststellung der rechtswidrigen Wahl eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ist.

10 Im vorliegenden Fall war in der Ausschreibungsunterlage vorgesehen, dass der Bewerber über eine Zertifizierung nach ISO 9001:2008 oder eine vergleichbare Zertifizierung verfügen müsse. Unstrittig ist, dass die mitbeteiligte Partei zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht über eine Zertifizierung nach ISO 9001:2008 verfügte. Sie hat allerdings die Bestätigung eines (gerichtlich zertifizierten) Sachverständigen vorgelegt, nach der ihr Qualitätssicherungssystem der ISO 9001:2008 entsprochen habe bzw. dieser gleichwertig gewesen sei. Zu prüfen war daher, ob diese Bestätigung als (mit einer Zertifizierung nach ISO 9001:2008) "vergleichbare Zertifizierung" angesehen werden konnte. Nur im bejahenden Fall hätte für die mitbeteiligte Partei die Möglichkeit bestanden, am Vergabeverfahren über die auftragsgegenständliche Leistung teilzunehmen.

11 Zur Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass diese nach dem objektiven Erklärungswert "für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter" bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2010/04/0066, mwN). Nach dem klaren Wortlaut bezieht sich die vorliegend geforderte Vergleichbarkeit nicht unmittelbar auf bestimmte inhaltliche Anforderungen, sondern auf den formalen Aspekt des Vorliegens einer Zertifizierung (arg: "oder eine vergleichbare Zertifizierung"). Für die Erfüllung dieser Voraussetzung war daher vom Auftraggeber (bzw. im Rahmen der Beurteilung der Antragslegitimation: vom Verwaltungsgericht) nicht zu prüfen, ob die mitbeteiligte Partei über ein Qualitätsmanagementsystem verfügt, das - inhaltlich - den Anforderungen der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2008 entspricht, sondern es war eine Überprüfung des vorgelegten Nachweises dahingehend vorzunehmen, ob dieser in gleicher Weise (wie eine Zertifizierung nach ISO 9001:2008) Gewähr dafür bietet, dass die Organisation des Unternehmens der mitbeteiligten Partei die Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem gemäß ISO 9001:2008 erfüllt. Ausgehend davon war keine vertiefende Prüfung durch Beiziehung eines Sachverständigen und keine Überprüfung der Bestätigung des Sachverständigen S auf ihre inhaltliche Richtigkeit erforderlich. Das Verwaltungsgericht hatte vielmehr die rechtliche Beurteilung vorzunehmen, ob die Bestätigung eines Sachverständigen einer Zertifizierung nach ISO 9001:2008 gleichzuhalten war.

12 Die Revisionswerberin bringt dazu vor, eine von einer selbst nicht akkreditierten Person (hier einem Berater der mitbeteiligten Partei) ausgestellte Bescheinigung könne keine gleichwertige Zertifizierung in diesem Sinn darstellen. Damit ist sie im Ergebnis im Recht.

13 Bei einer Zertifizierung handelt es sich um eine Bestätigung durch eine unabhängige Stelle, dass bestimmte Anforderungen erfüllt werden, wobei die zertifizierende Stelle ihrerseits entsprechend autorisiert (akkreditiert) sein und einer Aufsicht unterliegen muss (siehe zum Begriff und zu den Besonderheiten der Zertifizierung sowie zu den Anforderungen an eine Zertifizierungsstelle Holoubek/Fuchs , Akkreditierung und Zertifizierung, in Holoubek/Potacs (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht3 (Band 2) 521, 535 ff, sowie Holoubek , Das "Zertifizierungsrechtsverhältnis", in Festschrift Stolzlechner (2013) 259 (264 ff)). Mit dem Verlangen nach einer vergleichbaren Zertifizierung soll sichergestellt werden, dass der Auftraggeber die gleiche Gewähr für die Erfüllung der in der ISO 9001:2008 festgelegten Anforderungen erhält wie durch eine Zertifizierung nach der ISO 9001:2008 selbst. Davon ausgehend kann in einer Bestätigung durch einen Sachverständigen aber keine "vergleichbare Zertifizierung" gesehen werden, weil ein Sachverständiger - auch wenn er selbst gerichtlich zertifiziert sein mag - keine Zertifizierungsstelle ist. Darauf, ob die Bestätigung durch den Sachverständigen inhaltlich zutreffend ist, kommt es bei der hier vorzunehmenden Prüfung - wie oben ausgeführt - nicht an.

14 Soweit die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung das Verlangen einer Zertifizierung nach ISO 9001:2008 oder einer vergleichbaren Zertifizierung als diskriminierend erachtet, ist Folgendes zu erwidern:

Nach den Erläuterungen zu § 70 BVergG 2006 (RV 1171 BlgNR 22. GP 62) ist es nicht Inhalt des Gesetzes, Auftraggeber in ihrer Befugnis zu beschneiden, darüber zu entscheiden, welcher Standard der wirtschaftlichen, finanziellen oder technischen Leistungsfähigkeit für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen erforderlich ist, sondern zu bestimmen, mit welchen Nachweisen oder Beweismitteln die finanzielle, wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit dargetan werden kann. Gemäß § 70 Abs. 1 BVergG 2006 dürfen Eignungsnachweise aber nur so weit festgelegt werden, wie es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Eignungsnachweise müssen somit - bezogen auf den Leistungsinhalt - verhältnismäßig bzw. sachlich gerechtfertigt sein (siehe Heid/Kondert in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht3 (2010), Rz 1013). Im Hinblick auf den vorliegenden Leistungsgegenstand - Schutz bedeutsamer Kulturgüter -

begegnet das Verlangen nach einer ISO-Zertifizierung oder einer vergleichbaren Zertifizierung keinen sachlichen Bedenken. Dass durch diese Vorgabe fallbezogen kein echter Wettbewerb mehr gewährleistet wäre, ist im Hinblick darauf, dass die mitbeteiligte Partei von vier Unternehmen spricht, die diese Vorgabe erfüllen, nicht ersichtlich (siehe dazu das zur Festlegung des Auftragsgegenstandes ergangene Erkenntnis vom , 2011/04/0168).

Auch die von der mitbeteiligten Partei in der Revisionsbeantwortung ins Treffen geführte Regelung des § 77 BVergG 2006 führt zu keinem anderen Ergebnis (weshalb auf die Frage, inwieweit diese Bestimmung bei einem Vergabeverfahren über eine nicht-prioritäre Dienstleistung gemäß § 141 BVergG 2006 überhaupt maßgeblich sein kann, nicht eingegangen werden muss).

§ 77 BVergG 2006 sieht - soweit vorliegend von Relevanz - vor, dass Auftraggeber für den Nachweis der Erfüllung bestimmter Qualitätssicherungsnormen auf Verfahren Bezug zu nehmen haben, die den einschlägigen europäischen Normen genügen (wobei insbesondere auf die Serie ISO 9000 verwiesen wird). Gleichwertige Nachweise von Qualitätssicherungsmaßnahmen in anderer Form sind anzuerkennen, insbesondere wenn der Unternehmer glaubhaft macht, dass er die betreffenden Bescheinigungen nicht beantragen darf oder innerhalb der einschlägigen Fristen nicht erhalten kann. Die Erläuterungen (RV 1171 BlgNR 22. GP 66) betonen, dass Nachweise in anderer Form nur anerkannt werden müssen, wenn es sich um gleichwertige Maßnahmen handelt (siehe dazu Jäger in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006,

§ 77 Rz 10, demzufolge dabei in erster Linie an Zertifikate von Stellen aus Drittstaaten zu denken ist).

Die von der mitbeteiligten Partei diesbezüglich vorgebrachten Bedenken führen zu keiner anderen Beurteilung der Antragslegitimation.

3. Ergebnis

15 Das Verwaltungsgericht hat somit zu Unrecht die Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei bejaht und eine Sachentscheidung in Form der von der mitbeteiligten Partei beantragten Feststellung getroffen. Damit hat es Spruchpunkt A.I des angefochtenen Erkenntnisses mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb auf das weitere Revisionsvorbringen betreffend die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung nach § 30 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 nicht einzugehen war. Da die Spruchpunkte A.II, A.III und A.IV betreffend die Aufhebung des Vertrages, die Verhängung einer Geldbuße und den Pauschalgebührenersatz von der in Spruchpunkt A.I getroffenen Feststellung abhängen (siehe die §§ 319 und 334 BVergG 2006), fällt mit der Aufhebung des Spruchpunktes A.I des angefochtenen Erkenntnisses die Entscheidungsgrundlage für die weiteren genannten Spruchpunkte weg.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am