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VwGH vom 27.04.2011, 2011/23/0084

VwGH vom 27.04.2011, 2011/23/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des RAB, geboren 1982, vertreten durch Mag. Martin Beck, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Franz Liszt-Gasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 315.896-1/3E-XIV/08/07, betreffend §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste über eine Außengrenze Griechenlands in das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein; von Griechenland gelangte er - nach erkennungsdienstlicher Behandlung am - nach Österreich, wo er am internationalen Schutz beantragte.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und erklärte gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 Dublin-Verordnung Griechenland als für dessen Prüfung zuständig. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland aus; demzufolge sei gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Griechenland zulässig.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das Bundesasylamt zu Recht von einem Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin-Verordnung auf Griechenland ausgegangen sei, weil Griechenland auf das Aufnahmeersuchen trotz Einforderung einer dringlichen Antwort gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin-Verordnung nicht innerhalb der gesetzten Frist geantwortet habe.

Im gegenständlichen Fall bestehe auch keine Verpflichtung Österreichs zur Ausübung seines Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung. Das Vorbringen des Beschwerdeführers habe sich in vagen Behauptungen erschöpft, sodass er nicht ausreichend substantiiert dargelegt habe, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Griechenland eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Das Bundesasylamt habe aktuelle Feststellungen zu Griechenland getroffen, wobei es im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung liege, wenn es in den einzelnen Dublin-Staaten sowohl in Qualität wie auch in Quantität Unterschiede in der Versorgung von Asylwerbern gebe. Auch dieser Umstand könne nicht zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK führen. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung genüge nicht, um eine Abschiebung als unzulässig erscheinen zu lassen.

Aus dem in der Berufung zitierten Bericht des UNHCR sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil die Vorlage allgemeiner Berichte das Erfordernis der Glaubhaftmachung einer realen Gefahr einer unzulässigen Kettenabschiebung in den Herkunftsstaat nicht zu ersetzen vermöge. Der allfälligen Annahme des Beschwerdeführers, dass er in Griechenland kein Asyl erhalten und nach Afghanistan abgeschoben werde, sei zu entgegnen, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein könne, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen.

Insgesamt bestehe im vorliegenden Fall daher keine reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung. Mit dem Berufungsvorbringen sei es dem Beschwerdeführer nicht - wie von § 5 Abs. 3 AsylG 2005 gefordert - gelungen, in seiner Person gelegene besondere Gründe glaubhaft zu machen, die für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprächen. Solche seien auch bei der belangten Behörde nicht offenkundig, weshalb entsprechend dieser gesetzlichen Bestimmung davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer in einem Staat nach § 5 Abs. 1 AsylG 2005 Schutz vor Verfolgung finde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Griechenland eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohe. In diesem Zusammenhang habe er in seiner Berufung auch auf entsprechendes Berichtsmaterial Bezug genommen. Mit diesen Ausführungen in der Berufung und den Berichtsinhalten habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinandergesetzt.

Mit diesem Beschwerdevorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Der vorliegende Fall gleicht insoweit, als sich einerseits bereits aus den erkennbar auch dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Länderfeststellungen im erstinstanzlichen Bescheid u. a. ergibt, dass seitens vieler NGOs den griechischen Behörden gelegentlich unterstellt werde, Refoulementbestimmungen bei potentiell neuen Asylwerbern nicht immer zur vollen Anwendung zu bringen, sowie unzureichend ausgestattete Aufnahmelager und das mangelhaft entwickelte System der Flüchtlingsversorgung und Wohlfahrt kritisiert würden, und andererseits die belangte Behörde eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem - auf verschiedene Berichte gestützten - Berufungsvorbringen unterließ, in den entscheidungswesentlichen Punkten sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht jenem, der den hg. Erkenntnissen vom , Zlen. 2008/19/0010 und 2008/19/0195, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung dieser Erkenntnisse verwiesen.

Aus den dort genannten Gründen war auch der hier angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-92807