VwGH vom 20.12.2016, Ro 2015/03/0037

VwGH vom 20.12.2016, Ro 2015/03/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meraner Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2015/14/0217-3, betreffend teilweise Befreiung von der Verpflichtung, als Verfahrenshelfer tätig zu werden (mitbeteiligte Partei: Dr. C P, vertreten durch Univ.- Doz. Dr. Thomas Walzel v. Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis erteilte das Verwaltungsgericht (in Abänderung des Bescheides der vor ihr belangten, nunmehr revisionswerbenden Verwaltungsbehörde) dem mitbeteiligten Rechtsanwalt gemäß § 23 Abs 6 und § 46 Abs 2 RAO iVm §§ 11, 31 und 28 VwGVG eine Befreiung von der Verpflichtung, als Verfahrenshelfer tätig zu werden, im Ausmaß von einem Drittel und wies darüber hinaus die gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.). Ferner erachtete das Verwaltungsgericht eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung gemäß § 25a VwGG für zulässig (Spruchpunkt 2.).

2 B. In der Begründung dieser Entscheidung wurde nach Wiedergabe der Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid und der vom Verwaltungsgericht als maßgeblich erachteten Rechtslage im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Das Verwaltungsgericht habe am eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Unstrittig sei, dass die mitbeteiligte Partei m als Radfahrer in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei. Dabei sei sie erheblich verletzt worden (Schäden an der Halswirbelsäule), sie leide immer noch an den Folgen des Unfalles. Infolge dieser gesundheitlichen Beeinträchtigung behänge beim Landesgericht Innsbruck ein Verfahren wegen Leistung und Feststellung. Die mitbeteiligte Partei sei sowohl vom Verwaltungsgericht als auch von diesem Landesgericht zu ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihrer Möglichkeit zur Arbeit einvernommen worden. Die mitbeteiligte Partei habe ausgeführt, dass sie infolge ihrer Beeinträchtigung kaum zu Gerichtsverhandlungen gehe, weil sie nicht länger sitzen und stehen könne. Sie bekomme, wenn sie länger sitzen müsse, bloß Kopfschmerzen, diesbezüglich sei auch auf ein fachkundiges Gutachten verwiesen worden. Es würden Schmerzen bei der Wirbelsäule auftreten. Die mitbeteiligte Partei habe auch ausgeführt, dass sie Schwierigkeiten betreffend des Gleichgewichts und deshalb einen HNO-Arzt konsultiert habe.

Gleichgewichtsprobleme würden sowohl beim Radfahren als auch beim Autofahren auftreten. Phasenweise habe die mitbeteiligte Partei vor dem Unfall 10 bis 12 Stunden gearbeitet, insbesondere dann, wenn sie ein Buch fertigzustellen gehabt habe. Jetzt würde sie nicht mehr als sechs Stunden am Tag arbeiten, eher weniger. Zweimal die Woche gehe sie zum Physiotherapeuten. Daher habe die mitbeteiligte Partei ihre Tätigkeit als Fachautor einschränken müssen (sie habe "drei Bücher ablehnen" müssen). Hinsichtlich der Updates eines Kommentares zum Wohnrecht habe sie sich mit dem Verlag geeinigt, dass sie die mehrmals pro Woche übermittelten Leitsätze nur mehr 14-tägig verfassen und in diesem Rhythmus dem Verlag übermitteln würde. Im Gutachten des Univ.-Prof. Dr. A W vom sei die Rede davon, dass bei der mitbeteiligten Partei eine gestörte zentral-vestibuläre, zerebelläre Informationsverarbeitung festgestellt worden sei. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen, dass die mitbeteiligte Partei eine große Unsicherheit insbesondere bei stehenden Tätigkeiten verspüre und somit sturzgefährdet sei. Ein näher genannter Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie komme zum Schluss, dass ihr aufgrund der festgestellten Schäden der Halswirbelsäule ständig sitzende Arbeiten über mehr als ein bis zwei Stunden ununterbrochen nicht zumutbar seien. Über einen gesamten Tagesverlauf sollten nicht mehr als vier bis sechs Stunden sitzende Arbeit von der mitbeteiligten Partei verrichtet werden. Aufgrund der zentralen Störung des Gleichgewichtsorgans sei eine stehende Arbeitsposition über längere Zeit insbesondere unter Betrachtung eines Bildschirmes nicht zumutbar. Über eine Arbeitswoche gerechnet ergebe sich somit eine maximale Arbeitszeit von 20 bis 30 Stunden Bildschirmarbeit und sitzender Parteienverkehr. Arbeitsunterbrechungen im Stehen und Gehen seien sinnvoll und möglich. Die konzentrierte Arbeit während des Stehens über mehr als 30 Minuten sei aufgrund der zentralen Gleichgewichtsstörungen nicht zumutbar. Im Vergleich zum früheren Arbeitspensum von etwa 70 Stunden pro Woche bestehe somit eine mindestens 50% reduzierte Arbeitsfähigkeit. Der Sachverständige habe auch ausgeführt, dass aufgrund der Schäden an der Halswirbelsäule die Fähigkeit zur übrigen Arbeitsleistung als Rechtsanwalt mehr als 50% reduziert sei.

3 Als Verfahrenshelfer habe die mitbeteiligte Partei pro Jahr 5 bis 6 Fälle zu bearbeiten. Im Anschluss an § 46 Abs 2 RAO sei in § 22 der Geschäftsordnung der Tiroler Rechtsanwaltskammer (beschlossen von der Vollversammlung am und vom Bundesminister für Justiz genehmigt) vorgesehen, dass der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer einzelne Rechtsanwälte über begründeten Antrag dauernd oder vorübergehend von der Bestellung zur Verfahrenshilfe befreien könne, wenn die Bestellung zur Verfahrenshilfe mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Rechtsanwaltes unzumutbar erscheine, er an der Berufsausübung aus erheblichen Gründen auch vorübergehend gehindert sei oder die Befreiung wegen besonderer Verdienste um den Stand geboten erscheine. Nach dieser Bestimmung erscheine nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes eine teilweise Befreiung von der Verfahrenshilfe nicht möglich. Gehe man allerdings vom Wortlaut des § 46 Abs 2 RAO aus, sei dort die Rede davon, dass die Geschäftsordnungen der Rechtsanwaltskammern allgemeine Gesichtspunkte festlegen könnten, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung zur Verfahrenshilfe ganz oder teilweise befreit seien. Wichtige Gründe seien nach diesen Bestimmungen besonders die Ausübung einer mit einem erheblichem Zeitaufwand verbundenen Tätigkeit im Dienste der Rechtsanwaltschaft oder persönliche Umstände, die die Heranziehung als besondere Härte erscheinen ließen. Nach dieser Gesetzesstelle sei eine teilweise Befreiung von der Verfahrenshilfe aus gesundheitlichen Gründen möglich. Gehe man von der glaubwürdigen Schilderung der mitbeteiligten Partei aus, dass sie durch den besagten Unfall nicht nur in ihrer Tätigkeit als Rechtsanwalt, sondern auch in ihrer Tätigkeit als Buchautor gesundheitlich beeinträchtigt sei und sie deshalb ihre Arbeitsleistung verglichen zur Zeit vor dem Unfall um ca 50% habe reduzieren müssen, erscheine es zumindest gerechtfertigt, ihre Verpflichtung, Verfahrenshilfe zu leisten, im Sinn des § 46 Abs 2 RAO um ein Drittel zu reduzieren. Diese Bestimmung sehe (wie angesprochen) auch eine teilweise Befreiung von der Verfahrenshilfe aus wichtigen, persönlichen Gründen vor, die die Heranziehung als besondere Härte erschienen ließen. Im Hinblick darauf, dass sich die mitbeteiligte Partei infolge gesundheitlicher Beeinträchtigung - ein persönlicher Umstand - erheblich mehr anstrengen müsse, um ihre Leistung gleichwertig wie andere Rechtsanwälte zu erbringen, sei es sachgerecht, sie als Ausgleich für diese Härte teilweise von der Verfahrenshilfe zu befreien. Die erhebliche Arbeitsbeeinträchtigung werde durch Privatgutachten belegt und ergebe sich auch aus der Korrespondenz mit dem genannten juristischen Verlag. Bei ihrer Einvernahme habe die mitbeteiligte Partei einen guten Eindruck hinterlassen. Eine gänzliche Befreiung sei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht möglich, weil die mitbeteiligte Partei als Rechtsanwalt tätig sei und auf diesem Gebiet ihre Leistungen zu erbringen habe. Die Verfahrenshilfe speise die Pensionsvorsorge der Rechtsanwälte, die mitbeteiligte Partei werde bei Leistungsreduktion betreffend die Verfahrenshilfe voraussichtlich die volle und nicht nur eine reduzierte Pension erhalten. Dies sei ein Umstand, der bei der Bemessung der Befreiung von der Verfahrenshilfe bedeutsam sei. Die Rechtsanwaltskammer sei ein Selbstverwaltungskörper, dem Autonomie und bei seinen Entscheidungen ein Ermessen eingeräumt sei. Auch dem Verwaltungsgericht sei bei seiner Entscheidung ein Ermessen eingeräumt.

4 Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung sei gemäß § 25a VwGG zulässig, weil sich die Frage stelle, ob die Bestimmung des § 22 der Geschäftsordnung der Tiroler Rechtsanwaltskammer in Widerspruch zu § 46 Abs 2 RAO stehe, und ferner in Frage stehe, ob eine teilweise gesundheitliche Beeinträchtigung eine unzumutbare Beeinträchtigung darstelle, die zu einer teilweisen Befreiung von der Verfahrenshilfe führe.

5 C. Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der unter anderem begehrt wird, das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

6 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie der Revision entgegentrat. II. Rechtslage

7 A. Die relevanten Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung, RGBl Nr 96/1868 idF BGBl I Nr 40/2014, lauten (auszugsweise):

"VI. ABSCHNITT

Bestellung von Rechtsanwälten, besonders zur Verfahrenshilfe

§ 45. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer.

(2) Die Bestellung für ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof obliegt dem Ausschuß der nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Partei, sonst dem Ausschuß der nach dem Sitz des Gerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer.

...

§ 45a. Für die Bestellung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe vor den Verwaltungsgerichten gilt § 45 sinngemäß.

§ 46. (1) Die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern haben bei der Bestellung nach festen Regeln vorzugehen; diese haben eine möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der der betreffenden Kammer angehörenden Rechtsanwälte unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu gewährleisten. Diese Regeln sind in den Geschäftsordnungen der Ausschüsse festzulegen.

(2) Die Geschäftsordnungen können jedoch allgemeine Gesichtspunkte festlegen, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung ganz oder teilweise befreit sind. Als wichtige Gründe sind besonders die Ausübung einer mit erheblichem Zeitaufwand verbundenen Tätigkeit im Dienst der Rechtsanwaltschaft oder persönliche Umstände anzusehen, die die Heranziehung als besondere Härte erscheinen ließen. Die Mitglieder des Präsidiums des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags sind jedenfalls von der Heranziehung befreit.

VII. ABSCHNITT

Pauschalvergütung

Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung

§ 47. (1) Der Bund hat dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für die Leistungen der nach § 45 bestellten Rechtsanwälte, für die diese zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, jährlich spätestens zum 30. September für das laufende Kalenderjahr eine angemessene Pauschalvergütung zu zahlen. Auf die für das laufende Kalenderjahr zu zahlende Pauschalvergütung sind Vorauszahlungen in angemessenen Raten zu leisten."

8 B. Abs 4 des § 22 ("Befreiung von Verfahrenshilfeleistungen") der maßgeblichen Geschäftsordnung für die Tiroler Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss lautet nach der angefochtenen Entscheidung wie folgt:

"(4) Der Ausschuss kann einzelne Rechtsanwälte über begründeten Antrag sowie auch von Amts wegen dauernd oder vorübergehend von der Bestellung zur Verfahrenshilfe befreien, wenn die Bestellung zur Verfahrenshilfe mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Rechtsanwaltes unzumutbar erscheint, er an der Berufsausübung aus erheblichen Gründen auch vorübergehend gehindert ist oder die Befreiung wegen besonderer Verdienste um den Stand geboten erscheint."

III. Erwägungen

9 A. Der Zweck der in der RAO enthaltenen Regelungen betreffend die Beigebung und Bestellung von Verfahrenshelfern liegt darin, dem Grundsatz eines fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK entsprechend die Wahrnehmung der Rechte der vertretenen Person in einem Verfahren und in diesem Sinne ihre wirksame Vertretung zu gewährleisten (vgl ; ). Auf dem Boden des Art 6 Abs 1 EMRK muss der Zugang zu Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein, daher muss für solche Verfahren grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, der Partei eines Verfahrens einen unentgeltlichen Verfahrenshelfer beizustellen, wenn dies für einen effektiven Zugang zu Gericht unentbehrlich ist (vgl nochmals , sowie - betreffend Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - ).

10 Das System der Verfahrenshilfe wurde im Jahr 1973 grundlegend neu gestaltet, die Bestellung von Rechtsanwälten zur Verfahrenshilfe ist in den §§ 45, 45a und 46 RAO geregelt; ein als Verfahrenshelfer bestellter Rechtsanwalt hat die ihm als Verfahrenshelfer obliegenden Leistungen nicht zwingend persönlich zu erbringen, sondern kann auch einen anderen Rechtsanwalt substituieren, wobei die Substitution nicht unentgeltlich erfolgt (vgl ). Den Rechtsanwaltskammern kommt für die Bestellung von Rechtsanwälten zu Verfahrenshelfern jährlich eine Pauschalvergütung zu (vgl § 47 RAO; ). Der einzelne Rechtsanwalt erwirbt im Allgemeinen durch seine Leistung in einem Verfahren, in dem er als Verfahrenshelfer bestellt wurde, gegenüber der Rechtsanwaltskammer (abgesehen vom Anspruch auf anteilmäßige Anrechnung auf die Beiträge zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung) keinen individuellen Vergütungsanspruch, wobei eine Ausnahme von diesem Grundsatz § 16 Abs 4 RAO normiert (vgl ). Einem als Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt kommt ein subjektiv-öffentliches Recht auf Beibehaltung seiner Stellung als Verfahrenshelfer nicht zu (vgl , mwH).

11 B.a. Aus dem Gesamtzusammenhang, in dem die Befreiungsbestimmung des § 46 Abs 2 RAO normiert ist, lässt sich ableiten, dass die im zweiten Satz des § 46 Abs 2 leg cit statuierten Befreiungsgründe dann, wenn sie im konkreten Fall gegeben sind, das zuständige Organ der Rechtsanwaltskammer ex lege verpflichten, eine Befreiung vorzunehmen. Insofern trifft der zweite Satz des § 46 Abs 2 RAO eine bindende Regelung, die dem betroffenen Rechtsanwalt einen Anspruch auf Befreiung jedenfalls in den gesetzlich genannten Fällen einräumt, ohne dass es einer zusätzlichen Festlegung durch die Geschäftsordnung bedürfte. Dass die Befreiung von der Heranziehung zur Gänze oder teilweise erfolgen kann, ergibt sich aus § 46 Abs 2 erster Satz RAO, der jedenfalls für die "wichtigen Gründe" zum Tragen kommt, wie sie der zweite Satz dieser Bestimmung bindend festlegt. Im Übrigen enthält § 46 Abs 2 erster Satz RAO eine Ermächtigung, in der Geschäftsordnung einer Rechtsanwaltskammer noch (weitere) allgemeine Gesichtspunkte festzulegen, die wichtige Gründe darstellen, nach denen eine Befreiung ganz oder teilweise erfolgen kann. Im Übrigen ist die Geschäftsordnung einer Rechtsanwaltskammer ohnehin nicht restriktiv sondern gesetzeskonform derart auszulegen, dass ein Spannungsverhältnis bzw ein Widerspruch zwischen der Geschäftsordnung und den bereits ex lege für jeden Einzelnen für einen fraglichen Befreiungsfall zum Tragen kommenden gesetzlichen Regelungen in § 46 Abs 2 erster und zweiter Satz RAO möglichst hintangehalten wird (vgl dazu etwa ).

12 Da das Verwaltungsgericht diese Entscheidung unmittelbar aufgrund des § 46 Abs 2 erster und zweiter Satz RAO treffen konnte, ist für die revisionswerbende Partei mit dem Hinweis, die Geschäftsordnung würde lediglich den Weg eröffnen, einen Rechtsanwalt zur Gänze oder gar nicht von seiner Verfahrenshelferverpflichtung zu befreien, nichts zu gewinnen.

13 B.b. Die Festlegung der über den § 46 Abs 2 zweiter Satz RAO hinausgehenden wichtigen Gründe stellt eine ordnungsgemäß kundzumachende Rechtsverordnung dar, weil diese für diese Rechtsposition der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der jeweiligen Rechtsanwaltskammer bezüglich ihrer Verpflichtung, als Verfahrenshelferin bzw als Verfahrenshelfer tätig zu werden, maßgeblich ist. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Kundmachungsvorschriften in der RAO hat diese Kundmachung so zu erfolgen, dass die Adressaten von der Verordnung Kenntnis erlangen können (vgl ), wobei es im Revisionsfall dahinstehen kann, ob die wiedergegebene Verordnungsbestimmung mit ihrer elektronischen Veröffentlichung auf der Homepage der Tiroler Rechtsanwaltskammer ordnungsgemäß kundgemacht wurde, zumal es vorliegend ohnehin um einen wichtigen Grund geht, der bereits im zweiten Satz des § 46 Abs 2 RAO bindend normiert wurde (vgl dazu , mwH (Rz 18)).

14 B.c. Wenn die Befreiung von der Heranziehung ganz oder teilweise erfolgen kann, wird der Sache nach erkennbar ein Grundsatz der Verhältnismäßigkeit normiert, demzufolge der Umfang der Befreiung davon abhängt, in welchem Ausmaß jeweils ein wichtiger Grund einer Heranziehung als Verfahrenshelfer entgegensteht (vgl dazu etwa mwH; , mwH).

15 Die Revision wendet sich nicht näher gegen die maßgebenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur gesundheitlichen Beeinträchtigung der mitbeteiligten Partei infolge eines Unfalles. Wenn das Verwaltungsgericht diese gesundheitliche Einschränkung der mitbeteiligten Partei, ihrer Tätigkeit als Rechtsanwalt nachzukommen, als persönlichen Umstand und als wichtigen Grund eingestuft hat, der eine Heranziehung im vollen Umfang zur Tätigkeit als Verfahrenshelfer als besondere Härte erscheinen lässt und der Beeinträchtigung entsprechend eine Befreiung im Ausmaß von einem Drittel rechtfertigt, kann dies im Lichte der festgestellten Beeinträchtigung nicht als unverhältnismäßig und damit nicht als rechtswidrig angesehen werden.

16 Da bereits mit Blick auf den gesundheitlichen Zustand der mitbeteiligten Partei die Befreiung von ihrer Verpflichtung, als Verfahrenshelfer tätig zu werden, um ein Drittel nicht rechtswidrig ist, ist es entgegen der revisionswerbenden Partei nicht erheblich, ob die mitbeteiligte Partei auch einer (infolge des Gesundheitszustandes ebenfalls nunmehr eingeschränkten, zulässigen Neben )Tätigkeit als juristischer Fachautor nachgeht. IV. Ergebnis

17 A. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

B. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am