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VwGH vom 06.04.2016, Ra 2015/03/0070

VwGH vom 06.04.2016, Ra 2015/03/0070

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie in 1031 Wien, Radetzkystraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl LVwG-800142/6/KOF/BC, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: H E in M, Deutschland; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Schärding), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

I. Sachverhalt

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom wurde der mitbeteiligten Partei zur Last gelegt, sie habe "als Unternehmer mit dem Sitz in M, am .... auf der Innkreis-Autobahn A8, Amtsplatz der Zollstelle Suben, Gemeindegebiet Suben, nicht dafür gesorgt, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes angeführten Berechtigungen bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern (91 Packstücke Textilien) von der Türkei mit einem Zielort in Ort im Innkreis (A) mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen

Kennzeichen ... und dem Sattelanhänger mit dem deutschen

Kennzeichen ..., deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: ..., Lenker: ..., während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und entwertet mitgeführt wurden".

Dadurch habe die mitbeteiligte Partei § 23 Abs 1 Z 7 und § 9 Abs 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl Nr 593/1995 idF BGBl I Nr 96/2013 (GütbefG), verletzt. Über sie wurde deshalb gemäß § 23 Abs 1 Einleitungssatz und Abs 4 leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) verhängt.

2 2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß § 50 VwGVG der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde statt, hob den Bescheid auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG ein (Spruchpunkt I.). Ferner wurde eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung nach § 25a VwGG für nicht zulässig erachtet (Spruchpunkt II.).

3 2.2. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass das Verwaltungsgericht am eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Dabei habe der "Zeuge und Anzeiger" vom Zollamt Linz-Wels bestätigt, dass der Lenker des verfahrensgegenständlichen Gütertransportes bei der Amtshandlung bzw Kontrolle "eine Gemeinschaftslizenz gemäß der EG-VO 1072/09 mitgeführt" habe. Damit habe die mitbeteiligte Partei die ihr im Bescheid zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG liege insbesondere dann nicht vor, wenn zwar eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle, das Gesetz jedoch eine klare bzw eindeutige Regelung treffe.

4 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf § 21a GütbefG gestützte Amtsrevision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

II. Rechtslage

5 1. Die maßgeblichen Bestimmungen des GütbefG lauten

auszugsweise:

"Verkehr über die Grenze

§ 7. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:


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1.
Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1072/09,
2.
Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom ,
3.
Bewilligung der Bundesministerin/des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,
4.
aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung der Bundesministerin/des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.
Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 4 ergangen ist.

(2) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern, deren Be- und Entladeort innerhalb Österreichs liegt, durch Güterkraftverkehrsunternehmer mit Sitz im Ausland (Kabotage) ist - ausgenommen für die in Art. 8 Abs. 1, 5 und 6 Verordnung (EG) Nr. 1072/09 genannten Güterkraftverkehrsunternehmer - verboten; sie ist nur gestattet,

5. wenn mit dem Staat, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, eine diesbezügliche Vereinbarung besteht, sowie

6. im Rahmen des Vor- oder Nachlaufs im grenzüberschreitenden Kombinierten Verkehr mit einem in einem EWR-Staat zugelassenen Kraftfahrzeug; durch Verordnung der Bundesministerin/des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ist festzulegen, unter welchen Voraussetzungen grenzüberschreitender Kombinierter Verkehr vorliegt und welche Nachweise mitzuführen sind.

(3) Die Bundesministerin/der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann Kabotagevereinbarungen mit Drittländern aufgrund dieses Bundesgesetzes abschließen, wenn für österreichische Unternehmer in dem betreffenden Staat Gegenseitigkeit besteht und verkehrspolitische und volkswirtschaftliche Interessen dem nicht entgegenstehen. Die Bundesministerin/der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung festzusetzen:


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7.
die Staaten, mit denen Kabotagevereinbarungen bestehen,
8.
die Voraussetzungen, unter denen Kabotage durchgeführt werden darf,
9.
die Pflichten der Unternehmer und des Lenkpersonals und
10.
etwaige Meldepflichten der Behörden.

(4) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann anordnen, dass die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern nach, durch oder aus Österreich durch ausländische Unternehmer ohne die in Abs. 1 vorgeschriebenen Berechtigungen gestattet ist, wenn und insoweit der betreffende ausländische Staat in dieser Hinsicht Gegenseitigkeit einräumt oder wenn wirtschaftliche Interessen Österreichs dies rechtfertigen.

(5) Die Bundesministerin/der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung nähere Bestimmungen hinsichtlich des Mitführens und der ordnungsgemäßen Erfassung der Fahrten im Fahrtenberichtsheft gemäß Anhang 7 des Handbuches der Europäischen Verkehrsministerkonferenz festzulegen."

"§ 9. (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.

..."

"Revision

§ 21a. Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie kann gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte der Länder Revision wegen Rechtswidrigkeit vor dem Verwaltungsgerichtshof erheben."

6 2. Die vorliegend relevanten Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl L 300 vom , S 72, idF der Verordnung (EU) Nr 517/2013 des Rates vom , ABl L 158 vom , S 1, lauten auszugsweise:

"Artikel 1

Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken.

(2) Bei Beförderungen aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland und umgekehrt gilt diese Verordnung für die in den Mitgliedstaaten, die im Transit durchfahren werden, zurückgelegte Wegstrecke. Sie gilt nicht für die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Be- oder Entladung zurückgelegte Wegstrecke, solange das hierfür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittland nicht geschlossen wurde.

(3) Bis zum Abschluss der Abkommen gemäß Absatz 2 werden folgende Vorschriften von dieser Verordnung nicht berührt:

a) die in bilateralen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und den jeweiligen Drittländern enthaltenen Vorschriften über Beförderungen aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland und umgekehrt;

b) die in bilateralen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten enthaltenen Vorschriften über Beförderungen aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland und umgekehrt, die es aufgrund bilateraler Genehmigungen oder einer freizügigen Regelung gestatten, dass Be- oder Entladungen in einem Mitgliedstaat auch von Verkehrsunternehmen durchgeführt werden, die nicht in diesem Mitgliedstaat niedergelassen sind.

(4) Diese Verordnung gilt für den innerstaatlichen Güterkraftverkehr, der von einem gebietsfremden Verkehrsunternehmer gemäß Kapitel III zeitweilig durchgeführt wird.

...

Artikel 3

Allgemeiner Grundsatz

Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittlandes ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

Artikel 4

Gemeinschaftslizenz

(1) Die Gemeinschaftslizenz wird von einem Mitgliedstaat gemäß dieser Verordnung jedem gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer erteilt, der

c) in diesem Mitgliedstaat gemäß den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats niedergelassen ist und

d) in dem Niederlassungsmitgliedstaat gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats über den Zugang zum Beruf des Verkehrsunternehmers zur Durchführung des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs berechtigt ist.

..."

III. Erwägungen

7 1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist die vorliegende Amtsrevision nach § 21a GütbefG zulässig und auch berechtigt, weil das Verwaltungsgericht die Rechtsvorschriften der zitierten Verordnung nicht hinreichend beachtet hat.

8 2. Unstrittig ist, dass der vorliegende Gütertransport von der Türkei - einem Drittland - in den Mitgliedstaat Österreich durchgeführt wurde. Bezüglich einer solchen Beförderung gilt die zitierte Verordnung nach ihrem Art 1 Abs 2 zweiter Satz "nicht für die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Be- oder Entladung zurückgelegten Wegstrecke, solang das hierfür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittland nicht geschlossen wurde" (vgl. insoweit ). Wenn mit dem Verwaltungsgericht angenommen werden soll, dass die mitbeteiligte Partei die Verwaltungsübertretung nicht begangen habe, weil der Lenker des verfahrensgegenständlichen Gütertransportes bei der genannten Amtshandlung bzw Kontrolle eine Gemeinschaftslizenz nach dieser Verordnung mitgeführt habe, setzt dies voraus, dass diese Verordnung auf den gegenständlichen Fall überhaupt anzuwenden war.

Im Lichte dieser Rechtsvorschrift wäre daher zu prüfen gewesen, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr 1072/2009 für den Revisionsfall erfüllt waren. Das Verwaltungsgericht hätte daher für seine Beurteilung in einem vorgelagerten Schritt auch zu klären gehabt, ob die Voraussetzung nach Art 1 Abs 2 zweiter Satz leg cit für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr 1072/2009 im Revisionsfall gegeben waren. Wenn das Verwaltungsgericht diese Prüfung unterlassen hat, hat es die Rechtslage verkannt und schon deshalb das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

9 3. Ungeachtet dessen ist im Interesse der Vollständigkeit noch festzuhalten, dass die Vorlage einer Berechtigung iSd § 7 Abs 1 GütbefG die Rechtswidrigkeit einer davon erfassten Güterbeförderung nur dann hintanzuhalten vermag, wenn diese Berechtigung für den tatsächlich durchgeführten Gütertransport eine entsprechende rechtliche Grundlage abzugeben vermag. Im Übrigen ist (ebenfalls der Vollständigkeit halber) zur Frage, ob sich die nach dem GütbefG bei einer Fahrt mitzuführenden Dokumente tatsächlich im Fahrzeug befunden haben, auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2015/03/0004, hinzuweisen.

IV. Ergebnis

10 1. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42

Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

11 2. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf

§§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am