VwGH vom 24.03.2011, 2011/23/0031
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie den Hofrat Dr. Hofbauer und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des D A, geboren 1976, vertreten durch Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 257.157/0/4E-VIII/22/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt an, seine Eltern seien im Oktober 2001 von fanatischen Moslems der Yandabagruppe umgebracht und in ihrem Haus verbrannt worden. Er sei dann nach Lagos geflüchtet, dort aber auch von Moslems mit einem Messer attackiert worden, da er ein christlicher Prediger sei und in Lagos auch gepredigt habe.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers - aus näher dargestellten Gründen - kein Glauben zu schenken sei. Vom Vorliegen einer aktuellen Bedrohung im Sinne des § 57 FrG könne nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer habe keine familiären Bindungen in Österreich, es habe ihm bei seiner Antragstellung klar sein müssen, dass sein Aufenthalt in Österreich im Falle einer Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender wäre, weshalb seine Ausweisung zulässig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ab und änderte Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides in eine zielstaatsbezogene Ausweisung nach Nigeria ab. Die belangte Behörde schloss sich in der Begründung ihrer Entscheidung der Beurteilung des Bundesasylamtes an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Zu I.:
In Bezug auf die verfügte Ausweisung rügt die Beschwerde unterlassene Erhebungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und bringt vor, dass dieser seit Oktober 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Es sei auch der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung rund vierjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu berücksichtigen gewesen; die belangte Behörde habe es verabsäumt, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur allfälligen Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanter Umstände zu geben. Auch aufgrund der ihr am 2. März (richtig: 21. Februar) 2006 vom Bundesasylamt übermittelten Dokumente und dem dort angegebenen Familienstand hätte die belangte Behörde erkennen können, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers geändert hätten. Zum Beweis seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer u.a. die Heiratsurkunde und den Staatsbürgerschaftsnachweis seiner Frau vor.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf. Im Hinblick auf den seit der letzten Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vergangenen Zeitraum von fast drei Jahren konnte die belangte Behörde nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben. Es wäre daher geboten gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur allfälligen Geltendmachung von unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanten Umständen zu geben. Da die belangte Behörde dies unterließ, unterliegt das (neue) Vorbringen in der Beschwerde nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/19/0979, mwH).
Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der neu vorgebrachten Umstände zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung hätte gelangen können, weshalb der angefochtene Bescheid insoweit, als damit gemäß § 8 Abs. 2 AsylG die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG in Verbindung mit Art. 129c Abs. 1 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-92734