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VwGH vom 09.09.2013, 2011/22/0328

VwGH vom 09.09.2013, 2011/22/0328

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 158.969/2-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den als Verlängerungsantrag bezeichneten Antrag des Beschwerdeführers, eines russischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Studierender" gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 3 sowie § 24 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Sie wertete diesen Antrag als Erstantrag und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer vom bis zum über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" verfügt habe; den "Verlängerungsantrag" habe er erst nach Ablauf der Gültigkeit des Aufenthaltstitels gestellt. Das Übersehen der Ablauffrist des Aufenthaltstitels sowie der Ablauf der Gültigkeitsdauer des Reisepasses seien nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 24 Abs. 2 NAG anzusehen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels sei auf der ausgestellten Karte klar ersichtlich, dem Beschwerdeführer sei auch aufgrund seines Studiums durchaus zuzumuten, Fristen und Termine einzuhalten. Auch sei der Reisepass des Beschwerdeführers bereits mit abgelaufen, ein neuer Reisepass jedoch laut Bestätigung der Russischen Botschaft in Wien vom erst im September 2010 beantragt worden. Weiters würden Aufenthaltstitel zwar in der Regel nur ausgestellt, wenn ein gültiger Reisepass vorliege, es habe den Beschwerdeführer aber seitens der Aufenthaltsbehörde niemand dahingehend belehrt, dass der Beschwerdeführer eine Verlängerung erst beantragen könne, wenn er seinen Reisepass verlängert habe. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorgelegen hätte, welches den Beschwerdeführer daran gehindert habe, rechtzeitig einen Verlängerungsantrag zu stellen und ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffen würde.

Die Behörde gehe daher von einem Erstantrag aus. Bei Erstanträgen sei § 21 Abs. 1 NAG zu beachten. Die Behörde könne gemäß § 21 Abs. 3 NAG auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland dann zulassen, wenn (u.a.) die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG) nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar sei.

Der Beschwerdeführer habe nach Belehrung am diesen Zusatzantrag nach § 21 Abs. 3 NAG gestellt.

Für die Beurteilung nach § 11 Abs. 3 NAG seien u.a. die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden und die Bindung zum Heimatstaat zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer habe den Antrag nach § 21 Abs. 3 NAG im Wesentlichen damit begründet, dass er als Jusstudent inskribiert sei; ein Auslandsantrag würde bedeuten, dass er sein Studium frühestens im Sommersemester 2011 oder auch erst im Wintersemester 2011/12 fortsetzen könne. Ein Hindernis für die Ausreise wäre auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer immer noch keinen gültigen Reisepass habe. In seiner Berufung vom habe er weiters ausgeführt, dass die Ausreise aufgrund des Privatlebens (Studienaufenthalt) nicht möglich sei. Bei einem Auslandsaufenthalt würde er zahlreiche Prüfungen versäumen und hätte einen großen Zeitverlust hinzunehmen. Berechtigte öffentliche Interessen an einer Verweigerung der Inlandsantragstellung würden nicht vorliegen und eine Auslandsantragstellung würde eine Verletzung des Art. 8 EMRK bedeuten. Der Beschwerdeführer müsste im Inland weiterhin seine Wohnung und die Krankenversicherungsbeiträge bezahlen, außerdem exmatrikulieren und die Inskription wiederholen.

Dazu führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei von bis rechtmäßig im Inland aufhältig gewesen, seitdem unrechtmäßig. Er sei ledig und habe nicht angegeben, in Österreich Verwandte, Freunde oder Bekannte zu haben. Als Privatleben führe er ausschließlich seinen vorübergehenden Studienaufenthalt an. Außer einer Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses habe er keinerlei weitere Unterlagen der Universität vorgelegt, ob er der deutschen Sprache nunmehr hinreichend mächtig sei, um sein Studium der Rechtswissenschaften fortführen zu können. Zu seiner am eingetragenen eigenen Firma "S e.U." habe er keine weiteren Daten oder Einkommen bekanntgegeben. Es sei daher seitens der Behörde nicht nachvollziehbar, ob er mit dem Unternehmen in Hinkunft ein Einkommen erzielen könne, welches seinen gesamten Lebensunterhalt mangels einer vorgelegten Haftungserklärung oder anderweitiger Einkünfte decken könne. Eine Berufstätigkeit dürfe jedenfalls den Aufenthaltszweck als Student nicht beeinträchtigen. Bindungen zum Heimatstaat bestünden aufgrund des bisher nur vorübergehenden Aufenthaltsstatus im Inland zweifellos, und es seien auch die in der Berufung vom angegebenen weiteren drei Monate bis zur Ausstellung eines neuen Reisedokumentes abgelaufen, weshalb davon ausgegangen werde, dass der Beschwerdeführer wieder im Besitz eines gültigen Reisedokumentes sei.

Bei Gesamtbetrachtung des obigen Sachverhaltes seien daher die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen höher zu bewerten als das private Interesse des Beschwerdeführers an der Zulassung der Inlandsantragstellung. Auch die weiteren vom Beschwerdeführer vorgebrachten Nachteile, nämlich Versäumung von Prüfungen, Zeitverlust, Weiterbezahlung von Wohnung und Krankenversicherung sowie mögliche Gesetzesänderungen betreffend Zugangsprüfungen, Exmatrikulation etc. veränderten die getroffene Abwägung nicht nachhaltig. Zudem stelle sich die Frage, inwieweit der Beschwerdeführer schon selbst durch seine Firmengründung und mögliche selbständige Tätigkeit zu einer Verzögerung seines Studiums beigetragen habe. Immerhin habe er zu seinem Verlängerungsantrag außer der Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs weder Prüfungszeugnisse der Universität noch einen Studienerfolgsnachweis vorgelegt. Die Weiterbezahlung von Wohnung und Krankenversicherung sei bei einer Ausreise nicht zwingend erforderlich, ebenso wenig könnten mögliche Änderungen des Universitätsgesetzes in die gegenständliche Abwägung einfließen.

Eine Verletzung des Art. 8 EMRK sei auf Grund der gesamten Aktenlage nicht gegeben, weshalb der Antrag mangels rechtskonformer Antragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 21 Abs. 1 und 3 und § 24 Abs. 1 und 2 NAG lauten in der hier mit Blick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides () anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 38/2011:

"§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

...

(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.

…"

"§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) Anträge, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn

1. der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, rechtzeitig den Verlängerungsantrag zu stellen, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, und

2. der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wird; § 71 Abs. 5 AVG gilt.

Der Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels und der Stellung des Antrages, der die Voraussetzungen der Z 1 und 2 erfüllt, gilt nach Maßgabe des bisher innegehabten Aufenthaltstitels als rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.

…"

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 NAG verneint hat. Dass der Beschwerdeführer, ein Student der Rechtswissenschaften, welcher die "Zur-Kenntnisnahme der fristgerechten Verlängerungsbedingungen" auch eigenhändig unterzeichnet hat, sowohl das Ablaufen seines Reisepasses wie auch das ebenso vorhersehbare (zeitgleiche) Ablaufen seines Aufenthaltstitels um Monate verstreichen lässt, zeugt von einer auffallenden Sorglosigkeit im Umgang mit Fristen und Behörden. Warum ihn an seiner mehr als dreimonatigen Fristversäumnis nur ein minderer Grad des Versehens treffen würde, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, und auch nicht gleichzeitig mit seinem Antrag glaubhaft gemacht.

Auch der Hinweis, er habe geglaubt, zur Antragstellung einen gültigen Reisepass zu benötigen, ist dafür nicht zielführend, hätte sich der Beschwerdeführer doch bezüglich der Möglichkeit einer Antragstellung zur Verlängerung des Aufenthaltstitels bei der zuständigen Behörde erkundigen und entsprechende Schritte setzen müssen. Stattdessen hat der Beschwerdeführer noch bis zugewartet, ehe er dann doch einen "Verlängerungsantrag" einbrachte. Dass der Beschwerdeführer aber vom , als er nach seinen Angaben feststellte, dass sein Aufenthaltstitel abgelaufen war, bis zum auch noch (zusätzlich) nach seinen Angaben in dem Rechtsirrtum verfangen war, er bräuchte bereits zur Antragstellung über die Verlängerung seines Aufenthaltstitels einen gültigen Reisepass, vermag nichts mehr daran zu ändern, dass er zu diesem Zeitpunkt die maßgebliche Frist mangels anderen Vorbringens aufgrund bloßer Sorglosigkeit bereits um ganze drei Monate versäumt hatte.

Zum Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer hätte bei seiner verspäteten Antragstellung auch von der Behörde dahingehend angeleitet werden müssen, auch einen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 AVG zu stellen, ist anzumerken, dass daraus für den Beschwerdeführer aufgrund der wortgleich formulierten Kriterien in § 24 Abs. 2 NAG und § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nichts zu gewinnen ist. Ob die Voraussetzungen gemäß § 24 Abs. 2 NAG vorliegen, wurde von der belangten Behörde geprüft.

Der belangten Behörde kann aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 NAG verneint hat.

Ausgehend von den eingangs dargestellten im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Umständen ist mit der Abweisung des Zusatzantrages kein unzulässiger Eingriff nach Art. 8 EMRK verbunden. Zum einen verfügt der Beschwerdeführer nicht über eine Familie in Österreich. Insoweit er erstmals in der Beschwerde eine langjährige "Liaison" mit einer rumänischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet behauptet, stellt dies eine unbeachtliche Neuerung dar, denn dieser Umstand wurde von dem im gesamten Verwaltungsverfahren rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer niemals erwähnt.

Zum anderen ist die Aufenthaltsdauer und die aus den Feststellungen ableitbare Integration viel zu gering, um einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch die Erforderlichkeit der Antragstellung im Ausland zu bewirken (vgl dazu auch das bereits zitierte Erkenntnis vom ).

Dass eine neuerliche Erstantragstellung aus dem Ausland mit allfälligen zusätzlichen Kosten und längerer Dauer verbunden ist als eine fristgerechte Verlängerung eines bereits bestehenden Aufenthaltstitels ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Versäumung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist für einen Verlängerungsantrag und vermag keine besonderen Interessen des Beschwerdeführers zu begründen.

Zwar ist der Beschwerde zuzustimmen, dass sich die belangte Behörde mit ihren diversen Überlegungen zu dem eingetragenen Handelsunternehmen des Beschwerdeführers im Bereich der Spekulation befindet. Allerdings ist schon aus den Formulierungen erkennbar, dass die belangte Behörde diesen Überlegungen keine entscheidungsmaßgebliche Relevanz zuordnete. Vielmehr war auch der vorgelegte Auszug aus dem Gewerberegister ohne weiteres Vorbringen nicht geeignet, ein anderes Ergebnis der Interessensabwägung herbeiführen zu können. Im Übrigen bringt auch die Beschwerde hierzu nur vor, die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer dazu befragen müssen, ob das Unternehmen tatsächlich existent sei.

Dem erstmals im Beschwerdeverfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe schon einige Kolloquien positiv absolviert, ist das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen zu halten.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am