VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/03/0016

VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/03/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien als Präses der Ausbildungsprüfungskommission gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl W214 2006408- 1/2E, betreffend Zulassung zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach dem Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (mitbeteiligte Partei:

Mag. MZ, vertreten durch Tschurtschenthaler Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag des Mitbeteiligten auf Zulassung zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der Prüfungsordnung gemäß § 4 Z 1 Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (BARG) in der Fassung BGBl Nr 21/1993 abgewiesen wird.

Begründung

Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Zulassung zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der Prüfungsordnung gemäß § 4 Z 1 Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (BARG) idF BGBl 21/1993 vom Präsidenten des OLG Wien als Präses der Ausbildungsprüfungskommission abgewiesen.

Der Mitbeteiligte habe am die erste und am die zweite Teilprüfung der Notariatsprüfung bestanden. Mit Antrag vom habe er beantragt, zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der alten Prüfungsordnung des BARG idF BGBl Nr 21/1993 zugelassen zu werden. Nach Ansicht des Mitbeteiligten sei für die Fassung der für ihn geltenden Prüfungsordnung der Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung das Datum der Antragstellung zur ersten Notariats-Teilprüfung maßgeblich. Da dieser Stichtag vor dem liege, sei nach Auffassung des Mitbeteiligten gemäß Art XVII § 18 BGBl I Nr 111/2007 nicht die Prüfungsordnung des § 12 ABAG (Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz), sondern jene der Vorgängerregelung (§ 4 Z 1 Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz - BARG) maßgeblich.

Nach § 4 Z 1 BARG sei Gegenstand der Ergänzungsprüfung für einen Prüfungswerber, der die Notariatsprüfung bestanden habe und die Rechtsanwaltsprüfung ablegen wolle, "Berufs- und Standesrecht der Rechtsanwälte sowie Kostenrecht (§ 20 Abs 1 Z 8 RAPG)". Mit dem Berufsrechtsänderungs-Gesetz (BRÄG), BGBl I Nr 111/2007, sei das BARG in ABAG (Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz) umbenannt und die Ergänzungsprüfung für geprüfte Notare in § 12 ABAG neu geregelt worden, wobei nunmehr über die bereits genannten Prüfungsgegenstände hinaus noch weitere Gegenstände geprüft würden. Die maßgebliche Übergangsbestimmung (Art XVII) laute:

"§ 18. Art. III Z 7 und 8 (§§ 12 und 13 ABAG), Art. X Z 3 lit. b (§ 12 Abs. 2 NPG), Art. X Z 4 bis 6 (§§ 13, 20 und 21 NPG) sowie Art. XI Z 4 bis 6 (§§ 12, 20 und 21 RAPG) sind anzuwenden, wenn der Antrag auf Zulassung zur Prüfung beziehungsweise zur ersten Teilprüfung nach dem bei der Prüfungskommission eingebracht wird. Im Fall der Wiederholung der Prüfung ist insoweit der Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung maßgeblich."

Fraglich sei, ob sich die Wendung "... der Antrag auf Zulassung zur Prüfung ..." im Zusammenhang mit dem Fächerkatalog der Ergänzungsprüfung auf den Zulassungsantrag zur Stammprüfung oder auf den Zulassungsantrag zur Ergänzungsprüfung beziehe. Der Gesetzeswortlaut sei mehrdeutig; aus dem Umstand, dass es in weiterer Folge laute "beziehungsweise zur ersten Teilprüfung", könne für die Auslegung nichts gewonnen werden, weil § 18 leg cit nicht nur die Stichtage für den Fächerkatalog der Ergänzungsprüfung, sondern auch jene der Stammprüfungen regle. Eine historisch-teleologische Interpretation führe allerdings zum Ergebnis, dass für die Anwendung der neuen Rechtlage das Datum des Antrags auf Zulassung zu eben dieser Ergänzungsprüfung maßgeblich sein müsse.

So hätten sich beispielsweise die Fächerkataloge der in Frage stehenden Berufsprüfungen in den letzten Jahrzehnten mehrfach verändert und teilweise erweitert. Wolle man nun auf den Fächerkatalog zum Zeitpunkt der Stammprüfung abstellen - also das Datum des Antrags auf Zulassung zur Stammprüfung auch für die Fächer der Ergänzungsprüfung als maßgeblich ansehen -, so würde diese "Versteinerung" dazu führen, dass die neuen, vom Gesetzgeber offenbar als wichtig angesehenen Prüfungsgebiete weder in der Stammprüfung noch in der Ergänzungsprüfung vorkämen, obwohl zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung zur Ergänzungsprüfung die entsprechende Stammprüfung dieses Prüfungsgebiet schon vorgesehen habe.

Bei einer Änderung der Rechtslage zwischen dem Datum des Antrages auf Zulassung zur Stammprüfung und jenem auf Zulassung zur Ergänzungsprüfung gelte für den Fächerkatalog der Ergänzungsprüfung jene Rechtslage, die auf Grund des Zulassungsantrages zur Ergänzungsprüfung maßgeblich sei. Da der Mitbeteiligte jedoch angestrebt habe, die Ergänzungsprüfung nach der vor dem Stichtag geltenden Rechtslage abzulegen, obwohl sein Zulassungsantrag vom stamme, sei sein Antrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und ließ den Mitbeteiligten zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung gemäß § 4 Z 1 Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (BARG), BGBl Nr 523/1987 idF BGBl Nr 21/1993, iVm Art XVII § 18 BRÄG 2008, BGBl I Nr 111/2007, zu. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig erklärt.

Das Bundesverwaltungsgericht legte zunächst den Verfahrensablauf und das Vorbringen des Mitbeteiligten dar. So habe der Mitbeteiligte vorgebracht, dass der in Beschwerde gezogene Bescheid infolge unrichtiger Auslegung und Anwendung der Übergangsbestimmungen des Art XVII § 18 BRÄG 2008 rechtswidrig sei. Richtigerweise hätte die belangte Behörde den Mitbeteiligten zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der alten Prüfungsordnung zulassen müssen. Durch die Absolvierung der Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der alten Prüfungsordnung würde er sich nichts ersparen. Insbesondere habe er die Kenntnis aller Inhalte, die nach neuer Rechtslage gemäß § 12 Z 1 lit a bis e ABAG idF BGBl I Nr 111/2007 Bestandteil der Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung seien, bereits im Rahmen der "alten" Notariatsprüfung unter Beweis gestellt. Lediglich die Inhalte des § 12 Z 1 lit f ABAG idF BGBl I Nr 111/2007 seien noch nicht im Rahmen der Notariatsprüfung abgedeckt worden, sie seien aus eben diesem Grund alleiniger Regelungsinhalt des § 4 Abs 1 Z 1 BARG. Vor diesem Hintergrund sei nicht einzusehen, dass er einzelne Prüfungsbestandteile doppelt zu absolvieren habe. Gerade dies solle nämlich durch das BARG und das ABAG und insbesondere auch durch Art XVII § 18 BRÄG 2008 verhindert werden.

Bei näherem Hinsehen spreche bereits die Wortinterpretation dafür, dass sich die Wendung "Antrag auf Zulassung zur Prüfung" in Art XVII § 18 BRÄG 2008 auf den Antrag zur Stammprüfung beziehe. In der gegenständlichen Übergangsbestimmung sei die Rede vom "Antrag auf Zulassung zur Prüfung bzw. zur ersten Teilprüfung". Die belangte Behörde meine zu Unrecht, dass aus der Wendung "bzw. zur ersten Teilprüfung" nichts für das vorliegende Auslegungsproblem zu gewinnen wäre. Es möge zwar zutreffen, dass Art XVII § 18 BRÄG 2008 auch die Übergangsbestimmungen für die Anwendung des § 20 NPG und § 20 RAPG enthalte, dies dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass stets einheitlich an den "Antrag auf Zulassung zur Prüfung bzw. zur ersten Teilprüfung" angeknüpft werde. Hätte der Gesetzgeber für die Anwendbarkeit des § 12 ABAG idF des Art III Z 7 BRÄG 2008 anderes gewollt, so hätte er in Art XVII § 18 BRÄG 2008 entsprechend differenzieren müssen, etwa in der Art, dass im Zusammenhang mit der Ergänzungsprüfung nach § 12 ABAG nur vom "Antrag auf Zulassung zur Prüfung" gesprochen werde. Da sowohl das BARG als auch das ABAG keine Teilprüfungen, sondern nur eine einheitliche Ergänzungsprüfung vorsähen, könne mit dem Ausdruck "Teilprüfung" nur der Zulassungsantrag zur notariellen Stammprüfung gemeint sein, was folglich auch für den Ausdruck "Prüfung" gelten müsse. Vor diesem Hintergrund führe bereits die Wortinterpretation zum Ergebnis, dass nach Art XVII § 18 BRÄG 2008 auf den Zulassungsantrag zur Stammprüfung abzustellen sei.

Eine historische Interpretation anhand der Gesetzesmaterialien ergebe folgendes Bild: Aus den Gesetzesmaterialien sei zwar für die Beantwortung der eigentlichen Auslegungsfrage nichts zu gewinnen. Allerdings werde durch die Wendung "entsprechendes gilt auch für den Bereich der Prüfungen nach dem zweiten Abschnitt des ABAG" klargestellt, dass in Art XVII § 18 BRÄG 2008 einheitlich - also auch für die Anwendbarkeit des § 12 ABAG idF des Artikel III Z 7 BRÄG 2008 - an den "Antrag auf Zulassung zur Prüfung bzw. zur ersten Teilprüfung" angeknüpft werde. Dies werde schließlich auch durch die Gesetzmaterialien bestätigt. Die ErläutRV 2378 BlgNR 24. GP 13 (zum BRÄG 2013) würden ausdrücklich auf das BRÄG 2008 Bezug nehmen und dazu festhalten:

"Hinsichtlich der insofern neugefassten Bestimmungen des NPG, die gemäß Art XVII § 18 BRÄG 2008 anzuwenden sind, wenn der Antrag auf Zulassung zur ersten Teilprüfung der Notariatsprüfung nach dem bei der Prüfungskommission eingebracht wird

(...)".

Damit sei unmissverständlich klargestellt, dass in Art XVII § 18 BRÄG 2008 jedenfalls bei der Notariatsprüfung auf den Antrag auf Zulassung zur Stammprüfung abgestellt werde. Halte man sich weiter vor Augen, dass sich die Wendung "Antrag auf Zulassung zur Prüfung bzw. zur ersten Teilprüfung" einheitlich sowohl auf das NPG als auch auf das RAPG sowie auch auf das BARG und das ABAG beziehe, so könnten die Gesetzesmaterialien zum BRÄG 2013 als eindeutige Bestätigung der hier vertretenen Auslegung angesehen werden, der zufolge Art XVII § 18 BRÄG 2008 auch bei der Anwendung des § 12 ABAG idF des Art II Z 7 BRÄG 2008 auf den Zulassungsantrag zur Stammprüfung abstelle.

Vor allem aber spreche eine teleologische Auslegung für die vom Mitbeteiligten vertretene Ansicht. Der Zweck von Berufsprüfungen bestehe darin, dass jeder Prüfungskandidat die Erfüllung aller an die fachliche Qualifikation des jeweiligen Rechtsberufes gestellten Anforderungen nachweise. Derselbe Gedanke liege dem BRÄG und dem ABAG zugrunde: wenn eine Anrechnung der Stammprüfung angestrebt werde, sollten jene - aber eben nur jene - Gebiete den Gegenstand der Ergänzungsprüfung bilden, deren Kenntnisse der Kandidat noch nicht im Rahmen der Stammprüfung nachgewiesen habe. Die Ergänzungsprüfung könne und solle auf jene Prüfungsgebiete beschränkt bleiben, die noch nicht Gegenstand der Stammprüfung gewesen seien. Der Gesetzgeber habe in Übergangsfällen in Kauf genommen, dass die alte Prüfungsordnung anzuwenden sei. Hätte der Gesetzgeber die Bedenken des Präsidenten des OLG Wien geteilt, hätte er generell die Anwendung der neuen Prüfungsordnung ab dem Inkrafttreten des BRÄG 2008 angeordnet; dies sei jedoch nicht geschehen.

Im Rahmen einer systematischen Interpretation sei festzustellen, dass dieselbe Regelungstechnik wie in Art XVI § 18 BRÄG 2008 auch in Art 11 § 8 BRÄG 2013 gewählt worden sei. Es sei nicht zu übersehen, dass in dieser Bestimmung neuerlich einheitlich auf den "Antrag auf Zulassung zur Prüfung bzw. zur ersten Teilprüfung" angeknüpft werde. Dies könne neuerlich als Bestätigung der der Wortlautinterpretation zugrunde gelegten Prämisse angesehen werden. Schließlich spreche auch eine verfassungskonforme Interpretation für die hier vertretene Auslegung: die Übergangsregelung des Art XVII § 18 BRÄG 2008 diene erkennbar dem Schutz des Vertrauens der Prüfungskandidaten, nach der Absolvierung der Stammprüfung auch die Ergänzungsprüfung unter Zugrundelegung der korrespondierenden Prüfungsordnung ablegen zu können.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts erwiesen sich diese vom Mitbeteiligten vorgebrachten rechtlichen Argumente, dass Art XVII § 18 BRÄG 2008 sinnvollerweise (auch) auf den Zulassungsantrag zur Stammprüfung abstelle, als zutreffend.

Das Bundesverwaltungsgericht hält ergänzend fest, dass mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 (BRÄG 2008), BGBl I Nr 111/2007, die Kataloge der prüfungsrelevanten Fächer in § 20 NPG und in § 20 RAPG neu gefasst worden seien. Wie aus den ErläutRV (303 BlgNR 23. GP, 42) hervorgehe, wäre es nicht zweckmäßig, gerade jene Kenntnisse zu prüfen, für die ohnedies bereits der Erfolgsnachweis im Rahmen des Studiums des österreichischen Rechts (§ 6a NO) erbracht worden sei. Die Umgestaltung des Prüfungskataloges verfolge daher den Zweck, praxisorientiert anhand der Tätigkeiten des Notars die notwendigen Kenntnisse des österreichischen Rechts und seiner erfolgreichen praktischen Anwendung zu prüfen. Die Neuregelung bringe in diesem Sinne eine deutliche Fokussierung auf die praktische Tätigkeit der Notare mit sich. Dementsprechend seien allgemeine Fächer wie etwa Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafvollzugsrecht und Zivilgerichtliches Verfahrensrecht nicht mehr Gegenstand der Notariatsprüfung.

Das Bundesverwaltungsgericht verweist in weiterer Folge auf die Erläuterungen zu Art III Z 7 (§ 12 ABAG) der RV zum BRAG 2008. Auch daraus sei klar ersichtlich, dass der Katalog der Prüfungsfächer für die Ergänzungsprüfung im Zusammenhang mit der Neufassung des Notariatsprüfungsgesetzes stehe. Es werde hier ausdrücklich auf die neu formulierten Prüfungsfächer Bezug genommen. Auch dies stütze die Rechtsansicht des Mitbeteiligten, wonach die Neuregelung nicht darauf abziele, dass Personen, die bereits die "alte" Notariatsprüfung abgelegt haben, nochmals Prüfungen über diese Gegenstände ablegen müssten.

Zur Zulässigkeit der Revision hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interpretation des BRÄG 2008 in der Frage der Anrechnung von Fächern im Bereich der Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung aufgrund der Übergangsbestimmungen des Art XVII § 18 BRÄG 2008 fehle. Auch handle es sich um eine Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass der Beschwerde des Mitbeteiligten keine Folge gegeben werde, in eventu, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben.

Das Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung; auch der Bundesminister für Justiz gab eine als Revisionsbeantwortung bezeichnete Äußerung ab. Der Mitbeteiligte beantragte darin, die Revision als verspätet zurückzuweisen, in eventu, sie als unbegründet abzuweisen und dem Mitbeteiligten Kostenersatz zuzusprechen. Der Bundesminister für Justiz beantragte gleich wie die revisionswerbende Partei, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass der Beschwerde des Mitbeteiligten keine Folge gegeben werde, in eventu, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit der Mitbeteiligte die Rechtzeitigkeit der Revision in Zweifel zieht, weil diese unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden sei, ist festzuhalten, dass das angefochtene Erkenntnis dem Revisionswerber am zugestellt wurde; die Revision langte - wie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts ersichtlich ist - am , somit innerhalb der Revisionsfrist, beim Bundesverwaltungsgericht ein und ist somit rechtzeitig.

2. Die Revision ist aus den vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

2.1. Der dem Revisionsfall zugrunde liegende Sachverhalt ist unstrittig. Demnach hat der Mitbeteiligte am die erste und am die zweite Teilprüfung der Notariatsprüfung bestanden, wobei der diesbezügliche Antrag auf Zulassung zur ersten Teilprüfung der Notariatsprüfung am gestellt worden war. Mit Antrag vom beantragte er, zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der alten Prüfungsordnung des Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetzes (BARG) idF BGBl Nr 21/1993 (und zwar ausdrücklich nur nach dieser Prüfungsordnung) zugelassen zu werden.

2.2. Die wechselseitige Anrechnung von Notariats-, Rechtsanwalts- und Richteramtsprüfung sowie die dazu erforderliche Ablegung von Ergänzungsprüfungen war bis zum Ablauf des im Bundesgesetz vom über die wechselseitige Anrechenbarkeit der Berufsprüfungen der Rechtsberufe (Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz - BARG), BGBl Nr 523/1987 idF BGBl Nr 21/1993, geregelt.

Nach § 4 Z 1 BARG war demnach für einen Prüfungswerber, der die Notariatsprüfung bestanden hatte und die Rechtsanwaltsprüfung ablegen wollte, lediglich Berufs- und Standesrecht der Rechtsanwälte sowie Kostenrecht (§ 20 Z 8 RAPG) Gegenstand der Ergänzungsprüfung.

Mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 (BRÄG 2008), BGBl I Nr 111/2007, erfolgte eine wesentliche Veränderung der Voraussetzungen für den Zugang zu den Rechtsberufen sowie der wechselseitigen Anerkennung. Dazu wurde (unter anderem) das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (BARG) umfassend novelliert, wobei auch der Titel des Gesetzes in "Bundesgesetz über die Anrechenbarkeit von Ausbildungen und die wechselseitige Anrechenbarkeit der Berufsprüfungen der Rechtsberufe (Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz - ABAG)" geändert wurde.

Der zuvor in § 4 Z 1 BARG geregelte Gegenstand der Ergänzungsprüfung für einen Prüfungswerber, der die Notariatsprüfung bestanden hatte und die Rechtsanwaltsprüfung ablegen wollte, wurde mit dem BRÄG 2008 in § 12 Z 1 ABAG wie folgt neu gefasst:

"§ 12. Gegenstand der Ergänzungsprüfung sind für einen Prüfungswerber,

1. der die Notariatsprüfung bestanden hat und die Rechtsanwaltsprüfung ablegen will:

a) Vertretung vor österreichischen Gerichten im Zivilprozess (§ 20 Z 2 RAPG);

b) Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung im Bereich des österreichischen Strafrechts sowie Verteidigung und Vertretung vor österreichischen Strafgerichten (§ 20 Z 3 RAPG);

c) Vertretung im Anwendungsbereich des österreichischen Strafvollzugsgesetzes (§ 20 Z 4 RAPG);

d) Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung im Bereich des österreichischen Immaterialgüterrechts sowie Vertretung im Verfahren über den gewerblichen Rechtsschutz (§ 20 Z 5 RAPG);

e) Vertretung im österreichischen Insolvenzverfahren (§ 20 Z 6 RAPG);

f) Berufs- und Standesrecht der Rechtsanwälte sowie Kostenrecht (§ 20 Z 10 RAPG);"

Zusammenfassend und vereinfachend kann man damit festhalten, dass der Gegenstand der Ergänzungsprüfung für einen Prüfungswerber, der die Notariatsprüfung bestanden hatte und die Rechtsanwaltsprüfung ablegen wollte, durch das BRÄG 2008 gegenüber jener Rechtslage, wie sie nach dem BARG (ohne Berücksichtigung von Übergangsbestimmungen) bis gegolten hatte, deutlich erweitert wurde.

2.3. Zugleich erfolgten mit dem BRÄG 2008 auch Änderungen hinsichtlich der "Stammprüfungen", so etwa hinsichtlich der Notariatsprüfung in § 20 Notariatsprüfungsgesetz (NPG; vgl dazu im Folgenden unter 2.7.).

2.4. Zwischen den Verfahrensparteien strittig ist nun die Auslegung der Übergangsbestimmung des Art XVII § 18 BRÄG 2008.

Diese lautet wie folgt:

"Art. III Z 7 und 8 (§§ 12 und 13 ABAG), Art. X Z 3 lit. b (§ 12 Abs. 2 NPG), Art. X Z 4 bis 6 (§§ 13, 20 und 21 NPG) sowie Art. XI Z 4 bis 6 (§§ 12, 20 und 21 RAPG) sind anzuwenden, wenn der Antrag auf Zulassung zur Prüfung beziehungsweise zur ersten Teilprüfung nach dem bei der Prüfungskommission eingebracht wird. Im Fall der Wiederholung der Prüfung ist insoweit der Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung maßgeblich."

Nach Ansicht des Mitbeteiligten beziehe sich die Wendung "Antrag auf Zulassung zur Prüfung" auf die Stammprüfung (jene Prüfung, die angerechnet werden soll), während der Revisionswerber die Auffassung vertritt, dass diese Wendung auf den Antrag auf Zulassung zur Ergänzungsprüfung abstelle.

2.5. Das Verständnis dieser Übergangsbestimmung wird durch die Gesetzestechnik, die Übergangsfristen für alle mit der Sammelnovelle erfassten Prüfungen (Stammprüfungen wie auch Ergänzungsprüfungen) in einer Bestimmung zusammenzufassen, nicht erleichtert. Dennoch ist schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung deutlich, dass hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts für die Anwendung des § 12 ABAG (in der durch das BRÄG 2008 geschaffenen Fassung) auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Antrag auf Zulassung zu der in dieser Bestimmung geregelten Prüfung gestellt wurde. § 12 ABAG, der eben den Gegenstand der Ergänzungsprüfung regelt, ist demnach anzuwenden, wenn der Antrag auf Zulassung zu dieser Prüfung nach dem bei der Prüfungskommission eingebracht wird. Da § 12 Z 1 ABAG keine Regelungen zur Notariatsprüfung enthält, diese vielmehr als bestanden voraussetzt, müsste eine Übergangsbestimmung, nach der die Anwendbarkeit der neuen Fassung des § 12 Z 1 ABAG vom Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung zur Notariatsprüfung abhängig sein sollte, dies auch ausdrücklich aussprechen.

Dass die Übergangsbestimmung des Art XVII § 18 BRÄG 2008 auch auf Teilprüfungen Bedacht nimmt und solche bei der Ergänzungsprüfung nicht vorgesehen sind, vermag - entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten - an diesem Verständnis schon deshalb nichts zu ändern, weil sich die Bestimmung nicht auf die Ergänzungsprüfung nach dem ABAG beschränkt, sondern auch auf die Änderungen (unter anderem) zur Notariatsprüfung bezieht. So sind etwa die §§ 13, 20 und 21 NPG in der Fassung des BRÄG 2008 dann anzuwenden, wenn der Antrag auf Zulassung zur ersten Teilprüfung der in diesen Bestimmungen geregelten Notariatsprüfung nach dem bei der Prüfungskommission eingebracht wird.

2.6. Das Bundesverwaltungsgericht vertrat im Ergebnis die Auffassung, dass es gewissermaßen zu einer "Versteinerung" des Berufungsprüfungsrechts komme und Personen, die den Antrag auf Zulassung zur ersten Teilprüfung der Notariatsprüfung (bzw zur Notariatsprüfung vor Inkrafttreten des NPG am ) vor dem gestellt haben, unbefristet die Ergänzungsprüfung nach der Rechtslage vor dem BRÄG 2008 - somit nach § 4 Z 1 BARG - ablegen könnten.

Für ein derartiges Verständnis bietet der Wortlaut des ABAG wie auch des Art XVII § 18 BRÄG 2008 keinen Anhaltspunkt. Auch die Gesetzesmaterialien lassen nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine "Versteinerung" der Ergänzungsprüfung beabsichtigt hätte. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (303 BlgNR 23. GP, S 56) führen zur Übergangsbestimmung des Art XVII § 18 BRÄG 2008 Folgendes aus:

"§ 18 sieht vor, dass die inhaltliche Neuordnung der Bereiche der Rechtsanwalts- und Notariatsprüfung erst zur Anwendung kommt, wenn der Antrag auf Zulassung zur Prüfung beziehungsweise zur ersten Teilprüfung nach dem bei der Prüfungskommission eingebracht wird; entsprechendes gilt auch für den Bereich der Prüfungen nach dem zweiten Abschnitt des ABAG. Diese sehr lange Übergangsfrist beruht insbesondere auf dem gleichzeitig vorgesehenen Entfall der Möglichkeit der Anrechnung der Rigorosen auf Teile der Rechtsanwalts- oder Notariatsprüfung. Damit soll das Vertrauen der Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Doktoratsstudiums, die sich zu diesem weiteren Studium unter Umständen auch wegen dieser bisher bestehenden 'Abschichtungsmöglichkeit' bei den Berufsprüfungen entschieden haben, ausreichend berücksichtigt und geschützt werden."

Legt man diese Erläuterungen zugrunde, war die Absicht des Gesetzgebers darauf gerichtet, im Wesentlichen aus Vertrauensschutzgründen (im Hinblick auf bereits durch entsprechende Studienwahl vor Beschluss des BRÄG 2008 getroffene Dispositionen) für das Wirksamwerden der neuen Prüfungsordnung einen langen Übergangszeitraum vorzusehen. Dass nach diesem Übergangszeitraum das neue Prüfungsregime nur hinsichtlich der Notariats- und Rechtsanwaltsprüfung voll wirksam werden sollte, hinsichtlich der Ergänzungsprüfung aber nur für jene Prüfungswerber, die auch die Zulassung zur Notariats- bzw Rechtsanwaltsprüfung erst nach diesem Zeitpunkt beantragen, lässt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht ableiten, zumal diese lediglich darlegen, weshalb eine - unüblich lange - Übergangsfrist gewählt wurde.

Im Übrigen entspricht es bei Änderungen im Prüfungsrecht der ständigen legislativen Praxis, für das Wirksamwerden einer geänderten Prüfungsordnung einen Stichtag zu wählen, der sich auf den Antrag auf Zulassung zu dieser Prüfung bezieht (vgl etwa Art 11 § 8 BRÄG 2013, BGBl I Nr 159/2013, oder auch bereits Art III Abs 5 der Stammfassung des Notariatsprüfungsgesetzes, BGBl Nr 522/1987).

2.7. Soweit das Bundesverwaltungsgericht - der Argumentation des Mitbeteiligten folgend - schließlich im Wesentlichen den Zusammenhang zwischen den Gegenständen der Notariatsprüfung und den Gegenständen der Ergänzungsprüfung in den Mittelpunkt seiner Erwägungen stellte, ist festzuhalten, dass mit dem BRÄG 2008 vor allem aufgrund des geänderten universitätsrechtlichen Rahmens eine Neuordnung des Zugangs zum Beruf des Rechtsanwalts und des Notars erfolgte (vgl ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, S 1). Die Umgestaltung des Prüfungskatalogs der Notariatsprüfung verfolgte den Zweck, "praxisorientiert anhand der Tätigkeiten des Notars die notwendigen Kenntnisse des österreichischen Rechts und seiner erfolgreichen praktischen Anwendung zu prüfen" (ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, S 42). Entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten korrespondieren die mit dem BRÄG 2008 vorgenommenen Änderungen bei den Gegenständen der Ergänzungsprüfung nicht in der Weise mit den Änderungen bei der Notariatsprüfung, dass die "neue" - nach Prüfungsgegenständen umfangreichere - Ergänzungsprüfung schlicht einen Wegfall von Prüfungsgegenständen bei der "neuen" Notariatsprüfung kompensieren würde.

§ 20 NPG lautete vor dem Inkrafttreten des BRAG 2008:

"§ 20. (1) Gegenstand der mündlichen Prüfung der ersten Teilprüfung sind:

1. Zivilgerichtliches Verfahrensrecht unter besonderer Berücksichtigung des Verlassenschafts- und des Grundbuchsverfahrens;

2. Erbrecht, Grundbuchsrecht, Wertpapierrecht, insbesondere Wechsel- und Scheckrecht;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
3.
notarielles Beurkundungsrecht;
4.
Strafrecht, Strafprozeßrecht, Grundzüge der Kriminologie und des Strafvollzugsrechts;
5.
Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsstrafrecht;
6.
Berufs- und Standesrecht der Notare sowie Grundzüge des Tarifrechts.

(2) Gegenstand der mündlichen Prüfung der zweiten Teilprüfung sind:

1. Bürgerliches Recht einschließlich des Internationalen Privatrechts sowie Grundzüge des Arbeitsrechts und des Sozialrechts, des Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsrechts;

2. Handelsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Gesellschaftsrechts, Immaterialgüterrecht, gewerblicher Rechtsschutz sowie Wirtschaftsrecht samt Verfahrensrechten;

3. Grundzüge des Verfassungsrechts, der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit und des Verwaltungsrechts;

4. Abgabenrecht unter besonderer Berücksichtigung der Gebühren und Verkehrsteuern, einschließlich Finanzstrafrecht und Verfahrensrecht;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
5.
Vertragsgestaltung und Urkundenverfassung;
6.
Vorschriften über die Amtsführung der Notare sowie Tarifrecht;
7.
Pflichten des Notars als Unternehmer, insbesondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzrechts und der Lehrlingsausbildung;
8.
Grundzüge des Europarechts."
In der durch das BRÄG 2008 geänderten Fassung lautete § 20 NPG wie folgt:

"§ 20. (1) Bei der mündlichen Prüfung der ersten Teilprüfung sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüfungswerbers in den folgenden Bereichen zu überprüfen:

1. Falllösung im Rahmen der Tätigkeit des Notars als Gerichtskommissär unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Verfahrens außer Streitsachen,

2. Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung und der Errichtung von Urkunden im Bereich des österreichischen Erbrechts und des österreichischen Grundbuchsrechts,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
3.
Falllösung im Bereich des notariellen Beurkundungsrechts,
4.
Vertretung im zivilgerichtlichen Verfahren und Verteidigung in Strafsachen vor österreichischen Bezirksgerichten einschließlich Falllösung,
5.
Vertretung im österreichischen Verfahren außer Streitsachen sowie Mediation in Grundzügen und
6.
Berufs- und Standesrecht der Notare sowie Grundzüge des Tarifrechts.

(2) Bei der mündlichen Prüfung der zweiten Teilprüfung sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüfungswerbers in den folgenden Bereichen zu überprüfen:

1. Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung und der Errichtung von Urkunden im Bereich des österreichischen Familienrechts einschließlich von Fällen mit Auslandsbezug,

2. Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung und der Errichtung von Urkunden im Bereich des österreichischen Schuldrechts,

3. Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung und der Errichtung von Urkunden im Bereich des österreichischen Unternehmens- und Gesellschaftsrechts einschließlich des einschlägigen Europarechts,

4. Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung und Vertretung vor Österreichischen Verwaltungsbehörden einschließlich der Vertretung vor den österreichischen Gerichten des öffentlichen Rechts,

5. Falllösung und Vertretung im österreichischen Abgabenrecht einschließlich des Finanzstrafverfahrens,

6. Vorschriften über die Amtsführung der Notare sowie Tarifrecht und

7. Pflichten des Notars als Unternehmer und Dienstgeber, Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB)."

Auch dieser Vergleich macht deutlich, dass die Neuordnung der Notariatsprüfung 2008 keineswegs (auch) zum Ziel hatte, in besonderem Maße gerade jene Prüfungsgegenstände entfallen zu lassen oder zurückzunehmen, die für eine allfällige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs (nach Absolvierung der Ergänzungsprüfung) von Bedeutung wären. Vielmehr erfolgte eine verstärkt praxisorientierte Neuausrichtung der Prüfung (vgl die bereits zitierten ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, S 42), der der Grundsatz zugrunde liegt, dass die Fachgebiete "nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Tätigkeit des Notars zu prüfen sind" (vgl nochmals die ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, S 42).

Dies gilt in gleicher Weise für die Neuordnung der Rechtsanwaltsprüfung (vgl auch dazu die ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, S 43f, die in ähnlicher Weise wie hinsichtlich der Notariatsprüfung die Praxisorientierung und Falllösung hervorheben).

Vor diesem Hintergrund ist auch die Neuordnung der Ergänzungsprüfung durch das BRÄG 2008 zu verstehen: die Gegenstände der Ergänzungsprüfung sollten ausweislich der Materialien (ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, S 32) "an die geänderten Prüfungsfächer der Rechtsanwaltsprüfung und der Notariatsprüfung (...) angepasst werden." Auch die Ergänzungsprüfung wurde dementsprechend in Richtung stärkerer Praxisorientierung verändert und ein (Ergänzungs )Prüfungskandidat, der die Notariatsprüfung abgelegt hat, muss sich daher (unter anderem) in der strafrechtlichen (§ 12 Z 1 lit b ABAG) oder immaterialgüterrechtlichen (§ 12 Z 1 lit d ABAG) Falllösung bewähren - somit in Prüfungsgegenständen, die in dieser Weise auch nicht Teil der "alten" Notariatsprüfung (vor Inkrafttreten des BRÄG 2008) waren.

Dem Bundesverwaltungsgericht - das sich diesbezüglich der Argumentation des Mitbeteiligten anschloss - kann daher auch nicht darin gefolgt werden, dass der Mitbeteiligte, der die Notariatsprüfung nach dem Prüfungsregime vor Inkrafttreten des BRÄG 2008 abgelegt hat, damit auch "die Kenntnis aller Inhalte, die nach neuer Rechtslage gemäß § 12 Z 1 lit. a bis e ABAG idF BGBl. I 111/2007 Bestandteil der Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung sind, bereits im Rahmen der 'alten' Notariatsprüfung unter Beweis gestellt" hätte.

3. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

Gemäß § 42 Abs 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

Dieser Fall liegt hier vor. Der vom Bundesverwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt (siehe oben 2.1.) ist unstrittig. Ausgehend davon war nach den obigen Rechtsausführungen im Ergebnis der durch den Bescheid des Präsidenten des OLG Wien als Präses der Ausbildungsprüfungskommission gegebene Rechtszustand wieder herzustellen und der Antrag des Mitbeteiligten auf Zulassung zur Rechtsanwalts-Ergänzungsprüfung nach der Prüfungsordnung gemäß § 4 Z 1 Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (BARG) in der Fassung BGBl Nr 21/1993 abzuweisen.

Wien, am