VwGH vom 26.06.2013, 2011/22/0319
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 156.857/3-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die in erster Instanz vorgenommene Zurückweisung eines am eingelangten Antrages des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 iVm § 41a Abs. 9 und § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer zuletzt am illegal eingereist sei und an diesem Tag einen Asylantrag eingebracht habe. Die Abweisung dieses Antrages durch das Bundesasylamt sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom iVm einer Ausweisung bestätigt worden. Am habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" eingebracht, der nach Inkrafttreten der Novelle mit als Antrag gemäß § 41a Abs. 1 Z 9 NAG "bzw." § 43 Abs. 3 NAG zu werten sei. "In Ihrem Fall wurde mit Erkenntnis des AGH vom Ihre Ausweisung 'in den Iran' ausgesprochen und ist diese rechtskräftig. Durch diese Entscheidung des AGH vom wurde bereits eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durchgeführt."
Weiters führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg habe unter Hinweis auf den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom im ersten Asylverfahren und das Erkenntnis des AGH vom im zweiten Asylverfahren in der Stellungnahme vom festgehalten, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers jedenfalls zulässig wäre. "Seit Abgabe der ersten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion Salzburg vom bis jetzt hat sich laut Stellungnahme der Sicherheitsdirektion Salzburg nach Durchsicht des vorliegenden Aktes kein neuer Sachverhalt ergeben."
In seiner Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer lediglich angegeben, dass er wegen seiner Lebenssituation sehr verzweifelt wäre. "Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit Erlassung der Ausweisung durch das Bundesasylamt Außenstelle Traiskirchen, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung konnte Ihrem Vorbringen nicht entnommen werden weshalb Ihre Berufung abzuweisen war."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2011 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden sind.
Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ist ein Antrag wie der vorliegende als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
Die belangte Behörde bejahte die Zulässigkeit einer solchen Zurückweisung mit der - zitierten - unterschiedlichen Begründung, es habe sich seit der ersten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom bis jetzt (gemeint offenbar den Zeitpunkt der Stellungnahme vom ) bzw. seit Erlassung der Ausweisung durch das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der maßgebliche Sachverhalt nicht geändert.
Beide Varianten führen zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Maßgeblich ist nämlich jener Sachverhalt, der der rechtskräftigen (und nicht bloß der nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen) Ausweisungsentscheidung zu Grunde lag, und es ist zu prüfen, ob sich dieser bis zum Zeitpunkt der in erster Instanz vorgenommenen Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf Art. 8 EMRK maßgeblich geändert hat (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0070). Die im vorliegenden Fall aufgezeigten alternativen Ausführungen der belangten Behörde entsprechen somit beide nicht der Rechtslage.
Weiters ist die Bescheidbegründung insofern mangelhaft, als das Erkenntnis des Asylgerichtshofes einerseits mit und andererseits mit zitiert wird. Aus dem Verwaltungsakt ist zu sehen, dass dieses Erkenntnis mit datiert ist. Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist deswegen relevant, weil angesichts der - aus dem Akt ersichtlichen - Einreise des Beschwerdeführers in Österreich bereits im Jahr 2000 und des Zeitraumes zwischen der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung und dem erstinstanzlichen Bescheid der Niederlassungsbehörde vom nicht auszuschließen ist, dass eine Neubeurteilung nach Art. 8 EMRK zu erfolgen hat.
Wegen der oben aufgezeigten und vorrangig wahrzunehmenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am