VwGH vom 16.09.2015, Ro 2014/22/0047
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des M M in Wien, vertreten durch Hasberger Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW- 151/023/11362/2014-14, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgewiesen. Das Verwaltungsgericht erklärte die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis als zulässig.
Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei mit der österreichischen Staatsbürgerin Z.M. verheiratet und lebe mit ihr zuletzt seit September 2010 in Wien. Der Revisionswerber sei erstmals in den 1970-er Jahren in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wobei er nach zwei Jahren wieder in seine Heimat zurückgekehrt sei. Im Jahr 1977 sei der Revisionswerber neuerlich nach Österreich gereist, zumindest seit Februar 1981 sei er im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen den Revisionswerber, auf Grund von strafrechtlichen Verurteilungen und des Umstandes, dass sich der Revisionswerber seit unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Ungeachtet dieses Aufenthaltsverbotes habe sich der Revisionswerber weiterhin bis in das Jahr 2002 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten. Im Zeitraum zwischen 2002 und 2009 habe sich der Revisionswerber "mehrheitlich" in Deutschland aufgehalten. Er habe seine Ehegattin im Jahr 1971 geheiratet. Nach der Scheidung dieser Ehe im Jahr 1980 sei eine neuerliche Eheschließung zwischen dem Revisionswerber und Z.M. im Jahr 2002 in Serbien erfolgt. Aus dieser Verbindung seien insgesamt vier Kinder hervorgegangen, welche allesamt großjährig und selbsterhaltungsfähig seien.
Die Ehegattin des Revisionswerbers beziehe eine Invaliditätspension in Höhe von EUR 740,31 samt Ausgleichszulage in der Höhe von EUR 545,72 und Pflegegeld Stufe 3 in der Höhe von EUR 442,90. Dies ergebe unter Berücksichtigung des Krankenversicherungsbeitrages und aliquoter Sonderzahlungen ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.423,84 ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes und EUR 1.866,74 mit Berücksichtigung des Pflegegeldes. Die Ehegattin des Revisionswerbers habe bei der Bank Austria Verbindlichkeiten in der Höhe von zumindest EUR 31.000,--, wobei diesbezüglich eine Tilgungsvereinbarung geschlossen worden sei. Ob und in welcher Höhe Rückzahlungen der ausstehenden Verbindlichkeiten aktuell geleistet würden, habe das Verwaltungsgericht mangels Vorlage von Unterlagen trotz entsprechender Aufforderung nicht feststellen können. Z.M. sei Mieterin einer Wohnung, in der neben den Eheleuten noch die Mutter des Revisionswerbers sowie zwei Enkelkinder des Ehepaares lebten. Für diese Wohnung entstünden monatliche Kosten von insgesamt EUR 562,--.
Weiters führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 nicht nachweisen können. In Deutschland verfüge er über ein Daueraufenthaltsrecht.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, der Beschwerdeführer beabsichtige, sein Aufenthaltsrecht auf die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu stützen. Demnach sei zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ein Betrag in der Höhe von EUR 1.286,03 zu veranschlagen. Zusätzlich fielen für die gemeinsame Wohnung Mietkosten in der Höhe von monatlich EUR 562,-- an, wovon jedoch der Betrag nach § 292 Abs. 3 ASVG abzuziehen wäre, was einen Restbetrag von EUR 287,94 ergebe. Somit wäre ein monatliches Nettohaushaltseinkommen von EUR 1.493,97 zur Sicherung der Finanzierung des Aufenthaltes des Revisionswerbers nachzuweisen.
Zur Ausgleichszulage im Ausmaß von EUR 545,72, die die Ehegattin des Revisionswerbers zusätzlich zur Invaliditätspension in der Höhe von EUR 740,31 beziehe, sei festzuhalten, dass einem Pensionisten eine solche dann zustünde, wenn das Gesamteinkommen den gesetzlich vorgesehenen Richtsätzen nicht entspreche. Dieser Richtsatz betrage für alleinstehende Pensionisten EUR 857,73 und für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar EUR 1.286,03. Somit stehe die so lukrierte Ausgleichszulage der Ehegattin des Revisionswerbers im erwähnten Ausmaß dann zu, wenn sie mit ihrem Ehegatten in gemeinsamem Haushalt lebe, wobei diesfalls ein allfälliges Einkommen des Revisionswerbers bei der Ermittlung dieses Richtsatzes zu berücksichtigen wäre. Ohne Berücksichtigung des Revisionswerbers im gemeinsamen Haushalt würde dessen Ehegattin lediglich eine Ausgleichszulage in der Höhe von EUR 117,42 zustehen, was unter Einrechnung aliquoter Sonderzahlungen ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.000,68 ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes und von EUR 1.443,58 mit Berücksichtigung des Pflegegeldes ergebe.
Zur Frage der Berücksichtigung der Ausgleichszulage bei der Einkommensbemessung nach § 11 Abs. 5 NAG habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2012/22/0027, ausgesprochen, dass nach dem Gesetzeswortlaut der angeführten Bestimmung im Verfahren über einen Erstantrag die Ausgleichszulage dem Ehegatten des Fremden erst dann zustünde, wenn dieser nach stattgefundenem Familiennachzug mit seinem Gatten in einem gemeinsamen Haushalt leben würde. Bei der Berechnung des verfügbaren Einkommens dürfe diese nicht berücksichtigt werden. Zwar stehe fest, dass die Ehegattin des Revisionswerbers die Ausgleichszulage in der Höhe des Familienrichtsatzes tatsächlich beziehe, dies ändere jedoch nichts daran, dass der Revisionswerber mit Unterbrechungen in Österreich bereits seit mehr als zwanzig Jahren unrechtmäßig aufhältig sei. Unter Heranziehung der zitierten Rechtsprechung, wonach im Falle der Einbringung eines Erstantrages die erhöhte Ausgleichszulage nach dem Ehegattenrichtsatz grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sei, erscheine es als unbillig, die bezogene Ausgleichszulage in der Höhe des Familienrichtsatzes der Einkommensberechnung nach § 11 Abs. 5 NAG zu Grunde zu legen. Jede andere Sichtweise würde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes dazu führen, dass der Aufenthaltstitelwerber durch seinen rechtswidrigen Aufenthalt und die durch die Zusammenführende auf Basis dieses Verhaltens bezogene Zulage im Vergleich zu anderen Titelwerbern noch belohnt würde, da er ansonsten bessere Aussichten hätte, die finanziellen Mittel zur Bestreitung des Aufenthaltes in Österreich nachzuweisen.
Somit sei festzuhalten - so das Verwaltungsgericht in seiner Begründung weiter -, dass die Zusammenführende über ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.443,58 verfüge. Da zur Sicherung der Finanzierung des Aufenthaltes des Revisionswerbers ein monatliches Nettohaushaltseinkommen von EUR 1.493,97 nachzuweisen wäre, erweise sich das Einkommen der Zusammenführenden als unzureichend und es sei die Abweisung des eingebrachten Antrages durch die Behörden zu Recht erfolgt.
Weiters verneinte das Verwaltungsgericht das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG. Bei der Beurteilung der öffentlichen Interessen an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels erscheine neben der mangelnden Finanzierung des Aufenthaltes des Revisionswerbers dessen über "mehrere Jahrzehnte währender, zuletzt mindestens seit dem Jahr 2009 durchgehend bestehender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet" wesentlich. Dem stehe der Umstand gegenüber, dass die Ehegattin und die Mutter des Revisionswerbers sowie zwei seiner Kinder in Österreich lebten und der Revisionswerber gemeinsam mit seiner Ehegattin und seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt lebe. Allerdings sei festzuhalten, dass die erneute Eheschließung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als das gegen den Revisionswerber erlassene Aufenthaltsverbot noch aufrecht gewesen sei. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht stehe fest, dass der Revisionswerber bislang in Österreich mit Ausnahme einer bis zum Jahr 1991 entfalteten Beschäftigung keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Fest stehe auch, dass keine Anhaltspunkte für eine "weitergehende soziale Vernetzung" des Revisionswerbers in Österreich bestünden. Auch entspreche es den Tatsachen, dass der Revisionswerber im Alter von ungefähr 28 Jahren nach Österreich eingereist sei und, neben grundsätzlichen Kenntnissen der deutschen Sprache, serbisch spreche. Zwar sei festzuhalten, dass er keine familiären Bindungen mehr in Serbien habe, allerdings sei dem entgegen zu halten, dass er dort aufgewachsen und entsprechend sozialisiert sei.
Somit sei festzuhalten, dass die fehlenden Mittel zur Finanzierung des Unterhaltes des Revisionswerbers in Österreich sowie sein unrechtmäßiger Aufenthalt über mehrere Jahrzehnte im Bundesgebiet in Abwägung mit dem hier entfalteten Familienleben und den sonstigen integrationsbestimmenden Merkmalen zu einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels über die privaten Interessen des Revisionswerbers an der Erteilung des Aufenthaltstitels führen würden.
Danach führte das Verwaltungsgericht aus, dass abgesehen von diesen Erwägungen der Antrag des Revisionswerbers auch deswegen als nicht genehmigungsfähig erscheine, weil Erstanträge gemäß § 21 Abs. 1 NAG bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen seien und die Entscheidung im Ausland abzuwarten sei. Der Revisionswerber habe jedoch den Antrag im Inland gestellt und es sei kein Umstand ersichtlich, welcher für die Zulassung einer Antragstellung im Inland sprechen würde.
Eine weitere Erfolgsvoraussetzung für den vorliegenden Antrag stelle der Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG dar. Ein entsprechender Nachweis sei vom Revisionswerber bislang nicht erbracht worden. Gemäß § 21a Abs. 5 NAG könne auf begründeten Antrag von rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen und gemäß § 21 Abs. 2 NAG zur Inlandsantragstellung berechtigten Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis gemäß § 21a Abs. 1 NAG unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden, worüber der Fremde zu belehren sei. Der Revisionswerber sei weder rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig noch zur Inlandsantragstellung berechtigt, sodass die Argumentation des Bestehens eines Verfahrensmangels wegen nicht erfolgter Belehrung durch die Behörde nach § 21a Abs. 5 NAG ins Leere gehe.
Soweit der Revisionswerber ausführe, seine Ehegattin habe ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht durch einen Aufenthalt in Deutschland in Anspruch genommen und es käme ihm deshalb ohnehin ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu, sei ihm entgegenzuhalten, dass es in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Aufenthaltsrechtes "Familienangehöriger" nicht möglich sei, über das Bestehen eines allfälligen anderen Aufenthaltsrechtes abzusprechen.
Zur Zulässigkeit der Erhebung einer ordentlichen Revision hielt das Verwaltungsgericht abschließend fest, dass im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG insofern grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob im Falle des unrechtmäßigen Aufenthalts des Ehegatten des Zusammenführenden der Bezug einer darauf basierenden erhöhten Ausgleichszulage bei der Einkommensberechnung nach § 11 Abs. 5 NAG zu berücksichtigen sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 81 Abs. 26 NAG sind mit Ablauf des beim Bundesminister für Inneres anhängige Berufungsverfahren ab vom zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.
§ 11, § 47, § 52 und § 57 NAG in der genannten Fassung lauteten auszugsweise:
"§ 11. ...
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
...
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
...
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage."
"§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
..."
"§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
..."
"§ 57. Die Bestimmungen der §§ 51 bis 56 finden auch auf Schweizer Bürger, die das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, und deren Angehörige Anwendung. Für Angehörige von Österreichern gelten die Bestimmungen der §§ 52 bis 56 sinngemäß, sofern der Österreicher sein unionsrechtliches oder das ihm auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt."
Zur Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, dass bei einem unrechtmäßigen Aufenthalt des Ehegatten der Zusammenführenden der Bezug einer darauf basierenden erhöhten Ausgleichszulage bei der Einkommensberechnung nach § 11 Abs. 5 NAG nicht zu berücksichtigen sei, ist Folgendes auszuführen:
Nach § 11 Abs. 5 letzter Satz NAG sind in Verfahren bei Erstanträgen soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I Nr. 111/2010, 981 BlgNR 24. GP, 160, führen dazu aus:
"Der neu angefügte Satz in § 11 Abs. 5 bestimmt, dass sich Fremde bei erstmaligem Zuzug nach Österreich nicht auf soziale Leistungen berufen dürfen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde. Für die Beurteilung der Frage, ob der Aufenthalt eines Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt, ist daher im Hinblick auf die Berücksichtigung öffentlicher Mittel in Verfahren bei Erstanträgen jene finanzielle Situation des Fremden maßgebend, wie sie sich vor Zuzug des Fremden nach Österreich darstellt."
Daraus ergibt sich, dass die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Zusammenführenden danach zu beurteilen ist, wie sie sich ohne den - im gegenständlichen Fall bereits erfolgten - Zuzug des Fremden darstellen würde.
Unbestritten ist, dass die Ehegattin des Revisionswerbers die (volle) Ausgleichszulage in der Höhe von EUR 545,72 erst aufgrund des Zuzuges des Revisionswerbers erhalten hat. Im Rahmen eines Erstantrages ist die Berechnung des Einkommens unter Außerachtlassung der angeführten (erhöhten) Ausgleichszulage durch das Verwaltungsgericht daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Allerdings verweist der Revisionswerber darauf, dass er vor seinem nunmehrigen Aufenthalt in Österreich gemeinsam mit seiner Ehegattin in Deutschland gelebt habe. Seine Ehegattin habe ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht durch den Aufenthalt in Deutschland in Anspruch genommen.
Nach § 57 NAG gilt für Angehörige von Österreichern ua. die Bestimmung des § 52 leg. cit. sinngemäß, sofern der Österreicher sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt.
Das Verwaltungsgericht nahm es sachverhaltsmäßig als erwiesen an, dass die Ehegattin des Revisionswerbers "mit Ausnahme eines zeitweiligen Aufenthaltes in Deutschland" seit 45 Jahren in Österreich gelebt habe. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, dass sich "die getätigten Feststellungen (...) auf den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt sowie insbesondere auf die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers sowie der einvernommenen Zeugin (der Ehegattin des Revisionswerbers) im Zuge der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung" am gründeten. In der rechtlichen Beurteilung führt das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber die behauptete Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes seiner Gattin über mehr als drei Monate "nicht ansatzweise" belegt hätte.
Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes hält die Revision zutreffend entgegen, dass die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin einvernommene Ehegattin aussagte, für zwei bis drei Jahre in Deutschland gelebt zu haben und durchgehend mit ihrem Ehemann zusammen gewesen zu sein. Der Revisionswerber sagte vor dem Verwaltungsgericht aus, dass sie gemeinsam von 2002 bis 2007 "mehrheitlich" in Deutschland gelebt hätten. Mit diesen Aussagen setzt sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht auseinander. Lediglich im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung merkt das Verwaltungsgericht an, die Aussagen der Eheleute über den in Deutschland verbrachten Zeitraum würden variieren. Der daraus offenbar gezogene Schluss, dass die Eheleute überhaupt nicht in Deutschland gelebt hätten und die zusammenführende Ehegattin ihr Recht auf Freizügigkeit in Deutschland von mehr als drei Monaten nicht in Anspruch genommen hätte, ist unschlüssig, zumal das Verwaltungsgericht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht selbst feststellt, dass die Ehegattin "zeitweilig" in Deutschland gelebt hätte und die deutschen Behörden offenkundig von der Inanspruchnahme ihres Freizügigkeitsrechts durch die Ehefrau des Revisionswerbers ausgegangen sind.
Soweit das Verwaltungsgericht ergänzend ausführt, dass es in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nicht möglich sei, über das Bestehen eines allfälligen anderen Aufenthaltsrechtes abzusprechen, übersieht es, dass angesichts des eben dargestellten Verfahrensmangels die vom Verwaltungsgericht selbst grundsätzlich bejahte Anleitungspflicht nach § 23 Abs. 1 NAG doch zum Tragen kommen könnte.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG bereits aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am