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VwGH vom 27.01.2015, Ro 2014/22/0045

VwGH vom 27.01.2015, Ro 2014/22/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-750139/2/MB/KHU, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: H, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die Revisionswerberin den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den zitierten Bescheid Folge und erteilte dem Mitbeteiligten einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" für zwölf Monate. Weiters erklärte es die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

Das Verwaltungsgericht ging dabei von folgendem Sachverhalt aus: Der Mitbeteiligte sei am in Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom "negativ erledigt" worden sei. Der Mitbeteiligte sei nun 39 Jahre alt und wohne mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind. Die Lebensgefährtin sei im November 2009 in Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Dieser und der Asylantrag des Kindes seien abgewiesen worden, die dagegen erhobenen Beschwerden seien noch anhängig. Der Mitbeteiligte habe am das österreichische Sprachdiplom auf dem Niveau A2 erfolgreich abgelegt. Er sei seit November 2008 selbständig tätig, befinde sich nicht mehr in der Grundversorgung des Landes und sei selbst krankenversichert. Er habe Unterstützungserklärungen von seiner Gemeinde sowie von Privatpersonen beigelegt und sei strafrechtlich und verwaltungsrechtlich unbescholten. Dieser Sachverhalt habe sich widerspruchsfrei aus dem Verfahrensakt ergeben.

Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass sich aus den Bestimmungen des § 81 Abs. 25, 26 und 27 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) hinreichend klar ergebe, dass ein "Altfall" wie dieser anhand der früheren Rechtslage (des NAG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 87/2012) fortzuführen gewesen sei. Andernfalls hätten in allen Übergangsfällen die betreffende Verwaltungsbehörde und das zuständige Verwaltungsgericht unterschiedliche Rechtslagen anzuwenden und es wäre jedem Beschwerdeführer die Möglichkeit eröffnet, durch Beschwerdeerhebung von der früheren in die aktuelle Rechtslage zu wechseln. Weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, welche Rechtslage für das Verwaltungsgericht einschlägig sei, wenn ein nach dem anhand der Rechtslage (des NAG idF) vor BGBl. I Nr. 87/2012 erlassener Bescheid angefochten werde, sei die ordentliche Revision für zulässig zu erklären.

Im konkreten Fall zeichne sich ein Gesamtbild eines gut in Österreich integrierten Antragstellers ab, das auch erkennen lasse, dass dieser seine Integrationsbemühungen weiter fortführen werde. Der Mitbeteiligte halte sich seit nunmehr acht Jahren in Österreich auf, spreche gut deutsch und gehe einer selbständigen Tätigkeit nach. Er könne sich nunmehr seit rund sechs Jahren seinen Unterhalt selbst finanzieren, sei krankenversichert und nicht auf staatliche Leistung aus der Grundversorgung angewiesen. Hinzu komme, dass sich sowohl die Lebensgefährtin als auch das gemeinsame Kind derzeit in Österreich aufhielten und der Mitbeteiligte mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebe. Somit erachte das Landesverwaltungsgericht die Erteilung des Aufenthaltstitels an den Mitbeteiligten gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK geboten.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde, Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Verwaltungsgericht hat die Revision hinsichtlich der Rechtsfrage für zulässig erklärt, ob das Verwaltungsgericht anhand der Übergangsbestimmungen des NAG ebenso wie die Behörde die Bestimmungen dieses Gesetzes in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden hat. Da diesbezüglich Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt und der Frage, welche Rechtslage in bestimmten Konstellationen anwendbar ist, über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt, hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Revision für zulässig erklärt.

Die Revision ist somit zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

§ 81 NAG (BGBl. I Nr. 100/2005) in der Fassung

BGBl. I Nr. 40/2014, lautet (auszugsweise):

"Übergangsbestimmungen

§ 81. (l)...

(23) Verfahren gemäß §§ 41a Abs. 9 und 10, 43 Abs. 3 und 4 sowie 69a Abs. 1 Z 1 bis 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012, welche vor dem bei der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 anhängig wurden und am noch anhängig sind, sind auch nach Ablauf des von der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

(24) ...

(25) Ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des erlassen worden, läuft die Berufungsfrist mit Ablauf des noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden. Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

(26) Alle mit Ablauf des beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren und Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (§ 73 AVG) nach diesem Bundesgesetz, sind ab vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

(27) Wird eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 nach Ablauf des durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof behoben, so fällt dieses Verfahren an das jeweils zuständige Landesverwaltungsgericht zurück, das nach diesem Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu entscheiden hat.

(28) ..."

Aus der zitierten Bestimmung lässt sich ableiten, dass die dort genannten, im Jahr 2013 bereits anhängigen Verfahren ("Altfälle") von den nach dem zuständigen Behörden oder Landesverwaltungsgerichten nach dem NAG idF vor BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen sind, und zwar auch dann, wenn bei einer erst nach dem in einem "Altfall" ergangenen aufhebenden Entscheidung des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes in einem weiteren Rechtsgang zu entscheiden ist. Für den Fall, dass ein Verfahren vor dem anhängig wurde, die Behörde gemäß § 81 Abs. 23 NAG im Jahr 2014 (nach der Rechtslage vor BGBl. I Nr. 87/2012) entschieden hat und danach Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben wurde, fehlt eine ausdrückliche Regelung, welche Rechtslage das Landesverwaltungsgericht anzuwenden hat.

Eine solche ausdrückliche Regelung ist aber insofern nicht erforderlich, als nach der ständigen hg. Rechtsprechung seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. 9315 A/1977, der Grundsatz, dass eine Rechtsmittelinstanz in der Regel nach jener Rechtslage zu entscheiden hat, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gilt, dann nicht zum Tragen kommt, wenn in einer Übergangsvorschrift zum Ausdruck kommt, dass "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Die Anordnung, dass die Behörde eine bestimmte Rechtslage anzuwenden hat, führt daher auch dazu, dass das kontrollierende Verwaltungsgericht diese Rechtslage anzuwenden hat, zumal aufgrund der angeführten Bestimmungen kein Zweifel an der Intention des Gesetzgebers besteht, dass alle oben genannten "Altfälle" nach der Rechtslage vor dem zu entscheiden sind.

Daher sind in Fällen wie dem vorliegenden auch von den Verwaltungsgerichten die Bestimmungen des NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden.

Die Revisionswerberin macht geltend, dass die im angefochtenen

Erkenntnis zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht von der ständigen

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 41a Abs. 9 iVm

§ 11 Abs. 2 und 3 NAG abweiche und eine solche Rechtsprechung zu

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG fehle.

Hiezu ist zunächst zu bemerken, dass entgegen der darauf

abzielenden Rüge der Revisionswerberin das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung getroffen und auch begründet hat.

Die Revisionswerberin zeigt auch keine rechtswidrige Vorgangsweise des Verwaltungsgerichtes auf. Dieses verzichtete auf die Durchführung einer Verhandlung, weil sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt "aus den Feststellungen der belangten Behörde sowie dem Beschwerdevorbringen" ergebe und eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten sei. Es trifft zu, dass sich der vom Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis zu Grunde gelegte Sachverhalt mit demjenigen deckt, der von der Behörde im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt worden ist. In der Beschwerde wird im Wesentlichen auf diesen Sachverhalt verwiesen, ohne neue Tatsachen oder Beweise im Sinn des § 10 VwGVG vorzubringen. Somit durfte das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionswerberin von der Durchführung einer Verhandlung Abstand nehmen.

Letztlich hegt der Gerichtshof unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall gegebenen persönlichen Verhältnisse des Mitbeteiligten keine Bedenken gegen die Richtigkeit des Ergebnisses der vom Verwaltungsgericht mängelfrei durchgeführten Interessenabwägung.

Im Übrigen stellt die einzelfallbezogene Beurteilung der Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0033).

Da somit insgesamt dem angefochtenen Erkenntnis keine Rechtswidrigkeit anhaftet, war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am